Titel: Eine neue Methode der Brodbereitung; von Justus v. Liebig.
Fundstelle: Band 191, Jahrgang 1869, Nr. XXXII., S. 160
Download: XML
XXXII. Eine neue Methode der Brodbereitung; von Justus v. Liebig. Aus der Beilage zur Allgemeinen Zeitung, 1868, Nr. 353. v. Liebig, neue Methode der Brodbereitung. Es ist den Lesern dieser Zeitschrift bekannt, daß ein zufälliges Ereigniß – die Roth in Ostpreußen – mich veranlaßt hat die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, daß es noch andere und bessere Methoden der Brodbereitung gibt als die übliche ist.Man s. polytechn. Journal Bd. CLXXXVII S. 182. Mein erster ArtikelErster Artikel im polytechn. Journal Bd. CLXXXVII S. 183; zweiter Artikel in demselben Bande S. 346. in Nr. 6 der Allgemeinen Zeitung erweckte ein weit größeres Interesse als ich erwartet hatte, und dieß trug dazu bei in diese Sache, mit der ich mich seit längerer Zeit beschäftigte, tiefer einzugehen. Das Bäckergewerbe ist, wie ich glaube, das einzige unter allen Gewerben, welches seit Jahrhunderten von dem Fortschritt nicht berührt worden ist. Wir essen heute noch das gesäuerte Brod welches die Bibel erwähnt, und wie es Plinius beschreibt, nur daß das Mehl ein anderes, wiewohl im Physiologischen Sinne kein besseres ist. Ich bin nicht ohne Hoffnung gewesen, daß die chemische Methode der Brodbereitung auch bei den Bäckern Eingang finden werde, da die Mehrzahl der an mich in Beziehung auf diesen Gegenstand gerichteten Briefe von Bäckermeistern aus allen Gegenden Deutschlands kam; aber die Nöthigung nach einer genau bestimmten Vorschrift zu arbeiten, um einen guten Erfolg zu haben, scheint für die meisten ein Hinderniß gegen ihre Einführung in den Bäckereien gewesen zu seyn, und so muß ich denn auch meine Bemühung, Brod von ganzem Mehl in denjenigen Gesellschaftskreisen Eingang zu verschaffen, für die es den meisten Werth hat, leider als völlig gescheitert bekennen. Es gehört ein gewisser Grad von Bildung dazu um über die Farbe des Brodes hinweg zu kommen, und so hat sich das von mir empfohlene Schwarzbrot) in München nur in wenigen Familien eine dauernde Kundschaft erworben, in Häusern in welchen es häufig von den Dienstboten und Wäscherinnen durchaus verschmäht wird. Auf den Geschmacksinn der Menschen haben Vernunftgründe sehr wenig Einfluß, und ich habe erfahren daß eine jede Bemühung ihre Gewohnheiten zu ändern, sie z.B. zu veranlassen schwarzes Brod zu essen, wenn sie weißes lieben, als erfolglos von vornherein angesehen werden müsse. Von diesem Gesichtspunkt aus dürfte eine neue Methode der Brodbereitung für viele willkommen seyn, welche in jedem Haushalte gestattet aus gewöhnlichem Mehl, ohne Kleie, ein schönes schmackhaftes Brod zu bereiten, von höherem Nährwerth als dem Brod aus demselben Mehle, nach jeder anderen Methode bereitet, zukommt. Zum Verständniß des neuen Backverfahrens, welches ich im Folgenden beschreiben will, dürfte es genügen auf die Grundsätze der Ernährungslehre zu verweisen, die ich vor Kurzem in Auerbach's Volkskalender für 1869 auseinandergesetzt. Ich habe darin erwähnt, daß von allen Nahrungsmitteln der Menschen das Getreidekorn bei seiner Verwandlung in Mehl, in Folge der Verminderung der Nährsalze des Kornes, die stärkste Einbuße an seiner Nahrhaftigkeit erleidet, so zwar daß das weißeste und feinste Mehl unter allen Mehlsorten den kleinsten Nährwerth hat. Die Bedeutung der Nährsalze für die Ernährung ist den Physiologen bekannt genug; man weiß daß ohne ihre Mitwirkung die anderen Bestandtheile der Nahrung nicht ernährungsfähig sind. Durch einfaches Auswaschen des rohen oder gekochten Fleisches mit Wasser, welches die Nährsalze entzieht, wird es ganz unfähig zur Erhaltung des Lebens zu dienen; die Nährsalze des Kornes sind aber identisch mit den Nährsalzen des Fleisches, und man versteht daß das was wahr ist für das Fleisch, auch wahr seyn muß für das Brod, und daß der Nährwerth des Mehles in eben dem Verhältniß kleiner ist als es weniger Nährsalze als das Korn enthält. Die Nährsalze des Fleisches und des Kornes sind Phosphate, und bestehen aus Verbindungen der Phosphorsäure mit Kali, Kalk, Bittererde und Eisen; die einfache Bekanntschaft mit dem Gehalt an diesen Stoffen im Korn und im Mehl, wie sie die chemische Analyse nachweist, dürfte genügen um die Verschiedenheit in dem Nährwerthe beider augenfällig zu machen. In tausend Gewichtstheilen Weizen oder Roggen-Korn sind                             21 Gewichtstheile Nährsalze, und darin im Weizenkorn                       Roggenkorn                                              8,94                                       5,65 Phosphorsäure. In tausend Gewichtstheilen Weizenmehl der ersten Sorte sind nur 5,5 Gewichtstheile Nährsalze, und hierin nur 2 1/5 Gewichtstheile Phosphorsäure. Das Weizenmehl erster Sorte enthält demnach in 1000 Gewichtstheilen 15 1/2 Gewichtstheile Nährsalze im Ganzen, und 6 2/5 Gewichtstheile weniger Phosphorsäure als das Korn. In der zweiten Sorte Weizenmehl sind in 1000 Gewichtstheilen 6 1/2 Gewichtstheile Nährsalze, und darin nur 2 1/2 Gewichtstheile Phosphorsäure; in der dritten Sorte nur 3 1/10 Gewichtstheile Phosphorsäure. In 1000 Gewichtstheilen Roggenmehl erster Sorte sind nur 13 1/3 Gewichtstheile Nährsalze, also 7 2/5 Gewichtstheile weniger als im Korn, und anstatt 5 6/10 Phosphorsäure nur 3 1/5 Gewichtstheile. Das Korn zerfällt beim Mahlen in Mehl und Kleie, und da beide zusammen die Bestandtheile des Kornes ausmachen, so ist es leicht einzusehen daß die Nährsalze des Kornes welche im Mehl fehlen, in der Klei enthalten seyn müssen. In der That zeigt die Analyse, daß die Weizenkleie in 1000 Theilen 53 bis 60, die Roggenkleie 51 Gewichtstheile Phosphate, die erstere also nahe dreimal, die andere über 2 1/2 mal mehr Phosphate als das Weizen- und Roggenkorn enthält; sie zeigt ferner, daß in 100 Gewichtstheilen der Nährsalze in beiden Kleiensorten enthalten sind: Weizenkleie: Roggenkleie: Phosphorsäure 24,3 21,03 Kali 30,12 23,03 Phosphorsäure rs KalkBittererdeEisen; 43,93 50,96 Aus diesen Analysen ergibt sich, daß nahe die ganze Hälfte der Nährsalze die im Mehle fehlen aus phosphorsaurem Kalk und Bittererde besteht, und daß es dieser Mangel an den Phosphaten der alkalischen Erden im Mehle seyn muß, welcher sich in der Ernährung besonders fühlbar macht, weil diese für die Bildung, Vermehrung und Erhaltung des Knochengerüstes ganz unentbehrlich sind. In der Thierzucht hat man in dieser Beziehung sehr bemerkenswerthe Erfahrungen gemacht. In einem am 27. März 1867 in Dresden gehaltenen Vortrag „über die Ernährung vom chemischen Standpunkte“ bespricht Dr. Haubner den Einfluß der Salze auf den körperlichen Zustand der Thiere, und hebt namentlich die hohe Bedeutung der Phosphate hervor: „Wenn Thiere nur mit Kartoffeln und Rüben, die nur sehr wenig Phosphate enthalten, gefüttert werden, so gehen sie im Ernährungszustande zurück, werden schwach, hinfällig und morsch in den Knochen. Sie nehmen alsbald aber zu, wenn sie nur phosphorsauren Kalk bekommen, um so mehr, wenn gleichzeitig Protein-Verbindungen gegeben werden. Man glaubt hierdurch die Thiere größer und kräftiger zu machen; Riesen wird man nicht erziehen können, aber Zwergwuchs, Verkümmerung der Wirbelsäure und der Extremitäten lassen sich durch Darreichung hinlänglicher Mengen von phosphorsaurem Kalk verhüten. Füttert man Tauben mit Getreide ohne Kalk, so sterben sie alsbald; ebenso kümmern Kälber und Ferkel, wenn man ihnen diesen entzieht.“ Sehr merkwürdige Erfahrungen über den Einfluß des Mangels an Nährsalzen auf die Ausbildung und Fortentwickelung besonders jugendlicher Thiere (Fohlen) sind kürzlich von Professor Dr. Roloff in Halle in Virchow's Archiv bekannt gemacht worden. Diese Thatsachen haben einen hohen Werth, und ihre Bedeutung für die Ernährung der Menschen läßt sich nicht verkennen, wenn man beachtet daß das Brod, in Deutschland wenigstens, weitaus die überwiegende Nahrung der Bevölkerung auf dem Land ist. Viele Aerzte haben, wie ich glaube mit allem Recht, die nächste Ursache der Entstehung des Scorbuts auf Schiffen in dem Genuß des Salzfleisches gesucht, welches, da dem Fleisch beim Einsalzen ein Theil der Phosphate entzogen wird, weniger von diesen Nährsalzen als das frische Fleisch enthält; aber der Scorbut kommt auch in Gefängnissen vor, in welchen das Salzfleisch keinen Bestandtheil der Diät der Gefangenen ausmacht, und es liegt hier nahe genug die Entstehung des Scorbuts mit dem Mangel an Phosphaten im Brod und in den Mehl- und anderen Speisen in Verbindung zu bringen. Es ist klar, daß, wenn wir dem Weizen- und Roggenmehl, anstatt der Kleie, die Nährsalze derselben wieder zufügen, wir damit in beiden Mehlsorten den ursprünglichen Nährwerth des Kornes wiederherzustellen vermögen, und wenn man erwägt, daß der Nährwerth des Mehles mindestens um 12 Proc., oft 15 Proc., kleiner ist als der des Kornes, so gewinnt diese Wiederherstellung eine große nationalökonomische Bedeutung; denn der Erfolg in der Praxis der Ernährung ist alsdann genau so wie wenn alle Felder in einem Lande 1/7 bis 1/8 mehr Korn geliefert hätten: mit derselben Menge Mehl wird durch diese Ergänzung eine größere Anzahl Menschen gesättigt und ernährt werden können. Auf dieser Betrachtung beruht die Darstellung des Backpulvers von Professor Horsford in Cambridge in Nordamerika, die ich für eine der wichtigsten und segensreichsten Erfindungen halte welche in dem letzten Jahrzehnt gemacht worden sind. Ich habe mich seit acht Monaten eingehend mit der Darstellung und Anwendung dieses Backpulvers beschäftigt, und mir die volle Ueberzeugung verschafft, daß damit ein ausgezeichnetes Brod von vortrefflichem Geschmack erhalten wird, und ich glaube vielen einen Dienst zu erweisen wenn ich meine gewonnenen Erfahrungen darüber veröffentliche; es enthält die Nährsalze der Kleie in einer solchen Form, daß es die Anwendung des Sauerteiges oder der Hefe in der Brodbereitung völlig entbehrlich macht. Das Horsford'sche Backpulver besteht aus zwei Präparaten in Pulverform, einem Säurepulver und einem Alkalipulver; das eine enthält Phosphorsäure in Verbindung mit Kalk und Bittererde, das andere ist doppelt-kohlensaures Natron; beide Pulver sind weiß, mehlartig und jedes für sich in einem Umschlage verpackt; zum Gebrauch dient ein kleines Maaßgefäß aus Weißblech, in der Form von zwei am Boden zusammengefügten stumpfen Kegeln von ungleicher Größe. Wenn man Brod bereiten will, so wird für jedes Pfund Mehl das kleine Mätzchen mit doppelt-kohlensaurem Natron, und das größere mit der Phosphorsäure gefüllt, und beide werden mit dem Mehle sehr sorgfältig gemischt, sodann das zur Teigbildung erforderliche Wasser zugesetzt, der Teig geformt und ohne viel zu warten, die Laibe in den Ofen geschossen. Man kann damit leicht, wenn der Ofen vorher geheizt worden ist, in 1 1/2 bis 2 Stunden fertiges Brod haben. Der Vorgang ist leicht verständlich; wenn die beiden Präparate mit dem Mehle gemischt sind, so tritt während der Teigbildung eine gegenseitige Zersetzung derselben ein; die Phosphorsäure verbindet sich mit dem Natron und treibt die Kohlensäure aus, welche den Teig aufbläht und beim Backen das Brod porös macht. Phosphorsäure in Gestalt eines weißen trockenen Pulvers wird manchem ein Räthsel seyn; in der That liegt darin der Kern der Sache. Horsford bereitet seine Phosphorsäure aus sehr gut gewaschenen, reinen, bis zur vollständigen Weiße gebrannten Knochen, welche bekanntlich aus phosphorsaurem Kalk (und Bittererde) bestehen; sie werden fein gepulvert, mit einer genau bemessenen Menge Schwefelsäure digerirt, so daß zwei Drittel des vorhandenen Kalkes neutralisirt und zwei Drittel der Phosphorsäure in Freiheit versetzt werden; der gebildete Gyps wird durch Filtration von der sauren Flüssigkeit getrennt und diese bis zur Honigconsistenz eingedampft; nach dem Erkalten erstarrt sie zu einer weichen krystallinischen Masse, welche aus saurem phosphorsaurem Kalk (und Bittererde) besteht. Es ist hier nicht der Ort, auf die Darstellung dieser Verbindung näher einzugehen, da sie sich in jedem Lehrbuche der Chemie beschrieben findet. Vor dem Erstarren wird der honigdicken sauren Masse feingepulvertes reines Stärkmehl zugemischt, so daß ein fester, bröckeliger Teig entsteht, der in diesem Zustand in einem warmen Trockenraume vollständig von allem Wasser befreit werden kann; man hat alsdann eine schneeweiße feste Masse, die sich leicht in das feinste Pulver verwandeln läßt; sie zieht, richtig bereitet, kein Wasser an, und darf auch in feuchter Luft nicht schmierig werden. Dieß ist die Säure des Horsford'schen Backpulvers; sie wird, wie man sich in der chemischen Sprache ausdrückt, auf das doppelt-kohlensaure Natron gestellt, das ist: man ermittelt wie viel von dem Säurepulver nöthig ist um ein gegebenes Gewicht doppeltkohlensaures Natron so zu neutralisiren, daß die Mischung eine schwach saure Reaction behält; auf 1 Gewichtstheil doppelt-kohlensaures Natron braucht man in der Regel 2 1/2 Gew. Tb. von dem Säurepulver, oder auch 3 bis 3 1/2 Gew. Th., wenn dieses mehr Stärkmehl enthält. Die Anwendung des doppelt-kohlensauren Natrons ist für die Brodbereitung praktisch vielleicht zu rechtfertigen, allein der Theorie entsprechend sollte doppelt-kohlensaures Kali dazu genommen werden; das im Mehl fehlende Alkali ist nämlich Kali und nicht Natron. Der Geschmack des mit dem Kalisalz dargestellten Brodes ist auffallend verschieden von dem mit dem Natronsalz bereiteten; das erstere ist weit wohlschmeckender, aber der Preis des doppelt-kohlensauren Kalis ist über viermal höher als der des Natronsalzes, und seine Anwendung vertheuert das Brod. Dieser Umstand ist offenbar der Grund warum Horsford das Natronsalz und nicht das Kalisalz in sein Backpulver aufnahm. Ich habe gefunden, daß sich das doppelt-kohlensaure Kali durch Chlorkalium in allem Brod ersehen läßt welches bei seiner Zubereitung einen Zusatz von Kochsalz empfängt, wie dieß in den meisten Ländern üblich ist; denn beim Zusammenbringen von Kochsalz mit doppelt-kohlensaurem Kali setzen sich beide Salze um in doppelt-kohlensaures Natron und in Chlorkalium; eine kalt gesättigte Lösung von doppelt-kohlensaurem Kali erstarrt, wenn Kochsalz zugesetzt wird, zu einem Brei von doppelt-kohlensaurem Natron, während Chlorkalium in der Flüssigkeit bleibt. Eine ganz gleiche Zersetzung geht in dem kochsalzhaltigen Backpulver, welches mit doppelt-kohlensaurem Kali bereitet ist, vor. Mit einer Mischung von doppelt-kohlensaurem Natron mit Chlorkalium zu gleichen Aequivalenten erreicht man also denselben Zweck; das Chlorkalium ist aber seit der Entdeckung der Kalisalzlager in Staßfurt eines der wohlfeilsten Kalisalze, und seine Anwendung hat keinen merklichen Einfluß auf den Preis des Brodes. Wenn man nun weiß, wieviel Säurepulver nöthig ist um einen Gewichtstheil doppelt-kohlensaures Natron zu neutralisiren, so ist es jetzt leicht ein theoretisch richtig bereitetes Backpulver herzustellen. Nach den von mir angestellten Versuchen hat man zur Herstellung eines guten Brodes auf 100 Pfd. bayerisch = 112 Zollpfund Mehl 1 Zollpfund doppelt-kohlensaures Natron nöthig. Angenommen man habe gefunden daß zur Neutralisation von 1 Gew. Th. doppelt-kohlensauren Natrons 3 Theile Säurepulver erforderlich seyen, so berechnet sich die Zusammensetzung des zu 1 Centner = 112 Zollpfund Mehl erforderlichen Backpulvers mit Zusatz von einer dem Natronsalz aequivalenten Menge Chlorkalium wie folgt: Gewicht des Backpulvers für 1 Centner Mehl: Säurepulver     Alkalipulver   1500 Gramme   500 Gramme doppelt-kohlensaures Natron   443      „       Chlorkalium ––––––   943 Gramme. Setzt man zur Herstellung einer einfacheren Zahl dem Alkalipulver 57 Grm. Kochsalz zu, so hat man also zu 100 Pfd. Mehl 3 Zollpfund Säurepulver und 2 Pfd. Alkalipulver nöthig; zu 1 Pfd. Mehl 15 Grm. des ersteren und 10 Grm. vom anderen. Auf 100 Pfd. Zollgewicht berechnen sich: Säurepulver.     Alkalipulver. 1338 Grm. 446 Grm. doppelt-kohlens. Natron 395 Grm. Chlorkalium –––––– 841 Grm. Um runde Zahlen zu haben, kann man dem Säurepulver 62 Grm. Stärkmehl und dem Alkalipulver 59 Grm. Kochsalz zusetzen, in welchem Fall also zu einem Pfund Mehl 14 Grm. von dem ersteren und 9 Grm. von dem Alkalipulver genommen werden müssen. Was die Anwendung des Backpulvers zur Brodbereitung betrifft, so ist die einfachste Methode die: daß man das dem Gewichte des Mehles entsprechende abgewogene Backpulver mit einer Handvoll Mehl mischt, und mittelst eines feinen Siebes in das Mehl einsiebt, während beide beim Einsieben und nachher noch sehr sorgfältig mit einander gemengt werden; von der innigen Mischung des Mehles mit dem Pulver hängt die mehr oder minder poröse Beschaffenheit des Brodes ab. Man setzt alsdann der Mischung Wasser zu, um den Teig zu bilden, formt, ohne viel zu kneten, die Laibe und schießt sie in den Ofen. Die richtige Temperatur zum Nacken muß durch ein paar Backversuche ermittelt werden: ist der Ofen zu heiß, so reihen die Laibe und bekommen Kröpfe. Das nach dieser Methode bereitete Brod ist von schönem Aussehen, aber schwerer als das gewöhnliche Bäckerbrod; das letztere ist großblasig und fällt durch sein größeres Volumen mehr in die Augen. Nach der folgenden Methode, die allerdings etwas umständlicher ist, erhält man mit dem Backpulver ein dem schönsten Bäckerbrod ähnliches Brod. Man theilt das Mehl und das zur Teigbildung erforderliche Wasser in zwei gleiche Theile, setzt der einen Hälfte Wasser das Säurepulver und der anderen Hälfte Wasser das Alkalipulver zu, und rührt von Zeit zu Zeit um. Das Wasser welches dem Säurepulver zugesetzt wird, kann heiß seyn, das andere muß kalt gehalten werden. Man knetet jetzt die eine Hälfte Mehl mit dem Säurewasser, und sodann die andere Hälfte mit der Lösung des Alkalipulvers zum Teig an, und wenn dieß geschehen ist, knetet man beide Teige mit einander zusammen. Wenn die Teige zu steif werden, so setzt man etwas Wasser, bei zu weichem Teig, etwas Mehl zu. Auf 100 Zollpfund Mehl hat man in der Regel 32 bis 33 Liter Wasser nöthig. Bei Anwendung dieses Verfahrens verliert der Teig kein oder nur wenig Gas. Hierbei ist die sorgfältige Mischung beider Teige von Wichtigkeit; geschieht sie nachlässig, so bekommt das Brod hie und da braune Streifen. In Fällen wo man keinen Sauerteig hat, und für Haushaltungen in denen man das saure Bäckerbrod nicht liebt, liegt der Vortheil welchen die Verwendung des Backpulvers bringt auf der Hand; die Einwendung daß das Brod hierdurch vertheuert werde, hat für den Einsichtigen wenig Gewicht; man erhält durchschnittlich 10 bis 12 Proc. mehr Brod als beim gewöhnlichen Verfahren, wodurch schon ein Theil der Ausgabe für das Backpulver gedeckt wird; aber der Hauptvortheil beruht in der größeren Nahrhaftigkeit des damit gewonnenen Brodes, die man, um eine richtige Rechnung zu machen, mit in den Ansatz bringen muß. Im Großen bereitet kann das Pfund Backpulver kaum höher als 15 bis 18 kr. kommen, und wenn man sich denkt daß 100 Pfd. Mehl nur 10 Proc. an Nährwerth dadurch gewonnen, so ist die ganze Ausgabe für das Backpulver schon im Brode gedeckt. Darüber muß man Versuche und die Erfahrung entscheiden lassen. Mit der Anwendung des Backpulvers zu Küchengebäcken habe ich mich nicht weiter beschäftigt; in den Vereinigten Staaten wird übrigens das Horsford'sche Backpulver Zu jeder Art von Gebäcken verwendet, am meisten im Gebrauch ist das dort im Handel vorkommende Self raising flour,“ eine zum Brodbacken dienende Mehlsorte, welche das fertige Backpulver im richtigen Verhältniß bereits beigemischt enthält. Die Hausfrauen in New-York kaufen dieses Mehl, formen mit Wasser den Teig, und backen die Laibe in ihren gewöhnlichen Küchenöfen. Nach einer Mittheilung von meinem Freund und früheren Schüler Horsford ist im vorigen Jahre eine Million Pfund von seinem Backpulver verkauft worden; er hat seine Professur in Cambridge jetzt aufgegeben, um sich ganz der Fabrication desselben zu widmen. Ich bin kaum zweifelhaft darüber, daß das neue Backverfahren, wenn auch erst im Verlaufe von ein paar Jahren, von der Bäckerei aufgenommen werden wird. Mit dem Ausschluß des Gährungsprocesses fällt das Haupthinderniß hinweg, welches dem industriellen Betrieb des Bäckergewerbes entgegenstand; dieser Vortheil kann nicht hoch genug angeschlagen werden. Das Brod kann mit Hülfe des neuen Backverfahrens wie Schiffszwieback fabrikmäßig bereitet werden, ähnlich wie dieß in den großen Bäckereien in Portsmouth geschieht, wo drei Arbeiter, einer am Ofen und zwei an der Knetmaschine, genügen um 20,000 und mehr Rationen Zwieback täglich herzustellen. Für eine Armee im Feld und für die Brodbereitung auf Schiffen scheint mir dieses neue Backverfahren von besonderer Wichtigkeit zu seyn, und es wäre sehr wünschenswerth wenn die Verwaltungsbehörden voll Gefängnissen und Armenhäusern in Beziehung auf die Ermittelung des Nährwerthes des mit Backpulver bereiteten Brodes Erfahrungen sammeln möchten. Meine früheren Artikel über Brodbereitung haben mir durch Anfragen um nähere Auskunft und Belehrung eine solche Fluth von Belästigungen zugezogen, daß ich, um diese in Zukunft zu vermeiden, zwei der ausgezeichnetsten Fabrikanten chemischer Producte, die HHrn. G. C. Zimmer in Mannheim und L. C. Marquart in Bonn, veranlaßt habe beide Pulver nach meiner Vorschrift darzustellen; nach den von ihnen empfangenen Proben ist beiden die Darstellung vortrefflich gelungen, und die Personen welche geneigt sind sich mit diesem neuen Backverfahren zu befreunden, dürfen sich nur an sie wenden, um sowohl das Material als eine genaue Vorschrift zu dessen Anwendung von ihnen zu bekommen.