Titel: | Ueber Oxydation mittelst des in der Holzkohle verdichteten Sauerstoffs; von Fr. C. Calvert. |
Fundstelle: | Band 185, Jahrgang 1867, Nr. LXXXV., S. 294 |
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LXXXV.
Ueber Oxydation mittelst des in der Holzkohle
verdichteten Sauerstoffs; von Fr. C.
Calvert.
Aus den Comptes rendus, t. LXIV p. 1246; Juni
1867.
Calvert, über Oxydirung mittelst des in der Kohle verdichteten
Sauerstoffs.
Seit den denkwürdigen Versuchen von Theodor v. Saussure wissen wir, daß die Holzkohle
die Eigenschaft besitzt, ihr mehrfaches Volum von verschiedenen Gasen in sich zu verdichten, so
namentlich das Achtzig- bis Neunzigfache ihres eigenen Volums an Ammoniak- und Chlorwasserstoffgas.
Dieses Absorptionsvermögen der Kohle wurde als eine physikalische Eigenschaft bis zu
dem Zeitpunkte betrachtet, wo Dr. J. Stenhouse nachwies, daß durch Vermittelung dieses Körpers
der Sauerstoff sich mit den aus faulenden Substanzen entwickelten Fäulnißproducten
verbinden kann. Die Oxydirung der faulen Stoffe in Gegenwart der Kohle findet in der
That so rasch und in so vollständiger Weise statt, daß wenn ein in Zersetzung
begriffener Thiercadaver in Holzkohle gelegt wird, derselbe keinen widrigen Geruch
entwickelt.
Diese interessanten Resultate veranlaßten mich zur Abführung von Versuchen, um die
oxydirende Kraft des in der Kohle verdichteten Sauerstoffs und die Tragweite seiner
oxydirenden Einwirkung auf die mineralischen und organischen Substanzen zu
bestimmen.
Zu diesen Versuchen benutzte ich Würfel von Buchsbaumkohle, welche ich mit verdünnter
reiner Chlorwasserstoffsäure und dann mit destillirtem Wasser auskochte, um die
Kohle vollständig von den in ihr enthaltenen mineralischen Substanzen, namentlich
von den kohlensauren Alkalien zu befreien, welche auf das gewöhnlich in einem sauren
Producte bestehende Resultat einen störenden Einfluß gehabt hätten.
Nach dem Austrocknen wird der Kohlewürfel zum Rothglühen erhitzt und noch heiß in
eine über Quecksilber befindliche, ein gemessenes Volum Sauerstoff enthaltende
Glasglocke gebracht; gewöhnlich hört die Absorption des Sauerstoffs durch den
Kohlewürfel nach Verlauf von vierundzwanzig Stunden vollständig auf. Dann wird das
zu oxydirende Gas in die Glocke gebracht, und sobald die Quecksilbersäule nicht mehr
steigt, also die Absorption dieses Gases vollständig stattgefunden hat, wird die
Kohle herausgenommen und auf das Sorgfältigste untersucht. Bevor ich die Wirkung der
mit Sauerstoff gesättigten Kohle auf mineralische und organische Verbindungen der
näheren Prüfung unterwarf, überzeugte ich mich davon, daß bei dem Contacte des
Sauerstoffs mit der gereinigten Kohle eine Kohlensäurebildung nicht stattfand. Meine Versuche zerfallen in drei
Reihen.
Wirkung des in der Holzkohle
verdichteten Sauerstoffs auf Mineralsubstanzen.
Schwefligsäure verwandelt sich in Berührung mit der auf
die angegebene Weise mit Sauerstoff gesättigten Kohle rasch in Schwefelsäure.
Schwefelwasserstoff setzt sich zu Schwefelsäure und Wasser um.
Bei diesen Versuchen habe ich folgende merkwürdige Erscheinung beobachtet: Ich
brachte in eine über Quecksilber stehende graduirte Glasglocke 100 Volume Sauerstoff
und den noch heißen Kohlewürfel; nach Verlauf von vierundzwanzig Stunden waren 44
Vol. absorbirt; ich ergänzte das anfängliche Volum durch 44 Volume
Schwefelwasserstoff, und nach wiederum vierundzwanzig Stunden waren 72 Volume
absorbirt; demnach hatte eine neue Verdichtung von Sauerstoff in der Kohle
stattgefunden.
Mehrfache Versuche, Ammoniakgas zu oxydiren, blieben
erfolglos; obgleich ich bei diesen Versuchen eine Salpetersäurebildung nachzuweisen nicht im Stande war, möchte ich doch das
Vorhandenseyn von Oxydationsproducten nicht in Abrede stellen, denn auch in diesem
Falle beobachtete ich ebenso, wie bei dem Schwefelwasserstoff, nach der Einführung
des Ammoniakgases in die Glocke, eine neue Condensirung von Sauerstoff.
Phosphorwasserstoff oxydirt sich in Berührung mit dem in
der Kohle verdichteten Sauerstoffe rasch zu Phosphorsäure und Wasser.
Wirkung des in der Kohle verdichteten
Sauerstoffs auf die Alkohole.
Diese zweite Versuchsreihe wurde zu dem Zwecke ausgeführt, um die Bildung der
organischen Säuren beim Contacte der Alkohole mit der mit Sauerstoff gesättigten
Kohle nachzuweisen. Der noch heiße Kohlewürfel wird in die mit Sauerstoffgas
gefüllte Glasglocke gebracht und vierundzwanzig Stunden später setzt man mittelst
einer Pipette einige Tropfen des Alkohols zu.
Bei Anwendung von Methylalkohol hatte nach vierundzwanzig
Stunden vollständige Absorption stattgefunden, und aus der Kohle ließ sich eine
Flüssigkeit extrahiren, welche Silbersalze reducirte. Diese Reduction würde auf
erhaltene Ameisensäure hindeuten; da indessen die
Flüssigkeit auf Quecksilbersalze gar keine Wirkung ausübt und ich eine saure
Reaction derselben mit Lackmus nicht erkennen konnte, so fragt es sich, ob das
Product nicht das Resultat eines weniger weit vorgeschrittenen Oxydationsprocesses
ist.
Positive Resultate erhielt ich dagegen mit Aethylalkohol;
der auf dieselbe Weise wie mit dem Methylalkohol ausgeführte Versuch lieferte
bedeutende Quantitäten von Essigsäure, welche ich, um
mich von ihrer Identität
zu überzeugen, in Kakodyl und Essigäther verwandelte.
Amylalkohol verwandelt sich unter denselben Bedingungen
in Valeriansäure.
Wirkung des in der Kohle verdichteten
Sauerstoffs auf die Hydrocarbüre.
Diese letzte Reihe von Versuchen unternahm ich in der Hoffnung, den Sauerstoff mit
Hydrocarbüren verbinden zu können. Ich befolgte dabei dasselbe Verfahren, wie bei
den mineralischen Gasen.
Zunächst brachte ich Aethylen (C⁴H⁴) in die
Glocke, welche den mit Sauerstoff gesättigten Kohlewürfel und überschüssiges
Sauerstoffgas enthielt, und untersuchte nach dem Aufhören der Absorption die Kohle;
dieselbe enthielt kein Oxydationsproduct des Aethylens, wie Aldehyd oder Oxalsäure.
Da ich jedoch überzeugt war, daß irgend eine Reaction stattgefunden habe, so brachte
ich die Kohle in einen mit frisch ausgekochtem Wasser gefüllten Kolben, verband mit
diesem ein in Kalkwasser tauchendes Glasrohr und erwärmte gelinde; sofort bildete
sich ein reichlicher Niederschlag von kohlensaurem Kalk – ein offenbarer
Beweis für die Umsetzung des Aethylens in Kohlensäure und
Wasser.
Propylen (C⁶H⁶) gab, auf gleiche Weise
behandelt, Wasser und Kohlensäure.
Amylen (C¹⁰H¹⁰) verwandelte
sich, gleich seinen Homologen, in Kohlensäure und Wasser; bei dieser Reaction entstehen aber noch andere
Producte, denn wenn auch der Geruch des Amylens vollständig verschwand, so blieb in
der Glocke doch der Geruch eines Amyläthers zurück, den ich für valeriansaures Amyloxyd hielt.
Demnach übt der in der Kohle verdichtete Sauerstoff in Gegenwart der Alkohole und
ihrer Hydrocarbüre eine zweifache Wirkung aus. Im ersteren der hier in Rede
stehenden Fälle wirkt er als bloßes Oxydationsmittel; im zweiten ist seine Wirkung
so heftig, daß er die Rolle eines Verbrenners spielt. Diese verschiedene Wirkung
verdient die Beachtung der Chemiker.
In allen Fällen ist aber der in der Holzkohle verdichtete Sauerstoff eines der
kräftigsten Oxydationsmittel.
Hinsichtlich der eigenthümlichen Rolle, welche der Sauerstoff in Gegenwart von
Holzkohle spielt, lassen sich zwei Hypothesen aufstellen. Der ersteren zufolge würde
der Sauerstoff, den wir als auf der Oberfläche der Kohletheilchen verflüssigt
annehmen können, als bloßes Lösungsmittel der mit ihm in Berührung kommenden
gasförmigen oder tropfbar flüssigen Producte wirken und unter diesen Umständen auf ihre Elemente reagiren
können. Nach der zweiten Hypothese würde der durch die Kohle verflüssigte Sauerstoff
seinerseits durch bloße Molecularanziehung ein zweites mit ihm in Berührung
kommendes Gas condensiren oder verflüssigen können. So viel ist gewiß, daß unter
derartigen Umständen die chemische Verwandtschaft leicht in Thätigkeit treten und
die von uns erwähnten Resultate hervorrufen kann.
Die zweite Hypothese kommt, wie ich glaube, der Wahrheit näher, und binnen kurzer
Zeit hoffe ich der Akademie eine Reihe von Resultaten vorlegen zu können, welche
über diese in theoretischer Hinsicht sehr interessanten Reactionen ein neues Licht
verbreiten.