Titel: Notizen über die Fabrication des chlorsauren Kalis; von G. Lunge.
Autor: G. Lunge
Fundstelle: Band 189, Jahrgang 1868, Nr. CXXI., S. 488
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CXXI. Notizen über die Fabrication des chlorsauren Kalis; von G. Lunge. Mit Abbildungen. Lunge, über die Fabrication des chlorsauren Kalis. Das chlorsaure Kali wird in England überall nach der in allen Lehrbüchern der Chemie beschriebenen Methode dargestellt, nämlich durch Einleiten von Chlorgas in erwärmte Kalkmilch bis zur möglichst vollständigen Verwandlung des Kalkes in Chlorsäure-Salz, Zersetzung der letzteren durch Chlorkalium und Krystallisation. Folgende Einzelheiten, nach persönlichen Beobachtungen über die Specialitäten der technischen Ausführung, dürften von einigem Interesse seyn. Auf die Entwickelung des Chlorgases brauche ich nicht näher einzugehen; man benutzt dazu Apparate von genau derselben Einrichtung wie zur Chlorkalkfabrication. Das Chlorgas wird nicht unter Druck in die Kalkmilch eingeleitet; die Entwickelungs-Apparate brauchen also auch nicht auf stärkeren Druck als sonst gewöhnlich eingerichtet zu seyn, das heißt nur auf wenige Zolle Wasserpressung. Ein höherer Druck läßt sich bekanntlich bei großen Chlorapparaten nur sehr schwer erzielen. Der Absorptionsapparat muß also so eingerichtet seyn, daß man das Gas bloß auf die Oberfläche der Flüssigkeit wirken zu lassen braucht. Diese muß deßhalb selbstredend fortwährend erneuert werden, und es ist also fortwährende heftige Agitation nothwendig, von der Art, daß die Flüssigkeit nicht bloß in rotirende Bewegung versetzt wird, sondern daß sie heftig umherspritzt und die dem Gase ausgesetzten Oberflächen möglichst vervielfältigt und erneuert werden. Unter solchen Umständen findet dann die Absorption des Gases mit großer Schnelligkeit und unter bedeutender Temperatur-Erhöhung statt, so daß eine künstliche Erwärmung der Flüssigkeit ganz unnöthig wird. In einer seitdem eingegangenen Fabrik sah ich einen überaus rohen. Absorptionsapparat. Es war ein viereckiger Trog, von Steinplatten zusammengesetzt, 3 Fuß im Quadrat und 6½ Fuß tief (im Lichten). Das Chlorgas wurde oben durch eine Brause eingeführt; zugleich befand sich oben ein Einlauftrichter für Kalkmilch, während dieselbe unten beständig in ein davor stehendes Becken auslief. Ein Arbeiter schöpfte sie continuirlich aus diesem Becken aus und goß sie oben durch den Trichter wieder zurück. Sobald er einen Augenblick abließ, entstand sofort ein unerträglicher Chlorgestank in dem ganzen Locale, obwohl natürlich der Einlauftrichter einen Schwanenhals oder irgend ein anderes hydraulisches Ventil hatte, und das unabsorbirte Chlorgas nicht in die Luft ging, sondern in zwei kleine, mit Kalthydrat beschickte Absorptionskammern geleitet wurde. Der Inhalt dieser kleinen Kammern wurde dann zum Anmachen von frischer Kalkmilch benutzt, und so das in ihm fixirte Chlor zu Gute gemacht. Weit vorzüglicher ist ein Absorptionsapparat mit mechanischer Rührvorrichtung. In diesem Falle wendet man stets zwei mit einander correspondirende Apparate an, welche in der Reihenfolge mit einander abwechseln, so daß das Gas immer von einem in den anderen streichen muß, aber einmal von A nach B, dann von B nach A und so fort. Ich will zwei dergleichen Einrichtungen beschreiben, die erste für den kleinen, die zweite für sehr großen Betrieb. Textabbildung Bd. 189, S. 489 Im ersten Falle ging das Chlorgas, so wie es aus den Entwickelungströgen kam, durch den beistehend skizzirten Apparat. Das bleierne Gasleitungsrohr x spaltet sich in zwei Arme, von denen je einer in einen Bleicylinder von etwa 12 Zoll Höhe (I und II) einmündet und bis nahe an den Boden desselben geht. Die Cylinder können durch die Trichter e und f mit Wasser gefüllt, und durch die Pfropfen g und h wieder entleert werden. Die Einrichtung dient als Wechselhahn, um das Gas entweder aus c oder aus d austreten zu lassen, und somit entweder in den Absorbirer A oder B einzuleiten. In dem bezeichneten Falle z. B. kann das Gas aus x nur durch a in I eintreten und durch c weitergehen, weil b abgesperrt ist, Soll es aber durch II und d gehen, so entleert man II durch g und füllt I durch f. Die Absorbirer selbst zeigt die folgende Skizze (S. 490). Es sind Cylinder von starkem Blei A und B, 2½′ weit und 2′ hoch, mit folgenden Theilen: c und d Leitungsrohre für Chlorgas (entsprechend den aus I und II austretenden Röhren); i Communicationsrohr für Chlorgas zwischen A und B; k und k1 Ausführungsrohre in den Schornstein mit (nicht gezeichneten) Wasserventilen; l und l1 sind Dampfrohre; m und m1 eiserne mit Blei überzogene Rührvorrichtungen, welche von der gemeinschaftlichen Welle n aus in Bewegung gesetzt werden; o eine auf dieser Welle sitzende Schnurscheibe. Von o aus geht eine endlose Schnur über eine andere Scheibe, welche von einem Knaben mittelst einer Kurbel umgedreht wird. Der Betrieb wird von selbst klar seyn. Zuerst ströme z. B. das Gas durch c nach B ein. Was hier nicht absorbirt wird, geht durch i nach A und wird hier durch frische Kalkmilch vollständig fixirt, so daß durch k so gut wie kein Chlorgas in den Schornstein geht. Der Dampf durch l und l1 dient nur zur Einleitung der Reaction. Ist nun die Kalkmilch in B vollständig gesättigt, so wechselt man den Weg des Gases um, nachdem man den Inhalt von B abgelassen und durch frische Kalkmilch ersetzt hat. Jetzt streicht also das Chlorgas erst durch d in den halbgesättigten Inhalt von A, dann durch i nach B und durch k1 in den Schornstein. Die Arbeit geht sehr glat t und einfach vor sich; die Absorption war so gut, daß ich einen Chlorgeruch nirgends bemerken konnte. Textabbildung Bd. 189, S. 490 In ganz anderem großartigem Maaßstabe, aber ganz nach demselben Principe ist die Einrichtung einer anderen Fabrik in Lancashire. Hier sind eine ganze Reihe gußeiserner Kessel von 9 Fuß Durchmesser und eben derselben Tiefe, bedeckt mit Steinplatten, vorhanden. Je zwei von diesen arbeiten genau in der eben beschriebenen Weise zusammen. Das Chlorgas wirkt nur sehr wenig auf das Gußeisen ein, weil die Kessel immer nahezu voll erhalten und überdieß ihre Innenwände durch die heftige Agitation der Rührwellen fortwährend mit Kalkmilch bespritzt werden. Ein solcher Kessel sättigt sich je einmal in drei Tagen und producirt dann je 3½ Centner chlorsaures Kali. Die Kalkmilch wird so angemacht, daß sie beim Umrühren 8° Twaddle (= 1,040 spec. Gew.) zeigt. Nach vollständiger Sättigung soll die Dichtigkeit der Lösung 28° Tw. (= 1,140 spec. Gew.) seyn. Die Flüssigkeit ist dann rosenroth und fast ganz klar, bis auf den dem Kalke beigemischten Sand, Thon u. dgl.; doch lassen sich auch die letzten Antheile des Kalkes kaum vollständig in Lösung bringen. Die rothe Färbung rührt bekanntlich von übermangansaurem Salze her; wenn auch der Kalk ganz frei von Mangan wäre, so würde doch eine Spur davon, aus den Chlorblasen mit fortgerissen, zur Färbung hinreichen. Man läßt die Lösung in hohen Gefäßen sich klären und zieht sie dann in die Abdampfkessel ab. Der Satz wird noch einmal mit Wasser aufgerührt und gewaschen. Er wird übrigens auch dann noch nicht fortgeworfen, sondern in einer eigenen Chlorblase mit Salzsäure behandelt, und das entwickelte Chlor in einer besonderen Chlorkalkkammer zu Gute gemacht. Das hierbei erhaltene Product eignet sich jedoch nicht zu käuflichem Chlorkalk, sondern kann nur zum Anmachen von Kalkmilch für den Absorptionsapparat dienen. Während des Abdampfens der Lösung von chlorsaurem Kalk, welches in gußeisernen Kesseln erfolgt, wird die erforderliche Quantität Chlorkalium zugesetzt, am besten wenn das spec. Gewicht der Flüssigkeit auf 1,180 gestiegen ist. Das Chlorkalium muß genau hinreichen, um alles chlorsaure Kalksalz in Kalisalz umzusetzen. Man führt jedoch nur selten analytische Bestimmungen der Lösungen zu diesem Zwecke aus, sondern richtet sich mit dem Zusätze meist nur nach dem specifischen Gewichte der Lösungen. Das Chlorkalium braucht nicht sehr rein zu seyn, da seine hauptsächliche Verunreinigung, das Chlornatrium, ohnehin später in der Mutterlauge bleibt; immerhin ist aber doch eine größere Reinheit des Salzes vorzuziehen, und ja jetzt mit Hülfe der Staßfurter Fabriken leicht zu erlangen. Vor deren Entstehen verwendeten die englischen Fabriken ausschließlich Chlorkalium aus Kelp, mit einem manchmal kaum auf 60 Proc. steigenden Gehalte an reinem Salze. In einer Fabrik wurde mir (vor vier Jahren) darüber geklagt, daß die Aufarbeitung der Mutterlaugen große Schwierigkeiten habe; zum großen Theile mag das an der Anwendung von unreinem Chlorkalium gelegen haben, denn in anderen Fabriken wiederholte sich die Klage lange nicht in demselben Maaße. Ja es ist mir sogar in einem Falle bekannt, daß der Werkführer ohne Mitwissen des Principals sein (sehr unreines) Chlorkalium umkrystallisirte, weil er dann eine größere Ausbeute an chlorsaurem Kali erhielt. Wenn das spec. Gewicht der Lösung auf 56° Tw. (= 1,280 spec. Gew.) gestiegen ist, läßt man zum erstenmale krystallisiren; die Mutterlauge wird auf 70° Tw. (= 1,350 spec. Gew.) concentrirt und nochmals krystallisiren gelassen. Zuweilen, namentlich in größeren Fabriken, muß man noch eine dritte Krystallisation vornehmen, ehe man alles verwerthbare Salz erhalten hat. Auch das bei der ersten Krystallisation fallende Salz muß noch einmal umkrystallisirt werden, ehe es für den Handel geeignet ist; die später fallenden Salze mehrmals. Beim Umkrystallisiren löst man das Salz in kochendem Wasser bis zum spec. Gew. von 1,160 auf, zuweilen nur mit Dampf, ohne besonderen Wasserzusatz. Die erste Krystallisation kann man unbedenklich in gußeisernen Gefäßen vornehmen; doch würde ich auch schon dazu sehr flache Bleigefäße vorziehen. Das Umkrystallisiren ist jedenfalls in Blei oder Steinzeug vorzunehmen. Wie gewöhnlich legt man zur Erleichterung der Krystallisation Bleistreifen oder Stäbe ein, und wenn man große tafelförmige Krystalle erhalten will, ist es im Winter räthlich die Krystallisation dadurch zu verlangsamen, daß man die Gefäße mit einem Mantel umgibt und 24 Stunden lang Dampf zwischen diesen und das Gefäß einströmen läßt. Denselben Zweck wird man natürlich durch Umgeben mit schlechten Wärmeleitern erreichen können. Ein besonderer Vortheil, um recht schöne und reine Krystalle zu erhalten, welcher mir von befreundeter Hand mitgetheilt worden ist, der aber selbst der Mehrzahl der englischen Fabriken unbekannt ist, besteht in Folgendem. Beim Wiederauflösen der ersten Krystalle setzt man auf 400 Gallons Flüssigkeit 10 Pfd. (engl.) kryftallisirte Soda zu. Das bedeutet also z. B. auf 1000 Liter gerade 2½ Kilogramme Sodakrystalle. Die Soda schlägt den Kalk (von anhängendem Chlorcalcium) nieder, und der kohlensaure Kalk reißt beim Niederfallen andere herumschwimmende Unreinigkeiten, z. B. Eisenoxydhydrat, mit nieder, so daß nach dem Klären die Lösung bloß noch ein Minimum Chlornatrium als Verunreinigung enthält, welches der Krystallisation durchaus nicht hinderlich ist. Die reinen Krystalle läßt man auf mit Blei ausgekleideten Eisentrichtern ablaufen und wäscht sie nöthigenfalls mit etwas kaltem Wasser nach; dann kommen sie zum Trocknen. In einem Falle fand ich dazu eine auf 65–70° C. geheizte Trockenstube vor, in welcher ringsum mit Schiefer bedeckte Fächer für das Salz angebracht waren; eine bessere Einrichtung sah ich jedoch in den anderen Fabriken, nämlich einen flachen Kasten aus Bleiblech, gestützt durch einen Holzrahmen und auf der Oberseite noch mit einem vorstehenden Rande eingefaßt. Das zu trocknende Salz wird auf den Kasten geschafft, so viel als der Rand desselben erlaubt, und in das Innere des Kastens wird Dampf eingeleitet, wodurch man also das Trocknen ohne die mindeste Gefahr einer Ueberhitzung vornehmen kann. Das getrocknete Salz läßt man gut abkühlen und verpackt es dann erst. Wenn, wie es häufig geschieht, gemahlenes Salz verlangt wird, so siebt man meist die größeren Krystalle zum Verkauf als solche ab und verwendet nur das Feine zum Mahlen. Dieses selbst ist aber immer eine sehr mißliche Operation, obwohl man zu diesem Zwecke Walzen anwendet, welche mit einer eigenen Composition überzogen sind, um eine Explosion zu verhindern. Trotzdem kommt es doch hin und wieder vor, daß eine Mühle in die Luft fliegt. Ich bin überzeugt, daß man das Mahlen ganz vermeiden kann, wenn man beim Krystallisiren genau wie bei der Raffinirung des Salpeters verfährt, d. h. durch unausgesetztes Rühren ein feines Krystallmehl erzielt. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß man dann auch gar kein Umkrystallisiren vorzunehmen braucht, da man schon durch mehrmaliges Waschen mit kaltem Wasser alles Chlorcalcium, Chlorkalium und Chlornatrium wird entfernen können, bei der großen Verschiedenheit in ihrer Löslichkeit in kaltem Wasser gegen das chlorsaure Kali. Bringt man ja doch durch dieses Verfahren die Verunreinigungen im Salpeter mit Leichtigkeit schon ohne zweites Umkrystallisiren auf 1/10 Proc. herab, worauf es beim chlorsauren Kali gar nicht ankommt. Fachmänner, denen ich diesen Vorschlag machte, haben ihn mit großer Billigung aufgenommen; in praktischer Durchführung habe ich ihn jedoch noch nicht beobachten können. Ich will noch schließlich erwähnen, daß nach einer mir zuverlässig scheinenden Angabe in einer Fabrik für jeden Centner chlorsauren Kalis 6⅔ Ctr. Braunstein von 60 Proc. Gehalt an Mangansuperoxyd verbraucht wurden.