Titel: Ueber die Anwendung des Fluorcalciums statt des Kalkes zur Glasfabrication; von Dr. E. Richters, Chemiker an der Bergschule zu Waldenburg.
Autor: E. Richters
Fundstelle: Band 191, Jahrgang 1869, Nr. LXV., S. 301
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LXV. Ueber die Anwendung des Fluorcalciums statt des Kalkes zur Glasfabrication; von Dr. E. Richters, Chemiker an der Bergschule zu Waldenburg. Richters, über Anwendung des Fluorcalciums zur Glasfabrication. Bei der Fabrication des kohlensauren Natrons aus Kryolith erhält man bekanntlich eine große Menge Fluorcalcium als Abfallsproduct (Al²Fl³, 3 NaFl + 6 CaO = 6 CaFl + Al²O³, 3 NaO). Der Anwendung desselben als Schmelz- oder Flußmittel bei den verschiedenen metallurgischen Processen steht besonders der ziemlich feinpulverige Zustand des gedachten Materiales entgegen, welcher veranlaßt, daß bei Anwendung von Gebläsen oder bei sehr lebhaftem Feuerzuge ein großer Theil mechanisch fortgeführt wird und verloren geht. Allerdings haben meines Wissens verschiedene Kryolithsoda-Fabriken diesen Uebelstand mit größerem oder geringerem Erfolge zu beseitigen gesucht, indem sie durch Beimischung zweckmäßiger Zusätze den künstlichen Flußspath zu cohärenten Broden zu formen bemüht waren. Die angemessenste Verwendung des feinpulverigen Fluorcalciums dürfte indessen bei der Glasfabrication stattfinden können, und erlaube ich mir daher, einige hierauf bezügliche Notizen und Erfahrungen, welche ich während meiner früheren Laufbahn sammelte, der Oeffentlichkeit zu übergeben. In der Glasfabrik „Idahütte“ bei Saarau (Schlesien) wurden in sechs Häfen per Schmelze durchschnittlich aus circa 26 Ctr. Rohmaterial 21 Ctr. fertiges Glas erzeugt. Der Kohlenverbrauch betrug per Schmelze, einschließlich der Menge welche zur Feuerung der Kühl- und Temperöfen erforderlich war, 29 Tonnen (à 380 Pfd.). Die Kohle, sogenannte Staubkohle, enthielt, beiläufig bemerkt, circa 25–30 Proc. Asche. Es wurden verschmolzen: Monat August Monat September (19 Schmelzen). (20 Schmelzen). 98,15 Pfd. Sand, 116,40 Pfd. Sand, 12,93 Kalk, 15,55 Kalk, 6,41 Glaubersalz I, 7,88 Glaubersalz I, 60,40 Glaubersalz IIDasselbe bestand aus 50 Proc. Chlornatrium und 50 Proc. schwefelsaurem Natron. Das „Glaubersalz I“ enthielt circa 95 Proc. reines schwefelsaures Natron. Der Braunstein diente hauptsächlich zur Darstellung des braungefärbten Flaschenglases, 82,30 Glaubersalz II, 8,07 Braunstein, 9,81 Braunstein, 2,69 Holzkohle, 3,00 Holzkohle, 261,00 Bruchglas. 248,00 Bruchglas. Die mittlere Schmelzdauer war 21 1/2 Stunden. Die Menge des Glaubersalzes ist in den obigen Sätzen eine unverhältnißmäßig große, selbst wenn darauf Rücksicht genommen wird, daß das feste Glaubersalz II zur Hälfte aus dem wenig werthvollen Chlornatrium bestand, von welchem wohl nur der kleinere Theil zur Wirkung gelangt. Ich fand die Anwendung dieses Materiales statt des reineren schwefelsauren Natrons als einen schon eine Reihe von Jahren bestehenden Usus vor, dem ich nach Uebernahme der Oberaufsicht der Betriebsleitung nicht sogleich entgegentreten wollte. Im Monat October versuchte ich zuerst das in der Saarauer Sodafabrik vorhandene Fluorcalcium, welches sich gelegentlich der Versuche, die Kryolithsoda-Fabrication statt des Leblanc'schen Verfahrens einzuführen, in ziemlich bedeutender Menge angesammelt hatte, statt des Kalkes beim Glassatze zu verwerthen. Die Resultate fielen nicht nur vollkommen befriedigend aus, sondern es zeigte sich auch, daß bei Anwendung des Fluorcalciums statt des Kalkes eine sehr erhebliche Menge Glaubersalz erspart werden konnte. Der Grund ist leicht einzusehen: Der Kalk für sich ist unschmelzbar, das Fluorcalcium schmelzbar. Besteht der Satz aus Sand, Kalk und Glaubersalz, so concurriren bei der Glasbildung zwei unschmelzbare und eine schmelzbare Verbindung; wird statt des Kalkes Fluorcalcium angewandt, so haben wir zwei schmelzbare neben einer unschmelzbaren Verbindung. Berücksichtigt man nun, daß die größte und intensivste Hitze nicht sowohl zum Schmelzen des gebildeten, als vielmehr zur Bildung des Glases selbst erforderlich ist, so ist wohl klar, daß letztere um so leichter vor sich gehen muß, je größer die Menge der schmelzbaren im Verhältniß zu den nicht schmelzbaren Verbindungen ist, welche an der Silicat- oder Glasbildung theilnehmen. Sicherlich dient nun in den angegebenen Sätzen bei Anwendung von Kalk ein großer Theil des Glaubersalzes lediglich zur Vermittelung der Glasbildung, und das Glas selbst könnte eine große Menge Natron weniger enthalten, ohne an seiner Güte und Brauchbarkeit zu verlieren; aber die Anwendung dieser größeren Mengen Alkali ist aus dem angedeuteten Grunde nicht zu umgehen. Ende October waren die erwähnten Versuche beendet; der Glassatz hatte für die Folge folgende Zusammensetzung: Monat November Monat December (20 Schmelzen). (20 Schmelzen). 115,44 Pfd. Sand, 114,90 Pfd. Sand, 27,69 Fluorcalcium, 26,65 Fluorcalcium, 4,90 Glaubersalz I, 4,88 Glaubersalz I, 39,42 Glaubersalz II, 42,99 Glaubersalz II, 4,00 Braunstein, 10,60 Braunstein, 2,00 Holzkohle, 2,00 Holzkohle, 299,00 Bruchglas. 309,00 Bruchglas. Man sieht, daß gegen früher die Menge des aufgewendeten Glaubersalzes etwa um die Hälfte abgenommen hatte. Der Kohlenverbrauch, die Schmelzdauer, sowie das Gewichtsverhältniß zwischen Rohmaterial und fertigem Glase, waren, wie ich ausdrücklich bemerke, unverändert geblieben. Das Fluorcalcium enthielt allerdings 4,5–5 Proc. Natron (als kohlensaures Natron). Aber diese Menge ist verschwindend klein gegen die Ersparniß an schwefelsaurem Natron. Das feuchte Fluorcalcium wurde vor der Anwendung im Temperofen geglüht, im Uebrigen nicht weiter zerkleinert, sondern als ziemlich grobes Pulver den übrigen Gemengtheilen zugesetzt. Die Menge des schwefelsauren Natrons konnte, wie meine Versuche gezeigt haben, noch geringer als zuletzt angegeben genommen werden, aber das Glas hatte dann die Eigenschaft zum Krystallisiren zu neigen und in Folge dessen leicht zu zerspringen. Daß der nicht unerhebliche Gehalt des künstlichen Flußspathes an Eisenoxyd die Anwendung desselben zur Fabrication von rein weißem Glase verbietet, glaube ich nicht unerwähnt lassen zu sollen.