Titel: | Ueber die Anwendung des Bleies und des Zinkes bei dem Bessemerprocesse; von W. Baker in Sheffield, Adjunct der königl. Bergschule in London. |
Fundstelle: | Band 184, Jahrgang 1867, Nr. XXXI., S. 131 |
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XXXI.
Ueber die Anwendung des Bleies und des Zinkes bei
dem Bessemerprocesse; von W.
Baker in Sheffield, Adjunct der königl. Bergschule in London.
Nach dem Engineer, Februar 1867, S. 128.
Baker, über Anwendung des Bleies beim Bessemerprocesse.
Der Bessemerproceß gehört unstreitig zu den wichtigsten metallurgischen Problemen der
Jetztzeit. England besitzt die besten Maschinen und den besten Brennstoff zur
Fabrication von Bessemerstahl, es fehlt ihm aber das dazu geeignete Rohmaterial;
denn weit aus der größte Theil des in England erzeugten Roheisens ist zur
Anfertigung einer guten Eisenbahnschiene oder Kurbelachse, in noch weit höherem
Grade aber zur Erzeugung eines Stahles von ausgezeichneter Qualität untauglich. Der
Grund dieser Thatsache liegt klar vor. Durch den pneumatischen Proceß werden der im
Roheisen enthaltene Phosphor und Schwefel nicht vollständig beseitigt. Auf welche
Weise diese Körper durch den Puddelproceß entfernt werden, ist noch nicht ganz
befriedigend erklärt. Percy neigt sich der Ansicht zu,
daß beim Puddeln der größere Theil des Phosphors durch
„Eliquation“ ausgeschieden werde, d.h. daß die
phosphorhaltigen Antheile des Eisens in Folge ihrer größeren Schmelzbarkeit beim
Ballmachen in die Schlacke gehen. Ich erkenne die Gewichtigkeit dieser Ansicht
vollkommen an, will jedoch darauf aufmerksam machen, daß eine innige Berührung des
Eisens mit dem Silicate der Schlacke, bei welcher Sauerstoff im Entstehungsmoment
in's Spiel kommt, neben der von Percy gegebenen, beinahe
die einzig mögliche Erklärung des Vorganges seyn dürfte. Nun liegt hierin der
Unterschied zwischen dem Bessemer- und dem Puddelprocesse, wenn wir letzteren
als Raffinirproceß betrachten. Bei dem ersteren haben wir keine so oxydirend
wirkende Schlacke und überdieß dieselbe in viel geringerer Menge. Oefters finden
sich abgerundete Klumpen von beinahe ganz reiner Kieselsäure der flüssigen Schlacke
mechanisch beigemengt, ein Beweis, daß für die Oxydirung desjenigen Antheils Eisen,
welcher in Verbindung mit der entstandenen Kieselsäure eine leichtflüssige Schlacke
gebildet haben würde, nicht hinlänglich Zeit gegeben war. Wir dürfen nicht aus dem
Auge verlieren, daß durch den Puddelproceß nur die Eliminirung eines Theiles dieser Beimengungen oder Verunreinigungen bewirkt wird. Parry sagt (in Percy's
Metallurgie): „nur ein Drittel des vorhandenen Schwefels und ein Viertel
des Phosphors werden (beim Puddelprocesse) ausgeschieden.“ Diese
Thatsache ist leicht zu erklären, wenn wir berücksichtigen, daß die Schlacke von dem
Augenblicke an, in welchem das Eisen steif zu werden beginnt, in weniger innige
Berührung mit der Charge kommt und auf eine immer kleiner werdende Oberfläche wirkt.
Wahrscheinlich ist es gerade dieser Zeitpunkt, in welchem, nach eingetretener
Oxydation, der Kohlenstoff, Schwefel und Phosphor stärker angegriffen werden.
Bei dem Bessemerprocesse dagegen hat die Schlacke, obgleich die Charge in der Birne
stets in flüssigem Zustande sich befindet, offenbar weit weniger Gelegenheit, als
Oxydationsmittel zu wirken.
Die versuchsweise Anwendung von Blei – in oxydirtem
oder in metallischem
Zustande – beim BessemernPolytechn. Journal Bd. CLXI S.
155. ist zwar außerordentlich interessant; allein es sind doch noch einige
nothwendige Anforderungen an diese Methode zu machen, denen Genüge geleistet werden
muß, wenn das Verfahren von wirklich praktischem Werthe seyn soll. Richter hat das Blei zu dem Zwecke angewendet, um auch
Weiheisen für das Bessemern geeignet zu machen, indem bisher nur Graueisen als dazu
tauglich befunden worden war.Polytechn. Journal Bd. CLXXVI S.
30. Das zu dem Versuche angewendete Eisen war, wie ich annehme, Eisen, welches
nicht allein den Kohlenstoff in chemischgebundenem Zustande (nicht in Form von Graphit), sondern auch in nur geringer Menge enthielt.
Man gieng von der Annahme aus, daß das Blei als Ersatzmittel des Kohlenstoffes
wirken und bei seinem Verbrennen die zur Ausscheidung der Unreinigkeiten
erforderliche Zeit geben und somit den Mangel an Kohlenstoff ausgleichen würde. Ja,
man erwartete sogar, daß bei Ausführung der Operation das Verschwinden der durch die
Verbrennung des Bleies erzeugten eigenthümlich gefärbten Flamme (des Bleirauches)
als Richtschnur zur Beurtheilung der Beendigung des Processes dienen werde.
Die mit Bleiglätte oder metallischem Blei in Puddel- und Flammöfen, sowie in
Frischfeuern abgeführten Versuche haben indessen, wie ich ungeachtet des über die
Anwendung dieser Substanzen zu Turrach veröffentlichten Berichtes befürchte, den
davon gehegten Erwartungen nicht entsprochen; allein dieß ist ein Gegenstand,
hinsichtlich dessen kein Zweifel obwalten sollte. Auf vielen Eisen- und
Stahlwerken sind Chemiker angestellt, die zur Lösung dieser Frage wohl befähigt seyn
dürften. Umsichtig ausgeführte Analysen von Proben einer normalen Charge vor und
nach der Behandlung mit jenen Mitteln ist Alles, was wir dazu bedürfen.
Sorgfältige Berichte über derartige Versuche haben, selbst in dem Falle, wenn
letztere als erfolglos sich herausstellen sollten, stets ihren bedeutenden Nutzen.
Deßhalb erlaube ich mir, einige Bemerkungen über die Einwirkung des Zinkes auf das Eisen in Flammöfen und beim Bessemerproceß
mitzutheilen. Es ist schwierig, den für derartige Versuche nothwendigen Bedingungen
im Laboratorium, wo man nur im kleinen Maaßstabe arbeitet, zu entsprechen und ich
habe es nur der Gefälligkeit der berühmten Firma John Brown u. Comp. zu Sheffield zu verdanken, daß
ich die folgenden Resultate zu erhalten im Stande war.
Eine Charge von 2 Tonnen (40 Zollctr.) wurde in der Bessemer'schen Birne
(Umwandlungsgefäß) mit 30 Pfd. Zink beschickt, und dann ward das Gebläse wie
gewöhnlich angelassen. Nach fünf Minuten war die Zinkflamme verschwunden. Mittelst
des Spectroskops ließ sich Nichts wahrnehmen. Das Metall
wurde abgestochen; dem Ansehen nach zeigte es keinen Unterschied von den
gewöhnlichen Güssen derselben Eisensorte, welche absichtlich von geringer Qualität
gewählt worden war.
Eine Probe dieses Eisens, wie es aus dem Flammofen herausfloß, enthielt 0,0361 Proc.
Schwefel und 0,1720 Proc. Phosphor. Nach dem Behandeln mit Zink in der Birne
enthielten die Güsse 0,0267 Proc. Schwefel und 0,1500 Proc. Phosphor.
Ferner wurde im Flammofen eine Charge von 3 Centner grauen Roheisens mit 1 Proc. Zink
versetzt; die erhaltenen Resultate waren folgende. Vor der Behandlung mit Zink
enthielt das Eisen 0,0260 Proc. Schwefel und 0,437 Phosphor; nach derselben 0,0200
Schwefel und 0,375 Phosphor.
Diese Thatsachen bedürfen keines Commentars. Die Frage ist entschieden. Zink vermag
nicht die genannten Verunreinigungen des Eisens auszuscheiden. Indessen übte das
Zink einen nachtheiligen Einfluß auf das Bessemermetall nicht aus; denn eine mit 30
Pfd. Zink behandelte Charge von 2 Tonnen Eisen, gab, wenn letzteres von geeigneter
Beschaffenheit war, Güsse, welche zu Eisenbahnschienen von der gewohnten trefflichen
Qualitat verarbeitet wurden.
Bei meinen Versuchen hatte ich auch Gelegenheit, die reducirende Wirkung des im gepulvertem Zustande in das Gebläse gebrachten
entwässerten Eisenvitriols auf das Eisen zu
beobachten. Anstatt einer oxydirenden Wirkung dieses Reagens fand ich, daß daraus
Schwefel reducirt wurde und in die Charge gieng. Ich muß dabei bemerken, daß das
Eisenvitriolpulver während eines der anfänglichen Stadien des Processes eingeblasen
wurde. Auf die Anwendung des gewöhnlichen (krystallisirten) Eisenvitriols beim
Puddelprocesse als Raffinir-(Feinungs) oder
Oxydationsmittel hatte Saunderson schon vor längerer Zeit
ein Patent genommenPolytechn. Journal Bd. CXLIV S.
463. und mit demselben sind auch, wie ich glaube, da, wo es in angemessener Weise
angewendet wurde, günstige Erfolge erzielt worden.
Vor Kurzem las ich, daß ein Herr Crawshay ein Patent auf die Anwendung eines Gemenges von Eisenvitriol und Bleiglätte
zu demselben Zwecke
genommen hat. Wenn aber diese Fragen zum Abschlusse gebracht werden sollen, so kann
dieß nur von Seiten der großen Eisen- und Stahlhüttenbesitzer geschehen, wenn
dieselben den zur Lösung derartiger Aufgaben qualificirten Chemikern alle dazu
erforderlichen Apparate zur Verfügung stellen. Die abzuführenden Versuche werden
ohne Zweifel kostspielig seyn, ein günstiger Erfolg derselben wäre aber von
unberechenbarem Werthe.