Titel: Kleine Beiträge zum chemischen Theil der Zuckerfabrication; von E. F. Anthon, Fabriken-Inspector in Prag.
Autor: E. F. Anthon
Fundstelle: Band 189, Jahrgang 1868, Nr. XXXVI., S. 136
Download: XML
XXXVI. Kleine Beiträge zum chemischen Theil der Zuckerfabrication; von E. F. Anthon, Fabriken-Inspector in Prag. (Fortsetzung von S. 78 des vorhergehenden Heftes.) Anthon, Beiträge zum chemischen Theil der Zuckerfabrication. III. Schnelle annähernde Werthsabschätzung der flüssigen Zuckerproducte der Rübenzuckerfabriken nach ihrer Dichte. Reine, bei 17½° C. völlig gesättigte Zuckerlösung hat ein spec. Gewicht von 1,3300, gewöhnlich auskrystallisirte Rückenzuckermelasse dagegen eine Dichte von circa 1,40–1,41, Zahlen, welche weit von einander liegen, und deren Zwischenglieder, wie leicht einzusehen, dem verschiedenen Reinheitszustand der zwischen Raffinade, Klärsel und Melasse stehenden Zuckerlösungen entsprechen und somit einen Maaßstab für diesen abzugeben vermögen. Diese Thatsache wurde bereits im J. 1830 von Dubrunfaut und Pascal de Bourgoin (s Agriculteur-Manufacturier, 1830, Juni S. 178 und December S. 187; polytechn. Journal Bd. XXXVIII S. 445 und Bd. XL S. 236) in der im Titel dieser Notiz bezeichneten Richtung benutzt und eine Tabelle darnach entworfen, aus welcher der Werth (Reinheitszustand) der Syrupe etc. nach deren Dichte zu entnehmen ist. Bei Abfassung dieser Tabelle wurde jedoch irrthümlicherweise von der Annahme ausgegangen, daß die fremden Stoffe im Syrup nur in Schleim (resp. nur aus organischen Stoffen) bestehen. Da dieß jedoch in der Wirklichkeit nicht der Fall ist, sondern neben den organischen auch mineralische Stoffe vorhanden sind und diese in Folge ihres größeren spec. Gewichtes, bei ihrem Uebergange in Lösungen, bei gleicher Menge, die spec. Dichte dieser auch in größerem Verhältniß steigern als organische Stoffe, so sind die in jener Tabelle gebotenen Zahlen auch unrichtig und zwar die für Zucker zu niedrig, jene für „Schleim“ dagegen zu hoch angesetzt. Dieser Umstand mag denn auch der Grund gewesen seyn, daß man dieser Tabelle keine weitere Beachtung schenkte und dieselbe in Vergessenheit gerieth. Auf ihre Existenz wurde ich erst zufällig aufmerksam, nachdem ich schon lange zu gleichem Zwecke eine ähnliche Tabelle ausgearbeitet und mich derselben unzähligemal zu meiner Zufriedenheit bedient hatte, indem ich bei Abfassung derselben den thatsächlichen Verhältnissen Rechnung getragen zu haben und zu so weit richtigen Zahlen gelangt zu seyn glaube, daß meine Tabelle für den Zuckerfabrikanten praktischen Werth hat, indem sie ihn in den Stand setzt, den Werth einer jeden kalt gesättigten Zuckerlösung, wie sie in der Zuckerfabrication als Abläufe, Syrupe und Melassen vorkommen, zwar nur annähernd — für die meisten Fälle aber sicher hinlänglich genau — und vor Allem sehr leicht und sehr schnell zu bestimmen, welchen letzteren Vortheil ich ganz besonders betone, indem wohl kaum in einem anderen Industriezweige der Werth der Zeit so gewichtig in die Waagschale fällt als eben bei der Zuckerfabrication. Mit Zuhülfenahme nachfolgender Tabelle ist man im Stande binnen einiger wenigen Minuten durch bloße Ermittelung des spec. Gewichtes (also auch ohne Polarisation, ohne Austrocknen und Einäschern) die Zusammensetzung der genannten flüssigen Zuckerproducte — wenigstens annähernd richtig — zu bestimmen. Ueber den Gebrauch dieser Tabelle ist nichts zu bemerken, da dieser sich von selbst ergibt und nur über die Erleichterung der Bestimmung des spec. Gewichtes sey noch Folgendes bemerkt. Die Anwendung eines Aräometers ist zur richtigen Dichtebestimmung dicker und zäher Zuckerlösungen wie bekannt nicht zulässig und zur unmittelbaren Bestimmung auch das gewöhnliche Pyknometer nicht geeignet, weil dasselbe wegen zu kleiner Oeffnung nicht mit dicken Syrupen und Melassen gefüllt werden kann, sondern diese erst verdünnt werden müssen, was aber viel Zeit und wiederholte Wiegungen und Rechnungen verlangt, wobei leicht Irrungen mit unterlaufen. Ich bediene mich daher zur möglichst raschen und doch genügend genauen Bestimmung des spec. Gewichtes eines gleichförmig conischen Fläschchens von circa 3 Zoll Höhe, 10 Linien unterem und 4 Linien oberem Durchmesser, mit glatt geschliffenem Rande (ohne Stopfen oder Deckplatte). Dieses Fläschchen gestattet bei seiner 3½ Linien im Durchmesser weiten Oeffnung ein Füllen und Entleeren mit unverdünnter Melasse und ein leichtes und völlig gleichförmiges Füllen, wenn man dasselbe gegen ein Fenster hält und so lange von der zu prüfenden Flüssigkeit zusetzt oder bei etwaiger Ueberfüllung wieder abnimmt, bis die Oberfläche eine ebene ist und in gleichem Niveau mit dem Rand des Fläschchens liegt, wobei man sich zuletzt, um selbst die geringsten Mengen zugeben oder abnehmen zu können, eines dünnen zugespitzten Glasstabes bedient. Wenn die Dichte einer bei 14° R. gesättigten Zuckerlösung folgende ist, so enthält dieselbe auf 100 Zucker folgende Mengen Nichtzucker und hat folgende procentische Zusammensetzung: und somit folgenden Zucker-Quotienten. Zucker, Nichtzucker, Wasser, 1,3300 = 66,6 Proc. Sacch.   0 66,66  0 33,34 100,0 1,3322 = 67 Proc. Sacch.   4,1 64,85  2,66 32,49 95,1 1,3384 = 68 Proc. Sacch.   8,3 63,70  5,29 31,01 92,3 1,3446 = 69 Proc. Sacch. 12,4 62,56  7,76 29,68 88,9 1,3509 = 70 Proc. Sacch. 16,5 61,42 10,13 28,45 85,8 1,3572 = 71 Proc. Sacch. 20,7 60,28 12,48 27,24 82,8 1,3636 = 72 Proc. Sacch. 24,8 59,14 14,67 26,19 80,1 1,3700 = 73 Proc. Sacch. 29,0 58,00 16,82 25,18 77,5 1,3764 = 74 Proc. Sacch. 33,2, 56,85 18,87 24,28 75,0 1,3829 = 75 Proc. Sacch. 37,3 55,70 20,77 25,53 72,9 1,3894 = 76 Proc. Sacch. 41,4 54,56 22,59 22,85 70,7 1,3959 = 77 Proc. Sacch. 45,6 53,42 24,36 22,22 68,6 1,4025 = 78 Proc. Sacch. 49,7 52,28 25,98 21,74 66,7 1,4092 = 79 Proc. Sacch. 53,9 51,14 27,56 21,30 65,0 1,4059 = 80 Proc. Sacch. 58,0 50,00 29,00 21,00 63,3. IV. Ist die Knochenkohle-Filtration in der Rübenzuckerfabrication wirklich unentbehrlich? Wer unbefangenen Blickes in den heutigen Zuckerfabriken einerseits den kolossalen Apparat zur Kohlenfiltration, und andererseits die Anstalten zur Wiederbelebung der Knochenkohle, welche geradezu eine zweite Fabrik bilden, einer näheren Betrachtung würdigt, dem muß sich unwillkürlich die Frage aufdrängen, ob man denn nicht etwa jetzt einen Weg verfolge, auf welchem die erzielten Vortheile mit den gebrachten Opfern in keinem passenden Verhältniß stehen, ein Bedenken, welches wohl mehr als genügend begründet erscheint, wenn man berücksichtigt: 1) daß die Absorptionsfähigkeit der Knochenkohle gegen organische Stoffe, bei Gegenwart freier Alkalien, wie bekannt, eine sehr geringe ist und auch ihr Absorptionsvermögen gegen Kalk, worauf gegenwärtig ein Hauptgewicht gelegt wird, sich nur auf wenige Procente vom Gewicht der Kohle beschränkt, die wirkliche Absorption (feste, durch Waschen mit Wasser nicht aufhebbare Bindung) der Salze aber überhaupt sogar völlig zweifelhaft erscheint; 2) daß der Zuckerverlust, welchen die wiederholte Filtration als Dünn- und Dicksaft unvermeidlich mit sich bringt, besonders in dem Falle keineswegs unbedeutend ist, wo man das Absüßen der Filter (aus Besorgniß wieder zu viel Salz mit aufzulösen) nicht sehr weit treibt; 3) daß schlechte Kohle und zweckwidrige Behandlung derselben große Nachtheile herbeiführen können; 4) daß der ganze Proceß der Wiederbelebung ein lästiger und ungesunder ist, und endlich daß es für denjenigen, der sich gerne von dem was er thut Rechenschaft ablegt, moralisch deprimirend seyn muß, Hülfsmittel anwenden zu müssen, über deren Wirkungsweise er nicht immer vollkommen im Reinen ist. Diese Bedenken, durch welche ich vor der Hand nur anregend auf Verminderung der Productionskosten hinwirken möchte, da dem so wichtigen Industriezweig der Rübenzuckerfabrication eine baldige und für ungünstig gelegene Fabriken gefährliche Ueberproduction bevorsteht, will ich durch einige Zahlen weiter begründen. In der Zeitschrift des Vereines für die Rübenzucker-Industrie, Jahrgang 1864, S. 188 ist nachgewiesen, in welchem Verhältniß sich der Rübensaft beim Läutern (nach Possoz und Perier) und durch die darauf folgende Dünnsaftfiltration verbesserte. Darnach enthielten auf 100 Theile Zucker, an Nichtzucker a) der zum Läutern gelangte Rohsaft 40,64 Theile b) derselbe Saft nach der Scheidung 27,38 Theile c) derselbe Saft nach der ersten Carbonatation 17,78 Theile d) derselbe Saft nach der zweiten Carbonatation 13,23 Theile e) derselbe Saft nach der Filtration 11,48 Theile woraus sich ergibt, daß durch die bloße Läuterung (einschließlich der Carbonatation) von den vorhandenen fremden Stoffen 67,4 Proc., durch die nachfolgende Filtration des Dünnsaftes über Knochenkohle aber nur weitere 4,3 Proc. beseitigt worden sind. (Der Effect einer noch nachfolgenden Dicksaftfiltration — falls die Untersuchung auf eine solche ausgedehnt worden wäre — würde jedenfalls ein noch geringerer gewesen seyn und kann somit hier außer Betracht bleiben.) Wenn nun durch bloße Läuterung (und Carbonatation) fast die 16fache Menge fremder Stoffe beseitigt werden kann, als wie durch die nachfolgende Dünnsaftfiltration, so ist damit dargethan in wie hohem Grade die Wirkung der Kohle gegen die Wirkung des Läuterns in den Hintergrund tritt. Die nach obiger Mittheilung mögliche Beseitigung von 67,4 wenn auch bloß scheinbarer und durch die bloße Differenz bestimmter Proc. fremder Stoffe aus dem Rübensafte, resp. die Verminderung derselben von 40,64 Proc. auf 13,23 Proc. gegen 100 Zucker ist an und für sich schon eine solche Verbesserung, daß das Resultat derselben eine Füllmasse mit einem Zuckerquotienten von 88,3 ist, eine Beschaffenheit, wie sie von manchem Product, trotz wiederholter Anwendung der Knochenkohle, nicht übertroffen wird. Beruhen die oben citirten Mittheilungen, wie nicht zu bezweifeln ist, auf Wahrheit, so ist damit auch dargethan, daß die oben aufgestellte Frage dahin zu beantworten ist, daß allerdings Gründe vorhanden sind, welche die Annahme rechtfertigen, daß die Anwendung der Knochenkohle-Filtration entbehrlich seyn dürfte, besonders wenn es glücken sollte, den Läuterungsproceß noch weiter zu vervollkommnen. Wohl fühle ich, daß die Aufstellung dieses Satzes von Vielen kühn und gewagt genannt werden wird, ich bezweifle aber dessenungeachtet nicht, daß die Richtigkeit desselben sich in der Zukunft bewahrheiten wird. V. UebermelassebildendeStoffeunddieZuckermenge, welchedurchdieselbenungewinnbargemachtwird. Nicht allein über die Melassebildung an und für sich, sondern auch über die Größe des Zuckerverlustes, welchen die Melassebildner bedingen, sind die Ansichten der Chemiker noch sehr verschieden. So sind manche, in Bezug auf die erstere, der Ansicht, daß zur Melassebildung nur jene Stoffe Veranlassung geben, welche sich mit Zucker zu nicht krystallisirbaren Verbindungen vereinigen. Andere legen das Hauptgewicht im Allgemeinen auf die organischen, und endlich die meisten auf die mineralischen Stoffe (auf die Salze), welche von Manchen ausschließlich als die Melassebildner des Rübensaftes angesprochen werden. Ebenso differiren die Meinungen über die Größe des Zuckerverlustes, welchen die melassebildenden Stoffe veranlassen. So schwanken die Angaben zwischen einem Zuckerverlust von 1 bis 10 Theilen für jeden vorhandenen Theil Melassebildner. Ja Hochstetter sagt sogar (Erdmann's Journal für praktische Chemie, 1843, Bd. II S. 29; polytechn. Journal Bd. LXXXIX S. 210), daß 2 Theile Kochsalz oder Chlorcalcium 100 Theile Zuckerlösung unkrystallisirbar machen, wornach also 1 Theil dieser Salze die 33fache Menge Zucker in Melasse überführen müßte. In neuester Zeit, wo man anfieng die Salze als die eigentlichen Melassebildner anzusehen, wird einfach angenommen, daß 1 Theil Salze 5 Theile Zucker ungewinnbar mache und es begnügen sich dabei Viele einfach mit der Aschenbestimmung, ohne auf die Menge der vorhandenen organischen Stoffe Rücksicht zu nehmen. Diese so sehr von einander abweichenden Ansichten beruhen zwar keineswegs auf ganz willkürlichen Annahmen, ebensowenig aber auf richtigen Grundlagen, indem man sich in den meisten Fällen nicht klar machte, was man vom Standpunkte der Zuckerindustrie zu den melassebildenden Stoffen zu rechnen habe. Einige Beispiele werden dieß darthun. Der Eine fand z. B. bei einer Analyse 16,4 Salze neben 52,39 Zucker, ein Anderer 10,13 der ersteren neben 51,0 des letzteren, und ein Dritter bei der Untersuchung einer Colonialzuckermelasse neben 2,71 Salzen 34,58 Zucker. Wird nun nach der jetzt beliebten Weise der Zuckerverlust nach den gefundenen Salzmengen berechnet, so stellt sich heraus, daß im ersten Falle 1 Theil Salze 3,2, im zweiten Falle 5,0 und im dritten sogar 12,7 Theile Zucker in die Melasse übergeführt hatte. Allerdings stimmt nun der zweite Fall mit der Annahme überein, daß 1 Theil Salze die fünffache Menge Zucker raube und wenn ich auch gerne zugebe, daß dieses Verhältniß das gewöhnlichere ist, indem es der Zusammensetzung einer normalen Rübenmelasse (im Durchschnitt 50 Zucker, 20 organische Stoffe, 10 Salze und 20 Wasser) entspricht, so glaube ich dessenungeachtet, daß die Verallgemeinerung der Annahme, daß 1 Theil Salze 5 Theile Zucker in die Melasse überführe, nicht zulässig erscheint, und zwar weil: a) dieselbe für viele Fälle entschieden unrichtig ist; b) die im Rübensafte vorkommenden Salze in sehr verschiedenem Grade den Zucker in die Melasse überzuführen vermögen; c) diese Annahme den Laien auf ganz falsche Vorstellungen leitet und so die zu einer rationellen Thätigkeit nothwendige klare Einsicht erschwert, und d) es endlich vorzugsweise die organischen Stoffe sind, welche der Melasse ihre charakteristischen Eigenschaften ertheilen, auch sogar eine Melassebildung recht gut mit gänzlichem Ausschluß von Salzen denkbar ist, indem z. B. eine reine Zuckerlösung, welche man durch bloße Hitze so weit verändert hat, daß sie braun und unkrystallisirbar geworden ist, gewiß mit Recht als Melasse betrachtet werden darf. Um jedoch das Gesagte weiter zu begründen, will ich die Resultate einiger absichtlich in dieser Beziehung angestellten Versuche kurz mittheilen. Der Rohrzucker löst sich bekanntlich bei gewöhnlicher Temperatur (14° R.) gerade in seinem halben Gewichte Wasser auf, welche Löslichkeit durch die Gegenwart von Chlorcalcium nicht beeinflußt wird, so daß sich z. B. 60 Theile Zucker auch noch in 30 Theilen Wasser auflösen, wenn man außerdem 12 Theile wasserfreies Chlorcalcium zusetzt. Steigert man aber die Zuckermenge (z. B. auf 80) bei dem angegegebenen Verhältniß von Wasser und Chlorcalcium, so wird selbst nach jahrelanger Berührung der dem Wasser gegenüber in Ueberschuß vorhandene Zucker noch unaufgelöst zu Boden liegen. Wird jedoch durch mäßige Erwärmung einer solchen Mischung (80 Zucker, 30 Wasser und 12 Chlorcalcium), und zwar zur Vermeidung von Verdampfung in einer zugeschmolzenen Glasröhre, die ganze Zuckermenge aufgelöst und dann ruhig stehen gelassen, so krystallisirt der Zuckerüberschuß allmählich wieder und zwar im reinen Zustande aus. Aehnlich dem Chlorcalcium, aber im grellsten Widerspruch mit der oben citirten Angabe Hochstetter's, wirkt auch das Chlornatrium, indem eine warm bereitete Lösung von 80 Zucker, 30 Wasser und 10 bis 11 Chlornatrium (in zugeschmolzener Glasröhre) bei längerem Stehen bei gewöhnlicher Temperatur reinen Zucker in Krystallen ausscheidet. (Eine Thatsache, welche, nebenbei bemerkt, den Zweifel mancher Chemiker an der Existenz des Chlornatrium-Saccharates einigermaßen gerechtfertigt erscheinen läßt, obgleich es schwer denkbar ist, daß Forscher wie Peligot, Gerhardt u. A. sich so arg getäuscht haben sollten.) Auch der Kalisalpeter zeigt ein ähnliches Verhalten, wenn in dessen bei gewöhnlicher Temperatur gesättigter Lösung reiner Zucker mittelst mäßiger Wärme in Ueberschuß gelöst wird. Der in größerem Verhältniß als wie 2 zu 1 in Wasser aufgelöste Zucker krystallisirt auch hier in der Ruhe und bei gewöhnlicher Temperatur wieder aus, während umgekehrt leicht und schnell Salpeter auskrystallisirt, wenn die Mengenverhältnisse so genommen werden, daß das Wasser wohl den Zucker, nicht aber die verwendete Salpetermenge bei gewöhnlicher Temperatur in Auflösung erhalten kann, ein Fall, der schon eintritt, wenn man z. B. 60 Theile Zucker und 12 Theile Salpeter in 30 Wasser bei gelinder Wärme auflöst und dann erkalten läßt, weil 30 Theile Wasser bei gewöhnlicher Temperatur wohl 60 Theile Zucker, aber nicht 12 Theile Kalisalpeter in Auflösung zu erhalten vermögen; so setzte auch in der That ein ungarischer Rohzucker mit dem enormen Gehalt von circa 22½ Proc. Salpeter diesen sogleich massenhaft in nadelförmigen Krystallen ab, als eine warm bereitete Lösung von 10 Theilen dieses Zuckers in 3½ Theilen Wasser erkaltete. Der Salpeter verhindert somit auch nicht die Krystallisirbarkeit des Zuckers, sowie umgekehrt durch die Gegenwart von Zucker die Krystallisirbarkeit des Salpeters nicht beeinträchtigt wird, und so setzt auch eine mit Salpeter und Zucker gesättigte Lösung Krystalle von Zucker und von Salpeter ab, ohne daß dabei von einer Melassebildung etwas wahrzunehmen ist. Wenn ich nun, wie ich glaube, durch vorstehende Mittheilung den Beweis geliefert habe, daß die erwähnten Salze nicht im Stande sind direct und für sich mit Zucker Melasse zu bilden, so will ich damit doch nicht behaupten, daß dieselben keinen Zuckerverlust bedingen, sondern nur darauf hinweisen, daß dieser Verlust zwar auf einem anderen Grunde beruht als die eigentliche Melassebildung, dennoch aber mittelbar sehr wesentlich zur Vermehrung der Melasse beitragen kann, indem der durch die Salze bedingte Zuckerverlust ein um so größerer ist, je mehr Wasser zur Lösung des vorhandenen Salzes nothwendig ist. So erfordern z. B. bei gewöhnlicher Temperatur 4 Theile wasserfreies Chlorcalcium nur 6 Theile Wasser zur Auflösung, welche außerdem 12 Theile (höchstens) Zucker in Auflösung zu erhalten vermögen. 1 Theil Kalisalpeter erfordert 3 Theile Wasser zur Lösung, die außerdem ihre doppelte Menge, also 6 Theile Zucker, in Auflösung erhalten kann. Schwefelsaures Kali endlich erfordert 10 Theile kaltes Wasser, welches außerdem sein doppeltes Gewicht an Zucker aufzulösen vermag. Da nun aus derartigen Lösungen in der Regel der Zucker als solcher industriell nutzbar nicht mehr gewonnen werden kann, sondern mit in die Melasse übergeführt wird, so ist es auch klar, daß von 1 Theil Chlorcalcium, 3 Theile Zucker — von 1 Theil Salpeter, 6 Theile Zucker — und von 1 Theil schwefelsaurem Kali sogar 20 Theile Zucker ungewinnbar gemacht, resp. in die Melasse übergeführt werden — Zahlen, welche, wie wohl kaum zu bemerken nöthig ist, bloß in der Theorie richtig sind, weil bei der gleichzeitigen Gegenwart verschiedener Salze, wie die Praxis sie bietet, deren Einfluß ein sehr abweichender seyn kann und muß, indem z. B. eine gesättigte Salpeterlösung bei gewöhnlicher Temperatur nur doppelt so viel Zucker aufzulösen vermag als sie Wasser enthält, außerdem aber namhafte Mengen eines anderen Salzes (z. B. von Kochsalz) aufnehmen kann, ohne dadurch die Eigenschaft zu erlangen neue Mengen von Zucker aufzulösen. Wenn nun aber nach dem Gesagten es nicht zulässig erscheint, bei der Abschätzung der durch Melassebildung verloren gehenden Zuckermengen die gefundene Salzmenge zu Grund zu legen, so fragt es sich, was denn richtiger sey und in dieser Hinsicht bin ich folgender Ansicht. Was für den Fabrikant chemischer Producte die sogenannten Mutterlaugen sind, ganz dasselbe ist für den Zuckerfabrikant die Melasse, nämlich das letzte Fabricationsproduct, aus welchem der Rest des noch darin vorhandenen Hauptproductes in Folge der Gegenwart fremder Stoffe nicht mehr mit Vortheil ausgeschieden werden kann. So wie man im ersten Beispiel die Gesammtmenge der vorhandenen fremden Stoffe als Veranlassung zur Mutterlaugenbildung ansehen muß, ebenso hat man bei der Melasse alle jene Stoffe als Melassebildner anzusehen, welche außer dem Zucker und Wasser in der Melasse enthalten sind, ohne Rücksicht auf ihre Wirkungsweise, und dieselben bei der Abschätzung des durch sie bedingten Zuckerverlustes derart und in dem Verhältniß zu Grunde zu legen, wie sie in normaler Rübenmelasse, im Durchschnitt und zwar ziemlich übereinstimmend vorkommen, nämlich auf 30 Gesammt-Nichtzucker 50 Zucker, und somit für jeden Theil der im Ganzen vorhandenen fremden Stoffe 1⅔ oder für 3 Theile fremder Stoffe 5 Theile Zucker als Verlust anzunehmen. Ich glaube, daß eine derartige Bezeichnungsweise und Abschätzung des durch die Melassebildung bedingten Zuckerverlustes, welche den thatsächlichen Verhältnissen mehr entspricht, um so mehr Beachtung verdient, da sie leichter und sicherer zum Ziele führt als die Aschenbestimmung, indem dabei die bloße Polarisation und Wasserbestimmung ausreichend sind, obgleich nicht zu verkennen ist, daß in einzelnen Fällen — wenn nämlich der Rohzucker ganz abnorme Mengen Salze enthält — auch auf diesem Wege kein richtiges Resultat erhalten werden kann. (Der Schluß folgt im nächsten Heft.)