Titel: | Das Dreikurbelsystem; von E. Kayser. |
Fundstelle: | Band 184, Jahrgang 1867, Nr. III., S. 23 |
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III.
Das Dreikurbelsystem; von E. Kayser.
Aus der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure,
1867, Bd. XI S. 73.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Kayser, über das Dreikurbelsystem.
Die Praxis bietet zahlreiche Fälle, wo es darauf ankommt, zwei parallel gelagerte
Wellen mit gleicher Umdrehungsgeschwindigkeit dergestalt zu bewegen, daß zwischen den
einzelnen Umdrehungen eine genaue Coincidenz stattfindet. Diese Bedingung gestattet
eine Uebertragung durch Riemen nicht. Man muß also eine Uebertragung der Bewegung
durch Räder bewirken, was, wenn die Wellen nicht zu weit von einander liegen, durch
Stirnräder, welche direct in einander oder in Zwischenräder eingreifen, anderenfalls
aber durch Zwischenwellen und conische Räder geschehen kann.
In manchen Fällen bedient man sich zu solcher Bewegungsübertragung auch der
gekuppelten Krummzapfen, welche jedoch, wie bekannt, nur da anwendbar sind, wo man
beide Wellenenden in dieser Weise verbinden kann, mit der Maaßgabe, daß die Kurbeln
des einen Endes einen rechten Winkel gegen die des anderen Endes bilden. Hierin
liegt aber gewöhnlich das Hinderniß, eine solche Bewegungsübertragung mittelst
gekuppelter Kurbeln anzuwenden, und man kann behaupten, daß, wenn man von der in
gleicher Weise ausgeführten Kuppelung der Räder bei schweren Lastzuglocomotiven
absieht, eine derartige mechanische Einrichtung überhaupt selten zur Anwendung
kommt.
Die Herstellung einer solchen Einrichtung bietet aber auch gewisse Schwierigkeiten,
welche nicht sowohl darin zu finden sind, Kurbeln von ganz gleicher Länge
herzustellen, sondern sie genau rechtwinkelig oder
überhaupt nur genau unter gleichen Winkeln gegen einander
zu versetzen, weil die geringste Ungenauigkeit in dieser Hinsicht eine von der
Kraftübertragung ganz unabhängige Inanspruchnahme der Wellen auf Torsion und einen
nachtheiligen Seitendruck auf die Lager der Wellen hervorbringt.
Durch eine einfache Einrichtung ist es mir gelungen, diese Schwierigkeiten zu
beseitigen, und die Kurbelkuppelung auch da anwendbar zu machen, wo man nur je ein
Ende der betreffenden Wellen durch Kurbel und Lenkstange verbinden kann, wobei also
die Schwierigkeiten, welche die genaue Versetzung der Kurbeln auf beiden Enden
darbietet, von selbst wegfallen.
Denkt man sich nämlich in Fig. 27
a und b als die Achsen der
parallel gelagerten Wellen, welche nach derselben oder nach entgegengesetzten
Richtungen auslaufen können, auf jedem Wellenende eine Kurbel von genau gleicher
Excentricität befestigt, und die Kurbelwarzen durch eine Lenkstange verbunden, deren
Länge genau der Entfernung der beiden Wellenmittel gleich ist, so wird die eine
Welle genau der Bewegung folgen müssen bis zu dem Augenblicke, wo die Kurbeln sich
in der auf der Zeichnung dargestellten Lage befinden. In diesem, dem sogenannten
todten Punkte hört für die Kurbel b die Nothwendigkeit
auf, der Bewegung der
Kurbel a zu folgen, und wenn letztere sich weiter
fortbewegt, so ist wohl die Möglichkeit vorhanden, daß die Kurbel b in Folge des Bewegungsmomentes auch über den todten
Punkt fortgleitet, und dadurch der Lenkstange wieder einen Hebelarm bietet, um die
Kurbel b zur Fortsetzung ihrer Bewegung in derselben
Richtung zu nöthigen; eben so gut kann aber der Fall eintreten, daß die Kurbel b vom todten Punkte an in eine rückkehrende Bewegung
fällt, so daß die Kurbeln zu einander in die Stellung kommen, wie die punktirten
Linien am und bn
anzeigen. Diesem Zufalle hilft man aber ganz sicher ab, wenn man eine dritte Welle
c mit einer Hülfskurbel hinzufügt. Die Mittel der
Wellen mögen, so liegen, daß sie womöglich die Spitzen eines gleichseitigen
Dreieckes bezeichnen.
Man sieht nun leicht ein, wenn man a als die treibende
Welle annimmt und voraussetzt, daß die Kurbeln untereinander durch Lenkstangen
verbunden sind, welche den resp. Entfernungen zwischen den Wellenmitteln genau
gleich sind, daß in der gezeichneten Stellung die Kurbel b zur Kurbel a zwar in der ungünstigsten
Stellung sich befindet, daß dieß aber keineswegs mit der Kurbel c der Fall ist. Zwischen a
und c ist die Lage der Lenkstange noch so, daß die
Kurbel c nothwendig der Bewegung der Kurbel a folgen muß. Dasselbe Verhältniß findet aber zwischen
c und b statt, so daß
b der Bewegung von c
folgen muß. Da nun c der Bewegung von a, und b der Drehung von c folgt, so geht daraus hervor, daß die Bewegung der
Kurbel b auch nothwendig mit der von a übereinstimmen muß. Dieß ist aber für jede denkbare
Lage der Kurbeln der Fall, denn mag immerhin eine Kurbel zu einer der anderen in der
Stellung des todten Punktes sich befinden, so steht sie dagegen zur dritten Kurbel
in einer günstigen Lage und bewirkt durch deren Vermittelung die Uebertragung der
Bewegung auf die zweite.
Ich habe diesen Bewegungsmechanismus, allerdings nur in kleinen Verhältnissen, aber
für sehr rasche Bewegungen mehrfach in Ausführung gebracht und denselben vollkommen
bewährt gefunden.Die Redaction unserer Quelle bemerkt: „Der hier beschriebene
Bewegungsmechanismus findet sich u.a. angeführt als Drei-,
Vier- und Mehrfachkurbelsystem in Redtenbacher's
„Der Maschinenbau“ (Bd. I S. 356) und wird dort
namentlich für Turbinenschützenzüge empfohlen.“
Die Einrichtung der Lenkstangen habe ich dabei so angeordnet, wie es die
Skizze Fig.
28 zeigt, wobei sich eine Adjustirung am leichtesten bewirken ließ. Es
wird nicht wenig Fälle geben, wo dieser kleine einfache Mechanismus mit Vortheil
sich anwenden läßt, und will ich hier ein Beispiel anführen, welches die damit
erzielte Vereinfachung recht in die Augen springen läßt.
Es existiren Flachsbrechmaschinen, welche aus mehreren
hinter einander gelagerten gleich großen und gleich raschlaufenden geriffelten
Walzenpaaren bestehen. Der einzige Unterschied zwischen den verschiedenen
Walzensystemen besteht nur darin, daß die Riffeln der vorderen Walzen immer gröber
als die des nächst dahinterliegenden Paares sind. Zur Bewegungsübertragung dienen in
der Regel Stirnräder mit Zwischenrädern, welche in Fig. 29, welche eine
Skizze einer solchen Flachsbreche darstellen soll, durch punktirte Kreise angedeutet
sind. Eine der Walzen wird durch irgend eine Betriebskraft in Bewegung gesetzt und
überträgt ihre Drehung mittelst der Räder an sämmtliche übrigen Walzenpaare.
Man wird nicht läugnen können, daß dieser Bewegungsapparat ziemlich schwerfällig ist,
ohne besonders zu bemängeln, daß Zahnräder an Maschinen, bei deren Arbeit viel Staub
und Spreu abfällt, wie dieß beim Flachsbrechen der Fall ist, in vielfacher Hinsicht
unbequem werden. Fig. 30 zeigt nun eine Skizze, wie die Bewegung der Walzen mittelst des
Dreikurbelsystemes in einfachster Weise bewirkt werden kann. Der unten liegenden
einzelnen Welle w kann vom Motor aus in jeder
schicklichen Weise die Bewegung mitgetheilt werden, welche sie in der skizzirten
Weise auf sämmtliche Walzen überträgt. Die Einrichtung ist so einfach und aus der
Skizze verständlich zu entnehmen, daß eine Erklärung derselben nicht weiter
nothwendig scheint; daß sie aber vor der in Fig. 29 skizzirten
Einrichtung wesentliche Vortheile voraus hat, wird Jeder leicht einräumen.