Titel: | Ueber das Probiren stählerner Panzerplatten und über den günstigen Einfluß des Temperns derselben. |
Fundstelle: | Band 189, Jahrgang 1868, Nr. CI., S. 386 |
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CI.
Ueber das Probiren stählerner Panzerplatten und
über den günstigen Einfluß des Temperns derselben.
Aus dem Mechanics' Magazine, Mai 1868, S.
363.
Ueber das Probiren und Tempern stählerner
Panzerplatten.
Bei der Erörterung der Wirkungen des Durchstoßens von Löchern in Stahlplatten, welche
beim Schiffsbau und für andere ähnliche Zwecke verwendet werden, und bei der
Vergleichung ihrer Festigkeit und Tauglichkeit mit Platten, welche durchbohrte
Löcher haben, ist es von größter Wichtigkeit, die Qualität des auf diese Weise
behandelten Stahles zu berücksichtigen. Platten aus sehr kohlenstoffreichem Stahl,
welcher sich durch Härte und Dichtigkeit charakterisirt, zeigen auf dem Bruche ein
sehr feines, glänzendes, körniges Ansehen. Bei näherer Untersuchung findet man, daß
solcher Stahl eine gleichmäßig vertheilte und deutlich entwickelte Masse von
Theilchen enthält, deren jedes, nach den Gesetzen der Cohäsion und Affinität, den
neben ihm liegenden Theilchen dicht anhaftet, und in Folge seines hohen
Kohlenstoffgehaltes und seiner Reinheit eine außerordentliche Festigkeit und
Widerstandsfähigkeit zeigt, so lange nicht in irgend einem Theile der Platte ein
größerer Bruch oder Riß vorhanden ist. Die ausnehmende Härte der Theilchen
verhindert jedoch, daß die Platte eine Eigenschaft besitzt, welche bei einem
Material, das so starke Erschütterungen zu ertragen hat, höchst wünschenswerth ist,
nämlich einen gewissen, mit Dehnbarkeit oder Streckbarkeit verbundenen Grad von Elasticität.
Während die Theilchen einer gewöhnlichen Platte unter dem Einfluß heftiger
Erschütterungen das Bestreben haben, sich über einander zu schieben und so zu
verbinden, findet bei der aus hartem Stahl bestehenden Platte das Gegentheil statt,
indem die Theilchen derselben, anstatt sich zu strecken und übereinander zu
schieben, ihre Form und gegenseitige Lage vollständig beibehalten, bis sie sich
plötzlich trennen. Dieß läßt sich beim Durchstoßen von Löchern deutlich wahrnehmen;
denn durch den vom Locheisen oder Pumzen auf das Metall ausgeübten Druck werden die
Theilchen in der unmittelbaren Nähe des Loches aus ihrer Lage und Unordnung gebracht
und auf diese Weise innerliche (wenn auch nicht wahrnehmbare) Risse
hervorgerufen.
Zur näheren Erläuterung des soeben Gesagten bemerken wir, daß im Chatham Dockyard zahlreiche Stahlplatten angefertigt und
probirt wurden, und daß diese Stücke, obgleich sie so vorgerichtet waren, daß sie an
ihrem dünnsten Theile hätten brechen sollen, sämmtlich, ohne Ausnahme, an einer Stelle rissen, an
welcher zwei kleine Löcher durchgestoßen waren. Als aber die Löcher hindurchgebohrt
wurden, anstatt hindurchgestoßen zu werden und zwar an der Stelle, wo der Stahl die
größte Dicke hatte, brachen alle Platten, ohne eine einzige Ausnahme, am schwächsten
Theile — also fand gerade das Gegentheil von dem statt, was beim Durchstoßen
der Löcher eintrat.
Nachstehende Beobachtung liefert einen bemerkenswerthen Beweis für den Vorzug des
Systems, bei Panzerplatten die Löcher auszubohren, anstatt sie durchzustoßen. Eine
Stahlplatte wurde mittelst des Durchschlags gelocht und an den Flanken des zu
Chatham kürzlich gebauten „Hercules“ befestigt. Nach Verlauf
einiger Tage riß die Platte plötzlich (mit lautem Krache) in der Richtung der
Löcher, so daß sie unbrauchbar wurde. Nach den Ergebnissen wiederholter, an Stahl
verschiedener Sorten mit Durchstoßen und Durchbohren von Löchern angestellter
Versuche scheinen die Vorzüge des letzteren Verfahrens darin zu liegen, daß
durchbohrte Platten eine um 22,5 Proc. größere absolute Festigkeit besitzen. Daraus
ergibt sich, daß über den Vorzug des Durchbohrens kein Zweifel bestehen kann.
Was nun das Tempern der Stahlplatten anbetrifft, so hat
man auf experimentellem Wege gefunden, daß getemperte Platten im Vergleich mit nicht
getemperten höchst auffallende Resultate geben; denn als in beiden Fällen die Löcher
durchgestoßen wurden, widerstanden die adoucirten Platten dem Ausdehnen oder
Zerreißen in weit höherem Grade als eine gleiche Anzahl der nicht auf diese Weise
behandelten; der Unterschied dieses Widerstandes belief sich auf 60 Proc. Es
scheint, daß durch das Tempern der Kohlenstoffgehalt des Stahles vermindert wird und
die weicher gewordenen Massetheilchen das Bestreben haben, wenn äußere Kräfte durch
Zug auf sie wirken, sich übereinander zu verschieben; allein obgleich dieß ohne
Zweifel wirklich der Fall ist, so ist doch nicht beobachtet worden, daß Stahl von
sehr hartem Korn Nerv annimmt oder fadig wird, sondern derselbe behält seine körnige
Beschaffenheit stets bei. Tiegelgußstahl, dessen Beschaffenheit sich der von
Feinkorneisen nähert, zeigt auf dem Bruche ein sehr feines, seidenartiges Ansehen
und diese Stahlsorte besitzt nach dem Tempern eine um 16 Proc. größere absolute
Festigkeit als in nicht getempertem Zustande, da derartiger Stahl von sehr weicher
Beschaffenheit ist. Demnach ist der Unterschied zwischen getempertem und nicht
getempertem Tiegelgußstahl nicht so groß als zwischen getempertem und nicht
getempertem Stahl von härterer Beschaffenheit.
Eine umsichtige Auswahl der Stahlplatten ist höchst nothwendig. Die zu wählenden Platten
sollten nachstehende Eigenschaften besitzen: Elasticität, Streckbarkeit, die
Fähigkeit dem Zerreißen zu widerstehen, indem sie Faden oder Nerv annehmen, endlich
die Fähigkeit sich kalt hämmern zu lassen, ohne daß ihre Oberfläche Risse
erhält.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß das Durchstoßen von Löchern in Stahlplatten das
Metall benachtheiligt, und daß das Tempern von Stahlplatten gleicher Qualität nach
dem Durchstoßen derselben das Metall verbessert. Die erwähnte Stahlplatte des
„Hercules“ war mittelst des Durchstoßes gelocht und kalt
gehämmert worden; in ihrem ursprünglichen Zustande war diese Platte von sehr harter
Beschaffenheit und offenbar wurde sie durch das kalte Hämmern, sowie durch das
Durchstoßen benachtheiligt. Für die Praxis ergibt sich demnach der Schluß, daß das
beste Mittel gegen derartige Unfälle darin besteht, alle mit dem Durchstoß gelochten
oder kalt gehämmerten Stahlplatten vor ihrer Befestigung am Schiffe zu tempern,
mögen solche Platten von harter oder weicher Beschaffenheit seyn.