Titel: | Miscellen. |
Fundstelle: | Band 186, Jahrgang 1867, Nr. , S. 487 |
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Miscellen.
Miscellen.
Die Stille-Oceanbahn (Pacific
Railroad) in Nordamerika.
Einen Begriff von amerikanischer Energie können folgende Notizen (aus der Cincinnati Gazette durch das Mechanics' Magazine) über die Art geben, wie das enorme Unternehmen der
Bahn quer durch den Continent von Nordamerika betrieben wird. Zuerst gehen
zweitausend Nivelleure, welche den Unterbau der Bahn machen und sich zugleich
fortwährend gegen die Indianer verschanzen müssen. Dann kommen 1500 Holzhauer und
Zimmerleute, welche die Schwellen herzustellen haben und jetzt schon einen Vorrath
von 100,000 Schwellen im Ueberfluß geliefert haben. Eine englische Meile vor den
Schienenlegern kommen die Abtheilungen, welche die Schwellen legen, drei an der
Zahl. Zuerst setzen die Ingenieure ihre Nivellirpfähle in Distanzen von 100 Fuß auf
den geraden Strecken und 50 Fuß auf den Curven; an diesen Punkten legen sie gesägte
Schwellen und nivelliren sie. Dann kommen zwei Mann mit einer Meßlatte, welche die
Enden und Mitten der Schienen markiren; die zweite Abtheilung legt an diesen Stellen
Schwellen im Niveau der ebenerwähnten Leitschwellen durch Visiren. Die dritte
Abtheilung fügt dann die übrigen (ungesägten) Schwellen ein, und jetzt ist Alles für
die Schienen fertig. 20 englische Meilen zurück fanden wir immense
Materialien-Züge, beladen mit Schwellen, Schienen und allem Erforderlichen;
diese sind die große Reserve. Nur 6 Meilen zurück fanden wir ähnliche Züge von
gleicher Art; dieß ist die zweite Linie. Endlich dicht am Endpunkte und ihm Stunde
für Stunde folgend sind die Wohnungswagen und ein Materialienzug mit Schienen
u.s.f., als eigentliche Schlachtlinie. Die Wohnungswagen (boarding cars) sind je 80 Fuß lang und meist mit Schlaf-Kojen
versehen; zwei sind Speisesäle und einer dient für Küche, Vorrathskammer und Bureau.
Unter allen sind Hängematten für diejenigen, welche lieber im Freien schlafen; auf
den Wagen sind geladene Büchsen in hinreichender Anzahl und handlich zum Gebrauch,
denn die Gesellschaft vertheidigt sich selbst gegen die Indianer ohne
Staatshülfe.
Die Abtheilung zum Schienenlegen zählt 350 Mann; außerdem repariren 1000 Mann
fortwährend den Damm auf den schon vollendeten 350 Meilen. Die Arbeit geht nun in
folgender Weise vor sich. Zuerst kommen die Wohnungswagen, welche bis zum äußersten
Ende der Linie gehen. Dann kommt ein Materialienzug, welcher seinen Inhalt abladet
und hernach zurückfährt, um von der zweiten Linie neuen Vorrath zu holen. Der
Wohnungszug fährt dann zurück, bis hinter das abgeladene Material. Drei Waggons,
jeder mit zwei Pferden bespannt, gehen zwischen den Schienenlegern und ihren Vorrath
hin und zurück; die Pferde laufen außerhalb des Gleises und ziehen die Waggons an langen
Leinen, wie Canalboote, um den Arbeitern nicht in den Weg zu kommen; an beiden
Seiten des Waggons sind, zur Erleichterung des Abladens, Rollen angebracht. Einer
dieser Waggons nimmt eine Ladung Schienen, etwa 40, mit den erforderlichen Stühlen,
Laschen, Hakennägeln u.s.f. auf und geht in vollem Galopp zu den Schienenlegern ab.
Der letzte bei diesen befindliche Waggon ist nach dem Abladen aus die Seite gelegt
worden, um dem neuen Platz zu machen, und dieser fährt bis an das Ende der' letzten
Schiene; dort hält er still, und ein einzelnes Pferd bewegt ihn über jede folgende
Schiene weg. während die beiden ersten Pferde in vollem Galopp zurückgehen, um einen
neuen Waggon zu holen, der in gleicher Weise vorwärts kommt, und so fort den ganzen
Tag lang. Zur Handhabung der Schienen stehen fünf Mann auf jeder Seite der Linie.
Einer der Hintermänner wirft eine Schiene auf die Rollen, drei Vordermänner erfassen
sie und laufen mit ihr bis zur erforderlichen Distanz. Inzwischen sind unter dem
letztgelegten Schienenpaar die Stühle angebracht worden. Die beiden Hintermänner
zwängen mit einem einzigen Schwunge das Ende der Schiene in den letzten Stuhl und
der Anführer der Abtheilung ruft: „Runter!“ mit einem Ton, wie
das „Vorwärts“ einer Armee. Alle dreißig Secunden kam das
wackere „Runter!“ auf jeder Seite des Gleises. Einer der
Hintermänner fährt die Waggons, außer seiner Hülfe beim Handhaben der Schienen. Die
Pferde ziehen an, so wie jede Schiene auf ihren Platz fällt, der Waggon rollt bis an
ihr Ende, und eine neue Schiene wird in die Wildniß hinausgeworfen mit derselben
Geschwindigkeit und Präcision; dann kommt das magische
„Runter!“, der Waggon rollt wieder vorwärts und eine neue
Länge ist fertig. Zwei „Nagler“ folgen jeder Schiene, einer
etwas vor dem anderen. Eine Schiene wird am Ende und in der Mitte festgemacht; der
zweite zieht die Gegenschiene in die genaue Spurweite und befestigt sie in der Mitte
und an den Enden. Dann kommen andere Abtheilungen von
„Naglern,“ die mit militärischer Präcision marschiren und
jeder ihren besonderen Hakennagel oder Keil anzuschlagen haben, ohne daß einer dem
anderen in den Weg kommt. Diesen folgen andere Leute, welche mit eisernen Gabeln das
Gleis ganz genau verificiren. Zuletzt kommen die „Füller;“ ein
Theil derselben füllt die Räume an den Enden und Mitten der Schienen mit Schotter
und stampft ihn fest; der andere Theil vollendet den dazwischen liegenden Theil und
die Arbeit bleibt stehen, bis die oben erwähnten 1000 Ausbesserer nachkommen und den
Bau ganz beenden können. Aber schon, wie ihn die „Füller“
lassen, können beladene Züge in Sicherheit mit einer Geschwindigkeit von 20
englischen Meilen per Stunde darüber fahren. So wird
diese Bahn mit ganz unglaublicher Geschwindigkeit und dabei doch mit aller
Vollständigkeit und Sicherheit angelegt; ein Telegraph folgt ihr stets auf dem Fuße.
Dr. G. Lunge. (Breslauer
Gewerbeblatt, 1867, Nr. 18.)
Notizen über die Gußstahlfabrik von Fr. Krupp in Essen.
Hr. Oehlschläger aus Posen
hielt in dem Breslauer Gewerbeverein einen sehr spannenden Vortrag über die Krupp'sche Gußstahlfabrik, dem wir folgende Notizen
entlehnen. Neben der Anwendung zu Geschützen findet der Gußstahl neuerdings mit
bestem Erfolge beim Brückenbau Verwendung. Redner macht hierüber nähere
Mittheilungen. Betreffs der Geschütze haben die gezogenen vor den glatten nicht nur
dadurch bedeutende Vorzüge, daß die Sicherheit des Treffens bei den ersteren ebenso,
wie die Tragfähigkeit der Geschosse eine viel größere ist, sondern auch deßhalb,
weil Geschosse jeden Kalibers in den gezogenen Geschützen Verwendung finden können.
Die erste Anwendung gezogener Geschütze fällt in das Jahr 1859. Mit gezogenen
Sechspfündern wird geschossen auf geschlossene Truppenkörper bei 2000, auf größere
Objecte bei 5000 Schritt Entfernung. Alfred Krupp
übernahm die Fabrik im Alter von 14 Jahren. Er brachte 1859 den ersten gezogenen
Dreipfünder nach Berlin; von da ab war die Fertigung gezogener
Gußstahl-Geschütze nur noch Frage der Zeit; doch erst seit 1859 gewann die
Fabrik den enormen Aufschwung, wie kaum ein anderes Etablissement der Welt. Nicht
unwesentlich begünstigt wurde jener durch die Lage Essens, 4 Meilen vom Rhein
entfernt und mit 132 Meilen Anschlußbahnen der Bergisch-Märkischen, 85 Meilen
der Cöln-Mindener Bahn, welche einen so regen Verkehr vermitteln, daß im
Jahre 1865 die Brutto-Einnahme der Cöln-Mindener Bahn pro
Meile sich auf 140,500
Thaler, der Bergisch-Märkischen Bahn sich auf 104,000 Thlr. stellte, während
er bei der Oberschlesischen Bahn 134,500 Thlr. betrug. Davon kommen auf den
Güterverkehr bei der letzteren 77 Proc., bei der Bergisch-Märkischen 74
Proc., bei der Cöln-Mindener 71 1/2 Proc., während er bei der Ostbahn nur 48
Proc. der Einnahmen beträgt. – Der Flächeninhalt der Krupp'schen Fabrik beläuft sich auf 920 Morgen. (Die Festung Posen hat
einen Flächeninhalt von 1270 Morgen.) Die Fabrikgebäude bedecken 240 Morgen. Für den
inneren Verkehr der Fabrik bestehen 2 2/3 Meilen Eisenbahn, auf welcher 6
Locomotiven mit 150 Waggons den Verkehr vermitteln. Außerdem stehen 60 Pferde für
kleinere Transporte zur Disposition. Den telegraphischen Depeschendienst besorgen 15
Bureaux. Zwei Gasometer speisen 9000 Gasflammen in der Fabrik, welche an trüben
Tagen 200,000 Kubikfuß Gas consumirt, während z.B. der Gesammtverbrauch Posens an
solchen Tagen sich nur auf 160,000 Kubikfuß beläuft. Die Fabrik enthält u.a. ein
chemisches Laboratorium, ein photographisches Atelier; für den Polizeidienst ist ein
eigenes Polizei- und für den Feuersicherheitsdienst ein eigenes
Pompier-Corps in Function. Die Zahl der Arbeiter beläuft sich auf 10,000, die
der Arbeiter in den Bergwerken, Hohöfen u.s.w. auf 1200. Der Arbeitslohn der
Arbeiter beträgt in 14 Tagen 120,000 Thlr., während eines Jahres 3,100,000 Thlr. Zur
Krankencasse der Fabrik zahlt jeder Arbeiter einen halben bis einen Silbergroschen
pro Thlr., und Krupp so
viel, wie die gesammten Arbeiter. Verunglücken solche bei der Arbeit, so erhalten
sie während ihrer Curzeit den vollen Lohn. Mit 25 Jahren Dienstzeit erlangen sie
Pensionsberechtigung. Mit den Fabrikanlagen stehen in Verbindung: Arbeiterwohnungen,
ein Lazareth, eine Bäckerei etc. für den Bedarf der Arbeiter. Für den Betrieb sind
im Gange 160 Dampfmaschinen mit 6000 Pferdekräften: eine große Dampfmaschine hat
allein 1000 Pferdekräfte. 130 Dampfkessel setzen jene Maschinen in Bewegung. An
Kohlen werden unter diesen Kesseln täglich 13,500 Schäffel verbraucht; der Bedarf an
Steinkohlen und Kohks in der Fabrik beläuft sich auf 22,500 Schüssel. Der Verbrauch
an Wasser beträgt 200,000 Kubikfuß in 24 Stunden. Der höchste Schornstein der Fabrik
hat 240 Fuß Höhe circa 300 hessische Fuß oder 75 Meter).
An Dampfhämmern sind in Bewegung 35, von denen das Gewicht des schwersten 1000 Ctr.
beträgt (das Gewicht des schwersten Borsig'schen
Dampfhammers in Moabit beläuft sich auf 100 Ctr.). Die Amboßgehäuse wiegen 30,000
Ctr., die transportirten Chabotten 5000 Ctr. Die Kosten des Dampfhammers betragen
600,000 Thlr. Projectirt ist ein Dampfhammer von 2500 Ctr. Schwere zum Preise von
1,4 Millionen Thlr. Werkzeugmaschinen gibt es über 600. Der Laufkrahn mit 70 Fuß
Weite transportirt Lasten von 1500 Ctr. Oefen zum Schmelzen, Glühen, Cementiren etc.
400, Schmiedeessen 110. Die Zahl der Schmelztiegel beträgt über 1400. Jeder faßt 60
bis 70 Pfund Gußstahl. Für den Guß eines Blockes von 900 Ctr. wird der Stahl in den
1400 Tiegeln von 1200 Arbeitern geschmolzen, welche nach der schweren 1/4stündigen
Arbeit 2 Stunden Ruhe genießen. Neunzoller schießen Geschosse von 300 Pfd.,
Elfzöller solche von 600 Pfd. Ein Elfzöller wiegt 540 Ctr. Der Preis des
Niesengeschützes, welches für die Pariser Ausstellung bestimmt ist, stellt sich auf
130,000 Thlr.; es wurde daran gearbeitet seit dem November 1865. Das innere Rohr,
dargestellt aus einem Rohblock von 850 Ctr., wiegt 400 Ctr., die vier aufgezogenen
Ringe wiegen 600 Ctr. Das Geschütz ist 4 1/2 Fuß lang und an der schwächsten Stelle
2 1/2 Fuß stark. An der dicksten Stelle ist es 4 1/4 Fuß stark und hat an dieser
stelle einen Umfang von 13 1/2 Fuß. Der Schildzapfen-Durchmesser beträgt 16
Zoll, die Seele des Geschützes 14 Zoll. Das Geschoß hat einen Umfang von 43 Zoll.
Der Durchmesser eines Bronze 24 Pfünders beträgt 13 Zoll, der Seelendurchmesser 5
Zoll, die Länge 113 1/2, das Gewicht 52 Ctr. Die Laffette hat eine Länge von 10 1/2
Fuß und wiegt 300 Ctr. Der Rahmen ist 30 Fuß lang und wiegt 500 Ctr. – Im
Jahre 1863 wurden 250,000 Ctr., 1864 schon 500,000 Ctr. und 1866 bereits eine
Million Ctr. Gußstahl in der Krupp'schen Fabrik erzeugt.
Der Weich der bisher abgelieferten Geschütze beläuft sich auf 7 Millionen Thlr.
Gegenwärtig sind in Bestellung 2370 Geschütze, die nach allen Ländern gehen. Der
Vicekönig von Aegypten bestellte die ersten gezogenen Kanonen. Von den in der Fabrik
befindlichen Officieren werden die Geschütze probirt und dazu monatlich an
Schießpulver 30–40 Ctr. verbraucht. – Schon diese flüchtige Skizze
wird einen Einblick in die Großartigkeit der Krupp'schen
Fabrik bieten. (Breslauer Gewerbeblatt, September 1867, Nr. 12.)
Neues Verfahren zur Stahlfabrication von Heaton.
Die Aufmerksamkeit der südstaffordshirer Eisenwerksbesitzer hat sich neuerlich
allgemein auf ein von Heaton (auf den
Langley-Mills zu Nottingham) erfundenes Verfahren zum Feinen von Roheisen und
zur Umwandlung desselben in Stahl gerichtet.
Das Nachstehende enthält eine kurze Beschreibung des Verfahrens. „Sieben
bis neun Pfund Natronsalpeter werden in einen beweglichen eisernen Boden
gebracht, der mit einer durchlöcherten Eisenplatte bedeckt und dann durch
Verbolzung mit einem cylindrischen, mit feuerfestem Thone ausgefütterten
Umwandlungsgefäße (statt der gewöhnlichen Birne) verbunden wird. In letzteres
wird aus einem Kupolofen eine Charge von ungefähr vierzehn Centner Eisen
abgestochen, worauf etwa dritthalb Minuten lang ein rasch verlaufender
Verbrennungsproceß stattfindet. Zuerst entwickeln sich in Folge der Zersetzung
des Salpetersäuresalzes rothe Dämpfe; dann wird die Flamme bläulich und zuletzt
färbt sie sich dunkel; darauf tritt in rascher Folge eine Reihe von scharfen
Explosionen auf und glänzende Funken fliegen umher, eine Erscheinung, welche dem
beim Bessemern zu beobachtenden Funkensprühen einigermaßen ähnlich ist. Wenn die
Reaction aufgehört hat, wird das Metall in Zaine abgestochen oder
gegossen.“ – Mittelst dieses Verfahrens soll ein ganz
stahlähnliches Product erzeugt werden; allein allem Anscheine nach sind die Versuche
bis jetzt noch nicht mit der Gründlichkeit abgeführt worden, welche erforderlich ist
um Vertrauen auf die Resultate zu erwecken. Jedenfalls werden die Fachmänner die
beabsichtigte Fortsetzung der Versuche mit großem Interesse verfolgen und mit
Spannung der Veröffentlichung der auszuführenden Analysen entgegensehen, welche über
die Natur der durch diesen chemischen Proceß erzeugten Producte Aufschluß geben
sollen. Schon haben sich mehrere bedeutende staffordshirer Häuser der Sache
angenommen und diese sollen sich auch von dem reellen Werthe des Verfahrens
überzeugt haben. Sie beabsichtigen, dasselbe hauptsächlich zum Feinen des in dieser
Grafschaft in großen Mengen producirten sogen. „Cindereisens“
anzuwenden. Die von Tag zu Tag sich mehr geltend machende Nothwendigkeit, sehr
bedeutende Mengen von Stahl zu produciren, welche jetzt zu Zwecken verwendet werden,
für die man früher Schmiedeeisen benutzte, hat ein Verfahren zur Stahlfabrication
höchst wünschenswerth gemacht, dessen Ausführung nicht mit so bedeutenden Kosten
verbunden ist, wie die Einführung des Bessemerprocesses.
Zur Statistik des Eisens.
In den ersten sechs
Monaten des laufenden Jahres (1867) wurden in Frankreich
an Schmiedeeisen producirt
605082 Tonnen,
in dem ersten Halbjahre 1866
dagegen
633958 „
entsprechend einem Ausfalle
von
28876 „
Auch in der Roheisenproduction macht sich eine ähnliche
Abnahme fühlbar;
dieselbe betrug im ersten Halbjahre 1866
454406 Tonnen,
im ersten Halbjahre 1867
dagegen nur
429854 „
woraus sich eine
Productionsverminderung ergibt von
24552 „
Diese Zahlen geben den Beweis, daß auch die französische Eisenindustrie, ebenso wie
die anderer Staaten, unter der allgemeinen Depression, die vor einiger Zeit
vorwaltete, nicht unbedeutend gelitten hat.
H. H.
Putzpulver für Goldsachen.
Goldarbeiter halten seit einiger Zeit ein Putzpulver feil, welches bei unläugbarer
Güte doch ungemein theuer steht. Ein Schächtelchen mit etwa 10 Grammen kostet in
Cöln 1/2 Thaler. Dr. W. Hofmann, welcher das Pulver analysirte, theilte uns mit, daß dasselbe eine
sehr einfache Zusammensetzung besitzt, indem es bloß ein Gemenge von circa 70 Proc. Eisenoxyd und 30 Proc. Salmiak ist. Man
kann sich das Gemenge selbst leicht zu einem billigen Preise darstellen, indem man
vorerst Eisen in Salzsäure auflöst, bis jede Gasentwickelung aufhört, und das
gebildete Eisenchlorür sodann mit Ammoniakflüssigkeit versetzt, so lange noch ein
Niederschlag entsteht. Man sammelt den Niederschlag auf einem Filter und trocknet
ihn, ohne ihn vorher auszuwaschen, bei einer Temperatur, die den adhärirenden
Salmiak noch nicht verflüchtigt. Das anfänglich gefällte Eisenoxydul verwandelt sich dabei
in Eisenoxyd. (Badische Gewerbezeitung, 1867, Nr. 11.)
Die norwegische automatische Küche im Park der Pariser
Industrie-Ausstellung.
Die in der „Cuisine automatique
norvégienne“ ausgestellten Gegenstände bestehen in
viereckigen hölzernen Kästchen, welche mit Filz aus Pferdehaaren innen so
ausgefüttert sind, daß nur noch Raum für zwei runde blecherne Töpfe bleibt.
Vermittelst dieser Kästchen kann man Fleisch, das man fünf Minuten lang in einem der
Töpfe mit Wasser über dem Feuer stehen hatte, ohne weitere Anwendung des Feuers in
drei Stunden weich kochen und eine sofort genießbare Fleischbrühe bereiten. Man
setzt zu dem Zweck die Speise, welche man gaarbringen will, in einem der mit Deckeln
versehenen Töpfe fünf Minuten lang über ein Feuer, hebt dann den Topf in den Kasten
ein und schließt den Deckel desselben, worauf man nach drei Stunden bei Suppe und
nach mehr oder weniger Zeit bei anderen Speisen den Topf wieder herausnehmen kann,
dessen Inhalt nun vollständig gaar ist.
Man wäre geneigt zu glauben, es sey hier auf eine Täuschung des Publicums abgesehen,
wenn nicht in dem Pavillon die so eben beschriebene Operation vor den Augen der
Anwesenden ausgeführt würde. In den Nachmittagsstunden kann man sich an
bereitwilligst abgegebenen, den Töpfen entnommenen, kleinen Portionen von der
Zweckmäßigkeit der Apparate durch Selbstversuche überzeugen. Auch für Gemüse und
andere Speisen sind die Apparate anzuwenden.
Die Grundsätze, auf denen diese Erfindung beruht, sind nicht schwer zu finden. Die
Kästen sind so eingerichtet, daß der Topf, wenn er eingesetzt ist, von einem
besonders schlechten Wärmeleiter vollständig umschlossen ist. Man weiß, daß man die
Abkühlung eines erwärmten Körpers durch Umgeben desselben mit besonders schlechten
Wärmeleitern bedeutend verzögern kann. Ein auf 100° C. erwärmter Gegenstand
erleidet dabei in mehreren Stunden einen Wärmeverlust von nur einigen Graden. Eine
constante Wärme von 70° C. reicht aber schon aus, um Fleisch und Gemüse weich
zu kochen, und es erklärt sich hieraus hinlänglich die Möglichkeit des oben
Gesagten. Die Anwendung einer fortwährenden Siedhitze zur nahrhaften und
schmackhaften Zubereitung des Fleisches ist bekanntlich nicht einmal rationell, weil
dadurch alles Albumin gerinnt und die Fleischfaser hart und zähe wird. Liebig sagt über das zweckmäßigste Verfahren Fleisch zu
kochen: „Wird das zur Speise bestimmte Fleisch in den Topf gethan, wenn
sich das darin enthaltene Wasser im starken Aufwallen befindet und das Sieden
einige Minuten unterhalten, alsdann so viel kaltes Wasser hinzugeschüttet, daß
die Temperatur des Wassers dadurch auf 59 oder 56° Reaumur (= 74 oder
70° C.) herabgebracht wird und in dieser Temperatur einige Stunden
erhalten, so hat man alle Bedingungen vereinigt um dem Fleischstück die zum
Genusse geeignetste Beschaffenheit zu geben.“
Die Vortheile der Anwendung der norwegischen Kochapparate werden außer der enormen
Brennmaterialersparniß noch manche andere seyn. Verbrannte Speisen wird es darin
wohl nicht geben, ein Ueberlaufen ist nicht zu befürchten, die Speisen sind zur
bestimmten Zeit fertig und während des Kochens braucht Niemand anwesend zu seyn.
Apparate dieser Art sind durch J. Sorensen in Paris, 27
Avenue rue d'Antin, Champs Elisées, in
verschiedenen Größen zu beziehen und es kosten z.B. Apparate mit zwei Töpfen von 2
und 3 Liter Inhalt 24 Frcs. 30 Cent., und Apparate mit zwei Töpfen à 3 Liter 25 Frcs. 50 Cent. W. Moeser. Gewerbeblatt für das Großherzogthum Hessen, 1867,
Nr. 43.)
Die neue Methode zur Darstellung anatomischer Präparate von
Prof. Brunetti.
Die anatomischen Präparate von Dr. Ludwig Brunetti, Professor der pathologischen Anatomie in Padua,
erregten auf der Pariser Ausstellung allgemeine Bewunderung, und Brunetti erhielt nicht nur den großen Preis, sondern hat auch von den
ersten Vertretern der heutigen Medicin zahlreiche Anerkennungen erhalten, welche
einstimmig sind in der Bewunderung der genialen Methode, die nach Liebig's Ausdruck der Wissenschaft
neue Wege eröffnet. Auf seiner Durchreise durch München hatte Hr. Brunetti die Güte, den Mitgliedern
der dortigen medicinischen Facultät und einem kleineren wissenschaftlichen Kreis
einige seiner Präparate vorzuzeigen, wobei es möglich wurde dieselben eingehender zu
betrachten als es durch die Verhältnisse auf der Ausstellung gestattet war.
Die Museen von Hyrtl in Wien und Orfila in Paris schienen
die höchsten Leistungen der Präparirkunst zu Tage gefördert zu haben, die
Petrification durch Segato und die Exsiccationsmethode
Gorini's schienen das
denkbar Mögliche für die Conservirung der Präparate zu leisten. Es blieb noch übrig
eine Methode zu finden, welche zu diesen Vortheilen die Möglichkeit gesellte in
gleich vollkommener Weise die pathologischen Erscheinungen zu fixiren, und die
primitiven Bestandtheile in solcher Integrität zu bewahren, daß dieselben jeden
Augenblick zur mikroskopischen Untersuchung geeignet seyen. Dieses Problem ist durch
die Erfindung Brunetti's
gelöst.
Das Verfahren, welches Brunetti mit größter Liberalität
mitgetheilt hat, ist im Wesentlichen folgendes: der Proceß umfaßt die Operationen
des Waschens, der Entfettung, der Behandlung mit Tannin und die Austrocknung.
Um das betreffende Stück zu waschen, läßt Brunetti einen
Strom reinen Wassers durch die Blutgefäße und Secretionsleitungen gehen, und
vertreibt dann das Wasser durch Alkohol. Zur Entfettung wird in gleicher Weise
Aether durch die Gefäße getrieben, welcher bis in die Gewebe vordringt und alle
fetten Materien auflöst. Diese Operation dauert ein paar Stunden, und das so
vorbereitete Object kann dann in Aether beliebig lang aufbewahrt werden. Das Tannin
wird in destillirtem Wasser gelöst, auf die obige Weise in die Gefäße eingebracht
und darauf der Aether durch einen Strom reinen Wassers entfernt. Die Austrocknung
geht in folgender Weise vor sich: das betreffende Stück wird in ein mit kochendem
Wasser gefülltes Gefäß mit doppeltem Boden gebracht, um die früheren Flüssigkeiten
durch trockene warme Luft zu ersetzen. In einem Reservoir wird die Luft auf etwa
zwei Atmosphären comprimirt; durch eine Hahnvorrichtung und ein Röhrensystem wird
dieselbe durch eine Chlorcalciumröhre und ein erwärmtes Gefäß in die Blut-
und Secretionscanäle eingeleitet, der Gasstrom vertreibt die Flüssigkeiten, und die
Operation ist vollendet.
Das so behandelte anatomische Stück ist leicht, behält sein Volumen, seine normalen
Verhältnisse und alle festen histologischen Elemente bei. Es lassen sich nach allen
Richtungen die feinsten Schnitte führen, und die feinsten histologischen
Untersuchungen mittelst Loupe und Mikroskop ausführen, ja man möchte sagen: diese
anatomischen Präparate lassen sich auf den Toilette-Tisch legen. Da die
gegenseitige Lage der Organe beibehalten wird, so können keine instructiveren
anatomischen und pathologischen Demonstrationen gedacht werden; die Zeit der
mangelhaften Weingeistpräparate ist vorüber. Da das Blut entfernt wird, so bleibt
nur die pathologische Farbe, aber es bleibt nicht zu bezweifeln, daß die
Vervollkommnung der Methode noch jede Art von Injection zulassen wird.
Von der Demonstration im anatomischen Hörsaale zu München waren denn auch sämmtliche
medicinische Autoritäten voll Bewunderung für diese Erfindung, welche für die
pathologische und vergleichende Anatomie eine neue Epoche bezeichnet.
Bei den vorgezeigten Präparaten erregten die Darstellungen des Herzens, der Nieren,
verschiedene pathologische Zustände der Lunge und Leber, sowie die mikroskopischen
Präparate die größte Bewunderung. (Allgemeine Zeitung vom 2. Dec. 1867.)
Neues Anästheticum.
Das von Dr. Richardson
entdeckte Anästheticum ist das Methylchlorid (bichlorure de
mèrhylene); dasselbe scheint die Schmerzen der chirurgischen
Operationen vollständig aufzuheben, ohne eine der Gefahren und Uebelstände
darzubieten, welche mit der Anwendung seiner Vorgänger, namentlich des Chloroforms,
verbunden sind. Die Medical Times, welche über zwei
schwierige, mit Hülfe dieses neuen Agens von Dr. Spencer ausgeführte Operationen berichten, constatiren,
daß im ersten Falle eine
absolute Unempfindlichkeit in vier Minuten hervorgebracht wurde, und im zweiten
Falle in sechs Minuten. Die Kranken verfielen allmählich in den unästhetischen
Schlaf, ohne das geringste Anzeichen von Ueberreizung oder innerem Kampfe,
gewissermaßen „wie man über einen sanften Abhang hinabgleitet.“
In einem der beiden Fälle, wo die Zimmerluft auf einer ziemlich hohen Temperatur
war, verflüchtigte sich die Flüssigkeit so rasch, daß sich Eisstückchen im
Einathmungsapparate bildeten. (Les Mondes, t. XV p. 472; November 1867.)
Die Darstellung und daher auch die Anwendung des neuen Anästheticums dürfte das
Stadium bloßer Versuche noch nicht überschritten haben. Ueber die Einwirkung von
Chlor auf Methyl sind bis jetzt nur von C. Schorlemmer
Versuche veröffentlicht worden (Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CXXXI S. 76).
Hiernach verhält sich Methyl gegen Chlor wie Aethylamyl und andere Alkoholradicale.
Das durch Zerlegung einer concentrirten Lösung essigsauren Kalis durch den
galvanischen Strom dargestellte Methyl bildet, bei 5° C. und im Schatten mit
dem gleichen Volum Chlor gemischt, ein leichtflüssiges
ölartiges Liquidum (aus 8 Liter Methyl etwa 8 Gramme), welches aus
Chloräthyl (Siedepunkt 11 bis 12° C.) und aus einfach-gechlortem
Chloräthyl (Siedepunkt 62 bis 65° C.) besteht. Die Redact.
Vergiftete Visitenkarten.
Die (französische) Industrie ist mit einem neuen Erzeugniß aufgetreten, welches nicht
rasch genug zurückgewiesen werden kann.
Schon früher habe ich auf den Unfug, welcher in dem Ueberziehen der Visitenkarten mit
Bleiweiß besteht, aufmerksam gemacht.Wittstein's
Vierteljahresschrift, Bd. III S. 454.
Jetzt probirt man das Manöver mit einem anderen und, weil im Wasser leicht löslich,
noch gefährlicheren Bleipräparate, nämlich mit Bleizucker. Seit Kurzem circuliren nämlich Visitenkarten, welche einen
Ueberzug auf einer oder auf beiden Flächen haben, der dem bekannten Moiré metallique des Weißbleches ähnlich sieht.
Beim Biegen dieser Karten vernimmt man ein schwaches Knistern, wie wenn Kryställchen
sich aneinander reiben, und es lösen sich auch feine Nadeln davon ab; der Nase
genähert, bemerkt man einen schwachen Geruch nach Essigsäure. Dadurch aufmerksam
gemacht, brachte ich die Krystallfläche an die Zunge, sie schmeckte süßlich –
dann mit Schwefelammonium in Berührung, sie wurde schwarz und – die
qualitative Untersuchung war fertig.
Die quantitative Untersuchung übernahm in meinem Laboratorium Hr. Apotheker Alb. E.
Ebert aus Chicago
(Illinois, Nord-Amerika). Eine auf beiden Flächen moirirte Karte von 4 Zoll
Länge und 2 1/2 Zoll Breite, welche 33 1/2 Gran wog, wurde mit destillirtem Wasser,
welchem man ein paar Tropfen Essigsäure zugesetzt hatte, ausgelaugt, die Lösung mit
Schwefelsäure gefällt und das entstandene Bleisulphat gewogen. Es betrug 4,187 Gran,
welche 5,234 Gran krystallisirtem Bleizucker entsprechen.
Die Karte war durch diese Behandlung um etwa 7 Gran leichter geworden, enthielt aber,
wie vorauszusehen, noch Blei, welches man durch Einäschern, Digeriren der Asche mit
verdünnter Salpetersäure und Fällen der Flüssigkeit mit Schwefelsäure gleichfalls in
Sulphat verwandelte. Dieses wog 1,0937 Gran, enthielt also ungefähr 1/6 des Metalles
der ganzen ursprünglichen Karte und entsprach 1,367 Gran Bleizucker.
Der Karte hasteten mithin im Ganzen 6,601 Gran Bleizucker an, genug um ein 3 bis 5
jähriges Kind zu tödten oder doch dem Tode nahe zu bringen.
Dr. Wittstein.