Titel: Ueber die chemische Natur des Anilingrüns; von A. W. Hofmann und C. Girard.
Fundstelle: Band 194, Jahrgang 1869, Nr. XXI., S. 66
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XXI. Ueber die chemische Natur des Anilingrüns; von A. W. Hofmann und C. Girard. Aus den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin, 1869, Nr. 14. Hofmann und Girard, über die Natur des Anilingrüns. Die Fabrication der Anilinfarben, obwohl noch so neuen Ursprungs, hat sich gleichwohl schon nach so mannichfaltigen Richtungen verzweigt, daß die Wissenschaft nur mühsam und aus der Ferne allen den zahlreichen Entdeckungen folgt, welche sich auf diesem großen Industrie-Gebiete alltäglich vollenden. Wenn es den Untersuchungen der Chemiker bisher gelungen war, Schritt für Schritt Zusammensetzung und Bildungsweise des Anilinroths und seiner blauen und violetten Abkömmlinge aufzuklären, so hatte man sich bis jetzt vergeblich bemüht, auch die Natur der prachtvollen grünen Farbstoffe zu ermitteln, mit denen die Reihe der aus der Steinkohle abstammenden tinctorialen Körper durch die Ausdauer und den Erfindungsgeist der Fabrikanten in letzter Zeit bereichert worden ist. Wir haben uns im Laufe des verflossenen Jahres vielfach mit dem grünen Farbstoffe beschäftigt, welcher in dem Handel unter dem Namen Jodgrün geht und dessen industrielle Verwerthung schnell einen außerordentlichen Aufschwung genommen hat. Wir wollen nun etwas ausführlicher die Ergebnisse mittheilen, zu denen uns die Untersuchung dieses merkwürdigen Körpers geführt hat. Der mit dem Namen Jodgrün (vert à l'iode) bezeichnete Farbekörper entsteht als Nebenproduct in der Fabrication der durch Methylirung und Aethylirung aus dem Rosanilin gebildeten violetten Farbstoffe, welche der EineHofmann, Proceedings of the Royal Society, vol. XIII p. 13. von uns vor etwa sechs Jahren in die Industrie eingeführt hat. Es ist zumal bei der Darstellung des Methylvioletts, daß das Jodgrün gebildet wird. Die erste Beobachtung des Jodgrüns geht bis zur Entdeckung der methylirten Violette zurück, allein sie beschränkte sich damals auf die Wahrnehmung der grünen Umrandung, mit welcher sich ein violetter Fleck umzieht, wenn man einen Tropfen des Rohproductes der Wechselwirkung zwischen Jodmethyl und Rosanilin auf Fließpapier fallen läßt. Alle Versuche, diesen grünen Farbstoff zu isoliren, sind fruchtlos geblieben, so lange man im kleinen Maaßstabe arbeitete, und es war wiederum der Industrie, die schon so oft den Fortschritt der Wissenschaft beschleunigt hat vorbehalten, eine genauere Kenntniß des neuen Körpers anzubahnen, indem es ihr gelang, zunächst das Grün von dem Violett zu trennen, dann aber die Bedingungen seiner Bildung soweit zu ermitteln, daß man an seine Verwerthung in der Färberei denken konnte. Schon im Laufe des Jahres 1866 war das Jodgrün Gegenstand einer regelmäßigen Fabrication im Großen geworden, welche seitdem eine außerordentliche Ausdehnung gewonnen hat. Fabrication des Jodgrüns. Zum besseren Verständniß des Folgenden wird es zweckmäßig seyn, einige Worte über die Fabrication des Jodgrüns vorauszuschicken. Die Agentien, welche in der Regel in Anwendung kommen, sind Rosanilin-Acetat, Jodmethyl und Methylalkohol, sämmtlich im Zustande völliger Reinheit. Die Mischungsverhältnisse wechseln innerhalb beträchtlicher Grenzen. Die folgenden liefern ein befriedigendes Resultat: 1 Th. Rosanilin-Acetat, 2 Th. Jodmethyl, 2 Th. Methylalkohol. Man kann das Jodmethyl durch eine äquivalente Menge Brommethyl (1,3 Th.) ersetzen; in der Fabrication giebt man aber dem Jodmethyl den Vorzug.Wenn man die niedrigen Preise bedenkt, auf welche das Brom durch die großartige Bromfabrication aus den Staßfurter Abraumsalzen herabgesunken ist, wenn man ferner das kleinere Aequivalent des Broms in Erwägung zieht, so ist es befremdlich, daß die Industrie noch keine größeren Anstrengungen gemacht hat, das Jod in der Farbenfabrication durch das Brom zu ersetzen. Unter diesen Umständen verdienen einige Erfahrungen Beachtung, welche wir im Laufe unserer Untersuchungen zu machen Gelegenheit gehabt haben. Die Hauptschwierigkeit bei der Handhabung des Brommethyls und Bromäthyls liegt offenbar in den niedrigen Siedepunkten beider Verbindungen (13° und 40° C.), welche große Verluste herbeiführen. Man kann diese Schwierigkeit sehr einfach umgehen, wenn man das so leicht darstellbare Bromamyl, von dem wohlgelegenen Siedepunkte 120°, beziehungsweise mit Methyl- und Aethylalkohol auf die zu methylirenden und äthylirenden Basen in den Autoclaven bringt. In einer ersten Phase der Reaction entsteht unter Rückbildung von Amylalkohol Brommethyl und BromäthylC⁵H¹¹Br + CH³HO = C⁵H¹¹HO + CH³Br,welche die Methylirung und Aethylirung fast ebenso gut besorgen, als reines Brommethyl und Bromäthyl. Die Reaction erfolgt in großen Autoclaven von emaillirtem Schmiede- oder Gußeisen, welche einem Druck von 25 Atmosphären zu widerstehen im Stande sind. Diese Apparate sind von einer Wärmehülle umgeben, in welcher 8 bis 10 Stunden lang ein Strom siedenden Wassers circulirt. Nach Ablauf dieser Zeit ist die Operation beendet und man läßt den Autoclaven erkalten. Derselbe enthält nunmehr in Methylalkohol gelöst ein Gemenge violetter und grüner Farbstoffe, außerdem hat sich in beträchtlicher Menge Essigsäure-Methyläther und endlich Methyläther selbst gebildet, welcher beim Oeffnen des Autoclaven mit Gewalt ausströmt. Nachdem die flüchtigen Producte durch Destillation entfernt sind, benutzt man die ungleiche Löslichkeit der verschiedenen gebildeten Farbstoffe im Wasser, um sie von einander zu scheiden. Zu dem Ende wird der in dem Autoclaven zurückgebliebene Färbebrei in eine große Menge siedenden Wassers gegossen. Das Grün löst sich vollständig, die violetten Farbstoffe bleiben ungelöst, mit Ausnahme einer kleinen Quantität, welche durch die während der Reaction in Freiheit gesetzte Säure in Lösung geht. Das unlösliche Violett wird durch Filtration getrennt. Um die kleine Menge gelüsten Violetts niederzuschlagen, fügt man zu der Flüssigkeit Kochsalz, indem man gleichzeitig die freie Säure durch Natriumcarbonat abstumpft. Um in der tiefgefärbten Flüssigkeit den Sättigungspunkt zu erkennen, filtrirt man von Zeit zu Zeit eine Probe ab, und taucht statt des Lackmusstreifens einen dünnen Seidestrang in die Lösung; sobald derselbe eine rein grüne Farbe annimmt, ohne alle Beimischung von Violett oder Blau, hört man mit dem Zusatz von Natriumcarbonat auf: die Fällung des Violetts ist vollendet. Die vollkommen erkaltete Flüssigkeit geht zur Abscheidung des zuletzt gefällten Violetts nochmals durch ein Landfilter und wird alsdann durch eine kaltgesättigte Lösung von Pikrinsäure in Wasser gefällt. Da das Picrat des Grüns in Wasser nur wenig löslich ist, so wird es auf einem Filter gesammelt, flüchtig mit Wasser gewaschen und nach dem Abdampfen als Färbebrei (pâte) in den Handel gebracht. Die in dem beschriebenen Processe als Nebenproducte erhaltenen violetten Körper sind begreiflich nicht verloren. Man verwandelt sie, da sie als Jodide fallen, durch Behandlung mit Natriumhydrat in die entsprechenden Basen, welche von Neuem unter geeigneten Bedingungen mit Jodmethyl behandelt werden, um weitere Mengen von Jodgrün zu liefern. Darstellung des krystallisirten Jodgrüns. Um das Jodgrün im krystallisirten Zustande zu erhalten, bedarf es nur einer leichten Modifikation des beschriebenen Ganges. Zunächst wird man das gefärbte Reactionsproduct in eine weit geringere Menge sieden den Wassers eingießen, dann aber nach dem Zusatze des Kochsalzes die Flüssigkeit mit einer größeren Menge von Natriumcarbonat versetzen, um der vollständigen Ausfüllung der violetten Materien sicher zu seyn, selbst auf die Gefahr hin, eine kleine Menge des grünen Farbstoffes, welcher durch einen Ueberschuß von Natriumcarbonat, zumal beim Sieden, leicht verändert wird, zu opfern. Die filtrirte Flüssigkeit setzt beim Erkalten in beträchtlicher Menge Krystalle von Jodgrün ab, welche einher zweimal mit kaltem Wasser gewaschen werden, um kleine Mengen von anhangendem Kochsalz zu trennen. Man trocknet die Krystalle schließlich bei gewöhnlicher Temperatur. Um die so gewonnenen Krystalle in einem für die Analyse geeigneten Zustande zu erhalten, wurden sie in warmem absolutem Alkohol gelöst, und die Lösung nach dem Filtriren in einen großen Ueberschuß völlig trockenen Aethers gegossen; es entstand ein glänzender krystallinischer Niederschlag, welchen man auf einem Filter sammelte, mit kaltem Aether wusch und nach dem Verdunsten des Aethers über Schwefelsäure trocknete. Der krystallinische Niederschlag ward schließlich in warmem Alkohol gelöst; beim Erkalten schieden sich prächtige Prismen des chemisch reinen Jodgrüns ab. Diese Krystalle, welche den eigenthümlichen Metallglanz der Flügeldecke der Cantharide zeigen, sind das Jodid der Base. Bei einer anderen Darstellung war die Abscheidung des Violetts mittelst Kochsalz und Natriumcarbonat minder glücklich von Statten gegangen. Man fand es zweckmäßig, die aus der mit Kochsalz und Natriumcarbonat versetzten Flüssigkeit abgeschiedenen Krystalle in absolutem Alkohol zu lösen und mit trockenem Aether zu fällen, diese Behandlung mit Alkohol und Aether zu wiederholen, die letzte Aetherfällung in heißem Wasser zu lösen und die aus dem Wasser abgeschiedenen Krystalle schließlich aus warmem Alkohol umzukrystallisiren. Noch verdient bemerkt zu werden, daß wir auch bisweilen die Lösungen des Grüns, wie man sie nach Behandlung der Rohlauge mit Kochsalz und Natriumcarbonat erhält, direct mit Jodkalium gefällt haben Das Grün, welches in concentrirter Jodkaliumlösung nahezu unlöslich ist, fällt alsbald in flimmernden Krystallen aus, welche nach den oben angeführten Methoden weiter gereinigt werden. Sämmtliche auf den angegebenen Wegen erhaltenen Präparate, mehrere Tage lang über Schwefelsäure getrocknet, zeigten bei der Analyse dieselbe Zusammensetzung. Die beschriebenen Reinigungsmethoden sind zeitraubend und kostspielig, sie waren indessen, um zuverlässige analytische Resultate zu erhalten, nothwendig, da einerseits dem Grün hartnäckig eine kleine Menge des mit ihm gebildeten Violetts anhängt, andererseits das Grün selbst, wie sogleich weiter unten gezeigt werden soll, mit Leichtigkeit wieder in Violett übergeht. Zusammensetzung der Jodverbindung. – Zahlreiche Analysen, welche wir mit Präparaten von verschiedener Darstellung ausgeführt haben, zeigen, daß das über Schwefelsäure getrocknete Anilingrün nach der Formel Textabbildung Bd. 194, S. 70 zusammengesetzt ist. Läßt man das schwefelsäure-trockene Salz etwa zweimal vierundzwanzig Stunden im luftleeren Raum liegen, so erleidet es einen Gewichtsverlust, welcher 1 Mol. Wasser entspricht. Daß das zurückbleibende Salz die wasserfreie Verbindung ist, wurde überdieß durch die Analyse festgestellt. Uebrigens möge schon hier bemerkt werden, daß es nicht leicht ist, die wasserfreie Jodverbindung im reinen Zustande zu erhalten. Das Gewicht der Verbindung wird im Vacuum nicht constant. Nachdem 1 Mol. Wasser ziemlich rasch entwichen ist, nimmt das Gewicht des Körpers wochenlang Milligramm um Milligramm im luftleeren Raume ab, indem eine langsame Zersetzung eintritt. Dieser Umstand hat bei der Untersuchung viele Schmerzen verursacht. Platinsalz. – Die Zusammensetzung der Jodverbindung ist durch die Analyse mehrerer anderer Salze controlirt werden. Behandelt man die wässerige Lösung des jodwasserstoffsauren Salzes in der Kälte oder unter gelindem Erwärmen mit Chlorsilber, so entsteht unter Ausscheidung von Jodsilber das entsprechende Chlorid. Alle Versuche, dasselbe im krystallisirten Zustande zu erhalten, sind fehlgeschlagen. Das Chlorid trocknet im Vacuum über Schwefelsäure zu einer grünen, durchsichtigen, spröden, glasartigen Masse ein. Die Lösung desselben liefert mit Platinchlorid einen braunen, nicht krystallinischen, in Wasser, Alkohol und Aether unlöslichen Niederschlag, welcher im leeren Raume getrocknet die Zusammensetzung Textabbildung Bd. 194, S. 70 besitzt. Picrat. – Eine der schönsten und beständigsten Verbindungen, welche dieser Reihe angehören, ist das pikrinsaure Salz. Es wurde bereits oben erwähnt, daß die Industrie mit der ihr eigenthümlichen Spürkraft sehr bald auf die Pikrinsäure als Fällungsmittel für das Jodgrün gefallen ist, und daß in der That ein nicht unbeträchtlicher Theil des im Handel vorkommenden Farbstoffes die pikrinsaure Verbindung darstellt. Versetzt man eine wässerige Lösung der Jodverbindung mit einer wässerigen Pikrinsäurelösung, so entstehtensteht alsbald eine dunkelgrüne, scheinbar amorphe Fällung, die in Wasser fast absolut unlöslich ist. Nach dem Auswaschen ist keine Spur von Jod in dem Niederschlage zurückgeblieben. Unter dem Mikroskop erscheint der Niederschlag krystallinisch, aber erst beim Umkrystallisiren aus siedendem Alkohol, in dem das Salz außerordentlich schwer löslich ist, zeigt sich dieser Körper in seiner ganzen Schönheit. Beim langsamen Erkalten der Lösung setzen sich wohlausgebildete Prismen ab, gelbgrün im durchfallenden Lichte, wie frisch angeätztes Kupfer im reflectirten Lichte glänzend. Das Salz ist wasserfrei und kann ohne die geringste Veränderung bei 100° C. getrocknet werden. Seine Zusammensetzung entspricht der des Jodids und wird durch die Formel Textabbildung Bd. 194, S. 71 ausgedrückt. Auch das essigsaure und salpetersaure Salz des Grüns sind auf weiter unten anzugebenden Wegen erhalten worden. Das erstere krystallisirt in feinen Nadeln, letzteres in Prismen. Noch verdient schließlich eine außerordentlich schön krystallisirende und durch ihre Beständigkeit ausgezeichnete Doppelverbindung des Jodids mit Jodzink erwähnt zu werden, welche durch Fällung der Jodverbindung mit Zinkacetat oder Zinksulfat entsteht. Sie krystallisirt aus heisem Wasser in Prismen. Die trockene Substanz wird bei 100° nicht zersetzt. Die Analyse dieses Salzes ist noch nicht zu einem befriedigenden Abschluß gekommen. Die durch Tanninlösung gefällte Verbindung haben wir gar nicht zu analysiren versucht. –––––––––– Wenn die zahlreichen Analysen, die wir von dem Jodhydrat, von dem Platinsalze und dem Picrat ausgeführt haben, über die Zusammensetzung des Jodgrüns und seiner Abkömmlinge erhebliche Zweifel nicht wohl lassen können, so hat doch das Studium der Umwandlungen, welche dieser Farbstoff erleidet, weitere willkommene Belege für die Richtigkeit der aufgestellten Formeln geliefert. Umwandlungen des Jodgrüns. – Es wurde bereits erwähnt, daß das jodwasserstoffsaure Salz im luftleeren Raume kein constantes Gewicht annimmt. Werden Krystalle, welche einige Monate im luftleeren Raume gestanden haben, mit Wasser übergossen, so färbt sich dasselbe schön grün; übergießt man sie dagegen mit Alkohol, so nimmt die Flüssigkeit eine intensiv blaue Farbe an. Entfernt man die grüne wässerige Lösung von den ungelöst gebliebenen Krystallen, so lösen sich diese letzteren nunmehr in Alkohol mit schön violetter Farbe. Diese Umbildung in Violett erfolgt weit vollständiger und schon in einigen Stunden, wenn man die Krystalle des Jodhydrats der Temperatur des siedenden Wassers aussetzt; sie ist augenblicklich bei einer Temperatur von 130–150°. In siedendem Anilin z.B. löst sich das grüne Jodhydrat mit prachtvoll violetter Farbe. Der Uebergang von Grün in Violett ist mit einem sehr beträchtlichen Gewichtsverlust verbunden. Als die schwefelsäure-trockenen Krystalle, um die Natur dieses Verlustes zu ermitteln, in einem Destillirapparate erhitzt wurden, verdichtete sich zunächst etwas Wasser, alsdann destillirten farblose, das Licht stark brechende Oeltropfen, welche in Wasser untersanken und an ihren Eigenschaften als Jodmethyl erkannt wurden. Um jeden Zweifel zu beseitigen, wurde das Destillat mit alkoholischem Ammoniak vermischt. Beim Abdampfen bildeten sich die charakteristischen Krystalle von Tetramethylammoniumjodid. Die Ermittelung des Gewichtsverlustes zeigt, daß sich bei andauernder Einwirkung der Wärme (120°) von dem Molecüle des über Schwefelsäure getrockneten jodwasserstoffsauren Salzes genau 1 Mol. Wasser und 1 Mol. Jodmethyl abspaltet, daß mithin die Umbildung nach der folgenden Gleichung vor sich geht: Textabbildung Bd. 194, S. 72 Daß der violette Rückstand in der That die ihm in dieser Gleichung zugetheilte Zusammensetzung besitze, wurde überdieß durch die Analyse festgestellt, welcher sowohl der direct erhaltene Rückstand als auch eine aus demselben durch Behandlung mit Wasser und Alkohol dargestellte, in langen dünnen Nadeln krystallisirende Verbindung unterworfen wurde. Die Analyse ergab für die bei 120° getrocknete Substanz die Formel Textabbildung Bd. 194, S. 72 und es zeigte sich somit, daß dieses violette Salz wesentlich von dem bereits früher bekanntenHofmann, Exposition universelle de 1867, Rapports du Jury international, vol. VII p. 263., dem jodwasserstoffsauren Trimethylrosanilin Textabbildung Bd. 194, S. 72 verschieden ist, wofür auch die bestimmter ausgesprochene Form, namentlich aber der viel blauere Ton spricht, welchen dieser Farbstoff der Seide und Wolle ertheilt. Der Uebergang von Grün in Violett unter Ablösung von Jodmethyl findet eben sowohl statt, wenn der Farbstoff auf einem Gewebe fixirt ist, als bei dem freien Farbstoffe. Interessant ist es, daß die grüne Farbe permanent wird, sobald man die Abspaltung des Jodmethyls auf die eine oder die andere Art verhindert. Krystalle des jodwasserstoffsauren Salzes können in einer hermetisch geschlossenen Glasröhre im Wasserbade erhitzt werden, ohne daß sich die grüne Farbe verändert. Die Bildung des blauvioletten Farbstoffes aus dem jodwasserstoffsauren Grün findet noch unter anderen, nicht minder interessanten Bedingungen statt. Digerirt man eine methyl-alkoholische Lösung des Grüns in zugeschmolzener Röhre 2–3 Stunden lang im Wasserbade, so haben sich in der Flüssigkeit, welche eine tiefblau-violette Farbe angenommen hat, lange cantharidengrüne Nadeln abgesetzt, welche sich, da sie in Alkohol, selbst in siedendem, außerordentlich schwer löslich sind, mit Leichtigkeit im Zustande der Reinheit erhalten lassen. Sie werden am besten aus Methylalkohol, in dem sie etwas leichter löslich sind, umkrystallisirt. Die Analyse dieser Krystalle zeigt, daß sie die merkwürdige Zusammensetzung Textabbildung Bd. 194, S. 73 besitzen. Dieselbe Verbindung haben wir bisweilen auch bei der directen Einwirkung des Jodmethyls auf Trimethylrosanilin sich bilden sehen. Neben diesen schwer löslichen Krystallen, deren Lösung violett mit einem vorwaltenden Stich in's Blaue färbt, bildet sich noch ein zweites Salz gleichfalls von blauviolettem, aber gleichwohl weniger bestimmt in's Blaue ziehenden Farbenton. Dieses Salz ist außerordentlich löslich in Alkohol, läßt sich aber durch langsames Abdampfen der alkoholischen Lösung mit Leichtigkeit krystallisiren. Die Analyse desselben hat die Zusammensetzung bestätigt, welche die Untersuchung der schwerlöslichen Krystalle im Voraus vermuthen ließ. Das lösliche Salz ist das complementäre Product des unlöslichen; es ist dieselbe Verbindung, welche sich bei dem freien Erhitzen des jodwasserstoffsauren Grüns erzeugt, nämlich: Textabbildung Bd. 194, S. 73 Ein Molecül des jodwasserstoffsauren Grüns erleidet in methylalkoholischer Lösung beim Erhitzen unter Druck dieselbe Veränderung, welche beim Erhitzen unter gewöhnlichen Bedingungen stattfindet, allein das abgespaltene Jodmethylmolecül, welches früher in die Atmosphäre entwichen war, wirft sich nunmehr auf ein zweites Grünmolecül und verwandelt dasselbe in die schwerlösliche Verbindung mit 3 Mol. Jodmethyl. Textabbildung Bd. 194, S. 74 Neben den beiden Violetten wird in der beschriebenen Reaction keine andere Verbindung gebildet; in den Digestionsröhren ist kein Druck vorhanden, beim Oeffnen derselben wird keine Gasentwickelung beobachtet. Nebenproducte bei der Darstellung des Jodgrüns. – Bei den vielen Versuchen, welche im Laufe dieser Untersuchung über die Bildung des grünen Farbstoffes angestellt worden sind, haben wir häufig ein ungefärbtes Nebenproduct beobachtet, welches sich stets erzeugt, wenn man, sey es in den Mischungsverhältnissen, sey es in der Temperatur oder der Dauer des Erhitzens, sehr weit von den Bedingungen abweicht, welche wir im Anfange dieser Abhandlung als günstige bezeichnet haben. Dieser Körper, welcher auch bei der Darstellung im Großen nicht selten in unliebsamer Menge beobachtet wird, so daß manchen Fabrikanten Tausende von Kilogrammen davon unbenutzt im Wege liegen, läßt sich von den gleichzeitig gebildeten Farbstoffen leicht in der Art trennen, daß man das Product der Reaction mehrfach mit heißem Alkohol auszieht, in dem die farblose Substanz fast unlöslich ist. Wird die an heißen Alkohol nichts mehr abgebende Materie nunmehr in warmem Wasser gelöst, so bleiben die in Alkohol schwer löslichen Violette zurück, während sich die farblose Substanz leicht löst. Beim Abdampfen der wässerigen Lösung schießen Krystalle an, die man durch mehrmaliges Umkrystallisiren aus verdünntem Alkohol leicht rein erhalten kann. Octomethylirtes Leukanilin. Der in Rede stehende Körper, den man nicht selten in zolllangen prismatischen Krystallen von lichtgelber Farbe erhält, ist ein scharf ausgeprägtes, aber leicht oxydirbares Jodid, weßhalb er, wie die meisten der hier beschriebenen Verbindungen, im luftleeren Raum getrocknet werden muß. Seine Zusammensetzung ist: H⁴²N³J³O = C²⁰ (CH³)²    H¹⁶(CH³)³ CH³JCH³JCH³J H²O Diese Formel wird unzweideutig durch die Analyse einer entsprechenden Platinverbindung getragen. Versetzt man die mittelst Chlorsilber entjodete Lösung der ebenerwähnten Verbindung mit Platinchlorid, so fällt ein hellgelber, undeutlich krystallinischer Niederschlag, welcher, im Vacuum getrocknet, die folgende Zusammensetzung: Textabbildung Bd. 194, S. 75 besitzt. Man kann sich den Körper, dessen Jod- und Platinverbindung hier beschrieben worden sind, entstanden denken durch das Hinzutreten zweier Methylgruppen zu dem Molecül des schwerlöslichen violetten Jodids. Zu dem leichtlöslichen Violett steht diese farblose Verbindung genau in derselben Beziehung, wie das jodwasserstoffsaure Leukanilin zu dem entsprechenden Rosanilinsalz. Textabbildung Bd. 194, S. 75 Daß dem farblosen Körper, der sich, wenn man will, als ein octomethylirtes Leukanilin auffassen läßt, wirklich diese Stellung zukomme, läßt sich nicht wohl bezweifeln. Man kann denselben in der That mit der größten Leichtigkeit hervorbringen, wenn man Jodmethyl direct auf Leukanilin einwirken läßt. Zu dem Ende werden 1 Thl. Leukanilin, 2 1/2 Thl. Jodmethyl und 2 Thl. Methylalkohol 10 Stunden lang in einem Autoclaven auf 100° erhitzt. Beim Oeffnen des Verschlusses entweicht viel Gas und die ausgegossene Flüssigkeit zeigt sich in zwei Schichten gespalten, von denen die untere Jodmethyl, die obere eine methylalkoholische Lösung des jodwasserstoffsauren Salzes des octomethylirten Leukanilins ist. Letztere liefert alsbald eine schöne Krystallisation des Salzes, welches man nur noch ein Mal im Wasser aufzulösen hat, um beim Erkalten vollkommen reine Krystalle zu erhalten. Es könnte auf den ersten Blick befremden, daß sich bei den oben angegebenen Proportionen noch eine Quantität unverbrauchten Jodmethyls in dem Producte der Reaction wiederfindet, da in dem zugeführten Jodmethyl kaum mehr als die halbe Summe der Methylgruppen vorhanden ist, deren es bedarf, um das Leukanilin-Molecül zu octomethyliren. Allein die von dem Jodmethyl begonnene Methylirung vollendet sich offenbar mit Hülfe des vorhandenen Methylalkohols, indem sich der zunächst abgeschiedene Jodwasserstoff wieder in Jodmethyl verwandelt, um von Neuem zu wirken. Nach dem angeführten Verfahren erhält man fast die theoretische Ausbeute. Die beschriebene Jodverbindung hat unser Interesse zumal aus dem Grunde in Anspruch genommen, weil sich die entsprechende Base mit Leichtigkeit in Freiheit setzen läßt, und ihr Studium die etwas mangelhafte Untersuchung der freien Violett- und Grünbasen zu ergänzen versprach. Behandelt man die gelinde erwärmte Lösung des Jodids mit Silberoxyd, so entsteht alsbald eine farblose, stark alkalische, Kohlensäure aus der Luft anziehende und Metalloxyde fällende Flüssigkeit, welche sich selbst in Gegenwart von Natronlauge stundenlang ohne Zersetzung im Sieden erhalten und schließlich zu einem Syrup eindampfen läßt. Diese Flüssigkeit enthält offenbar die freie Base     (CH³)² C²⁰   H¹⁶ N³     (CH³)³ CH³, HOCH³, HOCH³, HO Mit Jodwasserstoffsäure liefert sie wieder das Jodid, welches als Ausgangspunkt für ihre Darstellung gedient hat, mit Chlorwasserstoffsäure und Platinchlorid das beschriebene Platinsalz. Das dem Rosanilin entsprechende Leukanilin verwandelt sich bekanntlich unter dem Einfluß von Oxydationsmitteln mit Leichtigkeit in Roth zurück. Der Gedanke lag nahe, die analoge Veränderung bei der octomethylirten Verbindung zu bewerkstelligen. Gelang es, die beiden Additionsmethylgruppen, welche an Stelle des Additionswasserstoffes in dem Leukanilin fungiren, eben so leicht zu oxydiren, so mußte man zunächst auf Violett, dann aber, indem ein weiterer Methylabbau stattfand, auf Grün und schließlich wieder auf Violett stoßen. Diese Oxydation erfolgt aber nur schwierig, am schnellsten und besten noch, wenn man das Jodid an der Luft auf 120° erhitzt. Der Rückstand löst sich mit prachtvoller violetter Farbe in Alkohol auf. Versucht man den atmosphärischen Sauerstoff durch Oxydationsmittel, selbst schwächere, wie Platinchlorid, Silberoxyd, Bleisuperoxyd, zu ersetzen, so geht die Action weiter; es entsteht ephemer eine schöne grüne Farbe, welche aber bald einem unerquicklichen Gelb Platz macht. Wir haben uns viele Mühe gegeben, die den beschriebenen Jodverbindungen entsprechenden Basen darzustellen, müssen aber gleich bemerken, daß die Ergebnisse unserer Untersuchungen in dieser Richtung viel zu wünschen übrig lassen. Versetzt man eine concentrirte Auflösung des grünen Jodhydrates in Wasser oder Alkohol mit Kali- oder Natronlauge, oder mit Ammoniak, so erhält man einen Niederschlag, der sich schnell zu einer harzigen Masse zusammenballt. Auf Zusatz von viel Wasser löst sich dieser Niederschlag wieder vollkommen zu einer anfangs schieferblauen, später farblos werdenden Flüssigkeit. Auf Zusatz von Essigsäure färbt sich dieselbe wieder grün. Lösungen dieser Art hatten beinahe ein Jahr lang gestanden; die Ammoniaklösung färbte sich selbst nach so langer Zeit noch wieder grün, die Natronlösung dagegen zeigte eine violette Färbung, offenbar eine Zersetzung andeutend. Werden die beiden violetten Jodverbindungen in Alkohol gelöst (in Wasser sind dieselben nahezu unlöslich) und mit kaustischen Alkalien versetzt, so entfärben sich auch diese Verbindungen, Auf Zusatz von Wasser trüben sich die Lösungen, indem die Basen, welche, wie ihre Jodverbindungen, in Wasser unlöslich sind, als weiße Fällungen niedergeschlagen werden. Wir haben bis jetzt eigentlich nur die Base des Grüns einer etwas genaueren Prüfung unterworfen. Die durch starke Natronlauge ausgeschiedene Harzmasse wird nach kurzer Frist hart und porös. Sie läßt sich alsdann zu einem rothbraunen Pulver zerreiben, dem man auf einem Asbestfilter mittelst Natronlauge alles Jod entziehen kann. Auch aus dem Picrat läßt sich die Base gewinnen. Man löst das in reinem Alkohol außerordentlich schwerlösliche Salz in ammoniakalischem Alkohol, in dem es sich leicht, offenbar unter Zersetzung, mit gelber Farbe löst. Versetzt man diese Lösung mit starker Natronlauge, so schlägt sich die Base ebenfalls nieder. Die so gewonnene Grünbase hat zur Darstellung des im Vorhergehenden erwähnten Grün-Acetats und Grün-Nitrats gedient. Es läßt sich kaum bezweifeln, daß man auf ähnliche Weise auch die Base der beiden mit dem Grün in so naher Beziehung stehenden Violette erhalten wird. Wie dem aber auch sey, wir glauben uns gleichwohl, obschon wir die Unvollständigkeit dieses Theiles unserer Untersuchung gerne einräumen, auch jetzt schon zu dem Schlusse berechtigt, daß die durch Alkalien entfärbten Lösungen der drei Jodide die diesen Salzen entsprechenden Basen enthalten. Ihre Zusammensetzung würde sich in folgenden Formeln darstellen: Textabbildung Bd. 194, S. 78 Base des leichtlöslichen Violetts; Base des Grüns; Base des schwerlöslichen Violetts Alle diese Basen würden der Classe von Körpern angehören, deren erste Glieder der EineHofmann, Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. LXXVIII S. 253. von uns vor nahezu zwanzig Jahren entdeckt und unter dem Namen Ammoniumbasen in die Wissenschaft eingeführt hat. Zusammensetzung sowohl als Verhalten der vielgenannten Verbindungen stimmen mit dieser Auffassung vollkommen überein. Die Reihe der durch Methylirung aus dem Rosanilin entstehenden Körper ist durch unsere Arbeit um ein Wesentliches erweitert worden. Dem jodwasserstoffsauren Rosanilin entstammen in ununterbrochener Reihe die folgenden Methylderivate: Textabbildung Bd. 194, S. 78 Jodhydrat des Rosanilins; Methylrosanilins; Dimethylrosanilins; Trimethylrosanilins; Jodmethylat; Dijodmethylat; Trijodmethylat; Pentamethylleukanilins Noch verdient bemerkt zu werden, daß sich die Erscheinungen, welche die im Vorhergehenden beschriebenen Versuche für die Methylreihe constatiren, sich auch in der Aethylreihe beobachten lassen. Die Reactionen erfolgen aber langsamer und weniger präcis: auch sind die gebildeten Producte minder krystallinisch. Was die Farbe anlangt, so hat der grüne Ton der dem Methyljodgrün entsprechenden Aethylbase einen Stich in's Gelbe. Aus diesem Grunde sind auch die Aethylkörper bis Jetzt kaum Gegenstand einer regelmäßigen Fabrication geworden.