Titel: | Die Prüfung des Anilinöles; von Dr. M. Reimann. |
Autor: | M. Reimann |
Fundstelle: | Band 185, Jahrgang 1867, Nr. XX., S. 50 |
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XX.
Die Prüfung des Anilinöles; von Dr. M. Reimann.
Mit Abbildungen.
Reimann, über die Prüfung des Anilinöles.
Comme le soleil chasse les
tenèbres,
Ainsi la science chasse les
erreurs.
Es ist eine in der Anilinindustrie allgemein gemachte Erfahrung, daß gewisse Sorten
Anilinöl eine bessere Ausbeute liefern als andere, und es ist daher für den
Fabrikanten von der höchsten Wichtigkeit, über die Natur des Anilinöles, welches er
verwendet, soviel als möglich in's Klare zu kommen. Man hatte Gelegenheit, die
angedeutete Erfahrung vorzüglich bei der Fabrication des Fuchsins zu machen. Es
wurde gerade in diesem Artikel wohl am meisten experimentirt, die Güte des Anilinöles im
Zusammenhange mit einer möglichst großen Ausbeute an gutem Farbstoffe von vorn
herein festzustellen. Man gerieth, wie allgemein bekannt, bald auf den Abweg,
chemisch reines Anilin als das Ideal eines fuchsinogenen Anilinöles zu betrachten,
machte aber in dieser Hinsicht sehr bald die Erfahrung, daß von der größeren
Reinheit des Anilins an und für sich noch keine Verbesserung in der Fuchsinausbeute
zu erwarten sey. Endlich wurde nachgewiesen, daß reines Anilin ebenso wenig wie sein
Homologon, das Toluidin, im Stande sey Fuchsin (Rosanilinsalz) zu bilden, sondern
daß nur von einem Gemenge beider Stoffe die Bildung dieses Pigmentes zu erwarten
sey. Unzweifelhaft beansprucht das Fuchsin zu seiner Bildung ein Gemisch von Anilin
und Toluidin in gewissen Verhältnissen. Ist nun das Mischungsverhältniß in dieser
Art zugegen, so wird auch ein solches Anilinöl bessere Ausbeuten an Fuchsin geben,
als ein anderes, dem der eine oder andere Bestandtheil mehr oder weniger abgeht.
In genauer Erwägung dieser Verhältnisse kommt man bald zu dem Schluß, daß es für die
gesammte Anilinfarben-Industrie von der höchsten Bedeutung wäre:
1) eine Methode zu kennen, um in käuflichem Anilinöl leicht und
sicher den Gehalt an Anilin und Toluidin zu bestimmen, und zugleich
2) den Einfluß kennen zu lernen, welchen die Verschiedenheit
des Mischungsverhältnisses beider Bestandtheile auf die Ausbeute an Fuchsin
ausübt;
3) das Gemisch festzustellen, welches die größte Menge
krystallisirten Farbstoffes liefert.
Ich glaube nun, daß eine gründlichere Untersuchung des Anilinöles, welche ich vor
einiger Zeit unternahm, im Stande seyn wird, uns der Lösung dieser Fragen wesentlich
zu nähern.
Schon seit mehreren Jahren waren die Fabrikanten bemüht, ein Anilinöl ausfindig zu
machen, das ihnen möglichst große Ausbeute an Fuchsin gewährte. Sie haben wirklich
auf die eine oder andere Art in dieser Hinsicht ihren Zweck erreicht. Sie verfuhren
natürlich vollkommen empirisch im Studium des für sie brauchbaren Anilinöles. Man
suchte durch Probiren verschiedener Anilinöle das für die Ausbeute günstigste
auszufinden und für spätere Chargen wieder genau eben solche Sorten Anilinöl zu
erhalten. Zum Probiren des Anilinöles bediente man sich vorzugsweise des Aräometers.
Dabei sey gleich bemerkt, daß eine Prüfung des specifischen Gewichtes für das
Anilinöl nur dann in Wirklichkeit maßgebend seyn kann, wenn dasselbe immer genau
nach derselben Methode
dargestellt wird, also wenn es beispielsweise immer nur von einer Fabrik bezogen
wird. Es sind alsdann hauptsächlich die anwesenden Mengen unveränderten Benzols und
Nitrobenzols nahezu gleich, welche auf eine Aräometerbestimmung wesentlich
influiren.
Um der Sache etwas näher zu treten, suchte ich vor Allem die Bestandtheile des
Anilinöles einer genaueren Prüfung zu unterwerfen. Unter vollkommener
Berücksichtigung der Herstellungsweise des Anilinöles gelang es mir, das Studium
seiner Bestandtheile im Wesentlichen zu vollenden. Man stellt jetzt allgemein das
Anilin durch Nitrificirung des Benzols und nachherige Reduction des entstandenen
Nitrobenzols dar. Ein aus Steinkohlentheer direct gewonnenes Anilinöl gehört nach
meinen Erfahrungen zu den Seltenheiten. Das Benzol, welches man zur Fabrication des
Anilinöles verwendet, siedet zwischen 80 und 150° C. Es kann demnach nicht
aus reinem Benzol bestehen, sondern ist ein Gemisch von Benzol und dessen Homologen
Cumol und Cymol.
Es werden folglich durch die gewöhnliche Behandlung, welcher man das Benzol zur
Darstellung des Anilinöles unterwirft, im Wesentlichen Anilin, Toluidin, Cumidin und
Cymidin gebildet werden. Auf diese richtete ich daher mein Hauptaugenmerk.
Wesentlich erleichtert wurde mir die Untersuchung dadurch, daß in einzelnen Fabriken
mehr oder weniger getrennte Anilinöle dargestellt werden. Diese trennen nämlich das
zu verarbeitende Benzol durch Destillation in einen Theil, welcher bis 100°,
der Temperatur der Wasserdämpfe von gewöhnlichem Druck, und einen solchen, welcher
von 100–150° destillirt. Der bis 100° destillirende Theil
enthält alsdann natürlich vorzüglich Benzol, während nur verhältnißmäßig geringe
Mengen von Toluol, Cumol und Cymol darin enthalten sind; dagegen enthält der von
100–150° destillirende Theil, welcher zu gleicher Zeit der bedeutend
kleinere ist, nur spurweise Benzol, während Toluol, Cumol und Cymol in der
Hauptsache darin vertreten sind. Aus diesen so getrennten Benzolen, von denen wir
das bis 100° destillirende Kuphobenzol, das von 100–150°
siedende dagegen Barobenzol nennen wollen, fabricirt man nun dem entsprechend ein
Kupho- und Baronitrobenzol, und aus diesem wieder zwei analoge Sorten
Anilinöl: das Kuphanilin und Baranilin. Aus diesen wird nach gewissen Principien ein
für Fuchsinfabrication brauchbares Anilinöl gemischt. Das alsdann entstandene
Anilinöl enthält also alle Bestandtheile, welche das Benzol ohne Trennung auch
gegeben hätte, nur in anderer Mischung. Gelingt es daher, die Bestandtheile des
Kuph- und Baranilins aufzufinden, so sind auch damit die Bestandtheile des
Mischungsproductes gegeben.
Das Kuphanilin, welches ich zunächst untersuchte, war ein wasserhelles, leicht
bewegliches Oel vom specifischen Gewicht 1,02 und aromatischem, aber nicht gerade
angenehmem Geruche. Es siedet zwischen 180 und 190°. Ich konnte demnach in
dem Kuphanilin nur eine große Quantität reinen Anilins vermuthen, welchem Toluidin
in geringeren Mengen beigemischt war, das aber seinen Geruch einer im
Steinkohlen- wie Knochentheere vorkommenden flüssigen Base, dem Odorin,
verdankt. Außerdem enthielt das Oel noch geringe Quantitäten Wasser. Ich suchte vor
Allem das Kuphanilin wieder nach den Siedepunkten in einzelne Gruppen leichter und
schwerer siedender Körper aufzulösen. Zu dem Ende bediente ich mich eines
complicirten Destillationsapparates, Fig. 1,
bestehend aus einem kleinen Destillationskessel mit Oeffnung für Thermometer und
Abzugsrohr für die Dämpfe, einer kupfernen Schlange, welche sich von dem Kessel nach
oben windet und in einen ebenfalls kupfernen Behälter eingesetzt ist, und einer
gleichen, aber abwärts steigenden Schlange, in welche die aufsteigende direct
übergeht.
Fig. 1., Bd. 185, S. 52
Ich brachte in den Schlangenbehälter b Paraffin, das ich
bis zu einer bestimmten Temperatur mit einer Alkoholflamme erhitzte. Zur Regulirung
der Temperatur war innerhalb der Windungen der Schlange b ein Thermometer angebracht. In c befand sich
Wasser; a wurde mit einer bestimmten Quantität des
betreffenden Anilins gefüllt, dessen Temperatur durch ein in a befindliches Thermometer abgelesen werden konnte. Es leuchtet nun ein,
daß, wenn das Paraffin in b z.B. auf 100° erhitzt
wurde, während man das Anilin in a in's Sieden brachte,
die Dämpfe des Anilins die ganze auf 100° erhitzte Schlange durchlaufen
mußten. In dieser nun condensirten sich, wenn nicht ganz, so doch zum größten
Theile, diejenigen Bestandtheile, welche zu ihrer Verflüchtigung eine höhere
Temperatur erfordern, aber von den übrigen aus a
entweichenden, leichter siedenden Bestandtheilen mitgerissen wurden. Es werden also
in c auch nur bis 100° flüchtige Bestandtheile
condensirt werden können. Da ich in dem Kuphanilin nur Wasser, Odorin, Anilin und
Toluidin vermuthen konnte, so erhitzte ich b nach und
nach auf 100° (Siedepunkt des Wassers), 134° (Siedepunkt des Odorins
– eigentlich 133,3°), 182° (Siedepunkt des Anilins) und
198° (Siedepunkt des Toluidins).
Ich wendete zur Destillation 44,25 Grm. Kuphanilin an.
Es destillirten bis
100° 134°
==
2 Gramme 0,5 Gramme
1
182° 198°
==
40,75 Gramme 1 Gramm
2
Der bis 100° übergegangene Theil bestand aus Wasser, dem nur einzelne Tropfen
unveränderten, durch den Geruch sehr wohl zu erkennenden Benzols beigemischt waren.
Auch der bis 134° übergegangene Theil, welcher den dem Odorin eigenthümlichen
Geruch in hohem Maaße zeigte, bestand zum großen Theil aus Wasser, dem etwas von
einem öligen, unten sich absetzenden Körper beigemischt war. Beim Schütteln mit
Wasser löste sich aus diesem Theile alles Odorin (welches bekanntlich mit Wasser
mischbar ist und sich dadurch wesentlich von den anderen Alkaloiden unterscheidet)
auf, und es blieben nur geringe Spuren von Benzol und Anilin zurück, welche weiter
nicht berücksichtigt wurden. Wir werden daher von der Wahrheit nicht abweichen, wenn
wir den Theil 1 aus Odorin und Wasser bestehend betrachten.
In dem Theile 2 dagegen ist kein Odorin mehr enthalten, denn durch Schütteln mit
Wasser entstehen keine bedeutenden Volumänderungen mehr. Von den höheren Homologen,
wie Cumidin und Cymidin kann in 2 füglich nicht gut etwas enthalten seyn, da dieser
Theil zwischen 180 und 190° destillirt, die gedachten Homologe aber
wenigstens eine Temperatur von 210° erfordern würden. Man kann daher sehr
wohl annehmen, daß 2 besteht aus Anilin und Toluidin. Könnten wir Anilin und
Toluidin trennen, so wäre damit die Analyse des Kuphanilins vollendet. Nach langen
Bemühungen gelang es, eine Methode zu finden, welche zur Trennung des Anilins und
Toluidins geeignet ist. Sie beruht auf der fast gänzlichen Unlöslichkeit des schwefelsauren
Anilins in Aether. Das schwefelsaure Toluidin ist dagegen, wenn auch nicht leicht,
so doch immer in Aether löslich. Ob man diese Methode auf die Analyse anwenden
konnte, hing natürlich von einer Probe ab. Ich mischte daher 75 Grm. chemisch reinen
Anilins mit 25 Grm. chemisch reinem Toluidin; das dabei entstandene Oel verwandelte
ich mit der erforderlichen Menge Schwefelsäure in neutrales schwefelsaures Anilin
und behandelte das entstandene weiße Salz auf einem Filtrum mit Aether. Die dabei
übrig gebliebene Salzmasse, welche vom Aether nicht gelöst war, blieb nach der
Trocknung constant auf dem Gewichte 114,9 Grm., was einer Menge von 75,3 Grm. reinem
Anilin entspricht. Das mit Kalihydrat abgeschiedene Anilin sott bei 182°.
Nachdem die Probe in dieser Weise günstig ausgefallen war, wurde der Theil 2 des
Kuphanilins in der gleichen Weise behandelt. Nach der Ueberführung von 39,66 Grm.
Kuphanilin 2 in Sulphat und Ausziehen mit Aether blieben übrig 56,52 Grm.
schwefelsaures Anilin, was entspricht 36,9 Grm. chemisch reinem Anilin. Der Theil 2
enthält demnach 93,2 Proc. Anilin und 6,8 Proc. Toluidin. Da nun von
Kuphanilin
1 vorhanden waren
2,5
Grm.
Kuphanilin
2 aber
41,75
Grm.
zusammen
44,25
Grm.,
so besteht das Kuphanilin aus
5,6 Proc. Odorin und Wasser,
89,2 Proc. Anilin, und
5,1 Proc. Toluidin
–––––––––––––––––––––––
zusammen
99,9 Proc.
Bei einer zweiten in ganz der nämlichen Weise angestellten Analyse ergaben sich als
Bestandtheile des Kuphanilins:
89,5 Proc.
Anilin,
5,5 „
Toluidin, und
4,2 „
Odorin und Wasser,
was mit dem vorigen Resultate im Wesentlichen
übereinstimmt.
Wir können aus diesen Zahlen das Resultat ziehen, daß das Kuphanilin bestehe aus
90 Proc.
Anilin,
5 „
Toluidin, und
5 „
Odorin und Wasser.
Es handelt sich jetzt noch um die Untersuchung des Baranilins, welches ein
wasserhelles, nicht so leicht wie das vorige bewegliches Oel darstellt, und zwischen
195 und 215° C. siedet. Es müssen daher in dem Baranilin die schwerer
siedenden Alkaloide überwiegen, und es kann das Anilin nur in geringen Mengen
vertreten seyn. Da wir es hier demnach mit einer Mischung aus einer größeren Menge
Toluidin mit einer verhältnißmäßig geringeren seiner Homologen zu thun haben, so
kann unsere vorher angewendete Trennungsmethode keine Anwendung finden, da sie ja
nur auf die Trennung von Anilin und Toluidin berechnet war. Es wurde daher eine
andere Methode gesucht, das Toluidin von den beigemischten Körpern zu trennen. Ich
fand eine Grundlage zu dieser Methode in der Unlöslichkeit des oxalsauren Toluidins
in Aether. Zur Prüfung der Methode wurden 100 Grm. Toluidin mit einer Lösung von
Oxalsäure in Aether in oxalsaures Toluidin verwandelt und das entstandene Salz mit
Aether gewaschen. Dabei blieben übrig an trockenem oxalsaurem Toluidin 144,8 Grm.,
was einem Toluidingehalte von 99 Grm. entspricht.
Darnach konnte man sicher seyn, bei Anwendung dieser Methode ein gutes Resultat zu
erhalten. Da das oxalsaure Anilin ebenso wie die oxalsauren Salze des Cumidins und
Cymidins in Aether löslich, oxalsaures Toluidin dagegen darin unlöslich ist, so
braucht man also das Baranilin nur in oxalsaure Salze umzuwandeln und mit Aether
auszuwaschen, um als Rückstand reines oxalsaures Toluidin zu erhalten.
Das Baranilin verwandelte ich nun mit Hülfe von Oxalsäure in eine Salzmasse, welche
ich mit Aether wusch. Es wurden 39 Grm. Baranilin angewendet und mit einer Lösung
von Oxalsäure in Aether in neutrales oxalsaures Salz verwandelt. Nach dem Auswaschen
mit Aether behielt ich zurück an oxalsaurem Toluidin 39,28 Grm., was einer Menge von
26,82 reinem Toluidin entspricht. Demnach enthält das Baranilin 68,82 Proc.
Toluidin. Das dabei abgeschiedene oxalsaure Toluidin gab, in seiner wässerigen
Auflösung mit Kalihydrat behandelt, krystallinische Ausscheidungen von reinem
Toluidin. Die dabei erhaltenen Krystalle schmolzen beim Erwärmen, und das
entstandene Oel destillirte bei 198°.
Ein zweiter mit dem Baranilin angestellter Versuch ergab 69,8 Proc. Toluidin.
Wir können demnach annehmen, daß das Baranilin 70 Procent Toluidin enthalte.
Es fragt sich dann nur: woraus bestehen die übrigen 30 Procent?
Es kann in den entfernten 30 Proc. des Baranilins Anilin füglich nicht, oder doch nur
in sehr geringer Menge, vorhanden seyn, da erstens das Baranilin erst gegen
200° wesentlich in's Sieden geräth, der Siedepunkt des Anilins aber
182° ist, und zweitens das Baranilin mit Jod behandelt, für sich kein Fuchsin
zu erzeugen im Stande ist; ein noch gewisseres Zeichen, daß das Anilin im Baranilin
fehle.
Das aus der verdunsteten ätherischen Lösung der oxalsauren höheren Homologen
dargestellte Oel sott zwischen 210 und 220°, so daß man mit großer Sicherheit
annehmen kann, es bestehe aus einem Gemenge von Cumidin und Cymidin, umsomehr als
diese Basen aus Benzolhomologen entstehen können. Das Baranilin riecht fast gar
nicht nach Odorin, so daß auf dieses nicht besonders Rücksicht genommen zu werden
brauchte. Ebenso wenig kann, seines hohen Siedepunktes wegen, von einem Gehalte an
Wasser oder Benzol die Rede seyn.
Welches sind nun die Merkmale, an denen das Kuphanilin sowohl als das Baranilin zu
erkennen ist, ohne daß eine so complicirte Analyse nothwendig wird wie die oben
beschriebene?
Es wurde versucht, das specifische Gewicht als Erkennungszeichen zu benutzen; dieses
schwankt aber zu sehr durch einen größeren oder geringeren Gehalt an unverändert
gebliebenem Benzol und Nitrobenzol, als daß damit etwas erreicht werden könnte.
Es fand sich jedoch, daß das Sieden des betreffenden Oeles das einzige Mittel bietet,
um schnell und sicher über seine Natur in's Klare zu kommen.
Zur Prüfung der Siedeverhältnisse des Anilinöles habe ich folgenden Apparat sehr
zweckmäßig gefunden, wie er ähnlich auch in einigen Anilinfabriken in Anwendung ist,
Fig. 2. Eine kupferne oder gläserne Retorte, in
deren Tubulus ein Thermometer eingesetzt ist, steht mit einem Liebig'schen Kühler in Verbindung. Die Retorte kann entweder im Oelbade
oder über freiem Feuer erhitzt werden. Man bringt in die Retorte 100 Kubikcentimeter
des zu prüfenden Oeles und destillirt. Als Vorlage benutzte ich ein in
Kubikcentimeter getheiltes Standgefäß.
Fig. 2., Bd. 185, S. 56
Ich beobachte während des Siedens in der Weise, daß ich das Glas a und das Thermometer c zu
gleicher Zeit in's Ange fasse und genau notire, wieviel Kubikcentimeter des Oeles
innerhalb 5 Thermometergraden übergehen.
Angenommen z.B., wir wollten die Siedeverhältnisse des Kuphanilins bestimmen, so
bringen wir 100 Kubikcentimeter desselben in die Retorte und erhitzen. Bei
100° etwa geht eine geringe Menge Wasser, vielleicht auch einige Tropfen
unveränderten Benzols, über; die Menge desselben ist jedoch zu einer Beobachtung
nicht erheblich genug. Wir erhitzen weiter; bei 180° endlich lesen wir ab:
wir haben 8,5 Kubikcentimeter in der Vorlage, von denen sich 6 als Anilinöl
erweisen, während die darüber schwimmenden 2 1/2 Kubikcentimeter Flüssigkeit
offenbar aus Wasser bestehen. Beim weiteren Erhitzen geräth das Kuphanilin in
starkes Sieden, bei 181, 182, 183, 184 und 185° gehen beträchtliche Mengen
des Oeles über; wir haben, wenn das Quecksilber im Thermometer den Theilstrich
185° überschreitet, 62 1/2 K. C. Flüssigkeit in der Vorlage. Bis 180°
waren davon übergegangen 8,5, folglich gingen von 180–185° über 54 K.
C. Beim weiteren Erhitzen gehen unter lebhaftem Sieden zwischen
185–190° 34 K. C. Oel über. In der Retorte bleibt ein Rest von 3 1/2
K. C. Oel. Eine wiederholte Destillation des Kuphanilins gab ähnliche Resultate,
deren Zahlen von den vorhin angegebenen nur um 1/2 –1 K. C. abweichen. Eine
andere Sorte Kuphanilin zeigte die Zahlen:
bis 180°
=
4 Kubikcentimeter
bis 185°
=
54 „
bis 190°
=
36 „
Rest
=
6 „
Dieses letztere enthält offenbar etwas weniger unverändertes Benzol und Wasser als
das vorige; dagegen stimmen die gefundenen Zahlen in soweit überein, daß von einer
wesentlichen Verschiedenheit der Oele nicht die Rede seyn kann.
Wir können daher allgemein den Satz aussprechen: ein Anilinöl, welches Verhältnisse
bei der Destillation zeigt, die den oben angegebenen gleich oder im Wesentlichen
ähnlich sind, ist unbedingt Kuphanilin, d.h. ein Anilinöl, das aus solchen Benzolen
bereitet ist, welche bis 100° herauf sieden und das im Wesentlichen aus circa 90 Proc. Anilin, 5 Proc. Toluidin, und 5 Proc.
Odorin und Wasser besteht.
Dasselbe Erkennungsmittel läßt sich auch aufstellen für das Baranilin; nur liegen bei
diesem seiner Natur zufolge die einzelnen Siedepunkte höher.
Unterwerfen wir das Baranilin in demselben Apparate, welcher uns vorhin zur
Bestimmung der Siedeverhältnisse des Kuphanilins diente, der Destillation, so findet
das Sieden unter folgenden Verhältnissen statt.
Von den 100 Kubikcentimetern Baranilin, welche wir in den Apparat bringen, gehen
über
bis 190°
= 3 Kubikcentimeter, von denen nur
1,5 sich als Anilinöl
ausweisen, während 2 Kubikcentimeter Wasser sind,
bis 195°
= 8 Kubikcentimeter
bis 200°
=
18 „
bis 205°
=
39 „
bis 210°
=
19 „
bis 215°
=
7 „
während 5,5 Kubikcentimeter Oel in der Retorte
zurückbleiben.
Oftmals wiederholte Proben mit Baranilin führten immer wieder zu im Wesentlichen
gleichen Resultaten. Wir können daher auch hier annehmen, daß ein Anilinöl, dessen
Destillationsverhältnisse den oben mitgetheilten gleich oder im Wesentlichen ähnlich
sind, Baranilin sey, d.h. ein Gemenge aus 70 Proc. Toluidin und 30 Proc. Cumidin und
Cymidin.
Aus dem Kuphanilin und Baranilin, deren Eigenschaften im Vorhergehenden erörtert
sind, kann man mit Leichtigkeit dasjenige Oel mischen, welches für die Fabrication
von Fuchsin, Violett und Blau vortheilhaft ist. Die Zusammensetzung desjenigen
Gemenges, welches für die Fabrication des Fuchsins z.B. besonders günstig ist, wurde
natürlich empirisch ermittelt.
Es ist nun die Frage, ob auch ein Gemenge von Kuphanilin und Baranilin unter allen
Umständen dieselben Siedeverhältnisse zeigt, und ob auch hier die Siedepunkte für
die Beschaffenheit des Gemenges maßgebend sind. Es hat sich ergeben, daß ein
gewisses Gemenge von Kuphanilin und Baranilin, welches beim Sieden ein ganz
bestimmtes Verhalten zeigt, für Fuchsinfabrication hinsichtlich einer guten Ausbeute
und guten Nüance des gewonnenen Farbstoffes besonders günstig ist, daß aber auch
jedes beliebige Anilinöl aus irgend welcher Fabrik in dieser Beziehung gute
Resultate gibt, sobald nur seine Siedeverhältnisse die nämlichen sind, wie sie bei
dem oben erwähnten Gemenge vorkommen. Es ist von der größten Wichtigkeit, daß wir
die verschiedenen Gemenge von Kuphanilin und Baranilin in ihren Siedeverhältnissen
genauer betrachten.
Zu dem Ende mögen uns Mischungen dienen von
90 Proc. Kuphanilin und
10 Proc. Baranilin
85
„ „
„
15
„
„
80
„ „
„
20
„
„
75
„ „
„
25
„
„
62 1/2
„ „
„
37 1/2
„
„
60
„ „
„
40
„
„
50
„ „
„
50
„
„
37 1/2
„ „
„
62 1/2
„
„
25
„ „
„
75
„
„
Diese Mischungen werden genügen, um ein Bild der Siedeverhältnisse von Mischungen des
Kuphanilins und Baranilins zu geben. Der Uebersichtlichkeit wegen erfolgt die Angabe
in Form einer Tabelle. Links ist die Zahl der Grade angegeben, bis zu welchen das
Oel erhitzt wurde; die nebenstehenden Ziffern geben alsdann die zwischen diesem und
dem vorhergehenden Temperaturgrade destillirenden Oelmengen an. In der ersten Rubrik
einer jeden Columne befindet sich eine doppelte Zahl; die obere gibt die Mengen des
übergegangenen Wassers, die untere die des Anilinöles an. Die
Siedepunktsbestimmungen des reinen Kuphanilins sind in der Tabelle recapitulirt. Der
Rest ist die in der Retorte zurückgebliebene Oelmenge.
bis
100 K.
90 K.
85 K.
80 K.
75 K.
62 1/2 K.
60 K.
50 K.
37 1/2 K.
25 K.
0 K.
0 B.
10 B.
15 B.
20 B.
25 B.
37 1/2 B.
40 B.
50 B.
62 1/2 B.
75 B.
100 B.
180°
2 1/2
7
2 1/2
5 1/2
3 1/2
4
4
2
3
6
3 1/2
3
3
2
2 1/2
185°
54
50
29 1/2
22
5 1/2
2 1/2
7
4 1/2
2 1/2
2
190°
34
34
56 1/2
55 1/2
55 1/2
41
37
7 1/2
5 1/2
4 1/2
1 1/2
195°
5
7 1/2
8 1/2
15
25
33
42
40
17
8
200°
9
8 1/2
19
28 1/2
36
18
205°
4 1/2
5
16
10
11
16
39
210°
4 1/2
3 1/2
7 1/2
8
19
215°
4 1/2
7
Rest
3 1/2
4
4
8 1/2
3 1/2
6 1/2
7
6 1/2
3 1/2
5
5 1/2
Diese 11 Tabellencolumnen können als die Grundtypen der Mischungsverhältnisse von
Kuphanilin und Baranilin betrachtet werden. Alle in den oben angegebenen
Verhältnissen hergestellten Mischungen der beiden Oelsorten sind in ihrem Verhalten
beim Sieden den der Tabelle zu Grunde gelegten Mischungen gleich oder höchst
ähnlich. Man wird also auch umgekehrt von einer Oelsorte, welche beim Sieden einer
der oben angegebenen Columnen nahezu entspricht, behaupten können, sie sey der
dieser Columne zu Grunde gelegten Mischung gleich zusammengesetzt. Es hat sich
hinlänglich ergeben, daß alle gleich zusammengesetzten Anilinöle, welche Färbung und
welchen Geruch sie haben mögen, doch in ihren Siedenverhältnissen sich stets gleich
bleiben. Man wird sich fragen: die verschiedenen Sorten Anilinöl enthalten ungleiche
Quantitäten unverändertes Benzol und Nitrobenzol, sowie Wasser; sollte das nicht
ihre Siedeverhältnisse so modificiren, daß Irrthümer vorkommen könnten? Dagegen ist
jedoch Folgendes zu erwägen: das Benzol wie das Wasser finden sich immer schon
ausgeschieden in dem Theile des Destillates, welcher bis 180° übergegangen
ist; das Nitrobenzol dagegen, welches bei 213° siedet, wird in dem in der
Retorte bleibenden Rückstande enthalten seyn. Es können sich daher wohl die erste,
wie die letzte Zahl der Columne ändern; es werden aber die mittleren Zahlen, deren
Uebereinstimmung bei einer Vergleichung am meisten in's Gewicht fällt, von solchen
Unterschieden gar nicht berührt. Aehnlich verhält es sich mit denjenigen Alkaloiden,
welche in dem aus Benzol dargestellten Anilinöl nicht vorkommen, wohl aber in dem
aus dem Steinkohlentheer direct gewonnenen; ich meine Chinolin und Paranilin. Auch
diese werden nur die Restzahl in der Columne verändern können, ohne die übrigen
Zahlen wesentlich zu modificiren. Natürlich kann hier nicht die Rede seyn von etwa
in betrügerischer Absicht zugesetzten Benzol- und Nitrobenzolmengen. Diese
kann man ja sehr leicht ermitteln, wenn man eine Quantität des fraglichen Oeles mit
Salzsäure behandelt, die entstandenen salzsauren Alkaloide in Wasser löst und
beobachtet, wieviel Benzol und Nitrobenzol sich abscheidet. Es kann überhaupt
niemals verlangt werden, daß die einzelnen bei der Destillation von Oelen in
angegebener Weise erhaltenen Zahlen sich einander gänzlich anschließen; es ist immer
nur nöthig, daß die gewonnenen Zahlencolumnen im Allgemeinen den Eindruck der
Aehnlichkeit machen. Schon damit ist der Praxis Alles gewonnen. Es wird häufig genug
vorkommen, daß die Zahlen nicht einer, nicht der anderen Zahlencolumne entsprechen;
dagegen wird es immer unzweifelhaft seyn, zwischen welche Columnen sie hineinpassen,
und es genügt vollkommen zu wissen, die Zusammensetzung eines Anilinöles stehe
zwischen 75 Kuphanilin: 25 Baranilin und 80 Kuphanilin: 20 Baranilin, um seine
Maßnahmen für die Fabrication darnach zu treffen. Man erinnere sich immer, daß das
Anilinöl ein Gemenge ist von 8 bis 11 verschiedenen Substanzen, und daß schon das
zufällige Vorwiegen des einen oder anderen der unwesentlichen Bestandtheile die
Zahlen, wenn auch nur in geringem Maaße, ändern kann.
Was endlich dasjenige Anilin anlangt, welches für eine möglichst große
Fuchsinausbeute die meisten Chancen bietet, so können selbstverständlich hier nur
praktische Erfahrungen sprechen. Unter einer günstigen Fuchsinausbeute versteht man
im Allgemeinen eine Ausbeute von 30 bis 35 Pfd. Fuchsinkrystallen
(chlorwasserstoffsaures Rosanilin) aus 100 Pfd. Anilinöl. Dabei muß jedoch immer eine umsichtige,
rationelle Fabrication vorausgesetzt werden. Ich werde die Destillationscolumnen
verschiedener Anilinöle mittheilen, welche gute und schlechte Fuchsinausbeuten
gegeben haben. Es wird das den Leser befähigen, ein selbstständiges Urtheil über die
in Rede stehende Prüfungsmethode zu gewinnen.
Ein Anilinöl, das wir mit I bezeichnen wollen, gewährte bei der Fabrication eine gute Ausbeute an Fuchsin (33 Pfund aus 100 Pfund); es
ergab bei der Destillation folgende Zahlencolumne:
bis 180°
= 5
185°
= 6
190°
= 44
195°
= 30
200°
= 7
205°
= 3
Rest
= 5.
Bei genauer Beobachtung müssen wir dieser Columne ihren Platz zwischen 75 Kuphanilin:
25 Baranilin und 62 1/2 Kuphanilin: 37 1/2 Baranilin anweisen.
Ein anderes Oel, das unter denselben Verhältnissen, denen das vorige unterworfen
wurde, eine Ausbeute von 32 Pfund Fuchsin gab, zeigte folgende Zahlen:
bis 180°
= 6
185°
= 4
190°
= 50
195°
= 22
200°
= 11
210°
= 4
Rest
= 3.
Auch diese Columne, welche wir mit II bezeichnen, nimmt ihre Stellung zwischen 75
Kuphanilin: 25 Baranilin und 62 1/2 Kuphanilin: 37 1/2 Baranilin.
Eine dritte Oelsorte gab 32 1/2 Pfund Fuchsinausbeute; sie zeigte folgende
Destillationscolumne:
bis 180°
= 4
185°
= 8
190°
= 64
195°
= 14
200°
= 4
Rest
= 6.
Diese Columne kann nur einen Platz einnehmen zwischen 80 Kuphanilin: 20 Baranilin und
75 Kuphanilin: 25 Baranilin.
Eine vierte Oelsorte gab 31 1/2 Pfd. Fuchsinkrystalle. Ihre Columne lautet:
bis 180°
= 2
185°
= 16 1/2
190°
= 59
195°
= 13 1/2
200°
= 8 1/2
Rest
= 1/2
Auch diese Columne erhält ihren Platz zwischen 75 Kuphanilin: 25 Baranilin und 80
Kuphanilin: 20 Baranilin.
Ein anderes Oel, dem derselbe Platz gebührt, ist V; es
gaben 100 Pfund dieses Oeles 32 Pfund Fuchsinkrystalle.
Bis 180°
= 6
185°
= 21 1/2
190°
= 61
195°
= 9
Rest
= 2
Ein Oel endlich, das wir mit VI bezeichnen wollen, gab eine Ausbeute von 34 1/2 Pfund
Fuchsinkrystallen und zeigt folgende Columne:
bis 180°
= 6
185°
= 4
190°
= 55 1/2
195°
= 14
200°
= 10
205°
= 5
Rest
= 5 1/2.
Es stimmt dieses Oel mit der Columne 75 Kuphanilin: 25 Baranilin fast vollkommen
überein.
Um Beispiele von Anilinölen zu geben, welche eine schlechte Ausbeute lieferten, führe ich an:
VII, ein Anilinöl, das nur 10 Pfd. Fuchsinkrystalle gab und das der Columne 100
Kuphanilin: 0 Baranilin sehr ähnlich ist.
Bei 180°
= 5 1/2
185°
= 58
190°
= 34
Rest
= 2 1/2.
Es hatte dieses Oel auch den starken Geruch nach Odorin mit dem Kuphanilin
gemein.
Ein anderes Anilinöl mit einer Ausbeute von 25 Pfd. Fuchsinkrystallen ist VIII,
dessen Columne hier folgt:
bis 180°
= 3
185°
= 4
bis 190°
= 20 1/2
195°
= 48 1/2
200°
= 14
205°
= 5
Rest
= 5
Die Stellung dieser Columne ist offenbar zwischen 62 1/2 Kuphanilin: 37 1/2 Baranilin
und 50 Kuphanilin: 50 Baranilin.
IX, ein anderes Anilinöl mit einer Ausbeute von 23 Pfd. Fuchsin repräsentirt die
folgende Columne:
bis 180°
= 5
185°
= 3
190°
= 34 1/2
195°
= 35 1/2
200°
= 15
210°
= 2 1/2
215°
= 1
Rest
= 3 1/2
Sie gehört, wie die vorige, zwischen die Columnen 62 1/2 Kuphanilin: 37 1/2 Baranilin
und 50 Kuphanilin: 50 Baranilin.
Es ist zu bemerken, daß alle diese Anilinöle, deren Destillationscolumnen hier
mitgetheilt sind, von ganz verschiedenen Fabriken herrühren und immer Originalöle
ohne vorausgegangene Mischung sind.
Aus den mitgetheilten Destillationsproben ersieht man nun, daß alle Anilinöle, welche
gute Fuchsinausbeuten lieferten, sich gruppiren um die Columne 75 Kuphanilin: 25
Baranilin, und daß das Anilinöl, welches die beste Ausbeute gab, dieser Columne
geradezu entsprach. Wir können daher nicht umhin, den Satz auszusprechen: am
günstigsten für eine hohe Ausbeute an krystallisirtem Fuchsin ist die Mischung von
75 Kuphanilin: 25 Baranilin, vorausgesetzt, daß die Fabricationsmethode eine
rationelle ist. Zu gleicher Zeit ist dieß derselbe Schluß, auf welchen die in der
Anilinindustrie gemachten Erfahrungen gebieterisch hinweisen.
Das Kuphanilin nahmen wir vorher an als bestehend aus: 90 Proc. Anilin, 5 Proc.
Toluidin, und 5 Proc. Odorin und Wasser, während das Baranilin bestehen sollte aus:
70 Proc. Toluidin und 30 Proc. der höher siedenden Homologe. Eine Mischung von 75
Proc. Kuphanilin und 25 Proc. Baranilin, mithin aus 3 Theilen Kuphanilin und 1 Theil
Baranilin, besteht daher aus:
3 . 90
= 270 Anilin
3 . 5
= 15 Toluidin
3 . 5
= 15 Odorin und Wasser
70 Toluidin
30 höhere Homologe
zusammen
400
oder aus:
67,5 Procent
Anilin
21,2 „
Toluidin
3,7 „
Odorin und Wasser, und
7,5 „
höher siedende Homologe.
Wir werden daher nicht viel von der Wahrheit abweichen, wenn wir sagen, das
hinsichtlich der Ausbeute für die Fuchsinfabrication günstigste Anilinöl enthalte
auf 1 Theil Toluidin 3 Theile Anilin.
Ist dieser Satz richtig, so muß eine künstliche Mischung von 75 Theilen Anilin und 25
Theilen Toluidin eine gute Ausbeute an Fuchsinkrystallen liefern.
Um dieß zu entscheiden, habe ich einen Versuch mit 100 Grm. einer solchen
Anilinmischung vorgenommen. In 75 Grm. Anilin wurden 25 Grm. Toluidin aufgelöst.
Dabei zeigte sich die interessante Erscheinung, daß, während sowohl Anilin als
Toluidin für sich einen von dem des käuflichen Anilinöles ganz abweichenden Geruch
zeigen, doch das Gemisch beider den nämlichen Geruch hat, wie käufliches Anilinöl,
das sich für Fuchsinfabrication eignet und möglichst frei ist von fremden
Beimischungen. Daß ein Destillationsversuch mit diesem Gemische wegen der mangelnden
höher siedenden Homologe, den integrirenden Bestandtheilen des käuflichen
Anilinöles, andere Destillationsresultate gibt als ein käufliches Anilinöl von
demselben Anilin- und Toluidingehalte, braucht wohl nicht erwähnt zu
werden.
100 Grm. dieser Anilinmischung wurden also in einer Retorte 4 Stunden lang mit 200
Grm. Arseniksäurelösung, wie sie für Fuchsinfabrication gewöhnlich Anwendung findet,
auf 180° C. erhitzt, nach welcher Zeit die Umwandlung des Oeles in Schmelze
vollkommen stattgefunden hatte. Dabei gingen über:
an Anilinöl
= 17 Grm.
an Wasser
= 50,5 „
Das Uebergegangene kann nur aus Anilin bestehen, da die Temperatur 180°
während der ganzen Operation niemals überschritt.
Zweimal krystallisirtes Fuchsin (chlorwasserstoffsaures Rosanilin) wurden dabei
erhalten 35,4 Grm. Es ist das eine sehr gute Ausbeute zu nennen. Dabei muß jedoch
bemerkt werden, daß lediglich die im Großen angewendete Methode des Auskochens und
Krystallisirens benutzt wurde.
Eine Gegenbestimmung mit demselben Oele lieferte 34,9 Grm. zweimal krystallisirtes
Fuchsin.
Um nun zu ermitteln, welche Folgen eine Veränderung der Menge des einen
Bestandtheiles nach sich ziehe, wurde eine Mischung angewendet aus 90 Theilen Anilin
und 10 Theilen Toluidin.
Dieses lieferte, in derselben Art behandelt,
an Anilinöl
= 31,80 Grm.
an Wasser
= 42,00 „
und eine Ausbeute von 23,2 Grm. eines nicht leicht
krystallisirenden und daher auch nur einmal krystallisirten Fuchsins.
Sind nun durch meine vorstehenden Ermittelungen in Betreff der genaueren Kenntniß der
zur Fuchsinfabrication tauglichen Oele diejenigen Fragen, welche ich im Obigen zum
Vorwurf meiner Untersuchung gewählt habe, genügend erörtert?
Beginnen wir mit der ersten Frage nach der Methode, in einem gegebenen Anilinöl
leicht und sicher den Gehalt an Anilin und Toluidin zu ermitteln, so folgt dieselbe
in der That aus dem bisher Gesagten. Man prüfe das Anilinöl in erwähnter Weise,
notire die bei den einzelnen Temperaturgraden übergehenden Oelmengen und vergleiche
das Gefundene mit den Columnen der mitgetheilten Tabelle. Das dabei erhaltene
Resultat genügt für praktische Zwecke vollständig und läßt sich auch leicht
erhalten. Für die vollkommene Sicherheit der Methode bürgt die mit derselben in
mehreren Fabriken schon seit mehreren Jahren gemachte Erfahrung.
Was den Einfluß anlangt, welchen die Verschiedenheit der Mischungsverhältnisse beider
Bestandtheile auf die Ausbeute an Fuchsin ausübt, so ist es nach den vielfach in der
Praxis in dieser Hinsicht gemachten Erfahrungen sicher, daß eine Veränderung des
Verhältnisses von Anilin und Toluidin, welches wir als das für Fuchsinfabrication
vortheilhafteste anerkannten, immer Nachtheile in Betreff der Ausbeute nach sich
zieht, sowohl was Quantität als Qualität anlangt. Die Erfahrungen aller
Fuchsinfabrikanten stimmen in dieser Hinsicht mit großer Genauigkeit.
Ich glaube nun endlich auch das Gemisch der beiden fuchsinogenen Basen festgestellt
zu haben, welches für die Fabrication des Fuchsins die größten Vortheile bietet,
d.h. welches im Stande ist, sowohl die möglich größte Quantität als auch die
vollkommenste Qualität des Farbstoffes zu liefern, wobei wir aber immer ein
rationelles Verfahren der Fabrication voraussetzen müssen. Wir sahen, daß ein
Gemenge von 75 Proc. Anilin und 25 Proc. Toluidin die relativ besten Resultate
gab.
Anmerkung. Die Veröffentlichung der vorstehenden Arbeit
ist um nicht weniger als fünfzehn Monate dadurch verzögert worden, daß der Verfasser
dieselbe einem der größten technischen Vereine Preußens vorher zur Begutachtung
vorlegte.