Titel: Ueber die Folgen des Bruches der Schwungradwelle einer Dampfmaschine; von Prof. Fr. Hlawatschek.
Fundstelle: Band 194, Jahrgang 1869, Nr. XXV., S. 94
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XXV. Ueber die Folgen des Bruches der Schwungradwelle einer Dampfmaschine; von Prof. Fr. Hlawatschek. Aus den technischen Blättern des deutschen Ingenieur-Vereines in Böhmen, 1869 S. 39. Mit Abbildungen auf Tab. III. Hlawatschek, über die Folgen des Bruches einer Schwungradwelle. Im Monate August 1865 hatte ich Gelegenheit, die Zerstörungen zu sehen, welche der Bruch einer gußeisernen Schwungradwelle an einer, mit einer zweiten gekuppelten Balancier-Dampfmaschine hervorbrachte. Der Bruch erfolgte an der seit 15 Jahren im Betriebe gestandenen Dampfmaschine der Baumwollgarnspinnerei zu Schlau in Böhmen. Ich war vor diesem Ereignisse zu öfteren Malen in dieser Fabrik und hielt mich sehr oft und längere Zeit in dem Maschinenlocal auf, hatte dabei Gelegenheit den ruhigen Gang der Maschinen zu beobachten, sowohl wenn beide zugleich, als auch, wenn bei schwächerem Fabriksbetriebe eine der Maschinen allein arbeitete. Der technische Leiter dieser Fabrik wandte den Dampfmaschinen eine besondere Sorgfalt zu und war stets mit Erfolg bemüht, jede, selbst die geringste Unregelmäßigkeit an denselben zu beseitigen. Zur Zeit des Vorfalles waren beide Maschinen gemeinschaftlich in Thätigkeit, dabei jedoch nicht zu sehr belastet, da der auf jede entfallende Theil der Arbeit geringer war als sonst, wenn nur eine derselben allein im Betriebe gewesen. Der Maschinenwärter, ein verläßlicher Mann, war im Local zugegen und hatte eben die Speisepumpe abgestellt, als er einige gewaltige Schläge und ein Getöse vernahm, wornach in wenigen Secunden das Maschinenlocal vollständig mit Dampf erfüllt war. Mit allen Theilen der Maschine genau vertraut, gelang es dem Maschinisten zum Dampfabsperrventile zu kommen und dasselbe zu schließen. Nachdem sich der Dampf verloren hatte, sah er die in der Skizze Fig. 10 u. 11 dargestellte Zerstörung. In der Spinnerei merkte man von dem Lärme, welcher bei Gelegenheit des Bruches entstand, gar nichts, sondern gewahrte nur, daß mit einem Mal die Transmission langsamer ging und endlich – in Folge Schließens des Absperrventiles – stehen blieb. Die eine der beiden Maschinen, und zwar die links stehende, blieb ganz unversehrt und arbeitete eben allein noch so lange fort, bis der Dampf abgesperrt war. Zur Constatirung der Ursache des Bruches blieb an der Maschine Alles unberührt, bis ein Hr. Vertreter der Actiengesellschaft und Hr. Maschinenfabrikant Joseph Müller in Prag, dessen Hinreise gewünscht wurde, eingetroffen waren. Der Güte des Hrn. Müller, der mich, damals noch der Maschinenfabrik der HHrn. Müller und Näbe angehörend, einlud mitzureisen, verdanke ich es, daß ich diesen interessanten Fall zu sehen bekam. Ich muß gestehen, dieses Bild der Zerstörung hat sich mir tief eingeprägt, und es schwebt mir heute nach fast vier Jahren noch deutlich vor Augen. Trotzdem die den Vorfall versinnlichende Skizze ziemlich lange Zeit nach demselben angefertigt wurde, dürfte die Darstellung ziemlich richtig seyn. Dabei bemerke ich, daß nur die Haupttheile der Maschine darauf erscheinen und Nebentheile, deren noch viele gebogen und gebrochen wurden, absichtlich weggelassen sind. In Fig. 10 ist eine Ansicht der gebrochenen Maschine, in Fig. 11 der Grundriß beider, dann in Fig. 12 der mittlere Querschnitt vom Balancier und in Fig. 13 der der gußeisernen Zugstange dargestellt. Man ersieht aus Fig. 10, welche der Haupttheile gebrochen wurden. Der Boden des 30 Zoll engl. im Durchmesser haltenden Dampfcylinders sammt einem Theile des Cylinders ist herausgeschlagen worden und fiel in eine im Fundamente unter dem Cylinder befindliche Kammer. Die Kolbenstange, 4 1/4 Zoll stark, wurde gebogen und es blieb ein Theil des ebenfalls gebrochenen Balancier an derselben hängen. Die Zugstange ist etwas unter der Mitte ihrer Länge abgeschlagen worden und fiel das abgeschlagene Stück sammt der Kurbel und einem aus Fig. 10 ersichtlichen Stücke der Schwungradwelle in die für die Kurbel bestehende Vertiefung. Der Deckel der Schwungradwelle ist ebenfalls zersprengt worden. Es war nun zu ermitteln, welches wohl die Ursache einer so großartigen Zerstörung an dieser ziemlich bedeutende Dimensionen haltenden Dampfmaschine seyn konnte. Nach der Versicherung des Maschinisten war vor dem Momente des Bruches nicht die geringste Störung, etwa Stöße oder durch Reibung hervorgebrachtes Kreischen etc. zu bemerken. Es konnte daher nur der Fehler in einem der gebrochenen Theile der Maschine selbst gelegen gewesen sehn. Bald war man sich klar, daß der zuerst gebrochene Theil nur die Schwungradwelle seyn konnte, da einestheils aus der Bruchfläche derselben ersichtlich war, daß die Welle in der Laufstelle über 1/3 des Querschnittes einen alten, aber früher sicher nicht bemerkbaren Riß hatte, die Bruchflächen aller anderen Theile hingegen ganz frisch gewesen sind, anderntheils der zuerst eintretende Bruch jedes anderen Theiles eine so großartige Zerstörung nicht hervorgebracht hätte. Ich halte es für geboten, nachdem diese Ansicht festgehalten wurde, darzuthun, wie so die Brüche alle erfolgen mußten. Man denke sich die Maschine im Gange und zwar, wie es nicht anders seyn konnte, die Kurbel etwas über dem unteren todten Punkt hinaus; sobald die Welle in der Weise abbricht, wie es hier geschah, in der Laufstelle nämlich und dabei so, daß doch ein Theil der übrigen Welle, wenn auch nur auf 1 1/2 Zoll Länge, noch gelagert ist, so wird augenblicklich die Kurbel sammt dem kurzen Wellenstücke frei. Nachdem die Steuerung ungehindert fortarbeitet, tritt noch immer der Dampf in den Cylinder und treibt den sich nach abwärts bewegenden Kolben, da er nun keinen beträchtlichen Widerstand zu überwinden hat, mit großer Geschwindigkeit gegen den Boden des Cylinders, muß diesen auch erreichen, da die Kurbel den Lauf des Kolbens nicht mehr begrenzt. Die Folge dieser raschen Bewegung und des nothwendigen Stoßes ist nun das Durchschlagen des Cylinderbodens, aber auch gleichzeitig das Brechen des Balancier. In diesem Momente hatte der Balancier an der Cylinderseite die tiefste Stellung erreicht, ja diese sogar etwas überschritten, und das Ende an der Lagerseite mit der Zugstange und Kurbel mußte sonach die oberste Stellung haben. Der Balancier, links abgebrochen, rechts außerdem belastet, mußte naturgemäß mit ziemlich großer Geschwindigkeit nach abwärts gezogen worden seyn und die wie ein Pendel schwingende Zugstange an die Kante des Fundaments schlagend, abbrechen. Daß im Momente des Bruches der Schwungradwelle der Lagerdeckel ebenfalls gesprungen und nach erfolgtem Bruche des Balancier die Kolbenstange von dem daranhängenden Stücke desselben die Biegung erhielt, ist leicht erklärlich. Es mag dieser Fall dem Maschinenconstructeur zur Warnung dienen, Gußeisen für Schwungradwellen in Anwendung zu bringen, oder ihm, falls er dieses Material wählen sollte, die größte Vorsicht beim Gießen solcher Wellen empfehlen. Graz, im Juli 1869.

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