Titel: Verfahren zur Bestimmung des im Roheisen und Stahl chemisch gebundenen Kohlenstoffes; von V. Eggertz, Director der Bergschule zu Falun in Schweden.
Fundstelle: Band 194, Jahrgang 1869, Nr. XXXIII., S. 116
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XXXIII. Verfahren zur Bestimmung des im Roheisen und Stahl chemisch gebundenen Kohlenstoffes; von V. Eggertz, Director der Bergschule zu Falun in Schweden. Aus Chemical News, vol. XX p. 65; August 1869. Eggertz's colorimetrische Kohlenstoffprobe für Stahl etc. Wird Stahl oder Roheisen, welche chemisch gebundenen Kohlenstoff enthalten, in Salpetersäure gelöst, so bildet sich ein löslicher brauner Farbstoff von intensivem Färbungsvermögen, und die Lösung nimmt einen um so dunkleren Ton an, je größer der Gehalt an chemisch gebundenem Kohlenstoff ist. Eisen und Graphit (oder freier Kohlenstoff) beeinflussen diese Färbung nicht; denn die Lösung von salpetersaurem Eisenoxyd erscheint, wenn sie nicht sehr concentrirt ist, farblos oder höchstens schwach grünlich gefärbt, und Graphit ist bekanntlich in Salpetersäure unlöslich. Löst man demnach zwei Proben verschiedener Stahlsorten von gleichem Gewicht in Salpetersäure und verdünnt die dunklere Lösung so weit, daß die beiden Flüssigkeiten ganz denselben Farbenton zeigen, so wird offenbar die Lösung des kohlenstoffreicheren Stahles ein größeres Volum haben, als die der kohlenstoffärmeren Sorte und die Volume beider Lösungen werden zu dem Kohlenstoffgehalte in geradem Verhältnisse stehen. Ist nun die Zusammensetzung und der Kohlenstoffgehalt einer der beiden Stahlsorten bekannt, so läßt sich der absolute Kohlenstoffgehalt der anderen Sorte leicht berechnen. Nehmen wir an, von zwei Stahlsorten (a) und (b) sey je 1 Grm. in Salpetersäure gelöst worden und die Volume der beiden zu einem gleichen Farbentone gebrachten Lösungen stehen in dem Verhältnisse a : b = 5 : 7. Wissen wir nun, daß der Stahl (a) 1 Procent Kohlenstoff enthält, so berechnet sich für den Stahl (b) ein Kohlenstoffgehalt von 1,4 Proc. Bei der praktischen Anwendung dieser analytischen Methode müssen gewisse Vorsichtsmaßregeln beobachtet werden, welche wir im Nachstehenden kurz angeben. Man löst in einem gläsernen Probircylinder 10 Centigramme des zu untersuchenden, in ein feines Pulver verwandelten Stabeisens, Stahles oder Roheisens ohne Hülfe von Wärme nach und nach in 1,5 bis 5 Kubikcentimeter Salpetersäure von 1,20 specif. Gewichte (etwa 25° Baumé) auf. Die Salpetersäure muß ganz frei von Chlorwasserstoffsäure seyn, weil sonst die Lösung eine gelbe Färbung erhält. Je kohlenstoffreicher das Metall ist, desto mehr Salpetersäure muß man zum Auflösen desselben anwenden. Nach einiger Zeit, wenn der größere Theil des Metalles angegriffen worden, stellt man das Probirgläschen in ein ungefähr 15 Millim. tiefes Wasserbad und erwärmt es auf 80° C.; auf diese Weise ist nur der untere Theil des Glases mit dem heißen Wasser in Berührung. Die durch die Wärme in der Säure hervorgebrachte Bewegung befördert deren Einwirkung auf das Metall, und es läßt sich an allen Kohlenstoffpartikelchen eine schwache Entwickelung von Kohlensäure beobachten. Die Operation muß stets bei derselben Temperatur ausgeführt werden und jedesmal eine gleich lange Zeit dauern. Nachdem die Gasentwickelung aufgehört hat (bei der Untersuchung von Stahl muß die Reaction zwei bis drei Stunden währen) stellt man den Probircylinder in ein großes, mit Wasser gefülltes Gefäß, um die Lösung immer auf dieselbe Temperatur zu bringen. Diese Vorsichtsmaßregel ist unerläßlich, da dieselbe Lösung im warmen Zustande stets dunkler gefärbt ist, als im kalten. Alsdann gießt man die klare Flüssigkeit so genau als möglich in eine graduirte Bürette ab; auf den im Rohre bleibenden schwarzen Rückstand gießt man einige Tropfen Salpetersäure und erhitzt vorsichtig über einer Lampe. Entwickelt sich kein Gas weiter, so besteht dieser Rückstand bloß aus Graphit oder Kieselsäure; man läßt dann diese neue Lösung erkalten und fügt sie der in der Bürette bereits enthaltenen Flüssigkeit hinzu. Hierauf wird die Flüssigkeit so lange mit Wasser verdünnt, bis ihre Färbung genau mit derjenigen der Normalflüssigkeit übereinstimmt. Die letztere muß einen solchen Concentrationsgrad haben, daß jeder Kubikcentimeter derselben 0,0001 Grm. Kohlenstoff repräsentirt. Ist z.B. diese Normalflüssigkeit aus Gußstahl bereitet, welcher genau 0,85 eines Procent Kohlenstoff enthält, so muß 1 Decigrm. dieses Stahles in 8,5 Kubikcentimeter Salzsäure, oder 100 Grm. Stahl, welche 85 Centigrm. Kohlenstoff enthalten, müssen zu 8500 Kubikcent. Normallösung gelöst werden; 100 K. C. dieser Lösung würden dann 1 Centigrm. Kohlenstoff repräsentiren und somit würde 1 K. C. Normallösung 0,0001 Grm. Kohlenstoff entsprechen. Die Normallösung hält sich nicht und muß öfters frisch bereitet werden; sie wird selbst im Verlaufe von vierundzwanzig Stunden merklich blasser. Anstatt derselben kann man eine alkoholische Lösung von gebranntem Zucker anwenden, welche durch Verdünnung auf genau denselben Farbenton gebracht ist; eine solche Lösung hält sich ohne merkliche Veränderung weit länger. Da sich 1 Grm. Eisen in weniger als 15 Kubikcentimeter Salpetersäure nicht gut auflösen läßt, so folgt daß ein Kohlenstoffgehalt, welcher unter 0,15 eines Procent beträgt, mittelst der Normalflüssigkeit nicht bestimmt werden kann; indessen kommt dieses Minimum in der Praxis selten vor. Beträgt die Menge des Kohlenstoffes mehr als 0,5 eines Proc., so ist die Eisenlösung so concentrirt, daß sie einen schwach grünlichen Ton besitzt, wodurch ihre Vergleichung mit der Normalflüssigkeit schwierig wird. In diesem Falle bereitet man sich durch Verdünnung der letzteren mit ihrem doppelten Volumen Wasser eine Normalflüssigkeit von dem dritten Theile der ursprünglichen Stärke, von welcher 1 K. C. nur einem Drittel von 0,0001 Grm. Kohlenstoff entspricht. Ist der Kohlenstoffgehalt der Probe sehr groß (wie z.B. bei weißem Roheisen), so darf man nur 0,5 Grm. des Metalles zur Analyse nehmen und in diesem Falle entspricht 1/2 K. C. seiner Lösung 1 K. C. der Normallösung. Enthält das zu analysirende Metall Graphit, so muß letzterer auf einem Filter gesammelt werden, bevor die Lösung in die Bürette gegossen wird. Diese Methode ist um so exacter, je geringer der Kohlenstoffgehalt des Probirgutes ist. Mit einer feinen Waage und passenden Einrichtungen läßt sich in verhältnißmäßig kurzer Zeit eine große Anzahl Kohlenstoffbestimmungen von einer für die Bedürfnisse der Praxis vollkommen hinreichenden Genauigkeit ausführen. Aller zu Edskin in Schweden producirte Bessemerstahl wird nach dem Ausschmieden mit Zeichen markirt, welche seinen mittelst der Eggertz'schen colorimetrischen Kohlenstoffprobe ermittelten Härtegrad bezeichnen. Selbstverständlich dürfen zu dieser Probe nur Büretten aus vollkommen farblosem Glase benutzt werden, oder sie müssen wenigstens in der Färbung ihres Glases genau übereinstimmen.