Titel: Das Chassepot-Gewehr. – Frankreichs dadurch fixirte Stellung in der Hinterladungsgewehr-Frage; Verhalten anderer Regierungen und insbesondere Nordamerikas derselben gegenüber.
Autor: Darapsky
Fundstelle: Band 183, Jahrgang 1867, Nr. XXX., S. 131
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XXX. Das Chassepot-Gewehr. – Frankreichs dadurch fixirte Stellung in der Hinterladungsgewehr-Frage; Verhalten anderer Regierungen und insbesondere Nordamerikas derselben gegenüber. Ueber das Chassepot-Gewehr. Die bei Mittheilung des Laboulaye'schen Berichtes über Chaudun's Metallkapsel-PatronenPolytechn. Journal Bd. CLXXIX S. 187. ausgesprochene Bemerkung, daß hiernach das waffentechnische Streben Frankreichs in richtiger Erkenntniß der Güte und Wichtigkeit des preußischen Zündnadelgewehres, auf Erlangung einer solchen Waffe gerichtet sey, eine Adoption des preußischen Modelles selbst dabei jedoch nicht gewünscht werde, bestätigt sich durch die nun eingehenden Nachrichten über das nach Vorschlag des dortigen Kriegsverwaltungs-Beamten, Hrn. Inspectors Chassepot, daselbst in Angriff genommene Hinterladungsgewehr immer mehr, indem dasselbe darnach, insbesondere auch einer bezüglichen Mittheilung des Engineer vom 9. November 1866 zufolge, lediglich ein Zündnadelgewehr preußischer Construction mit der ihm gegebenen Modification ist, daß die zum Entzünden seiner Pulverladung dienende Nadel hierbei etwas weniger Arbeitsleistung zu verrichten hat, als dieses beim preußischen Zündnadelgewehr erforderlich ist, indem die Pulverladungs-Entzündung beim Chassepot-Gewehr vom hinteren Ende der Patrone aus geschieht, das Hindurchfahren der Zündnadel durch das Pulver der letzteren hindurch zu diesem Zwecke also unnöthig gemacht wird, mit welcher Einrichtung weiter auch ein noch einfacheres Schloß und eine Kautschuk-Liderung der Rohrverschluß-Fugen in Verbindung gebracht worden seyn sollen. Wenn nun auch behauptet wird, die wegen dieses Gewehres gemachten Bestellungen seyen wegen noch vorzunehmender Modell-Aenderungen einstweilen wieder zurückgezogen worden, woran sich als neuere Nachricht anschließt, bis Mitte December 1866 wären allerdings nur 500 Stück dieser Gewehre fertig gewesen, den 7. dieses Monats aber sey das zur Verbesserung der in Rede stehenden neuen Schußwaffe niedergesetzte Artillerie-Comité mit dieser Aufgabe fertig geworden und in Folge dessen habe nun auch schon die Fabrication dieser Gewehre in massenhafter Weise begonnenDiese Nachricht hat in Suhl – nach einem Correspondenzartikel der Augsb. Allgemeinen Zeitung vom 22. December 1866 – die Hoffnung auf baldige bedeutende Bestellungen für Frankreich erregt, indem die zwischen der französischen Regierung und den Suhler Fabrikanten begonnenen Verhandlungen über Lieferung von monatlich mindestens 3000 Gewehren eines vorgelegten, in Einzelheiten aber noch näher zu bestimmenden Musters bezüglich des Preises bereits zu einem befriedigenden Abschlusse gelangt sind., soviel wenigstens dürfte hiernach feststehen, daß, während man in Wien, wo mit dem Chassepot-Gewehre angestellte Schießversuche unbefriedigend ausgefallen seyn sollen, neuerdings sich dem (vorstehend besprochenen) aus der Fabrik des Amerikaners Remington hervorgegangene Hinterladungsgewehr zuzuwenden scheintDas „Neue Fremdenblatt“ vom 9. Januar d. J. theilt von „zuverlässiger Seite“ mit, daß die Prüfungscommission zur Einführung von Hinterladungsgewehren in Oesterreich beschlossen habe einstweilen die Umgestaltung der gegenwärtigen Gewehre nach dem System eines Industriellen aus Steyer zu beantragen, und nach erfolgter Genehmigung sogleich damit zu beginnen. Dieß „nur für den gegenwärtigen Augenblick, und um für jede Eventualität gesichert zu seyn“; daneben wird die beabsichtigte Einführung des Remington'schen Gewehres beibehalten und allmählich in Vollzug gesetzt.Für die bayerische Armee werden die bisher gebrauchten Podewils-Gewehre (des Musters 1858) jetzt in Hinterladungsgewehre nach der von Hrn. Podewils erfundenen Construction umgeändert.A. d. Red., und England jetzt durch die schleunige Umänderung des Enfield-Gewehres nach Snider's MethodeMan s. polytechn. Journal Bd. CLXXXII S. 283. einen wenigstens momentan befriedigenden Standpunkt in der Hinterladungsgewehr-Frage zu gewinnen sucht, Frankreich in der gegenwärtigen Ueberfluthung mit Hinterladungs- und beziehungsweise Repetir-Gewehrmodellen der verschiedensten Art, sowie angesichts der letztvergangenen Kriegsereignisse, sich zunächst für Annahme des wenn auch etwas modificirten Zündnadelgewehr-Systems Preußens entschieden hat, welches dem Engineer vom 9. November 1866 zufolge nun auch in Spanien Eingang gefunden haben soll und von dem erfahrungsmäßig feststeht, daß es in Verbindung mit einer seinen Eigenthümlichkeiten angepaßten Taktik den betreffenden Preisbewerbungen der Neuzeit einstweilen ruhig zuzusehen gestattet. Wie wichtig es aber ist, sich dem Erfindungssturme, welcher das Gebiet der Handfeuerwaffen-Technik noch immer durchwühlt, nicht überantworten zu müssen, geht unter Anderem aus den bedeutenden Unkosten hervor, welche der Regierung der Vereinigten Staaten dadurch erwuchsen, daß sie in den dringenden Zeiten des letzten Krieges für die in der Armee als Ersatz der alten Springfield-Muskete eiligst einzuführenden Hinterladungsgewehre nur das Rohrkaliber und die Patronenart vorschreiben konnte, jedes der eingereichten Modelle aber dann, sobald es nur einigermaßen brauchbar war, mit kleinen Bestellungen von etwa 2 bis 3000 Stück honoriren muhte, um den Nationaleifer nicht erkalten zu lassen, und eben nur Hinterladungsgewehre irgend einer Art für die Armee herbeizuschaffen, woher es auch kam, daß gar viele Erfinder sich in Wahrheit gleichzeitig rühmen konnten, ihre Waffe sey vom Gouvernement zur Einführung in die Armee adoptirt worden. – Daher stimmen denn auch die vielen, durch dieses zwar kostspielige, aber kluge und der Zeit angemessene Verhalten der damaligen amerikanischen Regierung hervorgerufenen Hinterladungs- und beziehungsweise Repetirgewehr-Modelle wenigstens darin mit einander überein, daß sie auf eine ihre Zündung in sich selbst enthaltende Kupferhülsen-Patrone basirt und zur Uebertragung der Wirkung des Percussionsschloß-Hammers auf das im metallenen Patronenboden eingeschlossene Zündpräparat mit einem, in das eigentliche Rohrverschlußstück eingelassenen sogenannten Schlagstück versehen sind; während eine definitive Wahl unter diesen von Peabody, Berdan, Remington, Snider, Ball, Spencer etc. dargebotenen Erfindungen von der sich jetzt abwartend verhaltenden nordamerikanischen Regierung noch immer nicht getroffen worden ist. Berlin, im December 1866. Darapsky.