Titel: Theorie der Turbine, von de Pambour.
Fundstelle: Band 182, Jahrgang 1866, Nr. LXXI., S. 264
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LXXI. Theorie der Turbine, von de Pambour. Nach den Comptes rendus, t. LXIII p. 334, August 1866; aus der deutschen Industriezeitung Nr. 43. de Pambour, Theorie der Turbine. Die Turbinen, Wasserräder mit verticaler Achse, sind der Einwirkung von drei Kräften unterworfen: dem directen Wasserstoße, der Centrifugalkraft und der Reactionskraft. Eine Turbine sey in dem Zustand gleichförmiger Bewegung und verbrauche per Secunde ein direct gemessenes Wassergewicht = P. Der Winkel gegen den Radumfang, unter welchem das zufließende Wasser in der Turbine ankommt, sey = α, U sey die Geschwindigkeit dieses Wassers, v die Geschwindigkeit des Rades am äußeren, v'' die am inneren Umfang, g die Beschleunigung der Schwere. Das zufließende Wasser wirkt dann mit der Druckkraft PU/g; bei der Ankunft des Wassers am Rad zerlegt sich diese Kraft in zwei andere, deren eine in der Richtung des Radumfanges und deren andere in radialer Richtung wirkt. Die erste dieser beiden Kräfte erzeugt die Rotationsbewegung, erzeugt aber Druck nur im Verhältniß des Ueberschusses ihrer Geschwindigkeit über die der Radschaufel. Bezeichnet R den äußeren, R'' den inneren Raddurchmesser, so ist die Intensität dieser Kraft, auf den äußeren Umfang berechnet, = PR''/gR (U cos αv'') . . . . . 1). Die radial wirkende Componente kann in dem Canale, welchen der Zwischenraum der Schaufeln bildet, nur im Verhältniß des Ueberschusses ihrer Geschwindigkeit über die des schon darin enthaltenen Wassers Druck ausüben. Hat dieses innere Wasser die Geschwindigkeit u'', so ist diese Kraft = P/g (U sin αu''). Nennt man noch u' die Geschwindigkeit, mit der das Wasser aus den Canälen an deren Verbindungsstelle mit dem äußeren Umfange austritt, so ist die Arbeit, welche diese Kraft hier per Secunde ausübt, = P/g (U sin αu'') u'. Auf die Geschwindigkeit v bezogen, entspricht dieser Arbeit die Kraft P/g (U sin α – u'') u'/v . . . . . . . 2). Die Centrifugalkraft wirkt in der Turbine auf zweierlei Weise. Zunächst vermehrt die Centrifugalkraft des Rades den Wasserverbrauch und daher die Leistung der Turbine. Poncelet hat eine Formel gegeben, welche in jedem Falle den Wasserverbrauch einer Turbine aus deren Rotationsgeschwindigkeit und der Gefällhöhe zu berechnen gestattet. Es darf also der Wasserverbrauch einer Turbine von gegebenen Verhältnissen als bekannt vorausgesetzt werden. Die Wirkung der Centrifugalkraft in der Turbine wird aber vollständig durch die Mehrlieferung an Wasser, welche sie bewirkt, consumirt, und wenn man daher die Berechnung auf den gesammten Wasserverbrauch bezieht, so braucht man auf diese Centrifugalkraft keine weitere Rücksicht zu nehmen. Die Centrifugalkraft aber, welche auf die Schaufel im Verhältniß zu deren Krümmung und der Geschwindigkeit des durchlaufenden Wassers wirkt, übt, wenn man ω die Winkelgeschwindigkeit des Wassers auf den Schaufeln, ρ den äußeren und ρ'' den inneren Krümmungsradius der Schaufeln nennt, per Secunde die Arbeit ½ P/g ω² (ρ² – ρ''²) aus. Bezeichnet ϑ den Winkel, den die Normale zur Schaufel mit der Richtung der Umdrehungsbewegung bildet, sowie R die Entfernung des Schaufelmittels von der Radachse und u₁ die Geschwindigkeit des Wassers längs der Schaufeln (wornach ω = u₁/ρ), so wird diese Arbeit, die normal zur Schaufel wirkt, wenn sie auf die Richtung der Bewegung und auf den äußeren Umfang bezogen und durch eine mit der Geschwindigkeit v wirkende Kraft ersetzt gedacht wird: ½ Pu₁/² (ρ² – ρ''²) (R' cos ϑ)/Rv . . . . . . . 3) Die drei vorstehenden Kräfte bilden die Wirkungselemente. Was die Widerstandselemente betrifft, so wird die Geschwindigkeit U', welche das abfließende Wasser bewahrt, die Resultante aus der Geschwindigkeit u', welche das Wasser beim Austritt aus den Canälen besitzt und der Geschwindigkeit v, mit welcher dasselbe an der allgemeinen Geschwindigkeit theilnahm. Sie berechnet sich daher, wenn φ den Winkel bezeichnet, den die Richtung der Geschwindigkeit u' mit der Geschwindigkeit v bildet, aus der Formel: U'² = u'² + v² – 2 u' v cos ϑ und der Arbeitsverlust im abfließenden Wasser beträgt ½ P/g U'² . . . . . . . 4). Bezeichnet φ' den Winkel, welchen die Richtung von U' mit der Geschwindigkeit v bildet, so wird die Wirkung dieser Kraft in der Umdrehungsrichtung und folglich die Wirkung der Reaction, die daraus in umgekehrter Richtung entsteht, ½ P/g Ucos² φ' seyn. Der Winkel φ' ist nicht direct gegeben, läßt sich aber aus dem Parallelogramm der Kräfte u' und v oder aus dem Verhältnisse der Sinus der gegenüberliegenden Winkel in dem Dreiecke, welches die Hälfte dieses Parallelogrammes bildet, finden: sin φ' = sin φ (u'/U'). Dieß erwähnte Parallelogramm läßt auch erkennen, in welcher Richtung die Reaction wirkt, die je nach den Verhältnissen zu Gunsten oder zu Ungunsten der Bewegung wirken kann. Alle in den vorhergehenden Ausdrücken enthaltenen Werthe sind a priori bekannt, außer den Geschwindigkeiten U, u', u'' und u₁. Diese lassen sich aber leicht finden, da man alle Dimensionen der Ein- und Austrittscanäle im Rad kennt. Nennt man also O die Summe der Austrittsflächen des Reservoirs, O'' die Summe der Eintrittsflächen der Turbine und O' die der Austrittsflächen, sowie P₁ das dem Gewichte P entsprechende Wasservolumen, so wird, wenn die Canäle in der Turbine als stets mit Wasser gefüllt angesehen werden können: U = P'/O,   u' = P'/O',   u'' = u' O'/O'',   u₁ = (u' + u'')/2 . . . . . . . 5) Bezeichnet noch f die Reibung des unbelasteten Rades, auf den äußeren Radumfang bezogen, f' ebenso die Zapfenreibung durch Belastung des Rades oder irgend einen Bewegungswiderstand, ∑v² ebenso den Luftwiderstand gegen die bewegten Schaufeln und setzt man noch 1/(1 + f') = ξ und P/g = M, so hat man: L = ξM R''/R (U cos αv'') v + ξM (U sin αu'') u + 1/2 ξM u₁²/ρ² (ρ² – ρ''²) R'/R cos ϑ – ½ ξMU + 1/2 ξMUcos² φ' – fv – Σv³ . . . . . . . 6) In dieser Formel sind nur fünf Ausdrücke zu berechnen, und zwar ist diese Berechnung sehr leicht. Da übrigens die Turbine keine dem Luft- oder Wasserdruck direct ausgesetzte Fläche bietet, so kann man = 0 setzen; dieß erklärt auch, warum die Turbine gleich gut unter wie über Wasser arbeitet. Um das Resultat dieser Versuche mit der Erfahrung zu vergleichen, berechnete Pambour die Versuche Morin's über die Mühlbach'sche Turbine, welcheweche derselbe in seinen Leçons de Mécanique pratique, p. 352 und 457, 2e partie, mitgetheilt hat. Diese Turbine hat folgende Dimensionen: Austrittsflächen aus dem Reservoir in den Versuchsreihen IV und V O = 0,24192 Quadratmeter, in der Reihe VI O = 0,28577 Qdrtm., Austrittsfläche aus den Turbinencanälen O' = 0,29646 Qdrtm., Eintrittsfläche in die Turbinencanäle O'' = 0,77338 Qdrtm., äußerer Radhalbmesser R' = 0,950 Met., innerer Halbmesser R'' = 0,686 Met., mittlerer Halbmesser = 0,818 Met., Einfallswinkel des Wasserstrahles aus dem Reservoir gegen die innere Radfläche α = 34°30', Winkel des austretenden Wassers gegen den äußeren Radumfang φ = 25°30', äußerer Krümmungshalbmesser der Schaufel ρ = 0,200 Met., innerer Krümmungshalbmesser ρ'' = 0,117 Met., Neigung der Normalen zur Schaufel gegen die Richtung der Umdrehungsrichtung ϑ = 39°, Radreibung f = 28 Kilogr. Die Resultate sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt; die berechneten Zahlen weichen von den gefundenen um nicht über 2 Proc. ab. Radbelastung. Wasserverbrauchper Secunde. Radgeschwindigkeitper Secunde. Nutzwirkung Kilogrm. Kilogrm. Met. berechnet.Kilogrmmtr. gefunden.Kilogrmmtr. Versuchsreihe IV.   31,5 2178 10,347        352        326   63,0 2157 10,247        346        645Die graphische Darstellung dieser beiden Versuche ergab eine Unregelmäßigkeit, welche eine Interpolation nöthig machte. 125,8 2148 10,097        598      1270Die graphische Darstellung dieser beiden Versuche ergab eine Unregelmäßigkeit, welche eine Interpolation nöthig machte. 188,6 2125   9,451      1779      1782 251,3 2115   8,993      2550      2260 313,3 2115   8,655      3115      2715 377,3 2070   8,237      3267      3108 439,8 2030   7,959      3236      3506 503,5 2030   7,461      3811      3757 566,1 2030   6,964      4247      3942 629,3 2030   6,725      4406      4232 629,3 2030   6,675      4436      4200 691,5 1986   6,268      4269      4334 754,9 1986   5,770      4420      4356 818,1 1923   5,034      4097      4118 879,8 1923   4,825      4115      4245 945,1 1923   4,377      4136      4137    –––––––    –––––––    53170    51956 Radbelastung. Wasserverbrauchper Secunde. Radgeschwindigkeitper Secunde. Nutzwirkung Kilogrm. Kilogrm. Met. berechnet.Kilogrmmtr. gefunden.Kilogrmmtr. Versuchsreihe V. 282,8 2274 9,948   2602   2813 346,0 2178 9,650   3015   3339 409,3 2242 9,053   3976   3705 471,4 2179 8,655   3950   4080 534,6 2156 7,959   4554   4255 602,0 2075 7,163   4510   4312 658,5 2033 6,665   4465   4389 708,8 2022 6,178   4596   4379 786,7 1996 5,720   4506   4500 849,4 1949 5,372   4257   4563 912,2 1949 4,915   4287   4483     ––––––– –––––––     44718 44818 Versuchsreihe VI. 509,5 2640 9,013   5378   4592 597,1 2640 8,655   5843   5168 661,2 2555 8,416   5259   5565 787,3 2555 7,685   5874   6050 912,5 2555 6,864   6334   6264 1039   2640 6,576   7211   6831 1071   2558 6,118   6632   6545 ––––––– –––––– 42531 41015 ––––––– –––––– Gesammtsumme    140419     137789