Titel: | Ueber die Wiedergewinnung des Schwefels aus den Sodarückständen in Großbritannien; von Ludwig Mond. |
Fundstelle: | Band 191, Jahrgang 1869, Nr. LXXXIII., S. 373 |
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LXXXIII.
Ueber die Wiedergewinnung des Schwefels aus den
Sodarückständen in Großbritannien; von Ludwig Mond.
Vorgetragen in der Versammlung der British Association zu Norwich . – Aus der Chemical News, vol. XVIII p. 157; October 1868.
Mond, über sein Verfahren zur Wiedergewinnung des Schwefels aus den
Sodarückständen.
Im Jahre 1867 besprach Hr. Lothian Bell in unserem Verein
(British Association) das Verfahren, welches zu
Dieuze in Frankreich angewendet wird,Man s. die Beschreibung desselben im vorhergehenden Heft S. 304. um den Schwefel aus den Sodarückständen wieder zu gewinnen (bekanntlich
enthalten diese Rückstände über neun Zehntel des zur Sodafabrication verwendeten
Schwefels); heute erlaube ich mir, über einen Proceß zu berichten, welcher in
Britannien in ausgedehnte Aufnahme gekommen und mit meinem Namen verknüpft ist,
indem ich im Laufe meiner nunmehr volle acht Jahre hindurch fortgesetzten
Untersuchungen so glücklich war, mehrere wichtige Verbesserungen früher empfohlener
Methoden aufzufinden, welche mich in den Stand setzten, bisher unausführbare
Processe in ein eben so einfaches als vortheilhaftes Fabricationsverfahren zu
verwandeln.Man s. Mond's frühere Mittheilung über sein
Verfahren, im polytechn. Journal, 1867, Bd. CLXXXV S. 382. Im Jahre 1863 ließ ich mir dasselbe patentiren und die Vorzüge desselben
haben in England solche Anerkennung gefunden, daß es jetzt ausschließlich angewendet wird und bereits von
vier der bedeutendsten Firmen eingeführt worden ist, zu denen auch die Gründer der
brittischen Soda- und Chlorkalkfabrication gehören; während die beiden
anderen Methoden, welche zwei, beziehungsweise drei Jahre nach der meinigen
patentirt wurden, bisher nur auf dem Continente eingeführt sind, wo der Fabrikant
den Vortheil niedrigerer Arbeitslöhne genießt. Nur eine dieser Methoden, das als das
Schaffner'schePolytechn. Journal Bd. CLXXX S. 50. bezeichnete Verfahren, ist auch in England in größerem Maaßstabe
versuchsweise benutzt, indessen bald wieder aufgegeben und dafür das meinige
eingeführt worden.
Sämmtliche drei Processe beruhen auf den folgenden Reactionen:
1) auf der Umwandlung der in den Rückständen enthaltenen unlöslichen Calciumsulfurete
in lösliche Verbindungen, vermittelst einer Oxydation durch den Sauerstoff der
Atmosphäre;
2) auf der Abscheidung dieser löslichen Verbindungen von den übrigen Theilen des
Rückstandes durch Auslaugen mit Wasser;
3) auf der Fällung des in die Laugen übergegangenen Schwefels durch Salzsäure, welche
entweder als schwache wässerige Säure oder gemischt mit der bei der
Chlorkalkfabrication fallenden Lösung von Eisenchlorid und Manganchlorür angewendet
wird.
Die Benutzung derselben Reactionen zur Wiedergewinnung des Schwefels wurde bereits in
der Specification eines von W. H. Leighton im October
1836 genommenen Patentes empfohlen und erst nach Verlauf eines langen Zeitraumes,
während dessen man sie offenbar ganz aus dem Gesichte verloren hatte, wurden von Townsend und Walker am 11.
December 1860, von J. L. Jullion am 9. Februar 1861 und
von A. Noble am 6. Juli 1861 auf ähnliche Processe zu
gleichem Zwecke Patente genommen.
Nach allen diesen Methoden hätte man sicherlich aus den Sodarückständen Schwefel
gewinnen können, aber durch keine derselben wurde die eigentliche Schwierigkeit der
Aufgabe gelöst, welche darin bestand, den Schwefel in solcher Menge und mit so
niedrigen Kosten zu gewinnen, daß dieser Industriezweig sich als lohnend erwies.
Im Jahre 1861 nahm ich in Frankreich ein Patent auf ein Verfahren, welches ungeachtet
seiner Unvollkommenheit insofern einen bedeutenden Fortschritt bildete, als es das
erste war, mittelst dessen eine einigermaßen beträchtliche Schwefelmenge aus den
Sodarückständen gewonnen werden konnte. Alle früher patentirten Methoden gingen
dahin, die Rückstände
nur einmal zu oxydiren, indem man sie in Haufen oder in Reservoirs längere Zeit der
Einwirkung der Atmosphäre überließ, hernach sie auszulaugen, den Rest der Rückstände
aber wegzuwerfen.
Ich habe zuerst nachgewiesen, daß die Bildung löslicher Verbindungen von Calcium und
Schwefel in den Rückständen in Folge ihrer Oxydation nur bis zu einer gewissen
Maximalmenge stattfindet und daß das Quantum dieser Verbindungen bei länger
andauernder Berührung der Rückstände mit der Luft wieder abzunehmen beginnt; daß
jedoch nach Entfernung dieser löslichen Verbindungen durch Auslaugen der ausgelaugte
Rückstand nach erneuerter Einwirkung der Luft eine zweite sehr erhebliche Menge
löslicher Schwefelverbindungen gibt, und daß sogar eine dritte Wiederholung dieses
Verfahrens nöthig ist, um die Sodarückstände zu erschöpfen.
Auf diese Weise gelang es mir, aus den Sodarückständen beinahe dreimal so viel
Schwefel zu gewinnen, als dieß nach irgend einer der früheren Methoden möglich
gewesen wäre. Da ich bis zu dieser Zeit leider nur mit Rückständen zu thun hatte,
welche in Folge besonderer Fabricationsverhältnisse außergewöhnlich dicht waren, so
scheiterten alle meine Bemühungen, sie in Haufen von einiger Größe oder durch
Einpressen von Luft bis zu einiger Tiefe zu oxydiren (welche beiden Mittel ich
wiederholt versuchte, bevor ich ein Patent nahm). Ich sah mich demnach veranlaßt,
die Rückstände in dünnen Schichten auf großen Bühnen auszubreiten, um ihre Oxydation
herbeizuführen. Ein solches Verfahren war ganz geeignet für kleine Werke, wie die,
mit denen ich damals in Verbindung stand, auf denen ein geschickter Arbeiter täglich
etwa 1 Shilling Lohn erhält und wo zu jener Zeit die Tonne Schwefel einen Werth von
12 Pfd. Sterl. hatte; aber die Unbrauchbarkeit dieses Oxydationsverfahrens wurde mir
sofort klar, als ich dasselbe in England einzuführen versuchte, wo die Großartigkeit
der Fabriken, sowie die Höhe der Arbeitslöhne alles, was ich in dieser Beziehung
bisher gekannt hatte, so weit übertraf. Sehr bald gewann ich denn auch die
Ueberzeugung, daß die in den brittischen Fabriken fallenden Rückstände, welche weit
poröser sind als alle von mir bisher verarbeiteten, ein einfacheres Verfahren
gestatten und mir aller Wahrscheinlichkeit nach die Ausführung eines alten
Lieblingsgedankens ermöglichen würden: nämlich die Oxydirung der Rückstände mittelst
Hindurchpressen von Luft, ihr Auslaugen in demselben Gefäße und die Wiederholung
dieses Verfahrens bis zur Erschöpfung der Rückstände, ohne dieselben aus einem
Gefäße in ein anderes transportiren zu müssen. Diese Ansichten erwiesen sich bald
als richtig und nachdem es mir gelungen war, die Rückstände auf diesem Wege in so
vielen Stunden zu
oxydiren, als dazu bisher Tage erforderlich gewesen waren, konnte ich auch das
wiederholte Oxydiren und Auslaugen in denselben Gefäßen vornehmen, in denen die
Rückstände ursprünglich enthalten waren, ohne die Anzahl dieser Gefäße zu bedeutend
vermehren zu müssen. Handarbeit wurde bei diesem Theile des Processes gänzlich
vermieden und damit die schwierigste Seite der Aufgabe glücklich gelöst. Die
feuchten Sodarückstände enthalten, wie sie in den Fabriken entstehen, nicht über 12
Proc. Schwefel, von welchem ich bis jetzt die Hälfte wiederzugewinnen im Stande war
(während mittelst der beiden anderen Methoden 40 bis 50 Proc. davon extrahirt werden
sollen). Nach meiner jetzigen Methode werden sämmtliche Operationen binnen 60 bis 72
Stunden ausgeführt, und zwar mit Hülfe eines Ventilators, welcher die Luft durch die
Rückstände hindurchpreßt, und mittelst einer Pumpe zum Heben der Lauge. Zum Betriebe
beider Vorrichtungen ist eine nur geringe Dampfkraft erforderlich.
Der Proceß selbst wird in nachstehender Weise ausgeführt: Das erste Product der
Sodafabrication nach Leblanc's Verfahren, die Rohsoda
(black ash), wird jetzt fast allgemein in einem
Apparate mit Wasser ausgelaugt, welcher zu diesem Zwecke zuerst in Großbritannien
angewendet wurde und aus einer Reihe von quadratischen, aus Eisenblech angefertigten
Kästen besteht, welche in sehr einfacher und sinnreicher Weise durch Röhren und
Hähne so miteinander in Verbindung stehen, daß das Wasser zunächst in einen mit
beinahe schon erschöpfter Rohsoda beschickten Behälter tritt und aus diesem
allmählich in andere mit reicherer Rohsoda beschickte Kästen fließt, bis es in dem
letzten Kasten mit ganz frischer Rohsoda zusammen kommt und sich in eine
concentrirte Lauge verwandelt, bevor es den Apparat verläßt. Der unlösliche
Rohsodarückstand bleibt, seines ganzen Alkaligehaltes beraubt, in den Behältern
zurück und ist, da er während der ganzen Dauer des Auslaugens von der Flüssigkeit
durchdrungen war, natürlich sehr porös.
Diese Behälter oder Auslaugkästen sind stets mit einem durchlöcherten falschen Boden
versehen und für die Anwendung meines Verfahrens steht der zwischen den beiden Böden
eines jeden Kastens befindliche Raum durch ein (zur Regulirung der dem Behälter
zuzuführenden Luftmenge mit einem Register versehenes) Rohr mit einem
Ventilatorgebläse in Verbindung. Eine Pressung der Luft von mehr als 6 Zoll
Wassersäule ist niemals nothwendig, gewöhnlich genügt ein halber Zoll Wasserdruck,
welcher mittelst eines gewöhnlichen Schmiedeventilators leicht erzeugt werden
kann.
Sobald die letzte schwache Lauge von den Rückständen abgelaufen ist, so wird das erwähnte
Register geöffnet und Luft durch die Rückstände gepreßt. Dieselben beginnen sich zu
erhitzen und ihre Temperatur steigt bald auf ungefähr 94° C.; es entwickelt
sich aus ihnen Wasserdampf und ihre Oberfläche bedeckt sich mit glänzend gelben
Flecken. Durch diese Flecken, die Temperatur der Rückstände und die Menge der aus
ihnen aufsteigenden Wasserdämpfe vermag der geübte Arbeiter sehr wohl zu erkennen,
wenn der gehörige Oxydationsgrad eingetreten ist, was gewöhnlich nach zwölf-
bis sechzehnstündigem Blasen der Fall ist. Dann werden die oxydirten Rückstände
zugedeckt und mit Wasser vollständig ausgelaugt. Nachdem die gebildete Lauge
abgezogen worden, wird ganz in derselben Weise wie vorher, wieder Luft durchgeblasen
und wiederum ausgelaugt; hierauf wird das Verfahren noch zum dritten Male
wiederholt. Die bei dieser Behandlung erhaltenen schwächeren Laugen werden durch
einen oder mehrere mit oxydirten Rückständen gefüllte Auslaugkästen geleitet, um sie
zu concentriren.
Der ganze Oxydirungs- und Auslaugproceß ist ungeachtet seiner dreimaligen
Wiederholung binnen 60–72 Stunden vollendet und erfordert an Auslaugkästen
nur anderthalb mal so viel, als das gewöhnliche Auslaugen der Rohsoda. In den
meisten Fabriken werden hierzu Batterien von je vier Kästen benutzt: diese sind
demnach für mein Verfahren in Batterien von je zehn Stück umzuwandeln, welche
sämmtlich auf die gewöhnliche Weise durch Röhren und Hähne miteinander verbunden und
mit einem Ventilator in Verbindung gesetzt werden. Vier von diesen zehn Reservoirs
sind bei jedem Auslaugen mit Rohsoda und die übrigen sechs mit den nach meinem
Verfahren zu behandelnden Rückständen beschickt. Sobald die letzteren vollständig
ausgelaugt worden, werden sie ausgetragen und die entleerten Gefäße wieder mit
frischer, in der gewöhnlichen Weise auszulaugender Rohsoda beschickt, so daß beide
Operationen, das Auslaugen der Rohsoda und die Extraction des Schwefels aus den
Rückständen, ohne Unterbrechung vor sich gehen.
Die ausgetragenen Rückstände sind von allem wieder gewinnbaren Schwefel befreit und
enthalten nur noch geringe Mengen von Schwefelverbindungen, welche von anderen
Bestandtheilen so umhüllt sind, daß die Luft auf sie nicht einwirken, somit eine
nachtheilige Entwickelung von Schwefelwasserstoffgas, oder eine Bildung der
bekannten, ebenfalls so nachtheilig wirkenden gelben Flüssigkeit in den
Rückstandshaufen nicht statt finden kann. Fast der ganze, in denselben
zurückbleibende Schwefel ist als schwefligsaurer und schwefelsaurer Kalk vorhanden,
welche beide ganz unschädlich sind; außerdem enthalten die nach meinem Verfahren
ausgelaugten Rückstände noch Kalkhydrat, kohlensauren Kalk, etwas Natron, Thonerde und
lösliche Kieselsäure, sie bilden somit für manche Bodenarten ein werthvolles
Düngmaterial.
Die aus den Rückständen erhaltene Lauge, die sogen. Schwefellauge (sulphur liquor) ist dunkelgelb gefärbt und enthält 4 bis
7 Proc. Schwefel in Lösung und zwar hauptsächlich in Form von unterschwefligsaurem
Kalk, Calciumpolysulfuret und Calciumsulfhydrat. Gewöhnlich wird die Oxydation der
Rückstände so regulirt, daß man Laugen erhält welche so nahe als möglich soviel
Sauerstoff in Form von Unterschwefligsäure enthalten, als erforderlich ist um sowohl
das Calcium als den Wasserstoff im Polysulfuret und Sulfhydrat zu oxydiren. Die
gelbe Schwefellauge wird in hölzerne Gefäße abgezapft und mit einer aequivalenten
Menge Salzsäure versetzt; gleichzeitig wird Dampf eingeführt, so daß die Temperatur
des Gemisches auf 60 bis 65° C. erhalten wird.
Die Menge der zuzusetzenden Salzsäure kann der Arbeiter nach der Färbung des
Gemisches in verschiedenen Theilen des Gefäßes leicht beurtheilen und folglich
reguliren; schwarz an der Eintrittsstelle der Lauge, verändert sich diese Färbung in
Grauweiß, und dann in ein helles Gelb an der Stelle, wo die Lauge mit der Säure
zusammentrifft.
Bei der angegebenen Temperatur entbinden sich weder merkliche Mengen von
Schwefelwasserstoff noch von Schwefligsäure, sondern beinahe der ganze in der Lauge
enthaltene Schwefel wird in sehr reinem Zustande ausgefällt. Ist das Gefäß mit
Flüssigkeit gefüllt, so läßt man es einige Stunden ruhig stehen; der Schwefel setzt
sich sehr rasch auf dem Boden ab und die über ihm stehende klare Flüssigkeit, welche
jetzt hauptsächlich Chlorcalcium und meistens nur ein Tausendtel freie Säure oder
unterschwefligsauren Kalk enthält, wird nun abgezogen.
Hierauf wird das Gefäß zum zweiten, gewöhnlich auch zum dritten Male mit Lauge und
Säure beschickt, und der in ihm angehäufte Schwefel wird durch eine am unteren Ende
angebrachte Thür in einen mit Siebboden versehenen Holzkasten gekrückt. Im letzteren
wird das Product mit Wasser gut ausgewaschen und dann nach dem Trocknen in einem
eisernen Tiegel zusammen geschmolzen. Dieser Schwefel ist sehr rein, denn er enthält
kaum 1 Proc. fremder Beimengungen, ist also besser als sämmtliche in England
eingeführten Schwefelsorten.
Die wesentlichen Bestandtheile der Schwefellauge werden in folgender Weise
bestimmt.
Die Bestimmung des Unterschwefligsäuresalzes geschieht in gewöhnlicher Weise mittelst
einer Normal-Lösung von Jod und Stärke nach vorherigem Zusatze von
essigsaurem Zinkoxyd. Ein anderer Antheil der Lauge wird direct bis zum Eintreten
der blauen Färbung mit Jodstärke versetzt; dann wird diese blaue Färbung mittelst eines
Tropfens von unterschwefligsaurem Natron wieder beseitigt und die Flüssigkeit mit
Lackmustinctur und Aetznatron versetzt, bis alle freie Säure neutralisirt ist.
Diese freie Säure (also das verbrauchte Aetznatron) ist dem vorhandenen
Schwefelwasserstoff äequivalent und aus den durch die angegebenen drei Proben
erhaltenen Zahlen läßt sich die Menge des als Polysulfuret vorhandenen Calciums auf
einfache Weise berechnen; da dieses Polysulfuret nur selten mehr als zwei Aequiv.
Schwefel auf ein Aequiv. Calcium enthält, so gibt diese Probe auch den
Schwefelgehalt der Lauge mit einer für die Praxis hinlänglichen Genauigkeit an.
War das Verhältniß des Unterschwefligsäuresalzes zum Sulfuret ganz richtig bestimmt,
so beträgt die bei der ersten Probe verbrauchte Jod menge ein Fünftel von der bei
der zweiten Probe verbrauchten. In der Praxis zeigen die Laugen selbstverständlich
geringe Abweichungen von diesen Verhältnissen, doch halten sich diese Schwankungen
in so engen Grenzen, daß es in keiner der Fabriken, welche bis jetzt mein Verfahren
eingeführt haben, für nothwendig gehalten wurde, das von mir zur Vermeidung jeder
Unregelmäßigkeit im Betriebe empfohlene sehr einfache Mittel anzuwenden, welches
darin besteht, eine an Unterschwefligsäuresalz oder an Sulfureten reiche Lauge
vorräthig zu halten und von dieser zuzusetzen, sobald sich beim Niederschlagen des
Schwefels eine Gasentwickelung einstellt.
Indessen werden die Gefäße, in denen man die letztere Operation vornimmt, stets lose
bedeckt und mit einer Esse in Verbindung gesetzt, so daß alle zufälliger Weise frei
werdenden Gase ohne Gefährdung des Arbeiters abziehen können; oder die Gefäße
werden, was vorzuziehen ist, mit dem die Luft durch die Rückstände
hindurchtreibenden Ventilator in Verbindung gesetzt, so daß die entwickelten Oase
bei ihrem Durchgange durch jene absorbirt werden und daher der Schwefelgehalt dieser
Gase nicht verloren geht.
An Orten wo die Salzsäure einen verhältnißmäßig hohen Werth hat, und wo Soda
gleichzeitig mit Chlorkalk fabricirt wird, kann die in den Chlorblasen
zurückbleibende saure Flüssigkeit zur Abscheidung des Schwefels aus der
Schwefellauge benutzt werden, ein schon im Jahre 1860 von Townsend und Walker vorgeschlagenes Verfahren,
welches jetzt in großem Maaßstabe in Dieuze angewendet wird.
Da die Chlorblasenrückstände neben freier Salzsäure auch Manganchlorür, Eisenchlorid
und etwas freies Chlor enthalten, so muß in diesem Falle die Schwefellauge an
Sulfureten reicher seyn, als dieß bei Benutzung von bloßer Salzsäure erforderlich
ist, damit auch die genannten Verbindungen durch diese Sulfurete reducirt werden. In
jeder anderen Beziehung verfahre ich genau in der beschriebenen Weise. Der mittelst
des Chlorblasenrückstandes ausgeschiedene Schwefel ist dunkel gefärbt und enthält
bis 5 Proc. fremdartige Beimengungen. Das in Dieuze befolgte Verfahren ermöglicht
auch die Wiedergewinnung von etwa einem Zwölftel des Mangangehaltes der
Chlorblasenrückstände als Superoxyd. Hinsichtlich dieser Wiedergewinnung wurden
schon seit längerer Zeit mittelst des bekannten Verfahrens von Dunlop in der chemischen Fabrik von Tennant u. Comp. zu Glasgow die befriedigendsten Resultate erzielt.
Ich habe noch über ein anderes Verfahren zur Abscheidung des Schwefels aus der
Schwefellauge zu berichten, welches ich befolgte bevor ich die beschriebene Methode
annahm und das in vielen deutschen Fabriken noch jetzt angewendet wird. Nach
demselben wird die Schwefellauge zunächst mit Schwefligsäure behandelt, bis alle
Sulfurete in Unterschwefeligsäuresalze verwandelt sind; hierauf wird sie mittelst
Dampf auf 100° C. erhitzt und nach und nach mit Salzsäure versetzt, bis alles
Unterschwefligsäuresalz zersetzt ist. Dann läßt man noch weiter Dampf einströmen bis
alle Schwefligsäure ausgetrieben ist; diese leitet man in ein zweites, mit der
ursprünglichen Lauge gefülltes Gefäß, um darin die erwähnte Umwandlung der Sulfurete
in unterschwefligsaure Salze zu bewirken. Meinen Beobachtungen zufolge kann indessen
diese Umwandlung nur bei solchen Laugen stattfinden, welche ursprünglich sehr reich
sind an Unterschwefligsäuresalz, weil (im Widerspruche mit allgemein verbreiteten
Ansichten) nur sehr geringe Mengen von Schwefligsäure durch den zweiten Theil dieser
Methode erhalten werden können, indem sich anstatt derselben große Mengen
Schwefelsäuresalz bilden. Unterschwefligsaurer Kalk und Salzsäure bilden zunächst
Schwefel und Trithionsäuresalz, und letzteres zersetzt sich dann in Schwefel,
Schwefelsäuresalz und Schwefligsäure.
Wenn auch bei diesem Verfahren ein beträchtliches Quantum von Salzsäure erspart
werden konnte, so bot diese doch keineswegs ein Aequivalent für den in Form von
Schwefelsäuresalz verloren gehenden Schwefel; überdieß würde eine Ersparung an
Salzsäure, besonders in England, nicht wünschenswerth seyn. Je mehr von dieser Säure
verbraucht wird, desto mehr muß die ungeheure Menge derselben abnehmen, welche immer
noch in die Wasserläufe gelangt; nach den neuesten officiellen Erhebungen beträgt
solche mehr als die Hälfte der ganzen Production und belief sich im Jahre 1866 auf
ungefähr 120000 Tonnen wasserfreier oder auf 360000 Tonnen käuflicher Säure von
21° Baumé.
Eingehendere Aufschlüsse bezüglich der bei meinem Verfahren stattfindenden Reactionen
zu geben, bin ich zu meinem Bedauern nicht im Stande. Ungeachtet der Einfachheit der Endresultate sind
die auftretenden Reactionen doch in hohem Grade complicirt. Sehr wahrscheinlich
entstehen alle die zahlreichen Verbindungen von Wasserstoff, Schwefel und Sauerstoff
(insbesondere Wasserstoffsupersulfid, Trithionsäure und Pentathionsäure) in dem
einen oder anderen Zeitpunkte. Leider ist unsere Kenntniß dieser Verbindungen noch
sehr unvollkommen; es ist aber zu hoffen, daß die hervorragende Rolle, welche sie
jetzt in einem so wichtigen Fabricationszweige spielen, einige unserer bedeutenden
Chemiker veranlassen wird, eine so lange vernachlässigte Classe von Körpern näher zu
erforschen. Ohne Zweifel würde damit dem neu gegründeten und rasch wachsenden
Industriezweige ein großer Dienst geleistet und gleichzeitig würden Resultate vom
höchsten Interesse für die theoretische Chemie gewonnen werden, da diese
Verbindungen mit den modernen chemischen Ansichten offenbar nur wenig in Einklang
stehen.
Mittelst des Verfahrens, welches ich im Vorstehenden skizzirte, wird die volle Hälfte des in den Sodarückständen enthaltenen Schwefels
wiedergewonnen, und ich zweifle nicht an der Möglichkeit, diese Ausbeute
bei längerer Erfahrung noch vermehren zu können.
Wie leicht einzusehen, sind bei diesem Verfahren die Anlage- und
Fabricationskosten sehr gering; eine Einrichtung zur Extraction von 10 Tonnen
Schwefel per Woche läßt sich für 800 Pfd. Sterl.
beschaffen und die Tonne Schwefel kann für 1 Pfd. Sterl. gewonnen werden. In Folge
feiner großen Reinheit wird dieser Schwefel nicht etwa als Ersatz für die Kiese bei
der Sodafabrication, sondern für Zwecke verwendet, zu denen bisher sicilianischer
Schwefel benutzt wurde, welcher einen weit höheren Werth als Schwefel in Form von
Kiesen hat und durchschnittlich über 6 Pfd. Sterl. per
Tonne kostet.
Einer glaubwürdigen Angabe zufolge ist die jährliche Ausfuhr von Schwefel aus
Sicilien in der letzten Zeit auf 200000 Tonnen gestiegen, von denen 50000 Tonnen
nach Großbritannien gingen. Die von der Verarbeitung von etwa 400000 Tonnen Kochsalz
herrührenden Sodarückstände, welche durch die brittische Sodafabrication jetzt
erzeugt werden, würden ungefähr 40000 Tonnen Schwefel liefern. Somit ist dieser
Fabricationszweig durch Anwendung des in Rede stehenden Processes auf die jährlich
erzeugten, sowie auf einen nur geringen Theil der in der Nähe der Sodawerke
angehäuften Rückstände im Stande, unser Land mit der ganzen Schwefelmenge zu
versehen, welche es selbst consumirt und für welche es jetzt an Italien die
jährliche Summe von wenigstens 300000 Pfd. Sterl. bezahlt.
Für diesen Vortrag sprach der Vorsitzende der Section, Professor Frankland, dem Redner den Dank der Anwesenden mit dem
Bemerken aus, daß diese Mittheilungen von großer Wichtigkeit seyen. Er selbst als
Mitglied der Flußuntersuchungs-Commission, habe sich mit Untersuchungen über
die bisher durch die Sodarückstände verursachten Nachtheile zu beschäftigen gehabt,
welche er in manchen Fällen ganz unerträglich gefunden habe. Er habe seitdem Mond's Verfahren, in sehr großem Maaßstabe ausgeführt,
persönlich kennen gelernt und sich von dessen Einfachheit und Wirksamkeit
überzeugt.
A. E. Fletcher, Inspector der unter der „Alkali-Act“ stehenden
Sodafabriken, bemerkte, daß auch er sehr oft Grund gehabt habe, über die durch die
Sodarückstände veranlaßten Unannehmlichkeiten und Nachtheile Klage zu führen. Er
habe schon seit mehreren Jahren erkannt, daß das Mond'sche Verfahren in dieser Beziehung wirksame Abhülfe verschaffe und den
vollen Beweis für den praktischen Werth desselben gebe die Thatsache, daß es in
mehreren der bedeutendsten Fabriken mit dem besten Erfolge eingeführt werden
sey.