Titel: | Ueber den Kraftbedarf der Baumwoll—Spinnereimaschinen; von Gustav Dollfus. |
Fundstelle: | Band 190, Jahrgang 1868, Nr. LXXVII., S. 275 |
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LXXVII.
Ueber den Kraftbedarf der
Baumwoll—Spinnereimaschinen; von Gustav Dollfus.
Nach dem Bulletin de la Société industrielle de Mulhouse, t
XXXVIII p. 585; Juli 1868. — Aus der deutschen Industriezeitung Nr.
43.
Dollfus, über den Kraftbedarf von
Baumwolspinnmaschinen.
G. Dollfus erstattete der Société
industrielle de Mulhouse (im Namen ihres Ausschusses für Mechanik) einen
Bericht über die (im vorhergehenden Heft des polytechn. Journals S. 190
mitgetheilten) Versuche von Th. Brylinski hinsichtlich
des Kraftbedarfes der Baumwoll-Spinnereimaschinen. Im Eingange desselben gibt
er einen kurzen Ueberblick verschiedener früheren Versuche dieser Art, welche
namentlich im Elsaß
angestellt worden sind. Er weist zunächst darauf hin, wie die neueren Verbesserungen
in der Baumwollspinnerei zu einer Vergrößerung der Production, aber auf Kosten der
Betriebskraft, geführt haben. Die Maschinen werden jetzt stärker gebaut als früher,
damit sie eine größere Geschwindigkeit erhalten können; es wird also eine größere
Kraft erfordert, einmal weil die Geschwindigkeit größer und andererseits weil ein
größeres Gewicht in Bewegung zu setzen ist. Die Verbesserungen der Maschinen stammen
großentheils aus England, wo die Steinkohle nur halb so viel kostet als z. B. im
Elsaß, so daß also gewisse Verbesserungen hier weit weniger vortheilhaft seyn können
als in England.
Im Jahre 1828 rechnete man im Elsaß auf 1 Pferdekraft:
600
Spindeln für grobe
Nummern
800
Spindeln für halbfeine
Nummern
1000
Spindeln für feine
Nummern
Die Spinnerei von Schlumberger-Steiner in
Mülhausen, in welcher damals Versuche angestellt wurden, zählte 6800 Spindeln, zu
einer Hälfte für grobe, zur anderen für mittlere Nummern; nach vorstehenden Angaben
hätte ihr Krafbedarf 9,91 Pferdekräfte betragen sollen, durch Bremsversuche wurde er
dagegen zu 9,25 Pferdekräfte gefunden, so daß durchschnittlich auf eine Pferdekraft
735 Spindeln kamen.
Im Jahre 1828 gab Jos. Köchlin an, daß eine Elsässer
Spinnerei von 22,000 Spindeln, die täglich 1000 Kilogrm. Garn lieferte, 47⅓
Pferdekräfte gebrauchte, wornach 464 Spindeln auf 1 Pferdekraft kamen. Im Jahre 1854
gebrauchte nach Indicatorversuchen eine Spinnerei von 25,000 Spindeln, die grobe
Nummern spann, durchschnittlich 220 Pferdekräfte einschließlich der Transmission; es
kamen also circa 115 Spindeln auf 1 Pferdekraft. Eine
Spinnerei von 26,000 Spindeln für feine und mittlere Garne gebrauchte 134
Pferdekräfte, wornach circa 190 Spindeln auf 1
Pferdekraft kamen. In England rechnete man damals auf 25,000 Spindeln für Nr.
27–30 engl. 135 Pferdekräfte oder 185 Spindeln pro Pferdekraft. — Im Jahre 1856 fand Naegely in Mülhausen für einen Feinflyer von 180 Spindeln, der 750 Touren
pro Minute machte, einen Kraftbedarf von
0,76–0,92 Pferdekräften. — Im Jahre 1859 erstattete G. Dollfus einen Bericht über die sehr vollständigen
dynamometrischen Versuche, welche über den Kraftbedarf von Spinnereimaschinen von
Prof. Böttcher angestellt wurden, nach dessen Angabe in
Sachsen damals pro Pferdekraft 200 Spindeln
einschließlich Vorbereitung und Transmission gerechnet wurden, während die
Bremsversuche nur 120–140, zum Theil sogar nur 100 Spindeln
pro Pferdekraft ergaben. Prof. Böttcher hielt dynamometrische Versuche an jeder Art von Maschinen und an
der Transmission für besser als allgemeine Bremsversuche; Gust. Dollfus glaubte diese Ansicht nicht theilen zu können und
war vielmehr der Meinung, daß die Bremsversuche für die Praxis genügend genaue
Resultate geben und daß die partiellen Versuche mittelst des Dynamometers nur dann
wirklichen Werth besitzen, wenn sie durch Bremsversuche bestätigt werden. Die
Angaben von Prof. Böttcher ergaben, auf eine Spinnerei
von Nr. 20–27 Kette und Nr. 30–36 Schuß angewendet, pro Pferdekraft 78½ Spindeln einschließlich
Transmission, nach Indicatorversuchen in Mülhausen kamen dagegen 110 Spindeln auf 1
Pferdekraft. Nach denselben Angaben kamen in einer Spinnerei, welche Kette Nr.
28–30 und Schuß Nr. 36–40 lieferte, 88 Spindeln auf 1 Pferdekraft,
während die Indicatorversuche 120 Spindeln pro
Pferdekraft ergaben. Endlich kamen auf eine Feinspinnerei mit Kämmerei nach den
dynamometrischen Versuchen auf 1 Pferdekraft 245 Spindeln, während der Indicator nur
206 pro Pferdekraft ergab. — Die nöthige
Betriebskraft einer Spinnerei hängt übrigens bedeutend von der Art der Schmierung,
sowie von der Anordnung der Transmission ab. — Brylinski findet endlich in einer großen süddeutschen Spinnerei von 51,140
Selfactor- und 4704 Waterspindeln, deren Maschinen in den Jahren
1858–1859 von Gebrüder Platt in Oldham geliefert
worden waren und die täglich 4500 bis 5000 Kilogrm. Garn liefert, daß 1 Pferdekraft
auf 105 Spindeln gebraucht wird. Er gibt nämlich mit Bezug auf die (im
vorhergehenden Heft dieses Journals S. 190) angeführten Versuche folgende
Zusammenstellung:
I. Oeffner und Schlagmaschinen.
1
Oeffner von Platt mit 2 Flügeln
4,98
Pferdekr.
4
Oeffner von Platt mit 4 Flügeln
28,36
Pferdekr.
1
Willow von Platt
circa
2
Pferdekr.
5
Schlagmaschinen mit 2 Flügeln
28,35
Pferdekr.
5
Schlagmaschinen mit 1 Flügel
14,2
Pferdekr.
–––––––––––––––
77,89
Pferdekr.
wofür bei gewöhnlichem Gang zu setzen ist
76
Pferdekr.
II. Krempel und Flyer.
1. Sortiment (für Abfallspinnerei).
6
Krempeln mit 8 wandelnden Decken und Briseur
2,4
Pferdekr.
1
Strecke mit 3 Passagen zu 4 Köpfen mit Drehtöpfen
0,5
Pferdekr.
1
Grobflyer mit 48 Spindeln
0,34
Pferdekr.
2
Feinflyer mit 64 Spindeln
0,9
Pferdekr.
–––––––––––––––
4,14
Pferdekr.
2. Sortiment (für grobe Nummern).
35
Krempeln mit 8 wandelnden Decken
14
Pferdekr.
5
Reihen von 10 Krempeln mit Canal und je 16 Deckeln, einschließl.
Transmission
17,98
Pferdekr.
2
Doublirmaschinen zu je 60 Bändern
1,12
Pferdekr.
6
Strecken, enthaltend 30 Köpfe erster, 28 zweiter und 28 dritter
Passage
5,55
Pferdekr.
6
Grobflyer zu 56 und 48 Spindeln
2,58
Pferdekr.
9
Feinflyer zu 120, einer zu 96 und einer zu 64 Spindeln
6,2
Pferdekr.
–––––––––––––––
47,43
Pferdekr.
3. und 4. Sortiment (für feine Nummern).
140
Krempeln zu 8 wandelnden Decken, wovon 70 Vor- und 70
Feinkrempeln
51,5
Pferdekr.
2
Doublirmaschinen zu 72 Bändern
1,16
Pferdekr.
6
Strecken zu 4 Passagen à 4 Köpfen
8,86
Pferdekr.
7
Grobflyer à 64 Spindeln
4,27
Pferdekr.
10
Mittelflyer à 102 Spindeln
8,6
Pferdekr.
20
Feinflyer à 140 Spindeln
15,76
Pferdekr.
–––––––––––––––
90,15
Pferdekr.
Summe der Vorbereitungsmaschinen.
1. Sortiment
4,17
Pferdekr.
2. Sortiment
47,43
Pferdekr.
3. und 4. Sortiment
90,15
Pferdekr.
––––––––––––
141,72
Pferdekr.
Mit Rücksicht auf die Stillstände der Flyer kann hierfür 140 Pferdekräfte gesetzt
werden.
III. Watermaschinen.
14
Maschinen à 216 Spindeln zu 2,36
Pferdekr.
33
Pferdekr.
6
Maschinen à 280 Spindeln zu 3,06
Pferdekr.
18,36
Pferdekr.
––––––––––––
51,36
Pferdekr.
Hierfür kann rund 52 Pferdekr. angenommen werden. Die Spindeln machten 4650
praktische Touren pro Minute.
IV. Selfactors,
sämmtlich mit 6750 praktischen Spindeltouren pro Minute.
67
Selfactors
à 600 Spindeln
zu 3,33 Pferdekr.
223,11
Pferdekr.
11
Selfactors
à 572 Spindeln
zu 3,17 Pferdekr.
34,87
Pferdekr.
2
Selfactors
à 500 Spindeln
zu 2,775 Pferdekr.
5,55
Pferdekr.
8
Selfactors
à. 456 Spindeln
zu 2,53 Pferdekr.
20,24
Pferdekr.
––––––––––
––––––––––
51,140 Spindeln
283,77
Pferdekr.
Für 1/5 der Maschinen, also für 18, die aufwinden, kann der Kraftbedarf anstatt zu je
3,33 zu 0,63 Pferdekraft angenommen werden und für wenigstens 4 Maschinen, welche abziehen, sind 4.3,33,
im Ganzen also 48,66 + 13,3 = 62 Pferdekräfte abzurechnen, so daß die nöthige
Betriebskraft für die Selfactors rund 222 Pferdekräfte beträgt.
Der gesammte Kraftbedarf der Spinnerei ergibt sich nun wie folgt:
1. Oeffner und Schlagmaschinen
76
Pferdekr.
2. Krempel und Flyer
140
Pferdekr.
3. Watermaschinen
52
Pferdekr.
4. Selfactors
222
Pferdekr.
5. Sämmtliche Transmissionen
40
Pferdekr.
––––––––––––
530
Pferdekr.
für 55,844 Spindeln, also 105 Spindeln pro Pferdekraft.
Die Dampfmaschine der betreffenden Spinnerei besteht aus zwei gekuppelten
eincylindrigen horizontalen Maschinen mit variabler Expansion und Condensation,
welche 38 Touren pro Minute machen und deren Kolben von
0,882 Met. einen Hub von 1,241 Met. haben. Bei vollem Betrieb beträgt der absolute
Dampfdruck 6½ Atmosphären, die Expansion 1/6 und das Vacuum im Condensator
620 Millim. Quecksilber. Die darnach berechnete
Leistungsfähigkeit der Maschine ist 750 Pferdekräfte; da nur 530 gebraucht werden,
so wäre der Wirkungsgrad = 71 Proc.— Während Brylinski jetzt einen Kraftbedarf von 1 Pferdekraft pro 105 Spindeln findet, kamen dagegen, wie oben erwähnt, im Jahre 1822
auf 1 Pferdekraft 735 Spindeln. Damals, im Jahre 1822, producirte man in 12
Arbeitsstunden pro Spindel 27 Grm. Kette Nr. 28, jetzt
dagegen 62–65 Grm. Für eine 2⅓ Mal größere Production bedarf man
6½ Mal mehr Kraft und ebenso ist auch der Kohlenverbrauch bedeutend
gestiegen. Im Jahre 1828 brauchte man in dem oben erwähnten Falle 4 Kilogrm.
Steinkohle pro stündliche Pferdekraft oder jährlich 19,6
Kilogrm. pro Spindel. Jetzt braucht man, wenn man den
stündlichen Kohlenverbrauch zu 1,7 Kilogrm. pro
Pferdekraft annimmt, pro Spindel jährlich 54
Kilogrm.