Titel: Verfahren zur Bereitung von Fleischzwieback; von Dr. C. Thiel.
Autor: C. Thiel
Fundstelle: Band 184, Jahrgang 1867, Nr. XCVI., S. 444
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XCVI. Verfahren zur Bereitung von Fleischzwieback; von Dr. C. Thiel. Thiel, Verfahren zur Bereitung von Fleischzwieback. Die durch wissenschaftliche Forschungen erlangte Kenntniß der Zusammensetzung der Nahrungsmittel, ihrer Bedeutung für die Ernährung, ihrer Zubereitung und der Bedingungen ihrer Haltbarkeit, hat mächtig zur Förderung einer umfangreichen Industrie beigetragen, welche dem Reichthum einzelner Länder an wichtigen Nahrungsmitteln, den steigenden Preisen derselben in den dicht bevölkerten Staaten, sowie dem erleichterten Verkehr ihren Ursprung verdankt und durch die Bedürfnisse anderer Industriezweige, der Schifffahrt und des Kriegswesens, gleichzeitig unterstützt wurde. Im großen Ganzen ist dieser Industrie die Aufgabe gestellt, die verschiedenen Nahrungsmittel in einer haltbaren, transportfähigen, sowie dem Geschmack zusagenden Form herzustellen und dabei ihren ursprünglichen Gehalt an Nährstoffen zu erhalten, beziehungsweise zu vermehren. Bei dem Mühlwesen, der Brodbereitung, der Aufbewahrung von Gemüsen, Obst u. dgl., besonders aber bei der Zurichtung und Aufbewahrung des Fleisches ist man fortwährend bestrebt, diese Aufgabe vollständiger, in einer den Forderungen der Wissenschaft mehr entsprechenden Weise zu lösen und die zahlreichen Verbesserungen, Verfahren und Vorschläge tragen, wenn auch nur mittelbar, zur Erreichung dieses Zieles bei. Aus leicht begreiflichen Gründen ist, wie eben erwähnt, besonders die Aufbewahrung oder Zurichtung des Fleisches der Gegenstand zahlreicher Vorschläge gewesen. Bei näherer Prüfung derselben kommt man leicht zu dem Schluß, daß Liebig's denkwürdige Untersuchungen über die Fleischflüssigkeit die eigentliche Basis derselben sind. Diese Untersuchungen zeigten die hohe Wichtigkeit der löslichen Fleischbestandtheile, führten zu der Fabrication des Fleischextracts in Südamerika und bewiesen den großen Nachtheil des so häufig angewendeten Einsalzens. Sie trugen auch ohne Zweifel zur Fabrication von Fleischzwieback wesentlich bei, der nach und nach für die Seeschifffahrt wie für militärische Zwecke eine gewisse Bedeutung erlangt hat und die Möglichkeit in Aussicht stellt, ein wohlfeiles und gleichzeitig gehaltvolles Nahrungsmittel der unbemittelten Bevölkerung in den Industriestaaten zu bieten. Die Idee, Fleisch und Brod in einem Nahrungsmittel zu vereinigen, ist keine neue, wie dieß z.B. die Pasteten und die in Darmstadt beliebten Wurstwecke beweisen. Gail Borden jun. zu Galveston in Texas hat aber das Verdienst, diese Idee in einer volkswirthschaftlich und technisch wichtigen Richtung nutzbar gemacht zu haben. Im Jahre 1851 erschien sein Fleischzwieback (meat-biscuit) auf der Londoner Ausstellung und erwarb sich die Anerkennung der Jury. Nach den Mittheilungen derselbenAmtlicher Bericht der Zollvereinsregierungen über die Londoner Ausstellung von 1851, Bd. I S. 306; polytechn. Journal Bd. CXXII S. 308. wird dieser Fleischzwieback in der Weise bereitet, daß eine durch Auskochen von Rindfleisch und Eindampfen erhaltene concentrirte Fleischbrühe, mit Weizenmehl zu einem Teig angemacht, und dieser Teig dann in flache Kuchen ausgearbeitet und gebacken wird. Die Concentration dieser Fleischbrühe, das Mengenverhältniß zwischen Mehl und Fleischbrühe sollen nach Gail Borden's Angaben so bemessen seyn, daß dieser durch große Haltbarkeit ausgezeichnete Zwieback in einem Pfund die Extractbestandtheile von 5 Pfund Rindfleisch enthalte. Nach weiteren AngabenWagner's Jahresbericht der technischen Chemie, 1864 S. 482. scheint derselbe allmählich Verbreitung gefunden zu haben, und besonders soll er im amerikanischen Kriege von großem Nutzen gewesen seyn. Die Niederlagen in London und Paris, sowie die Vorschrift von Professor Siemens Polytechn. Journal Bd. CXXIII S. 248 und 458. beweisen weiter, daß er auch in Europa Absatz und Beachtung gefunden hat. Schließlich geht aus diesen Angaben mit großer Wahrscheinlichkeit hervor, daß die erste Bedingung seiner Verbreitung, seines Absatzes erfüllt und seine Fabrication reell betrieben wird. So bedeutend seine Haltbarkeit, sowie sein Gehalt an den Extractbestandtheilen des Fleisches seyn mag, so bietet doch die Art seiner Bereitung erhebliche Nachtheile dar. Vor Allem werden die als Nährstoffe so wichtigen Eiweißverbindungen des Fleisches dabei ausgeschlossen, sie gehen verloren; ferner kann in Folge des Auskochens des Fleisches und des Eindampfens dieser Fleischzwieback nicht unerhebliche Mengen von Leimsubstanzen beigemengt erhalten. Während des Krimkrieges wandte man sich auch in Frankreich der Herstellung von Fleischzwieback zu, wie dieß aus einem Bericht Boussingault's über den von Callamand fabricirten Fleischzwieback hervorgeht.Polytechnisches Centralblatt, 1855 S. 813. In der Literatur finden sich aber keine weiteren Angaben über denselben und es hat den Anschein, daß er keinen Eingang gefunden. Im Gegensatz zu dem Borden'schen Fleischzwieback enthält der von Callamand fabricirte die sämmtlichen löslichen wie unlöslichen Bestandtheile des Fleisches, welcher Umstand sicherlich, selbst bei der sorgfältigsten Zubereitung, seine Haltbarkeit beeinträchtigt, indem das Fleischfibrin leicht den Angriff der Insecten, Maden u.s.w. herbeiführen kann. Während des vorjährigen Feldzugs wurden ebenfalls in deutschen Militärbäckereien ansehnliche Mengen von Fleischzwieback hergestellt, und zwar im Wesentlichen nach dem Verfahren von Callamand, indem fein zerhacktes Fleisch so gleichmäßig als möglich einem Teig einverleibt wurde. Nach zuverlässigen Mittheilungen besaß dieser Zwieback keine große Haltbarkeit, indem er vielfach von Insecten und Maden angegriffen und dadurch ungenießbar wurde. Während derselbe also nicht die Nachtheile des Borden'schen zeigt, steht er aber demselben in Bezug auf Haltbarkeit nach. Diese Uebelstände der beiden bis jetzt gebräuchlichen Verfahren zur Bereitung von Fleischzwieback kann man vermeiden und einen Zwieback herstellen, welcher, frei von Leim, die sämmtlichen löslichen Bestandtheile des Fleisches enthält und in Bezug auf Haltbarkeit aller Wahrscheinlichkeit nach dem von Gail Borden fabricirten nicht nachsteht. Man laugt nämlich das frische, fettfreie und feingehackte Fleisch mit kaltem Wasser möglichst vollständig aus, wie dieß Liebig zur Bereitung einer Fleischbrühe für Kranke empfohlen hatAnnalen der Chemie und Pharmacie, Bd. XCI S. 244; polytechn. Journal Bd. CXXXII S. 464., und benutzt diese Fleischflüssigkeit anstatt Wasser zum Anmachen eines Teiges aus Weizen- oder Roggenmehl, welcher dann nach sorgfältiger Bearbeitung zu runden Kuchen geformt, bei niedriger Temperatur des Backofens möglichst vollständig ausgebacken wird. Man erhält so ein Gebäck, welches, mit Wasser gekocht, eine sehr schmackhafte Suppe liefert und sicherlich auch noch in anderer Weise als Speise zubereitet werden kann. Mehrere nach diesem Verfahren ausgeführte Proben ergaben befriedigende Resultate, welche mich veranlassen, nachstehende Details mitzutheilen: 1,5 Kilogr. Ochsenfleisch, frisch, möglichst frei von Fett und feingehackt, wurden in mehreren Portionen mit 3,5 Liter destillirtem Wasser ausgelaugt und diese Flüssigkeit durch ein feines Haarsieb von dem unlöslichen Rückstande getrennt. Sie enthielt in Folge dessen geringe Mengen von Fett und Fibrin; ihr Gewicht betrug 4,038 Kilogr. und dasjenige des unlöslichen Rückstandes 0,762 Kil., so daß beiläufig 0,2 Kil. an Fleischflüssigkeit und unlöslichem Rückstand verloren gieng. Um einer Zersetzung vorzubeugen, wurden der Masse bei Beginn des Auslaugens circa 10 Kubikcentimeter wässeriger schwefliger Säure zugesetzt. Die 4,038 Kil. Fleischflüssigkeit wurden nach vorsichtigem Erwärmen auf beiläufig 50–55° C. mit 6 Kil. ungarischem Weizenmehl feinster Qualität zu einem Teig angerührt unter Zusatz von 60 Grammen Kochsalz. Der Teig lieferte 17 Kuchen von 19 Centimeter Durchmesser und 2–3 Centimet. Dicke im Durchschnitt, welche nach 3/4stündigem Backen 7,116 Kil. wogen. Von dem unvermeidlichen Verlust abgesehen, sind sonach in 4,744 Kil. dieses frischgebackenen Zwiebacks die sämmtlichen löslichen Bestandtheile von 1 Kil. reinem (nicht Metzger-) Ochsenfleisch enthalten. Zum Zweck einer Vergleichung der Zusammensetzung des Fleischzwiebacks mit derjenigen des verwendeten Weizenmehls, wurde der Gehalt derselben an Wasser, Stickstoff und Aschenbestandtheilen in größeren Durchschnittsproben ermittelt und dabei nachstehende Resultate erhalten. In 100 Theilen: Weizenmehl Fleischzwieback Wasser 14,22 19,25 Stickstoff   2,04   2,35 Aschenbestandtheile   0,55   1,42. Darnach berechnen sich in den 7,116 Kil. Fleischzwieback: 167,2 Gramme Stickstoff und 101,0 Gramme Aschenbestandtheile; in den 6 Kil. Weizenmehl: 122,4 Gramme Stickstoff und 33,0 Gramme Aschenbestandtheile. Es stammen sonach, nach Abzug der zugesetzten 60 Gramme Kochsalz, 8 Gramme Aschenbestandtheile und 44,8 Gramme Stickstoff aus den 1500 Grammen Ochsenfleisch. Es bedarf wohl keines weiteren Nachweises durch Zahlen, daß der nach diesem gewiß leicht ausführbaren Verfahren bereitete Fleischzwieback einen hohen Nahrungswerth besitzt. Mit aller Wahrscheinlichkeit läßt sich annehmen, daß bei etwaiger Ausführung dieses Verfahrens im Großen das Auslaugen des Fleisches mit einer geringeren Wassermenge bewerkstelligt und damit der Gehalt des Zwiebacks an löslichen Fleischbestandtheilen erhöht werden kann. Ebenso muß durch vollständigeres Ausbacken, als bei der vorliegenden Probe geschehen, der Wassergehalt noch erheblich vermindert werden. In Betreff der Haltbarkeit des Zwiebacks liegen zwar noch keine genügenden Erfahrungen vor, aber nach beinahe drei Monaten zeigt sich derselbe noch vollständig frei von Schimmel und dergleichen. Man kann wohl mit Sicherheit annehmen, daß derselbe bei sorgfältiger Zubereitung dem Borden'schen an Haltbarkeit nicht nachstehen wird, da die Fleischbestandtheile höchst gleichmäßig durch die Masse vertheilt sind und nicht so leicht dem Angriff der Insecten ausgesetzt sind als dieß bei dem Zwieback, welcher Fleischfibrin enthält, befürchtet werden muß. Bei Verwendung von frischem Fleisch, bei dessen Auslaugen im großeren Maaßstabe wohl der Zusatz von schwefliger Säure zur Verhütung der Fäulnißprocesse empfehlenswerth ist, bei rascher Ausführung des Auslaugens, Teigmachens, sowie vollständigem Ausbacken wird wohl nicht leicht eine den Geschmack des fertigen Zwiebacks benachtheiligende Zersetzung eintreten können. Wenn man die kostspieligen Transporte von Schlachtvieh, von Getreide und Mehl von Ungarn, Rußland u.s.w. nach Deutschland, England und Frankreich in Erwägung zieht, so wird der Gedanke nahe gelegt, durch Fabrication von diesem Fleischzwieback in den exportirenden Ländern selbst ein sicherlich wohlfeiles und gehaltvolles Nahrungsmittel der weniger bemittelten Bevölkerung der consumirenden Länder zu bieten, so daß auch diese, wie die wohlhabenden Classen dieser Länder, im Fleischextract die Wohlthat der Untersuchungen des großen Meisters genießen können. Gegen diesen Vorschlag kann der Einwurf erhoben werden, daß man keine zuverlässigen Anhaltspunkte zur Beurtheilung der Güte oder der reellen Beschaffenheit des Fleischzwiebacks besitze und dadurch dem Betrug Thür und Thor geöffnet werde. Die so wohlthätige Concurrenz, die Intelligenz der Consumenten, wie Wissenschaft und Praxis werden aber hierin, wie in schon so zahlreichen Fällen, Rath zu schaffen wissen. Darmstadt, im April 1867.