Titel: Ueber die schädliche Einwirkung von unreinem Alkohol auf die Anilinfarben; von Dr. H. Tillmanns.
Autor: H. Tillmanns
Fundstelle: Band 188, Jahrgang 1868, Nr. XXI., S. 56
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XXI. Ueber die schädliche Einwirkung von unreinem Alkohol auf die Anilinfarben; von Dr. H. Tillmanns. Tillmanns, über Einwirkung unreinen Alkohols auf Anilinfarben. Seit einiger Zeit liefen mehrfache Klagen über gelieferte Anilinfarben, besonders der rothvioletten Nüancen, von Färbereien ein. Da ich vollkommen überzeugt war, nur gute Farben geliefert zu haben, sah ich mich hierdurch veranlaßt, diese Sache näher zu untersuchen, und es stellte sich dabei heraus, daß die Ursache der von den Färbereibesitzern gemachten Klagen in dem angewandten Spiritus zu suchen war. Es wird, wie bekannt, zum Auflösen der Anilinfarben Spiritus von 90–95 Proc. verwandt und gewöhnlich die Farbe mit demselben mehr oder minder lange Zeit erwärmt oder sogar gekocht. Wenn der Spiritus rein ist, so wird die betreffende Farbe selbst nach längerem, sogar mehrstündigem Erwärmen nicht verändert. Die Farben hingegen, welche mit dem Spiritus aufgelöst waren, worüber Klagen eingelaufen sind, änderten sich sehr bald, einzelne wurden sogar vollständig zerstört, unter Abscheidung von Producten, welche für die Färberei ganz untauglich sind, indessen noch einer genauen chemischen Untersuchung unterworfen werden sollen. Nachdem ich mir verschiedene hier im Handel für die Färbereien vorkommende Sorten Spiritus verschafft hatte, unterwarf ich dieselben in Gemeinschaft mit Hrn. Dr. Eberhardt in meinem Laboratorium einer näheren Untersuchung. — Einige Sorten waren fast chemisch rein, in anderen fanden sich sowohl die Fuselöle des Kartoffelspiritus, als auch des Rübenspiritus, alsdann mehr oder minder große Mengen Aldehyd; bei einigen kleine Mengen von Schwefelsäure. Die Untersuchung auf Fuselöle wurde nach der Methode von Otto vermittelst Schwefeläther vorgenommen, alsdann aus mehreren Sorten dieselben abgeschieden und ihre Einwirkung auf die Anilinfarben näher beobachtet. Es wurden 2 Grm. eines röthlichen Violetts (Phenylrosanilin) mit 95 Grm. reinem Alkohol und jedesmal mit 5 Grm. dieser gewonnenen Fuselöle versetzt, das Ganze zwei Stunden in einem Destillirapparate mit aufsteigender Kühlvorrichtung erwärmt und fand sich nach dieser Zeit die noch aufgelöste Farbe ganz geröthet und ein Theil derselben als braunes Zersetzungsproduct abgeschieden. Bei einem Zusatz von 2½ Proc. dieser Fuselöle war ebenfalls noch eine starke Veränderung der Farbe zu beobachten. Die Nachweisung des Aldehyds in den verschiedenen Spiritussorten geschah in der Weise, daß ½–1 Procent reines Kalihydrat darin aufgelöst wurde; bei den schlechtesten Sorten zeigte sich sofort eine sehr starke Bräunung, während bei den besseren Sorten nur eine gelbe Färbung eintrat. Von dieser Lösung wurden 25 Proc. abdestillirt und mit dem Destillat die schon erwähnte Aetherprobe angestellt, wobei der bekannte zimmtartige Geruch des durch die Einwirkung des Alkalis auf Aldehyd entstehenden flüchtigen Oeles meist sehr deutlich hervortrat. Gleichzeitig schied sich beim Eindampfen der rückständigen 75 Procent das Aldehydharz in mehr oder minder große Menge ab. Selbst bei den sogenannten doppelt-gereinigten, zur Auflösung der Anilinfarben ganz vorzüglichen Sorten Spiritus tritt beim Erhitzen mit Kalihydrat eine schwache gelbliche Färbung ein und sind die darin vorhandenen Spuren von Aldehyd wohl der oxydirenden Contacteinwirkung der Reinigungskohle zuzuschreiben. Größere Mengen von Aldehyd entstehen sicherlich durch die Anwendung stark oxydirender Substanzen als Reinigungsmittel, resp. zur Zerstörung der Fuselöle; als solche werden Braunstein, zweifach-chromsaures Kali etc. vielfach verwandt. Ungleich stärker als die der Fuselöle ist die Einwirkung des Aldehyds auf die Anilinfarben. Allgemein bekannt ist die Darstellung von Anilingrün durch Einwirkung von Aldehyd auf Anilinroth. — Es wurden 2 Grm. röthliches Violett in 100 Grm. reinem Spiritus aufgelöst und zuerst mit ½ Procent als Maximum reinem Aldehyd versetzt und in obigem Destillirapparat erwärmt. Nach einstündiger Einwirkung war die Farbe zur Hälfte, nach zwei Stunden vollständig zerstört. Verschiedene Versuche mit Zusatz von kleineren Mengen Aldehyd ergaben eine ähnliche, wenn auch minder starke Einwirkung; selbst bei einem Gehalte von 1/40 Proc. Aldehyd war nach mehrstündigem Erwärmen eine deutliche Entfärbung des Violetts zu bemerken. Stets hatte sich zu gleicher Zeit ein brauner Körper abgeschieden. Es geht aus diesen Versuchen hervor, wie wichtig die Anwendung eines reinen Spiritus zum Auflösen der Anilinfarben ist, und manchem Fabrikanten dieser Farben mögen Klagen über dieselben eingelaufen seyn, welche durchaus unbegründet, nur durch die Anwendung eines unreinen Spiritus hervorgerufen waren. Ein röthliches Violett (Phenylrosanilin) stellte sich als die empfindlichste Farbe heraus; indessen alle übrigen Anilinfarben vom Anilinroth bis zum Blau sind dieser Einwirkung mehr oder minder unterworfen. Als beste Prüfungsmethode des Spiritus ist der Zusatz von 1 Proc. chemisch reinem Aetzkali unter Erwärmen den Färbereibesitzern anzuempfehlen; derselbe darf nur ganz hellgelb gefärbt werden. Ferner sollten dieselben 1 Theil Rothviolett in 50 Theilen des betreffenden Spiritus auflösen und längere Zeit erwärmen, nachdem von derselben Farbe mit anerkannt gutem Spiritus eine Auflösung zum Vergleich der Nüance vorher gemacht wurde; nach halbstündigem Erwärmen darf die Farbe sich nicht verändert haben, resp. schmutziger und röther geworden seyn. Crefeld, den 9. März 1868.