Titel: Die chemische Industrie Staßfurt's; von F. Michels.
Fundstelle: Band 190, Jahrgang 1868, Nr. LXXX., S. 282
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LXXX. Die chemische Industrie Staßfurt's; von F. Michels. Aus der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, 1868, Bd. XII S. 569. Michels, über die chemische Industrie Staßfurt's. Aus den Acten der königlichen Salzwerksverwaltung in Staßfurt ist nicht recht zu ersehen, wer zuerst auf die Wichtigkeit der Kalisalze für Industrie und Landwirthschaft aufmerksam gemacht hat. Die erste wissenschaftliche Beschreibung des Staßfurter Lagers und der in demselben vorkommenden Salze ist von Dr. E. Reichardt in Jena (Anfang 1860). Dieselbe wurde vervollständigt durch ein Werkchen von F. Bischof (1864). Im Jahre 1860 wurden von der königl. Bergbehörde Proben der Kalisalze an eine größere Menge inländischer chemischer Fabriken gesandt und zur Verwerthung des Materiales aufgefordert; doch wurden in diesem Jahre im Ganzen nur 1512 Ctr. an chemische Fabriken (Sigrist in Buckau und C. Kulmitz in Saarau) abgegeben. Im folgenden Jahre erhöhte sich der Absatz an chemische Fabriken bereits auf 20,497 Ctr., welche von C. Lieber in Charlottenburg, Fikentscher in Zwickau, Sigrist in Buckau, Kunheim und Comp. in Berlin, Fölsche und Comp. in Sudenburg bei Magdeburg, Vorster und Grüneberg in Kalk bei Deutz und A. Frank in Staßfurt bezogen wurden. Die ersten Fabriken in Staßfurt selbst wurden in der Mitte des Jahres von A. Frank und von Vorster und Grüneberg angelegt. Die Fabrik des ersteren, auf eine Verarbeitung von täglich etwa 20 Ctr. Abraumsalz eingerichtet, kam im October 1861 in Betrieb, reussirte aber Anfangs nicht in der Darstellung von Chlorkalium; die Fabrik von Vorster und Grüneberg hatte schon die Bewältigung von täglich 200 Ctr. im Auge, eröffnete aber erst im December desselben Jahres die Arbeit.Aus dem zufälligen Umstande, daß A. Frank die erste Fabrik in Staßfurt selbst eröffnete, ist wohl der auch in einige technische Lehrbücher übergegangene Irrthum entstanden, als habe derselbe hervorragende Verdienste um Begründung der Kaliindustrie, oder sey gar „Entdecker der Kalisalze“ Die obigen actenmäßigen Thatsachen widerlegen diesen Irrthum. Die jetzt noch gebräuchlichen Methoden der Darstellung des Chlorkaliums aus den Abraumsalzen rühren von Fölsche und Comp., Vorster und Grüneberg und Leisler und Townsend her, welche drei Fabriken unabhängig von einander ungefähr zu demselben Resultate gekommen sind, während alle anderen Fabriken, die sich jetzt noch mit dieser Fabrication beschäftigeu, eine oder die andere Fabrik copirt haben. Im folgenden Jahre wurden weitere Fabriken gegründet (Leisler und Townsend, N. F. Loefaß), und als in den von der herzogl. anhaltinischen Regierung zu Leopoldshall, hart an der preußischen Grenze, in Angriff genommenen Bauen ein reichhaltiges Lager nachgewiesen war, lagerten sich dort (1863) in die Nähe der Schächte eine Reihe von Fabriken. Dieselben wurden, angelockt durch den guten Gewinn der bestehenden preußischen Fabriken, mit überstürzender Hast gegründet und lediglich zur Darstellung von Chlorkalium eingerichtet. Das bisher erzeugte Chlorkalium hatte zu guten Preisen reichlichen Absatz gefunden und zwar fast ausschließlich zur Fabrication von Kalisalpeter mittelst Natronsalpeter. Durch die so erheblich und plötzlich erhöhte Production, welche weit über das Bedürfniß hinaus gieng, wurde eine Krisis hervorgerufen, und der jungen, des Schutzes noch sehr bedürftigen Industrie ein arger Stoß versetzt. Von den Ende 1864 bestehenden sechzehn Fabriken giengen fünf zu Grunde oder in andere Hände über, während die günstiger situirten und besser geleiteten Fabriken die Verwerthung der bis dahin nicht benutzten anderweiten Bestandtheile der Abraumsalze in's Auge faßten. Hauptsächlich die starke Concurrenz der Fabriken untereinander zwang die rationellen Fabriken, diese Industrie, welche auf Verwerthung der Abraumsalze basirte, immer weiter auszubilden, sowohl nach chemischer, als auch nach mechanischer Seite, in Bezug auf billigste Herstellung der einzelnen Stoffe so gut wie auf größte Ausdehnung des Absatzgebietes. In der verhältnißmäßig kurzen Zeit von sieben Jahren hat sich dann eine mannichfaltige Industrie ausgebildet, welche durch diese Mannichfaltigkeit die Gewähr einer weiteren Entwickelung für die Zukunft in sich birgt. Es werden jetzt in Staßfurt hergestellt: Chlorkalium (Kalisalpeter), schwefelsaures Kali, Potasche, schwefelsaures Natron (calcinirtes und krystallisirtes Glaubersalz), schwefelsaure Magnesia (calcinirtes und krystallisirtes Bittersalz), Chlormagnesium, Brom, Borsäure und Düngesalze. Kochsalz (Siedesalz) zum Speisegebrauch wird zur Zeit trotz Aufhebung des Salzmonopols nicht dargestellt, hauptsächlich weil die in der Nähe befindlichen fiscalischen Salzwerke (Schönebeck, Halle, Dürrenberg) unter so günstigen Verhältnissen arbeiten, daß eine erfolgreiche Concurrenz einen Gewinn nicht erhoffen läßt. Auch die Verarbeitung von Kochsalz mittelst Schwefelsäure zu Glaubersalz und Soda hat bisher in Staßfurt nicht Platz gegriffen. Die Grundlage der Staßfurter Industrie ist noch immer die Chlorkaliumfabrication. Die Kalisalze, auch Abraum- oder Carnallitsalze genannt, werden theils in der Grube, theils zu Tage einer Handscheidung unterworfen und enthalten dann im Durchschnitt 15 bis 17 Procent Chlorkalium, indem sie ein Gemenge bilden aus: etwa 55 bis 60 Proc. Carnallit (KCl + 2 MgCl + 6 HO), etwa 12 bis 15 Proc. Kieserit (MgO, SO3 + HO), etwa 25 bis 30 Proc. Steinsalz (NaCl), der Rest ist Anhydrit, Thon etc. Dieses Salzgemenge wird von einigen Fabriken als „Stücksalze,“ von anderen im gemahlenen Zustande verarbeitet. Die Extraction des Chlorkaliums aus diesem Salze beruht auf der Beobachtung, daß der Carnallit erheblich leichter löslich im Wasser ist, als Kieserit und Steinsalz; wenn man also unter Anwendung von Wärme diese Salze mit weniger Wasser in Berührung bringt, als zum vollständigen Auflösen erforderlich ist, so löst sich vorwiegend Carnallit, während der größte Theil des Steinsalzes und Kieserites ungelöst bleibt. Die concentrirte Carnallitlösung läßt beim Erkalten Chlorkalium und Kochsalz auskrystallisiren, während die Mutterlauge durch Eindampfen concentrirt wird. Dabei scheiden sich das in der Lösung befindliche Chlornatrium und die schwefelsaure Magnesia aus, letztere in chemischer Verbindung mit schwefelsaurem Kali. Die eingedampfte Lauge läßt dann je nach dem Grade ihrer Concentration Chlorkalium auskrystallisiren oder künstlichen Carnallit (KCl + 2 MgCl + 12 HO); im ersten Falle wird die so erhaltene kalte Mutterlauge nochmals concentrirt; aus dieser zum zweiten Male eingedampften Lauge scheidet sich dann ebenfalls Carnallit aus, der, bei gleicher Behandlung wie der natürliche Carnallit, Chlorkalium in großer Reinheit liefert. Wenn diese gehörig concentrirte Lauge auf 18 bis 20° C. erkaltet, so ist sie fast frei von Chlorkalium und enthält im Wesentlichen nur Chlormagnesium und Brommagnesium. Sie bildet das Rohmaterial zur Herstellung von gereinigtem Chlormagnesium und Brom Bei der technischen Ausführung der Chlorkaliumdarstellung unterscheiden sich die verschiedenen Fabriken wesentlich. Einige lösen in schmiedeeisernen Kesseln mit Siebböden durch Einleiten von Dampf und bearbeiten mit der Hand, andere nehmen diese Operation in sehr großen 200 bis 400 Ctr. fassenden geschlossenen Gefäßen, welche mit mechanischen Rührwerken versehen sind, vor; wieder in anderen Fabriken löst man bei freiem Feuer und rührt mit der Hand in stachen Pfannen. Die bedeutendste Anlage zur Gewinnung des Chlorkaliums ist jetzt die von Leisler und Townsend, die sich durch mechanische Einrichtungen auszeichnet. Die großen Lösegefäße fassen 400 Ctr. gemahlener Salze und werden durch Elevatoren gefüllt. Das Erkalten der Lauge geschieht in großen flachen, frei stehenden eisernen Bassins von je 2000 bis 2500 Kubikfuß (60 bis 75 Kubikmeter) Inhalt, die mit mechanischen Rührwerken versehen sind. Das auskrystallisirte Chlorkalium wird durch Schleudern in Centrifugen gereinigt und getrocknet. Alle verschiedenen Methoden sind nicht frei von Vortheilen und Nachtheilen, die sich indessen so weit aufheben, daß bei sonst rationeller Leitung die Herstellungskosten ziemlich dieselben sind. Das Chlorkalium, welches durch krystallisiren gewonnen ist, wird durch Ueberlaugen mit Wasser von der anhängenden Mutterlauge und von einem großen Theile des mitauskrystallisirten Chlornatriums befreit und in Flammöfen, auf Darren oder durch Centrifugen getrocknet. Es enthält alsdann 80 bis 90 Proc. Chlorkalium und 10 bis 20 Proc. Kochsalz, stärkere Waare (95 bis 98 Proc.) wird durch nochmalige Umsiedlung der ersteren gewonnen und jetzt in einigen Fabriken in größeren Mengen dargestellt. Abweichend von dieser Gewinnungsmethode hat eine Fabrik (Vorster und Grüneberg) seit drei Jahren vor der chemischen Verarbeitung eine mechanische Scheidung der drei wesentlichen Bestandtheile der Rohsalze eintreten lassen. Carnallit, Kieserit und Steinsalz unterscheiden sich durch ihr specifisches Gewicht: man kann dieselben also durch mechanische Einrichtungen ebenso scheiden, wie Erze vom Nebengestein geschieden werden. Da aber durch Wasser die Salze theilweise gelöst werden würden, hat man statt desselben eine kalt gesättigte Chlormagnesiumlösung in Anwendung gebracht. Das gemahlene Salzgemenge wird nach verschiedenen Korngrößen durch Siebtrommeln getrennt und dann in Setzmaschinen geschieden. Man erhält einen sehr reinen Carnallit, welcher sich viel leichter verarbeitet und ein hochgrädiges Chlorkalium liefert, das sonst schwieriger herzustellen ist. Das bei der gewöhnlichen Verarbeitung der Carnallitsalze beim Lösen zurückbleibende Gemenge von Steinsalz und Kieserit, Anhydrit und Thonschlamm sammelte sich bei der ausgebreiteten Fabrication in großen Mengen an. Theils der Wunsch, diesen Ballast „die Rückstände“ los zu werden, theils die geringe Rentabilität der Chlorkaliumfabrication, zwang Ausgang des Jahres 1864 die Fabrikanten, an eine Verwerthung dieses Materiales zu denken. Die Verarbeitung des Pfannensteines der Schönebecker Saline in der Herrmann'schen Fabrik zeigte den Weg, auf welchem dieß möglich war. Chlornatrium und schwefelsaure Magnesia in Lösung gebracht, zersetzen sich schon bei 5° C. in gewässertes schwefelsaures Natron (Glaubersalz) und Chlormagnesium. Man löst im Winter die durch längeres Lagern an der Luft löslicher gewordenen Rückstände in warmem Wasser zu bestimmter Concentration und setzt die erhaltene Lauge in großen flachen Gefäßen aus Holz oder Stein der Frostkälte aus. Das gewonnene rohe Glaubersalz, welches in nadelförmigen Krystallen sich ausscheidet, enthält immer noch Kochsalz und Chlormagnesium und wird entweder zu „krystallisirtem“ Glaubersalz umraffinirt oder zu „calcinirtem“ Glaubersalz entwässert. Eine Fabrik (Ziervogel und Comp.) hat eine bedeutende Anlage dieser Fabrication gewidmet, während die übrigen Fabriken die Darstellung des Glaubersalzes nebenbei betreiben. In der erwähnten Fabrik wird im Sommer der Rückstand in Wasser von Lufttemperatur gelöst, die Lauge in große Reservoirs von 100,000 bis 150,000 Kubikfuß (3000 bis 4000 Kubikmeter) Inhalt abgelassen und im Winter mittelst Centrifugalpumpen auf die Krystallisirfläche gepumpt. Mittelst dieser Einrichtung gelingt es in einer Frostnacht 1500 bis 2000 Ctr. rohes Glaubersalz zu erhalten. Die an diese Fabrication geknüpften bedeutenden Erwartungen (Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen in Preußen, XII. S. 106 und XIII. S. 2) sind nicht in Erfüllung gegangen; auch hat eine Anwendung von Eismaschinen — wie in Südfrankreich zu gleichem Zwecke — nicht stattgefunden. Im Gegentheil hat die Glaubersalzfabrication in neuerer Zeit um so mehr verloren, als man seit drei Jahren (zuerst und hauptsächlich in den Fabriken von Vorster und Grüneberg) begonnen hat, die schwefelsaure Magnesia der Rückstände zur Darstellung von schwefelsaurem Kali und von krystallisirtem Bittersalz zu verarbeiten.Man s. die Mittheilung von Dr. Grüneberg im polytechn Journal Bd. CLXXXIX S. 238 (erstes Augustheft 1868). Während man zur Fabrication von Glaubersalz nur die alten Rückstände verwenden konnte, bei denen der Kieserit durch allmähliche Wasseraufnahme löslich geworden ist, dienen zur Bittersalzfabrication die „frischen“ Rückstände, wie sie bei der Chlorkaliumfabrication abfallen. Der Kieserit hat die Eigenschaft, daß er in frischem Zustande in kaltem Wasser fast unlöslich ist, aber unter Wasser in ein feines Pulver zerfällt. Wirft man nun diese „frischen“ Rückstände auf ein feines Sieb unter Zuströmen von Wasser, so löst sich Steinsalz auf, der Kieserit zerfällt und das feine Kieseritmehl geht durch die Maschen des Siebes, während der größte Theil des Anhydrites mit dem ungelösten Steinsalz auf dem Siebe zurückbleibt. Läßt man nun das feine Kieseritmehl unter einem Strome von kaltem Wasser durch eine lange Rinne fließen, so setzt sich zuerst der schwere Anhydrit ab, dann erst Kieserit, während ein feiner, etwas Boracit enthaltender Thonschlamm durch das Wasser mit fortgerissen wird. Nachdem sämmtliches Wasser abgeflossen ist, wird das Kieseritmehl mit möglichster Rücklassung des Anhydrites in etwas conische hölzerne Formen gethan und erhärtet zu einer steinharten, cementartigen Masse, indem die schwefelsaure Magnesia theilweise Wasser aufnimmt, krystallisirt und dabei das Kieseritmehl zusammenkittet. Das Erhärten geschieht unter sehr bedeutender Wärmeentwickelung, ein Zeichen, daß eine chemische Bindung des Wassers stattfindet. Die so erhaltenen „Kieseritsteine“ geben geglüht und gemahlen eine schwefelsaure Magnesia von 80 bis 90 Proc. mit nur 1 bis 2 Proc. Kochsalz und bilden im rohen Zustande das Material für die Bittersalzfabrication. Die möglichst verwitterten, d. h. durch Liegen an der Luft und Aufnahme von Wasser löslicher gewordenen Steine löst man in eisernen mit Siebböden versehenen Kesseln unter Einströmen von freiem Dampfe auf. Die Laugen werden in Holzbottichen geklärt und geben beim Erkalten in flachen eisernen Gefäßen reichliche Anschüsse von siebenfach-gewässerter schwefelsaurer Magnesia (Bittersalz). Man wäscht die feinnadeligen Krystalle mit reinem Wasser zur Entfernung der Mutterlauge und bringt dieß gut abgetropfte Salz in eine mit Dampf geheizte Trockenstube. Die Temperatur in derselben darf 30° C. nicht übersteigen, da sonst die Krystalle verwittern und an Ansehen verlieren. In dieser Weise werden jetzt jährlich circa 50,000 bis 60,000 Ctr. krystallisirtes Bittersalz in Staßfurt hergestellt. Der größte Theil dieses Bittersalzes geht nach England, wo es zur Appretur leichter baumwollener Gewebe verwendet wird. In neuester Zeit hat man die schwefelsaure Magnesia zur Scheidung der Säfte in der Rübenzuckerfabrication angewendet (Verfahren von Morgenstern), und auch in anderen Zweigen der Technik scheint sich allmählich für dieß in Staßfurt in sehr großen Mengen herzustellende Material Verwendung zu finden. Die schwefelsaure Magnesia, welche bis dahin in der Technik nicht in solchen Massen und zu so billigem Preise geliefert werden konnte, verdient die Beachtung der Technik in hohem Grade. In Staßfurt selbst wird der gereinigte Kieserit — die rohe schwefelsaure Magnesia — noch zur Darstellung von schwefelsaurem Kali mittelst Chlorkalium angewendet. Diese Fabrication, welche mannichfaltige Schwierigkeiten darbietet, geschieht nur in einer Fabrik (Vorster und Grüneberg) nach einem patentirten Verfahren. Nach Auffindung des Kainites (1865) im herzogl, anhaltinischen Werke wurde dieses Material, welches in reinem Zustande aus KO, SO3 + MgO, SO3 + MgCl + 6 HO besteht, vorwiegend zur Gewinnung von schwefelsaurem Kali und reiner schwefelsaurer Kalimagnesia (KO, SO3 + MgO, SO3 + 9 HO) verwendet. Das im Großen geförderte Material ist innig mit Steinsalz durchwachsen, so daß das in den Fabriken verarbeitete Kainitsalz nicht mehr als 22 bis 25 Proc. schwefelsaures Kali neben 25 bis 30 Proc. Steinsalz enthält, wodurch die Verarbeitung sehr umständlich wird. Das gewonnene schwefelsaure Kali wird zum Theil zur Fabrication von Potasche durch Schmelzen mit Kalk und Kohle wie beim Sodaproceß verwendet (Vorster und Grüneberg), theils ebenso wie die schwefelsaure Kalimagnesia an die Landwirthschaft abgegeben (Vorster und Grüneberg, Fr. Müller, H. Douglas). Ebenso wie die schwefelsaure Magnesia gieng auch im Anfange der Staßfurter Fabrication das in den Abraumsalzen erhaltene Chlormagnesium nutzlos verloren, indem man es in die durch Staßfurt fließende Bode abführte. Dasselbe findet jetzt schon mehrfache Anwendung in der Technik und wird sicher, da es ebenfalls billig und in sehr bedeutenden Quantitäten geliefert werden kann, sich zu noch ausgedehnterer Verwendung fähig erweisen. Es wird bis jetzt benutzt: zum Schlichten baumwollener Gewebe (Patent von I. Townsend 1866), zur Desinfection von Schmutzwässern nach dem Verfahren von Süvern, zur Darstellung eines Magnesiacementes nach Sorel; es ist ein sehr gutes Feuerlöschmittel und wurde zweckmäßig verwendet zum Tränken von Holz in feuergefährlichen Gebäuden (Mühlen:etc.); auch zur Fabrication künstlicher Steine mittelst Sand und Wasserglas ist es vorgeschlagen, sowie zum Besprengen von Straßen, um dieselben feucht zu erhalten. Man stellt das Chlormagnesium dar, indem man die bei dem Chlorkalium erwähnten letzten Mutterlaugen nochmals bis circa 40° Baumé eindampft. Es krystallisirt alsdann beim Erkalten in großen Massen sechsfach-gewässertes Chlormagnesium (MgCl + 6 HO) heraus, welches in dieser krystallisirten Form oder theilweise entwässert in den Handel gebracht wird. Die geringe Menge Mutterlauge, eine dickflüssige gelbbraune Flüssigkeit, enthält alles Brom, welches in den Abraumsalzen enthalten war, und dient zur Gewinnung desselben. Man zersetzt diese Lauge, welche 0,3 bis 0,5 Proc. Brom enthält, in einem Sandsteinapparate mittelst der äquivalenten Menge Braunstein und Schwefelsäure unter directer Einleitung von Dampf, ähnlich wie bei der Chlorbereitung aus Kochsalz. Es beginnt sehr bald eine lebhafte Entwickelung von rothen Dämpfen, welche durch ein in einem Kühlfasse liegendes Bleirohr streichend, leicht condensirt werden und als flüssiges Brom in vorgeschlagene Woolf'sche Flaschen überfließen. Dieses stets noch etwas unreine Brom wird zu seiner Reinigung nochmals in gläsernen Retorten, welche in einem eisernen mit Dampf geheizten Sandbade liegen, destillirt. Bei dem verhältnißmäßig geringen Verbrauche des Broms in der Technik hat diese Fabrication nur eine untergeordnete Bedeutung behalten und ist auch nur in zwei Fabriken (Frank und Vorster, und Grüneberg) betrieben worden. Sollte die Technik größere Mengen Brom erfordern, so können in Staßfurt beträchtliche Quantitäten geliefert werden. Auch Bromsalze werden in einer Fabrik dargestellt (A. Frank). Erwähnt zu werden verdient noch, daß auch die Mutterlaugen der Kainitsalze Brom enthalten. Von erheblicher Bedeutung für die Zukunft Staßfurt's ist die Fabrication der Düngesalze. Bald nach Erschließung der Kalisalzlagerstätten erkannte die preußische Regierung die Wichtigkeit dieser Kaliquelle für die Landwirthschaft und veranlaßte die Anstellung mannichfacher Düngungsversuche mit den Abraumsalzen. Bereits im Frühjahre 1860 berichtete in den „Annalen der Landwirthschaft“ der Oekonomierath Ockel auf Frankenfelde über theilweise günstig ausgefallene Düngungsversuche. In demselben Jahre wurden größere Versuche angestellt von Geheimrath Renning, Dr. Grouven, Commercienrath Culmitz u. a. m. Die Ungleichmäßigkeit in der Zusammensetzung der Salze, der große Gehalt an Chlormagnesium und die dadurch bedingte Zerfließlichkeit stellten sich der Anwendung dieser rohen Salze hindernd in den Weg, obgleich theilweise recht günstige Resultate erzielt wurden, besonders auf Moorboden und bei Wiesen. Im Jahre 1860 wurden 3718 Ctr., im Jahre 1861 bereits 25,063 Ctr. gemahlene Abraumsalze an Landwirthe abgesetzt und es stieg der Absatz in den folgenden Jahren erheblich, verminderte sich dann aber wieder, als von den chemischen Fabriken billige Kalisalze in den Handel gebracht wurden, welche frei von den oben gerügten Nachtheilen der Abraumsalze waren. Die ersten guten Jahre der Chlorkaliumindustrie hatten den Fabriken keine Zeit gelassen, den Wünschen der Landwirthschaft gerecht zu werden, erst die beginnende Concurrenz und die in Frage gestellte Rentabilität der Chlorkaliumfabrication verursachten (1863), daß die älteren Fabriken sich mit dem landwirthschaftlichen Absatze eingehender beschäftigten. Das bei dem Eindampfen der Chlorkaliummutterlaugen ausfallende Salzgemenge von schwefelsaurem Kali, schwefelsaurer Magnesia und Kochsalz, aus dem sich Chlorkalium nicht gewinnen ließ und das sich allmählich in sehr bedeutender Menge anhäufte, gab nach dem Calciniren und Mahlen ein gut verwendbares Düngesalz, welches 18 bis 20 Proc. schwefelsaures Kali, neben 25 bis 30 Proc. schwefelsaurer Magnesia und 50 bis 55 Proc. Kochsalz enthielt, und unter verschiedenen Bezeichnungen (Kalidünger, Kalisalz, rohes schwefelsaures Kali) von mehreren Fabriken (zuerst von Vorster und Grüneberg, und A. Frank) in die Landwirthschaft eingeführt wurde. Die intensive Landwirthschaft der Provinz Sachsen und besonders der dem Boden viel Kali entziehende Rübenbau, welchen Liebig wegen dieses „frevelhaften Raubes“ in der Vorrede zur 7. Auflage seiner Agriculturchemie (1862) so wirksam angreift, sicherte den Bestrebungen der Fabrikanten von vornherein eine günstige Aufnahme. Allmählich suchte man auch hochgrädigere Kalisalze herzustellen, und es werden jetzt sehr verschieden zusammengesetzte Salzgemenge, theils Chlorkalium, theils schwefelsaures Kali, theils Gemenge beider mit schwefelsaurer Magnesia enthaltend, vertrieben. Seit Entdeckung des Kainites (1865) wird auch dieser in calcinirtem und fein gemahlenem Zustande mit circa 30 Proc. schwefelsaurem Kali und circa 30 Proc. schwefelsaurer Magnesia vielfach angewendet. Ueber die zweckmäßigste Form, in welcher das Kali bei den verschiedenen Fruchtgattungen und den verschiedenen Bodenarten anzuwenden ist, gehen die Meinungen noch sehr auseinander. Für humosen, leichten Sandboden, für Moorboden und für Wiesen hat sich das billige kochsalzreiche, aus den Abfällen der Chlorkaliumfabrication dargestellte Salzgemenge (Kalidünger, rohes schwefelsaures Kali) überall und andauernd bewährt; während die Rübencultur reichhaltigere kochsalzfreie Kalisalze in schwefelsaurer Verbindung beansprucht und auf schwerem, thonigem Boden die kochsalzreichen Producte überhaupt erfolglos gewesen zu seyn scheinen. Daß im Allgemeinen die Landwirthschaft schon jetzt reichlichen Nutzen bei Anwendung der Staßfurter Kalidüngefabricate findet, beweist der jährlich steigende und sich allmählich auch nach dem Auslande (England, Frankreich, Belgien, Spanien, Schweden, Rußland, Amerika) ausbreitende Absatz. Im Jahre 1867 mögen an verschiedenen Kalidüngesalzen von Staßfurt aus circa 300,000 Ctr. in den Handel gebracht worden seyn. Der Absatz von Kalisalzen betrug auf dem preußischen Werke im Jahre 1866 gegen 1,300,000 Ctr., welche fast lediglich zur Darstellung Von Chlorkalium verwendet wurden. Das anhaltinische Werk lieferte für diesen Zweck gegen 1,470,000 Ctr. Kalisalze (Carnallite), außerdem zur Gewinnung von schwefelsaurem Kali 97,000 Ctr. Kainit, 24,000 Ctr. „feste Salze“ und 7000 Ctr. Kieserit. Im Jahre 1867 wurden abgesetzt vom preußischen Salzwerke: 1,430,000 Ctr. Kalisalze, 33,000 Ctr. Abfallsalze, 2,000 Ctr. Kainit. Juli, 1868.