Titel: | Steinheil's neues aplanatisches Objectiv. |
Fundstelle: | Band 187, Jahrgang 1868, Nr. XXIX., S. 150 |
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XXIX.
Steinheil's neues aplanatisches Objectiv.
Mit einer Abbildung.
Steinheil's neues aplanatisches Objectiv.
Lange Zeit haben die Fortschritte der photographischen Optik mit den Verbesserungen
der technischen Photographie nicht gleichen Schritt gehalten; es hat zwar nicht an
Erfindungen auf diesem Gebiete gefehlt, der jährlich mehr sich füllende
Objectivschrank des Photographen weist dieß zur Genüge aus. Die Vorzüge der
verschiedenen Tripel-Objective, der Kugellinsen und der neuen
Weitwinkellinsen, der Periskopen und Pantoskopen vor den alten
Landschafts-Objectiven sind enorm, gewiß aber ist, daß trotz aller
Lobeserhebungen viele dieser Instrumente ihre Fehler haben, die in gewissen Fällen
die erworbenen Vorzüge wieder compensiren, und daß eine Verbesserung derselben noch
möglich und sogar wünschenswerth erscheint.
Unter den neuesten Vervollkommnungen nimmt die jüngste Erfindung des Herrn Dr. Steinheil, das
aplanatische Objectiv, eine hervorragende Stelle ein. Der Hauptvortheil desselben
besteht darin, daß, während es in Helligkeit, Richtigkeit der Zeichnung und
Gesichtswinkel den ähnlichen Constructionen (Triplet, Orthoskop etc.) wenigstens
gleichkommt, es bedeutend einfacher ist und kleinere Linsen erfordert. Die Klarheit der Bilder wird hierdurch bedeutend
vermehrt.
Textabbildung Bd. 187, S. 150
Das aplanatische Objectiv ist, wie man aus der Zeichnung ersieht, ein Doppelobjectiv.
Es besteht aus zwei symmetrischen achromatischen Menisken, deren jeder aus zwei
Flintglaslinsen von verschiedener Dichtigkeit zusammengesetzt ist. Es unterscheidet
sich also wesentlich von allen bisher construirten Objectiven. Das Instrument ist
speciell bestimmt zur Aufnahme von Gruppen, Ansichten, Interieurs und
Reproductionen. Es lassen sich indessen bei gutem Licht auch vorzügliche Porträts
damit auf nehmen; das aplanatische Objectiv ist etwa doppelt so lichtstark, wie das
Triplet. Steinheil empfiehlt, stets mit der weitesten
Blende einzustellen, auch wenn man die Aufnahme mit einer engeren macht.
Es ist auffallend, wie brillant und klar das von dem aplanatischen Objectiv
gelieferte Bild schon auf der Visirscheibe erscheint. Daß übrigens die Bilder klarer
werden müssen, geht schon aus der obigen Zeichnung hervor. Jede polirte Glasfläche
erzeugt ein Spiegelbild; es wird von einem Theile des Lichtes gebildet, der statt
gebrochen zu werden, an der Fläche umkehrt (reflectirt wird). Je stärker gekrümmt
eine Fläche ist, um so größer ist der Theil des Lichtes, der reflectirt wird und
demnach für das Bild verloren geht. Nun hat das aplanatische Objectiv nur vier
Flächen, an welchen Reflexionen stattfinden, und zwar flache, da die stark
gekrümmten verkittet sind. Es hat also überhaupt weniger Lichtverluste, als die
anderen Constructionen, welche sechs reflectirende Flächen besitzen.
Nun wird aber ein Theil des Lichtes, der an einer der späteren Flächen reflectirt
wird, von einer früheren zum zweitenmal reflectirt, und geht somit in der Richtung
des Bildes weiter.
Diese zweimal reflectirten Strahlen geben wieder Bilder, welche das Hauptbild stören
können; sie sind Ursache des hellen Fleckens, den viele Apparate zeigen. Ob die
Wirkung dieser Reflexbilder schädlich ist, hängt davon ab, wo sie liegen und unter
welchen Winkeln die Strahlen, die sie bilden, wieder auseinandergehen.
Das aplanatische Objectiv mit vier reflectirenden Flächen hat nur sechs solche
Bilder, welche sämmtlich zwischen oder vor den Linsen liegen. Jeder Apparat mit
sechs reflectirenden Flächen hat deren fünfzehn, und
darunter viel störender liegende. Es werden daher die Bilder des aplanatischen
Objectives viel brillanter, weil es wenig Reflexbilder zweiter Ordnung hat und weil
das Licht, das sie bildet, so steil wieder auseinandergeht, daß es in der Ebene des
Hauptbildes keine Intensität mehr besitzt. (Photographisches Archiv, 1867 S.
309.)