Titel: | Ueber die Phänomene des atlantischen und anderer langer Unterseekabel; von C. F. Varley. |
Fundstelle: | Band 185, Jahrgang 1867, Nr. I., S. 1 |
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I.
Ueber die Phänomene des atlantischen und anderer
langer Unterseekabel; von C. F.
Varley.
Im Auszuge nach dem Engineer vom 22. Februar 1867, S. 169 und der Chemical News vom 1.
März 1867, S. 102.
Mit einer Abbildung auf Tab. I.
Varley, über die Phänomene des atlantischen Kabels.
Die eigenthümlichen Ladungs-Phänomene, welche in tadelfreien, langen
Unterseelinien die Geschwindigkeit der telegraphischen Signale bekanntlich in
bedeutender Weise beeinflussen, waren in einer öffentlichen Vorlesung an der Royal Institution vom 15. Februar d. J. der Gegenstand
einer sehr lehrreichen Erörterung. Varley, der in diesem
Gebiete der unterseeischen Telegraphie so wesentliche Verbesserungen zu Stande
gebracht hatMan s.u.a. polytechn. Journal Bd. CLXXV S.
329., zeigte durch seine sinnreichen Demonstrationen, welchen Einfluß eine
Flaschenleitung, wie sie ein Kabel vorstellt, auf die Geschwindigkeit und Stärke des
continuirlichen Stromes hat, und deutete zugleich die Mittel an, um die Einwirkung
des Erdstromes auf die telegraphischen Signale zu beseitigen.
Um die Erscheinungen dem großen Auditorium vorzuführen, wählte er bei seinen
Experimenten zwei künstliche Kabel; das eine hatte das atlantische Kabel zu
repräsentiren, das andere wurde von derselben Anordnung gewählt, jedoch war seine
Länge für einen Widerstand von 13000 engl. Meilen, nämlich so angeordnet, als ob es
ein Kabel zwischen England und Australien zu repräsentiren hätte. Für die
atlantische Linie wurde der Drahtkern durch Widerstandsrollen, für die australische
wurde derselbe durch Wassersäulen ersetzt, die denselben Widerstand, wie die Linie
selbst, darboten. Der Einfluß der isolirenden Umhüllung des in die See gelegten
Kabels wurde mittelst Condensatoren von gleicher Inductions-
(Influenz-) Fähigkeit wie jene Umhüllung ersetzt, welche in nahe gleichen
Abständen in die ganze künstliche Linie zu diesem Zwecke eingeschaltet wurden. Auf
der künstlichen australischen Linie wurden 10 Stationen, nämlich Gibraltar, Malta, Suez, Aden,
Bombay, Calcutta, Rangoon, Singapore, Jaffa und Australien angenommen, und an jeder
Station als Empfangsapparat ein Reflections-Galvanometer von großer
Empfindlichkeit eingeschaltet. Die Scala eines jeden der 10 Galvanometer wurde durch
das Licht einer elektrischen Lampe beleuchtet, und die von den Spiegeln reflectirten
Bilder auf einem Schirme im Vordergrunde des zu diesem Zwecke verdunkelten
Beobachtungsraumes aufgefangen. Die Anordnung wurde so getroffen, daß, so lange kein
Strom durch die Linie gieng, die Projectionen der sämmtlichen kleinen Spiegelbilder
auf den Schirm in eine Gerade fallen mußten, welche durch eine bestimmte Marke schon
vorher bezeichnet war; die momentane oder durch eine kurze Zeit andauernde Ablenkung
einer oder der anderen der Galvanometernadeln konnte so an den Spiegelbildern
sogleich erkannt werden, da in diesem Falle das betreffende Bild auf die eine oder
die andere Seite der fixen Marke fiel, wenn Ströme in einer oder der anderen
Richtung durch die Linie passirten. Als Rheomotor wurde an der Ausgangs-,
nämlich an der englischen Station eine Batterie von 800 kleinen Daniell'schen Elementen benutzt, von der abwechselnd der
positive oder der negative Pol mittelst eines Submarine-Schlüssels mit dem
englischen Ende der Linie und der andere mit der Erde in Verbindung gesetzt werden
konnte, während das entfernte Ende der Linie zur Erde abgeleitet wurde; daß nach
Belieben der Anfang der Linie mittelst des Schlüssels mit der Batterie oder mit der
Erde in Communication gesetzt werden kann, ist ohnehin bekannt. Wurde nun an der
englischen Seite der Taster niedergedrückt und ein positiver Strom in die Linie
gesendet, so erfolgte zunächst ein Zeichen am Galvanometer von Gibraltar; eine oder
zwei Secunden später erhielt Malta das Zeichen; hierauf und mit immer schwächeren
Zeichen erfolgte ein Stromdurchgang durch die folgenden Stationen Aden, Bombay,
während ungefähr nach einer halben Minute ein sehr schwaches Zeichen an dem
australischen Ende wahrnehmbar war. Nach verschiedenen Methoden wurden sodann die
Zeichen in die Linie gesendet, und es zeigte sich hierbei, daß die Geschwindigkeit
des Signalisirens durch die Natur der Kabelleitungen auf bestimmte Grenzen
beschränkt ist. Während das Licht und die strahlende Wärme eine bestimmte
Fortpflanzungsgeschwindigkeit haben, so könne man, wie Varley ausführt, für die Elektricität eine solche in präciser Weise nicht
feststellen. In dem Augenblicke, in welchem die Kette geschlossen wird, zeigt sich
zwar an dem entfernten Ende derselben die Anwesenheit von elektrischem Zustande,
dieser sey aber viel zu schwach, als daß derselbe in einem langen Kabel durch eines
der bekannten rheoskopischen Mittel sicher zur Wahrnehmung gebracht werden kann. Erst eine bestimmte Zeit
nach dem Schließen der Kette, die unter sonst gleichen Umständen für jedes Kabel
eine andere ist, wird die Stärke des Stromes an dem entfernten Ende in wahrnehmbarer
Weise zunehmen; sie nähert sich hierbei einem ganz bestimmten Maximum, ohne jedoch
die Größe des Stromes zu erreichen, welche die Batterie zu liefern im Stande ist.
Von einer eigentlichen Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Elektricität könne daher
hier nicht die Rede seyn; man könne bloß fragen: nach welcher Zeit erreichte der
Strom ein Viertel oder die Hälfte oder irgend einen anderen Theil der Maximalstärke,
welche der ganzen Kette entspricht. Durch die Experimente wurde diese Ansicht auch
beleuchtet. Wurde der Taster niedergedrückt, so konnte man die genannten
Erscheinungen an den Spiegelbildern der Galvanometer wahrnehmen, und erst nach einer
vollen Minute kam der Ladungsstrom mit sehr bedeutender Stärke an der Endstation zum
Vorschein; wurden, nachdem in der Linie keine Ladung mehr wahrnehmbar war, die
sämmtlichen Condensatoren ausgeschaltet, so zeigte sich fast in demselben
Augenblicke, wenn jetzt der Schlüssel mit einem Batteriepole in Verbindung gesetzt
wurde, an der fast gleichzeitigen Ablenkung aller Spiegelbilder der Galvanometer die
Abwesenheit des Stromes an allen Stationen bis zum australischen Ende. Wurden die
sämmtlichen Condensatoren wieder eingeschaltet, und sendete man wieder wie vorher
einen Strom durch die Linie, setzte sodann das englische Ende mit der Erde in
Communication, so konnte man die Anwesenheit eines starken Rückstromes zuerst an dem
Gibraltar-Bilde, dann erst an den Bildern der Galvanometer für Malta, Suez
und Aden, und fast in denselben Momenten den Durchgang starker Entladungsströme an
den Bildern von Calcutta, Rangoon etc. in entgegengesetztem Sinne mit den vorigen
wahrnehmen, während das Galvanometer von Bombay keine wahrnehmbare Ablenkung zeigte.
Als jedoch bei weiterer Fortsetzung der Experimente in gehöriger Aufeinanderfolge
Ströme mit wechselnder Richtung durch das Flaschenkabel gesendet wurden, konnte man
deutlich an den Abweichungen der Bilder der einzelnen Zwischenstationen das
Neutralisiren der Rückströme zur Wahrnehmung bringen und zeigen, wie namentlich
durch das von Varley eingeführte Verfahren die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Signale bis zu einer bestimmten Grenze gesteigert
werden kann. Der Einfluß der isolirenden Umhüllung eines unter Wasser liegenden
Kabels, das an seinem einen Ende mit dem Pole der Batterie und an seinem anderen mit
der Erde in Verbindung steht, konnte noch deutlich durch andere Versuche aufgewiesen
werden. Wurde die aus 800 Elementen zusammengesetzte Batterie mit Hinweglassung der
Condensatoren geschlossen, so war die Schlagweite, sowie die Wirkung des Funkens beim Oeffnen der Kette
unbedeutend; wurden hierauf die Condensatoren wieder eingeschaltet, so konnte durch
den Trennungsfunken ein Stück Stanniol plötzlich unter starker Explosion geschmolzen
werden. Ein anderer Versuch bestand darin, daß man an dem künstlichen atlantischen
Kabel an dem Neufundlandende die Linie durch eine Geißler'sche Röhre mit der Erde in Verbindung setzte; erst nach mehreren
Secunden zeigte sich die Anwesenheit des Stromes am entfernten Ende, und als seine
Stärke ungefähr die Hälfte des Maximums erreicht hatte, kam ein prachtvolles Licht
in der Röhre zum Vorschein. Es zeigte sich hierbei, daß die Geißler'sche Röhre dem Strome einen Widerstand darbietet, der dem von 390
bis 400 der angewendeten Daniell'schen Zellen äquivalent
seyn soll. Als hierauf auch das englische Ende mittelst einer Geißler'schen Röhre mit der Erde in Verbindung gesetzt wurde, kam auch
diese nach 1 bis 2 Secunden zum Leuchten; die Stärke des Lichtes nahm in beiden
Röhren mit der allmählichen Entladung des Kabels ab. – Auf diese Weise suchte
Varley durch ganz andere Mittel, als solche schon im
Jahre 1854 von Faraday, später von Wheatstone (und noch früher von Siemens)
angewendet wurden, nachzuweisen, daß ein in die See versenktes Kabel, von dem das
eine Ende mit einem Batteriepole, das andere mit der Erde in Verbindung steht, die
Rolle einer großen Leydner Batterie, welche in die Kette einer
hydro-elektrischen Stromquelle eingeschaltet sich befindet, einnehmen
müsse.
Bezüglich der Einwirkung der Erdströme, über deren Störungen ebenfalls hier
gesprochen wurde, bemerkt Varley unter Anderem, daß bei
seinen Erfahrungen niemals ein Erdstrom wahrgenommen wurde, dessen Maximalstärke,
mag derselbe im positiven oder im negativen Sinne aufgetreten seyn, innerhalb einer
Minute zum Vorschein kam; gewöhnlich war bei den stärksten Erdströmen, welche
vorkamen, zum Anwachsen auf ihre größte Intensität eine Zeit von 4 bis 5 Minuten
nothwendig. Um die durch diese fremdartigen Ströme hervorgebrachten Störungen im
Signalisiren zu beseitigen, wendet Varley einen von ihm
construirten neuen Apparat (Fig. 16) an. Dieser
Apparat besteht aus einem cylindrischen Gefäße mit Wasser, in welches zwei (wohl
ungleichartige) Metallstreifen F, F getrennt von
einander eingesetzt sind, und von welchen die eine mittelst des Schlüssels H mit der Kabelleitung L in
Verbindung gebracht werden kann, die andere aber bleibend mit der Erde in
Communication gesetzt ist. An einer gemeinschaftlichen Welle, welche in 1 1/2
Minuten eine Umdrehung vollführte, sind zwei (von einander isolirte) Metallplatten
G angebracht, von denen die eine mit dem positiven,
die andere mit dem
negativen Pole der Batterie D an der gebenden Station in
Contact gesetzt wird. Diese beiden Platten kommen beim Beginne ihrer Umdrehung in
eine Stellung, in welcher der Batteriestrom dieselbe Richtung hat wie der
Polarisationsstrom der Platten-Kette; senkrecht zu dieser Richtung ist der
Batteriestrom aus der Linie ausgeschlossen, und bei einer halben Umdrehung der
Platten G geht derselbe in entgegengesetztem Sinne wie
der Polarisationsstrom in die Linie.Es muß hier bemerkt werden, daß der principielle Theil dieses Apparates nicht
neu ist; derselbe stimmt dem Wesen nach mit der Anordnung der
„Contre-Batterie“ überein, welche schon
früher von Jacobi für ähnliche Zwecke benutzt und
vorgeschlagen worden ist (man s. polytechn. Journal Bd. CLV S. 114). Der Ref. An der anderen Endstation, d. i. hier das sogen. Neufundlandende, ist das
Kabel mittelst des Spiegelgalvanometers B mit der Erde
verbunden, und außer diesem Galvanometer ist noch ein zweites C nebst dem Condensator E zwischen dem
Kabelende und der Erde eingeschaltet. Wurde ein Strom beim Niederdrücken des Tasters
H in die Linie gesendet, so konnte man sogleich eine
Ablenkung der beiden Galvanometernadeln wahrnehmen; als der Ladungsstrom auf eine
bestimmte Stärke angewachsen war, begann die Wirkung des Condensators, die Nadel des
Galvanometers C ging in ihre Ruhelage zurück, während
das Galvanometer B ein deutliches Signal zum Vorschein
brachte. Dieses Mittel war auch bei der atlantischen Linie in der Wirklichkeit
ausreichend, um theils den Erdstrom zum Signalisiren selbst mitzubenutzen, theils
aber denselben ganz unwirksam zu machen, und die Zeichen mit großer Deutlichkeit
hervorzubringen.
Um Schlusse seines Vortrages bemerkte Varley, daß nur mit
Berücksichtigung der Grundlagen wie sie an den künstlichen Kabeln mit den
vorgeführten Versuchen erläutert wurden, die Möglichkeit erlangt werden konnte, eine
Signalisirungsgeschwindigkeit von 8 Worten per Minute
für das neue atlantische Kabel zu garantiren, während ohne Berücksichtigung dieser
Umstände das Gewicht des Kernes, sowie das der isolirenden Hülle mindestens um 60
Procent hätte größer ausfallen müssen, um diese Geschwindigkeit erlangen zu können.
Ueberhaupt haben sich alle Erwartungen, von welchen man bei der Einrichtung des
neuen atlantischen Telegraphen ausgieng, um die gewünschte Transmissions- und
Signalisirungsfähigkeit zu erlangen, bis jetzt vollkommen bestätigt.