Titel: Das Bohren in Schmiedeeisen; von G. Heim, Ingenieur in Wasseralfingen.
Fundstelle: Band 189, Jahrgang 1868, Nr. XXIV., S. 95
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XXIV. Das Bohren in Schmiedeeisen; von G. Heim, Ingenieur in Wasseralfingen. Aus der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, 1868, Bd. XII S. 243. Mit Abbildungen aus Tab. II. Heim, über das Bohren in Schmiedeeisen. In der Zeitschrift des österreichischen Ingenieur-Vereines, 1865 S. 82 (polytechn. Journal Bd. CLXXVI S. 431), sind französischen Quellen entnommene Versuche über die günstigste Form und Verwendung der Schneidwerkzeuge vom Standpunkte der Oekonomie der Betriebskraft mitgetheilt, und ist darauf hingewiesen, wie sehr die für die Technik höchst wichtige Behandlung der Schneidwerkzeuge meistens der Willkür der Arbeiter überlassen bleibt, während doch die dieser Sache ausreichend gewachsenen feinfühlenden und nachdenkenden Arbeiter selten sind. Die an den Schneiden wirkenden Kräfte sind übrigens nur ein kleiner Theil der für eine ganze Fabrik erforderlichen Betriebskraft, während es fast immer die erste Bedingung ist, daß ein mittelmäßiger Arbeiter an einer einfachen billigen Maschine soll möglichst viel gute Arbeit liefern können. Bei der Erfüllung dieser Bedingung sind so viele, in ihrer Wirkung sich meistens durchkreuzende Umstände im Spiel, daß noch nicht nach allgemein gültigen Normen gearbeitet werden kann, sondern ein guter Arbeiter nach einigem Probiren schneller das Richtige findet. Die Aufgabe der Wissenschaft aber ist es, die Ergebnisse von Versuchen zu sammeln und aus denselben die Principien abzuleiten, nach welchen auch die Erscheinungen in diesem Gebiete im Voraus berechnet werden können. Als ein Beitrag von solchen Ergebnissen möge Folgendes aufgenommen werden. Es mußten in den hiesigen Werkstätten Löcher von 24 Millim. Weite und 200 Millim. Tiefe in Stücke von Wasseralfinger Feinkorneisen gebohrt werden. Dieses Material zeigte in jeder Hinsicht vorzügliche Eigenschaften, es war zum Bohren weich und durchaus homogen, und während es beim Biegen eine Zähigkeit wie das beste weiche Holzkohleneisen zeigte, wurde als Mittel aus mehreren Versuchen seine absolute, sowie die Abscherfestigkeit gefunden K = 77 Kilogrm. pro Quadratmillimeter. Die Stücke wurden auf Drehbänke gespannt und die Bohrer mittelst des Reitstockes gegen dieselben geführt. Bei den Versuchen über den Kraftbedarf wurden die Bohrer nahe an der Reitstockspitze mit einem verticalen Hebel gefaßt, und an demselben mittelst einer guten Federwaage somit nur die im Bohrloche aufgewendete Arbeit gemessen. Nur des vollständigen Vergleiches wegen wurden auch Spitzbohrer von der in Fig. 11 bis 13 in natürlicher Größe verzeichneten Form angewendet. Betrachtungen über die schlechte Wirkungsweise des Spitzbohrers in dem Mittelpunkte des Loches führten auf einen Bohrer, welcher in der Mitte einen Kern stehen läßt, und welchen ich deßhalb Kernbohrer (Fig. 14 bis 16) genannt habe; die Erwartungen, zu welchen dieser Bohrer aus theoretischen Gründen berechtigte, wurden nicht vollständig erfüllt, während sich aber praktische Hindernisse der Sache auch nicht entgegenstellten. Der relative Nutzen dieser Kernbohrer wurde dadurch praktisch festgestellt, daß zwei Arbeiter nach Stücklohn je einige hundert Löcher mit denselben bohrten, während ein dritter bei dem vorschneidenden Kanonenbohrer (Fig. 2224) blieb und mit demselben auch ebenso viel leistete. Die Resultate über den Kraftbedarf verschiedener Löcher bei verschiedenen Schaltungen (Vorschüben) sind in dem Diagramm Fig. 25 verzeichnet, und zwar beziehen sich die schwarzen Punkte auf den Spitzbohrer, die Kreischen auf den gespitzten Kanonenbohrer (Fig. 1921), die umkreisten Punkte auf den vorschneidenden Kanonenbohrer, die stehenden Kreuzchen + auf die Kernbohrer der langsamer gehenden und die liegenden Kreuzchen × auf die der schneller gehenden Bank. Die auffallend schöne Gesetzmäßigkeit, welche unter den Punkten und Kreischen ersichtlich ist, ist weniger beim Kernbohrer vorhanden; doch stellt auch hier die Linie —…—…—…die Gesetze für letzteres Werkzeug genügend genau dar. Die vom Spitzbohrer geschnittene Fläche ist die Mantelfläche eines abgestumpften Kegels, dessen Endfläche durch die Kante a b (Fig. 11) erzeugt wird. An dieser Kante ist der Winkel (t + i) Fig. 17 viel größer als 90°; es können deßhalb hier nicht Späne abgeschnitten werden, sondern das Eisen wird durch starkes Pressen und unter Erzeugung von viel Wärme fortgemahlen. Obgleich die Kanten a c und b d, Fig. 11, durch die Höhlung e, Fig. 12, auf den Schnitt gerichtet sind, so ist doch der Winkel (t + i) schon etwa auf der halben Länge dieser Kante = 90° und wird gegen den Mittelpunkt hin immer größer; die Späne sind deßhalb nur abgesprengte Splitter. Wie zu erwarten, sind schon einige (4,8) Meter-Kilogrm. nöthig, bis der Bohrer angreift. Bei einer Schaltung von 0,182 Millim. brach der Bohrer nach etwa 300 Umdrehungen; das von ihm erzeugte Loch hätte aber keinenfalls die gewünschte Geradheit und Glätte gehabt. Vor den Kanonenbohrern hat der Spitzbohrer den in vielen Fällen sehr wichtigen Vorzug, daß man mit demselben aus einem mit dem Körner geschlagenen Centrum zu bohren anfangen kann. Aus dem Diagramm ist ersichtlich, daß die aufgewendete Arbeit beim gespitzten Kanonenbohrer sehr nahe in geradem Verhältniß mit der Schaltung wächst, daß er folglich auch am Mittelpunkte ziemlich gut schneidet. Auffallend ist dagegen, daß der vorschneidende Kanonenbohrer bedeutend weniger Kraft absorbirt; dieser Bohrer schneidet im Loch einen sehr flachen Kegel an, und schneidet am Mittelpunkte offenbar günstiger als der vorhergehende. Durch die schiefe Schnittlinie wird der bei f, Fig. 24, entstehende und bei g, Fig. 22, die Reibung vermehrende Druck theilweise wieder aufgehoben, während er bei dem ersteren Bohrer durch den Schnitt vergrößert wird. Hierdurch mag die günstigere Wirkung des letzteren Werkzeuges erklärt werden. Beim Kernbohrer scheinen verschiedene Kräfte, oft nur vorübergehend, hemmend zu wirken, und zwar ist der Einfluß dieser Hindernisse bei geringer Schaltung größer, als bei starken Spandicken, daher die Curve —…—…—. Offenbar zwängen sich bei geringer Schaltung seine Späne und Bohrmehl zwischen den Kern und die halbrunde Höhlung im Bohrer ein, während dieß bei stärkeren Schaltungen weniger oder gar nicht stattfindet. Im letzteren Falle nach dem Schleifen des Bohrers wurde häufig das Loch so gerade, rund und glatt, daß es durch kein Polirverfahren schöner hätte hergestellt werden können. Die Arbeiten wurden außerordentlich gefördert durch eine vortreffliche Schmiervorrichtung, welche darin besteht, daß das Seifenwasser durch ein 2 Millim. weites Röhrchen i, Fig. 14 und 16, mit Zinn in den Bohrer gelöthet, bei der Schnittstelle ausströmen kann. Merkwürdigerweise verstopft sich dasselbe niemals; in das andere Ende desselben gelangt das Seifenwasser mittelst eines Kautschukschlauches aus einem 4 Fuß (1,25 Meter) über dem Bohrer angebrachten Behälter. Die Späne schaffen sich auch aus 200 Millim. Tiefe selbst heraus. In Erwägung aller gemachten Erfahrungen, mit Einschluß der umständlicheren Herstellung der Kernbohrer, scheint dieses Werkzeug um so mehr Vortheile zu bieten, je mehr der Bohrerdurchmesser 24 Millim. übersteigt. Bei diesem Durchmesser scheint ein Vortheil für größere Bohrarbeiten nur in der größeren Reinheit der mit dem Kernbohrer erzeugten Löcher zu liegen. In dem Diagramm sind bei den Schaltungen, welche nicht allein versuchshalber gemessen wurden, sondern nach welchen die drei Bänke während 2 Monaten functionirten, die Umdrehungszahlen pro Minute notirt. Hiernach findet man die Schaltung pro Minute beim vorschneidenden Kanonenbohrer = 11,8 Millim., beim schnellergehenden Kernbohrer = 9,9 Millim., beim langsamergehenden Kernbohrer = 9,8 Millim. Es wurden mit letzteren auch Versuche mit 0,20 Millim. bis 0,25 Millim. Schaltung pro Umdrehung gemacht, die Bohrer etc dabei aber zu sehr forcirt gefunden. Die Geschwindigkeit und die Schaltung bei ersterem dürften nicht vergrößert werden; somit erscheint als die die Arbeit am meisten fördernde Umdrehungszahl U = 100. Die hieraus folgende Umfangsgeschwindigkeit von 125 Millim. pro Secunde wird in der Praxis für kleinere Durchmesser größer genommen. Bei Vergleichung des Bohrens von anderen Durchmessern, 8 bis 30 Millim., fand ich die beste Umdrehungszahl u, welche nicht bedeutend überschritten werden darf, ohne den Bohrer zu schnell abzunutzen: u = 11000 √d/d2Dieß entspricht einer Umfangsgeschwindigkeit von 576/νd Millimeter pro Secunde. Hiernach findet man für d = 6 8 10 15 20 25 30 Millimeter u = 748 486 348 189 123 88 67 Umdrehungen. Die gewöhnlichen Bohr- und Drehbänke läßt man auch für die kleinsten Bohrer nicht über 1000 bis 1200 Umdrehungen machen. Die weiteren Berechnungen beziehen sich nur auf den vorschneidenden Kanonenbohrer, welcher am nutzbringendsten wirkte bei u = 100, einer Schaltung S = 0,12 Millim. und dabei eine Arbeit A = 20 Meter-Kilogrm. consumirte. Ferner bezeichne R = 12 Millim. den Halbmesser dieses und r den Halbmesser anderer Bohrer, R, und r, = 0,9 r den Halbmesser des weichen Bohrerschaftes, s die Schaltung anderer Bohrer und a die im Loche aufgewendete Arbeit pro l Umdrehung, q einen specifischen Eisenschneidwiderstand pro Quadratmillimeter, so ist die ganze auf die Schneide wirkende Pressung p = r s q und der dadurch an der Fläche g entstehende Reibungswiderstand annähernd = p φ = 0,2 p. Die Schneide wirkt mit dem mittleren Halbmesser 0,5 r und der Reibungswiderstand mit dem Halbmesser r, folglich ist das statische Moment der Bohrerdrehung a/2π = p r/2 + 0,2 p r = 0,7 r2 s q. Hieraus findet man, wenn man für a, r und s die Werthe A =20,000 Millimtr.-Kilogrm., R und S setzt, q = 262 = 3,4 K für das Bohren. Beim Abdrehen eines Spanes von 3,36 Quadratmillimeter von einer Wagenachse, deren absolute Festigkeit k = 45 Kilogrm. seyn mochte, wurde p = 460 Kilogrm. gefunden, wornach für das Drehen, Hobeln und dergl. q = 3,04 k oder abgerundet q = 3 k für diese Arbeiten anzunehmen seyn wird. Der größere Betrag für das Bohren ist dem ungünstigen Schneiden am Mittelpunkte und der Reibung der Bohrspäne zuzuschreiben. Das Werkzeug in seiner Bewegung gegen den Vorsprung h i, Fig. 17, hat dreierlei Widerstände zu überwinden. Erstens comprimirt es den Querschnitt h i mit einer Kraft, welche die rückwirkende Festigkeit des Materiales überwindet, zweitens muß es nach der Linie i m den Span abscheren, und drittens ist ein weiterer bedeutender Druck erforderlich, um die Reibung zu überwinden, mit welcher der Span an der schiefen Fläche m n aufwärts gleitet. Als Product dieser drei Kräfte erhält man einen Span, welcher nach k l durchschnittlich einen 1,7 mal so großen Querschnitt hat, als nach h i, und dessen Länge deßhalb nur 0,6 der geschnittenen Länge ist. Ist der Winkel 90° — (t + i) größer als der Reibungswinkel des Eisens auf dem Stahl, so gleitet ein gerollter Span von m nach n aus; ist er aber kleiner oder negativ, so werden unter bedeutend größerem Drucke nur Splitter abgesprengt. Hieraus erhellt, daß die Winkel t und i und die Schmierung von großem Einfluß auf q/k sind; es wird deßhalb beim Bohren durch Menschenkraft unter geringer Geschwindigkeit der Schneide Oel angewendet, während beim Bohren mit stärkeren Motoren und der oben angegebenen Umdrehungszahl das Seifenwasser zugleich zur Abkühlung des Werkzeuges dient. Nach der oben citirten Abhandlung wurden als zulässige Minimalwerthe von i und t 4° und 51° gefunden; mit diesen Winkeln würde man wohl einen kleineren Werth für q/k finden; i = 4° eignet sich aber nur für frisch geschliffene Werkzeuge, und t = 51° erheischt eine sehr sorgfältige Behandlung und geringere Geschwindigkeit derselben. Man findet deßhalb diese Winkel meistens i = 8° und t = 58°. Mit der Praxis übereinstimmende Werthe der den Bohrern zu gebenden Schaltungen erhält man, wenn man alle Bohrer bis auf den zwölften Theil ihrer Bruchfestigkeit gegen das Verdrehen beansprucht. Das polare Trägheitsmoment Jp des Schaftes in Bezug auf den Achsepunkt o, Fig. 18, ist bekanntlich gleich der Summe des Trägheitsmomentes, bezogen auf die Achse p q, plus dem auf r s: Jp = 0,393 r,4 + 0,110 r,4 = 0,503 r,4, die Entfernung der meistgespannten Faser vom Achsepunkte o = 1,08 r,. Ist nun der Bruchfestigkeitsmodul gegen Verdrehen des weichen Gußstahles = 65, so ist das statische Moment für das Abwinden des Kanonenbohrerschaftes vom Halbmesser R, Textabbildung Bd. 189, S. 100 Millimtr.-Kilogrm., während oben die Beanspruchung während des zweckmäßigsten Bohrens A 1000/2π = 3183 Millimtr.-Kilogrm., somit = 1/12 der Festigkeit des Schaftes gefunden wurde. Es ist auch allgemein a/2π 1000 = t/12 = 1,839 r3 = r3 . q . 0,7, wornach s = 0,01 r. Dieser Werth von s ist nicht absichtlich abgerundet, sondern wurde auch bei einem Versuchsbohrer von nur 5 Millim. Durchmesser als die dem Gefühle und der Praxis am meisten zusagende Schaltung gefunden, während dessen Kraftbedarf nicht unerwarteter Weise 1,5 mal größer gefunden wurde, als die obigen Formeln ergeben. Nach diesen ist die Arbeit für eine Umdrehung a = 2 π . 1,839 r3 = 1,444 d3 Millimtr.-Kilogrm. und pro Secunde = 0,265 dd Met.-Kilogrm. = 0,00353 dd Pferdekraft mit Ausschluß der von der leergehenden Bohrmaschine absorbirten Kraft. Diese Formeln sind wohl zunächst nur für sehr festes Eisen richtig, dürften sich aber gerade deßhalb um so eher zur allgemeinen Anwendung empfehlen. Für Spitzbohrer behält u seinen obigen Werth, die Schaltung s aber, hier halbe Spandicke, sollte nicht über 0,008 r gemacht werden. Die Kanonenbohrer verdanken der unter dem starken Druck nach g, Fig. 22, entstehenden guten Führung die Geradheit und Reinheit der gebohrten Löcher; die durch denselben verursachte Reibung absorbirt aber annähernd 0,2 a. Hiervon sind die zweischneidigen Spitz- und Centrumbohrer frei: mit dem letzteren kann ebenfalls aus einem Körnercentrum zu bohren angefangen werden, und überdieß ist die Betriebskraft für denselben schwerlich größer als für den Kanonenbohrer, weil die Spitze auf kleine Dimensionen reducirt ist. Die Herstellung und Unterhaltung guter Centrumbohrer sind aber umständlich, wogegen vorschneidende Kanonenbohrer sehr bequem aus dem käuflichen Gußstahle von halbkreisförmigem Querschnitte hergestellt werden können. In der oben citirten Abhandlung sind werthvolle Versuche über den relativen Arbeitsconsum der Werkzeuge für verschiedene Spandicken und Geschwindigkeiten enthalten.

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Tafel Tab.
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Tab. II