Titel: Ueber die Benutzung des Torfes zur Darstellung von Leucht- und Schmiermaterialien, sowie zur Gewinnung von Essigsäure, Holzgeist, Ammoniaksalzen etc.; von Dr. H. Vohl in Cöln.
Autor: Hermann Vohl
Fundstelle: Band 183, Jahrgang 1867, Nr. LXXXVIIILXXXIX., S. 321
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LXXXVIIILXXXIX. Ueber die Benutzung des Torfes zur Darstellung von Leucht- und Schmiermaterialien, sowie zur Gewinnung von Essigsäure, Holzgeist, Ammoniaksalzen etc.; von Dr. H. Vohl in Cöln. Vohl, über die Bearbeitung des Torfes auf Leucht- und Schmiermaterialien. Die Anwendung des Torfes zur Darstellung von Leuchtstoffen etc. hat leider bisher nicht den Erfolg gehabt, welchen man von derselben zu erwarten sich berechtigt glaubte. Diejenigen Anlagen, welche ausnahmsweise einen günstigen Erfolg erzielten, waren theils durch einen sehr hohen Bitumengehalt des Torfes, theils durch andere sehr vortheilhafte Localverhältnisse bezüglich der Beschaffung des Torfes und der Verwerthung der Torfkohks in der Lage, daß der Erfolg ein nutzbringender seyn mußte. Die Hauptursache, warum so viele derartige Anlagen nicht mit gutem Erfolge arbeiteten, lag einestheils in dem zu geringen Bitumengehalt des Torfes, anderntheils aber auch an der höchst mangelhaften Construction der Theererzeugungs-Apparate, wodurch nicht allein das Quantum, sondern auch die Güte des Theeres beeinträchtigt wurde. Die Photogen- und Paraffin-Industrie theilt somit mit vielen anderen das gleiche Schicksal, daß sie nämlich erst nach vielen empfindlichen pecuniären Verlusten und nach vielen mit schwerem Gelde erkauften Erfahrungen einen lohnenden Gewinn verspricht. Es ist schon ein Zeitraum von 80 Jahren verflossen, seitdem man die trockene Destillation des Torfes zur Erzeugung von Theer und Kohks im Großen in Anwendung brachte. Thillaye-Platel und Lebon destillirten, resp. verkohlten, im Jahre 1786 den Torf in eisernen Cylindern, wobei sie die sich entbindenden Dämpfe zur Abscheidung des Theeres durch besondere Gefäße leiteten und die abfallenden Gase als Brennmaterial in den Feuerraum ausströmen ließen. Ihr Unternehmen scheint jedoch nicht mit dem gewünschten Erfolge gekrönt worden zu seyn und gerieth bald in Vergessenheit. Erst seit dem Jahre 1849 und von da an bis jetzt wurde die trockene Destillation des Torfes wieder aufgenommen und besonders haben die Engländer sich um diese Industrie sehr verdient gemacht. Im Jahre 1848 wurde bei der Stadt Athy, Kildare in Irland, eine derartige Fabrik zur Destillation des Torfes errichtet, welche nach dem im Jahre 1849 dem Hrn. Rees Reece ertheilten PatentPolytechn. Journal Bd. CXIV S. 57. arbeitete, nach welchem keine Kohks gewonnen werden. Diese kleine Anlage veranlaßte die Gründung der Gesellschaft Irish Peat Company. Im Interesse dieser Gesellschaft wurde von Sir Robert Kane und Professor Sullivan eine Reihe höchst interessanter Versuche bezüglich der Ausbeute an nutzbaren Producten angestellt und auch Hodges theilte eine Reihe von Versuchen mit, die er mit dichtem schwarzem Torfe unternahm.Polytechn. Journal Bd. CXIII S. 237. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden dem Prospect obengenannter Gesellschaft zu Grunde gelegt. Auch andere Chemiker, besonders Wagenmann, unternahmen einige Torfdestillationen, deren Resultate zur Zeit veröffentlicht wurden. Auch an anderen Orten wurden seit dem Jahre 1850 Torfdestillationen errichtet, so z.B. in Friesland, Rußland, Böhmen, Italien und Frankreich, welche aber fast alle mit wechselndem Erfolge arbeiteten. Seit dem Jahre 1849 habe ich 163 verschiedene Torfarten auf ihre Verwendbarkeit zur Darstellung von Leuchtstoffen untersucht und es hat sich ergeben, daß eine Verwerthung des Torfes in dieser Weise nur zulässig und nutzbringend ist, wenn die Theerausbeute nicht weniger wie 4 Proc. beträgt, und man den Localverhältnissen die gebührende Rechnung trägt, d.h. den Torf zur Vermeidung der oft sehr beträchtlichen Transportkosten an Ort und Stelle zur Destillation bringt und alsdann den gewonnenen Theer entweder an Photogenfabriken absetzt oder denselben in dem nächsten Orte (Städtchen) weiter verarbeitet. Die Theererzeugung muß der Art seyn, daß sie nicht die Beschaffung von kostspieligen und schwer zu transportirenden Apparaten erheischt. Ebensowenig darf ein großes Arbeiterpersonal dabei erfordert werden. Aus diesem Grunde möchte wohl mit wenigen Ausnahmen die Destillation in Retorten nicht angezeigt, sondern die Theererzeugung stets vermittelst Schwelöfen, resp. Schwelmeilern auszuführen seyn. Solche Schwelereien können füglich auf dem Moore selbst angelegt werden und wandern gleichsam neben dem Torfstiche hin. Das Schwelen selbst kann in verschiedener Art ausgeführt werden und haben hierbei die örtlichen Verhältnisse mitzusprechen. Es kann nämlich die Theererzeugung in der Weise stattfinden, daß man alle Destillationsproducte neben den Kohks gewinnt, oder aber daß man sämmtliche flüchtige Producte sammelt, jedoch auf den Kohksrückstand verzichtet, daß also schließlich ein vollständiges Verbrennen des Torfes eintritt und nur Asche resultirt, oder endlich man leistet auf die anderen Destillationsproducte außer dem Theer und dem entwickelten Gase Verzicht, gewinnt jedoch die dabei abfallenden holzkohlenähnlichen Kohks. Es ist selbstredend, daß eine allgemeine Regel bezüglich der Methode der Theererzeugung nicht angegeben werden kann, daß die örtlichen Verhältnisse dieselbe immer bestimmen werden, daß aber das Gedeihen einer derartigen Anlage stets von der billigen Theererzeugung abhängig ist. Das Verfahren, bei welchem die Kohks gewonnen werden, kann nur in dem Falle angezeigt seyn, wenn die Verwerthung derselben als Heizmaterial (Backöfen) leicht zu ermöglichen, wenn also die Abfuhr günstig und eine größere Stadt in der Nähe ist. In den meisten Fällen deckt alsdann die Kohks-Verwerthung die Kosten der Beschaffung des Torfes. Ist jedoch die Abfuhr schwierig, ist keine größere Stadt in der Nähe, sind außer dem Torf andere Brennmaterialien, z.B. Holz- oder Steinkohlen leicht zu beschaffen, oder ist der Torf leicht und faserig, so daß die abfallenden Kohks sehr zerbrechlich sind und keinen weiteren Transport vertragen, so hat derselbe alsdann einen geringen Werth, und man thut besser auf ihn Verzicht zu leisten, resp. denselben zum Schwelen als Heizmaterial zu verwenden. Hat man die Wahl zwischen der Meiler- und Ofenschwelerei, so ist letztere immer vorzuziehen, da man vermittelst derselben eine größere und bessere Ausbeute erzielt. Bei dem Schwelen ist ferner Sorge zu tragen, daß keine nutzbaren Producte entweichen. Man muß ausreichende Condensationsvorrichtungen beschaffen, welche je nach der Natur und Beschaffenheit der Destillationsproducte zu modificiren sind. Diese Kühlvorrichtungen müssen leicht und transportabel seyn, damit sie mit dem Fortschreiten des Torfstichs demselben nachgeführt werden können. Auch ist bezüglich des Materials, woraus dieselben anzufertigen sind, eine Wahl zu treffen, welche von der Natur der Destillationsproducte bedingt wird. Ist nämlich der Torf ein leichter faseriger und gibt er viele saure Producte, so muß man so viel als möglich die Anwendung solcher Metalle vermeiden, welche leicht angegriffen werden können, oder aber man muß vor der Ingangsetzung dieselben mit einem schützenden Anstrich versehen. Die großen Torfablagerungen in Holland, Norddeutschland, Dänemark, Schweden etc. bieten uns eine reiche Quelle bituminöser Fossilien zur Darstellung von Leucht- und Brennmaterialien. Ein besonders günstiges Resultat, welches holländische Torfarten ergaben, veranlaßt mich zu der nachfolgenden Mittheilung. Der von mir zur Analyse verwandte Torf war ein schwerer dichter Stichtorf, und zwar aus der Provinz Friesland über Amsterdam bezogen. Er war von ziemlicher Härte, und nahm eine schöne Politur an; seine Farbe war eine dunkelbraune. Zehn Destillationen wurden in der liegenden Retorte ausgeführt und es ergaben 100 Pfd. lufttrockener Torf an: Textabbildung Bd. 183, S. 324 Theer; Wasser; Kohks; Gas und Verlust Es wurden demnach aus dem lufttrockenen Torfe im Durchschnitte erzielt: Theer =   6,7017 Spec. Gewicht 0,9804 Wasser = 46,9528 Kohks = 29,0178 Gas und Verlust = 17,3277 –––––––––  100,0000 Ein anderer Theil des Torfes wurde, nachdem er 48 Stunden auf dem Retortenofen bei 36 bis 40° R. getrocknet worden war, der Destillation in zehn Portionen unterworfen. Er ergab alsdann an: Textabbildung Bd. 183, S. 325 Theer; Wasser; Kohks; Gas und Verlust Durchschnittlich wurden demnach erhalten: Theer = 10,7298 Spec. Gewicht 0,9860 Wasser = 29,1713 Kohks = 42,2605 Gas und Verlust = 17,8384 –––––––––  100,0000 Da bei dem Theerschwelen in Oefen der Torf stets vorher auf dem Ofen vermittelst der ausstrahlenden Wärme zu trocknen ist und eine Destillation 3 bis 4 Tage dauert, so kann der Torf ohne große Mühe durchschnittlich auf einen Wassergehalt von 38 Proc. gebracht und dadurch eine Theerausbeute von circa 7 bis 8 Proc. ermöglicht werden, also das doppelte Quantum, welches eine rentable Verarbeitung erheischt. Bei dieser Aufstellung ist der geringeren Ausbeute an Theer, welche die Schwelerei der Retortendestillation gegenüber liefert, Rechnung getragen. Die Retortendestillation würde circa 8 bis 9 Proc. Theer bei einem Wassergehalt von 38 Proc. ergeben und ist demnach 1 Proc. als Verlust bei dem Schwelen in Oefen in Abzug gebracht worden, was auch so ziemlich mit der Erfahrung übereinstimmt. Der stark sauer reagirende Theer wurde von dem Wasser getrennt und nachdem er vorher in gelinder Wärme mit alkalischer Lauge behandelt worden war, mit sehr verdünnter Schwefelsäure gemischt, alsdann mit warmem Wasser gewaschen und nach der Entwässerung auf freiem Feuer in einer gußeisernen Blase destillirt. Die Behandlung des sauren Torftheeres weicht demnach bedeutend von derjenigen des Braunkohlen- und Blätterschiefer-Theeres ab. Es ist jedoch dieses vorherige Behandeln mit Alkalien und schwachen Säuren nicht zu umgehen, wenn man nicht einen erheblichen Verlust, und nur schwierig zu reinigende und bedeutende Mengen durch Zersetzung schwer gewordene Oele erhalten will. Das unangenehme Nachdunkeln und Gelbwerden des Turfols rührt größtentheils von der Vernachlässigung dieser vorherigen Behandlung her. Der behandelte Theer liefert nun durch die fractionirte Destillation fast kreosotfreie und sehr hellfarbige Rohöle. Durch die Behandlung mit alkalischen Laugen wurde nämlich dem Torftheer eine große Menge saurer Körper (Carbolsäure, Essigsäure, Metaceton-, Valerian- und Buttersäure und auch das Kreosot) entzogen, welche sonst bei der Destillation höchst störend einwirken und Veranlassung zu mannichfaltigen Zersetzungen geben. In manchen Fällen beträgt der Gehalt an diesen sauren Producten und Kreosot 25 bis 28 Proc. des Theeres. Diese vorherige Behandlung des Theeres mit Alkalien und schwachen Säuren bietet nur dann Schwierigkeit, wenn die Theererzeugung bei einer zu hohen Temperatur stattgefunden hatte und sich eine erhebliche Menge sogenannter Brandharze neben ausgeschiedenen Kohlentheilchen in demselben vorfindet. Nachdem die erhaltenen Rohöle und das Paraffin nach der bekannten Methode behandelt worden waren, resultirten von 100 Gewichtstheilen Theer: Turfol = 11,442 Spec. Gew. = 0,820 – 0,825 Solaröl =   6,540 = 0,840 – 0,845 Schmieröl =   5,669 = 0,860 – 0,875 Paraffin =   1,699 Kreosot nebst Carbolsäure = 28,302 Verlust durch die Behandlung    mit Säuren u. Alkal. = 26,886 Rückstand bei der ersten    Destillation = 19,462 ––––––– 100,000 Das bei der trockenen Destillation erhaltene Wasser wurde auch einer Analyse unterworfen und es ergaben sich in 100 Gewichtstheilen als Bestandtheile: Essigsäure (concentrirte) =   1,5800, spec. Gew. = 1,063 Holzgeist (Methyloxydhydrat) =   0,76390 = 0,870 oder 80 Proc. Ammoniak (wasserfrei) =   0,08602 entspricht = 0,242 Salmiak Butter-, Valerian- und    Metacetonsäure in Summa =   0,20690 ––––––––––– 2,63682 Wasser 97,36318 ––––––––––– 100,00000 Die holzkohlenähnliche Kohks enthielten in 100 Gewichtstheilen: Kohlenstoff (mit geringen Mengen Stickstoff    und Wasserstoff) oder brennbare Substanzen =  93,231 Aschenbestandtheile =    6,769 ––––––– 100,000 Bei der Annahme, daß dieser Torf beim Schwelen in Oefen, bei einem Wassergehalt von 38 Proc. nur 7 Proc. Theer und 30 Proc. Kohks ergibt, werden 10 Ctr. Zollgewicht an nutzbringenden Producten circa ergeben: Pfunde Thlr. Sgr. Pf. Turfol = 7,9094 haben einen annähernd. Werth pr. Crt. à 12 Thlr. = 28 Solaröl = 4,5780 „      „ à 10   „ = 13   9 Schmieröl = 3,9683 „      „ à   9   „ = 10   9 Paraffin = 1,1893 „      „ à 10   „ =   3   7 Kreosot und    Carbolsäure = 19,8114 „      „ à   2   „ = 11 11 Salmiak = 0,9196 „      „ à   9   „ =   2   6 Essigsäure, concent. = 6,0040 „      „ à 15   „ = 27 Holzgeist = 2,9028 „      „ à 13   „ = 11   4 Butter-, Valerian-    und Metacetonsäure = 0,7862 (Werth unbestimmbar). Kohks = 300,000 haben einen annäher. Werth pr. Crt. à 10 Sgr. = 1 ––––––––––––––––––––––––––––––––––– Gesammtwerth Thlr. 4 Sgr. 9 Pf. 4. Wenn man die Beschaffung des Torfes und die Fabricationskosten, überhaupt sämmtliche Kosten, mit 50 Proc. berechnet, so bleibt immer noch ein ansehnlicher Reingewinn.Derartige Torfuntersuchungen werden stets in meinem Laboratorium ausgeführt. Dr. Vohl. Cöln, im October 1866.