Titel: Eine neue chemische Wirkung des Lichtes.
Fundstelle: Band 193, Jahrgang 1869, Nr. CIII., S. 394
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CIII. Eine neue chemische Wirkung des Lichtes. Ueber eine neue chemische Wirkung des Lichtes. In der Sitzung der Royal Society vom 24. October v. J. theilte Tyndall die Entdeckung einer neuen Classe von chemischen Lichtwirkungen mit, deren Tragweite für die Wissenschaft noch nicht zu bemessen ist, die aber eine solche Anzahl höchst merkwürdiger und ungeahnter Erscheinungen ergeben, daß wir über dieselben einen möglichst ausführlichen Bericht erstatten wollen. Die Methode, durch welche diese neuen Phänomene ermittelt wurden, besteht darin, die flüchtigen Dämpfe von Flüssigkeiten der Wirkung des concentrirten Sonnen- oder elektrischen Lichtes auszusetzen. Zu diesem Zwecke wurde an dem einen Ende einer horizontalen, 80 bis 90 Centimeter langen und 7 1/2 Centimeter weiten Röhre eine elektrische Lampe so angebracht, daß die Achse der ausstrahlenden Lichtbündel mit der Achse der Röhre zusammenfiel. Die Röhre selbst war zuerst mit Steinsalzplatten, dann mit Glasplatten verschlossen, und stand einerseits durch ein Seitenrohr mit der Luftpumpe, andererseits durch eine zweite Oeffnung mit dem Gefäß in Verbindung, welches die zu verdampfende Flüssigkeit enthielt. In das mit der Flüssigkeit theilweise angefüllte Gefäß war ein nach außen offenes, innen bis auf den Boden reichendes Rohr geführt, durch welches man atmosphärische Luft oder ein sonstiges Gas in die Flüssigkeit leiten und so den Dämpfen derselben beimischen konnte. Die Röhre wurde leer gemacht, und das Gemisch von Luft und Dampf hineingelassen, während sie noch dunkel war, und dann wurde ein Bündel schwach convergirender elektrischer Lichtstrahlen durch die ganze Röhre geschickt. Während eines Momentes sah man in derselben Nichts; aber bevor eine Secunde verstrichen war, sah man in dem ganzen vom Lichte durchzogenen Raume eine Wolke flüssiger Kügelchen sich bilden, die eine Art Niederschlag bildeten. Die Wolke wurde mehr und mehr dicht, wegen der fortgesetzten Wirkung des Lichtes, und ließ hier und da lebhaftes Irisiren sehen. Das Lichtbündel wurde nun stärker convergirend gemacht, so daß es einen etwa 24 Centimeter langen Kegel bildete, der in die Röhre hineinragte. Die vorher gereinigte Röhre wurde im Dunkeln gefüllt. Als dann der Lichtkegel eindrang, war, nachdem man im ersten Moment Nichts gesehen, der Niederschlag so plötzlich und so stark, daß er einen blendenden Glanz annahm und in einen leuchtenden festen Körper verwandelt zu seyn schien. Die Natur dieser Wirkung hat Tyndall nicht näher untersucht, und überläßt es den Chemikern, die Producte dieser neuen Reaction gründlicher zu prüfen. Soviel scheint sicher, das Molecül des salpetrigsauren Amyls wird durch bestimmte Wellen des elektrischen Lichtes zersetzt, es entstehen salpetrige Säure und andere Producte, von denen eines sicher salpetersaures Amyl ist. Die braunen Dämpfe der salpetrigen Säure erkennt man an der Farbe in der Wolke der Experimentir‐Röhre. Das salpetersaure Amyl hingegen, das weniger flüchtig als das Nitrit ist, kann sich im dampfförmigen Zustande nicht erhalten, und muh sich auf der Bahn der Lichtstrahlen in flüssigen Kügelchen niederschlagen; der flüssige Niederschlag spricht für seine Anwesenheit. In den vorderen Theilen der Röhre übt der Dampf einen absorbirenden Einfluß aus, er vermindert die chemische Wirkung auf die hinteren Theile. In einigen Versuchen erstreckte sich der wolkenartige Niederschlag genau auf die erste Hälfte der Röhre. Wenn dann in diesem Falle die Lampe an's andere Ende der Röhre gebracht, und das Licht in entgegengesetzter Richtung hineingesandt wurde, erfolgte in der zweiten Hälfte dieselbe Wirkung und derselbe Erfolg trat hier auf, wie in der ersten. Das Sonnenlicht bewirkt in gleicher Weise die Zerlegung des Dampfes von salpetrigsaurem Amyl. Am 10. October wurde in der Royal Institution ein Theil eines kleinen, von der Sonne erleuchteten Zimmers dunkel gemacht, indem man den Strahlen nur durch eine Oeffnung im Fensterladen den Zutritt gestattete. Das Lichtbündel siel auf eine große planconvexe Linse, und es entstand jenseits dieser Linse ein convergirender Lichtkegel, welcher die in der Zimmerluft herumfliegenden dunklen Theilchen vollkommen sichtbar machte. Die Experimentir‐Röhre wurde im Laboratorium gefüllt, mit einem schwarzen Stoffe bedeckt und nach dem dunklen Theile des Zimmers gebracht. Sowie sie dann hinter die Linse gebracht wurde, bildete sich längs der Richtung der Lichtstrahlen ein reichlicher Niederschlag. An dem der Linse entgegengesetzten Ende war der Dampf zum Theil gegen die Wirkung des Lichtes durch den Dampf geschützt, welcher sich vorn befand, außerdem war die Wirkung dadurch verringert, daß hier die Strahlen wieder auseinander gingen, die Erfolge waren deßhalb hier viel geringer. Als aber das zweite Ende seinerseits der Linse zugekehrt wurde, war die Wirkung in den beiden Hälften der Röhre umgekehrt. Tyndall stellte sich weiter die Aufgabe, die besonderen Bestandtheile des weißen Lichtes zu bestimmen, welche die erwähnten Wirkungen hervorbringen. Zunächst zeigte sich, daß, wenn das Lichtbündel in die Experimentir‐Röhre drang, nachdem es durch rothes Glas gegangen, der Erfolg bedeutend schwächer, aber nicht ganz aufgehoben war. Das Gleiche war der Fall bei gelben Gläsern verschiedener Nüancirungen. Wurde neben dem gelben oder rothen Glase noch ein blaues den Lichtstrahlen dargeboten, so erfolgte ein stärkerer Niederschlag; und wenn man dann das rothe entfernte, so trat eine neue Vermehrung des Niederschlages ein. Für diese Farben besitzen somit die brechbarsten Strahlen auch die größte chemische Kraft auf das salpetrigsaure Amyl. Die Farbe dieser chemischen Verbindung weist darauf hin, daß auch im weißen Lichte die blauen Strahlen die wirksamsten seyn werden. Das salpetrigsaure Amyl ist nämlich zwar schwach, aber entschieden gelb, d. h. die gelben Strahlen werden am leichtesten reflectirt. Nun sind es aber nicht die zurückgeworfenen Strahlen, welche chemische Wirkungen erzeugen, sondern die absorbirten. Hier wird das Blau als Complementärfarbe des Gelb absorbirt, und daher die kräftigere Wirkung der blauen Strahlen. Eine Lösung von chromsaurem Kali kann so hergestellt werden, daß ihre Farbe fast der des Amyl‐Nitrits identisch ist; sie wirkt dann auch stärker hemmend auf die chemischen Strahlen, als die rothen oder gelben Gläser. Aber von allen untersuchten Substanzen gleicht keine dem Nitrit selbst; leine absorbirt so die Strahlen, welche auf seinen Dampf wirken. Eine nur 4 Millimeter dicke Schicht dieser Flüssigkeit, welche kaum merklich die Intensität des Lichtes schwächt, genügt, um einem concentrirten Bündel elektrischen Lichtes jede chemische Kraft zu rauben. (Naturforscher.)