Titel: Ueber den Lupis-Whitehead'schen Propeller-Torpedo.
Fundstelle: Band 194, Jahrgang 1869, Nr. XLVI., S. 198
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XLVI. Ueber den Lupis-Whitehead'schen Propeller-Torpedo. Ueber den Lupis-Whitehead'schen Propeller-Torpedo. Wie die Army and Navy Gazette vom 4. September d. J.1869 berichtet, haben zur Prüfung der dem Vernehmen nach von der österreichischen Regierung auf Empfehlung des Admirals Tegethoff, ohne weitere Beeinträchtigung der Patentbenutzung, bereits für 20,000 Pfd. Sterling angekauften Erfindung des Lupis-Whitehead'schen Torpedo's nun auch die englische Regierung eine Commission und die Vereinigten Staaten Nordamerika's das Flaggenschiff „Franklin“ mit dem Contreadmiral Radfort an Bord nach Fiume entsendet, woselbst bereits im Jahre 1867 und 1868 Versuche mit dieser Höllenmaschine oder unterseeischen MineMan vergl. den Artikel des Referenten im polytechn. Journal Bd. CLXXVI S. 107: „die Höllenmaschinen oder Torpedo's des neueren amerikanischen Krieges.“ neuester Art angestellt wurden, über deren Verlauf das zu Berlin erscheinende Militär-Wochenblatt vom 14. August in folgender Weise berichtet: „Der k. k. Fregatten-Capitain Lupis und der Ingenieur Whitehead traten im Jahre 1867 mit der Erfindung eines Torpedo's hervor, welcher durch comprimirte Luft mittelst einer Schraube, in einer bestimmten Tiefe unter Wasser und in geradliniger Richtung, von Schiffen oder vom Lande aus, gegen feindliche Schiffe vorgetrieben wird. Der Torpedo besteht aus Schmiedeeisen, hat die Form eines Delphins und ist mit einer verticalen und zwei horizontalen flossenartigen Rippen versehen. An der vorderen Spitze sind verschiedene bewegliche Arme so angeordnet, daß ein Druck oder Stoß gegen die letzteren die Entzündung der Sprengladung verursacht. Am hinteren Ende befinden sich der Propeller- und der Steuer-Apparat. Jeder Torpedo wird vor seinem Gebrauche versucht und der Steuer-Apparat so befestigt, daß ein vollkommen gerader Lauf gesichert ist. Der geprüfte Torpedo ist sorgfältig vor Rost oder anderen Beschädigungen zu bewahren. Um dem Laufe des Torpedo's eine bestimmte Richtung anzuweisen, wird derselbe aus einem Richtungsrohr abgelassen, welches sich in entsprechender Tiefe unter der Wasserlinie befindet und sowohl in Schiffen, als stationär am Lande angebracht werden kann. Im Herbst 1867 und im Frühjahr 1868 fand in Fiume eine Prüfung dieser Erfindung durch eine Commission statt, welche aus k. k. Officieren der Marine, des Genie-Corps, der Küsten- und See-Artillerie, sowie aus Schiffsbau-Ingenieuren zusammengesetzt war. Die Versuche begannen mit der Ermittelung einer zweckentsprechenden Sprengladung. An die Seitenwand eines unter Wasser versenkten großen Kastens, welcher in Construction, Stärke (26 Zoll), Form und Eintauchungstiefe mit dem entsprechenden Theile der Schiffswand einer österreichischen Panzerfregatte übereinstimmte, wurde in 12 Fuß Tiefe unter der Wasserlinie eine Sprengladung von 40 Pfund Schießwolle in einem eisernen Gefäße von der Form und Stärke des Torpedo's befestigt und durch Elektricität gezündet. Die Explosion riß den schwächeren Theil des Kastens fort und verursachte in der Schiffswand ein Loch mit stark zersplitterten Rändern, dessen Gesammtgröße auf 100 Quadratfuß geschätzt wurde. Die Explosionskraft von 40 Pfund Schießwolle entsprach hiernach dem Zweck vollständig; um jedoch auch gegen Schiffe der stärksten Bauart mit Erfolg wirken zu können, ward die Berücksichtigung einer Sprengladung von 60 Pfund Schießwolle anbefohlen. In Folge dieser einleitenden Versuche wurden der Commission zwei Torpedo's zur Verfügung gestellt, deren Größen den Ladungen von 40 Pfund resp. 60 Pfund Schießwolle entsprachen. Die ganze Länge dieser Torpedo's betrug 11 Fuß 7 Zoll resp. 14 Fuß 1 Zoll; der größte Durchmesser des Gefäßes ohne Rippen 14 Zoll resp. 16 Zoll; das Gewicht des gefüllten Torpedo's 280 Pfund, resp. 490 Pfund; der Luftdruck 30 bis 33 1/3 resp. 33 1/3 bis 35 Atmosphären; der Durchmesser des Richtungsrohres 18 1/2 bis 22 3/4 Zoll; die Länge des Rohres war ungefähr der Länge des Torpedo's gleich. Eine Quantität Werg von dem Gewichte der Sprengladung ersetzte die letztere. Für die ersten Versuche wurde das Kanonenboot dritter Classe „Gemse“ als Torpedoschiff ausgerüstet. Bei dem geringen Tiefgang desselben von 7 1/2 bis 9 1/2 Fuß konnte das Richtungsrohr nur 3 Fuß unter Wasser angebracht werden, so daß es erforderlich wurde den Steuer-Apparat des Torpedo's so zu stellen, daß letzterer am Ziel die erforderliche Tiefe erlangt habe. Für spätere Versuche wurde ein provisorisches Richtungsrohr an vier hölzernen Balken befestigt, welche in eisernen Führungen an dem Bugspriet der „Gemse“ auf- und niederbewegt werden konnten, um so den gefüllten Torpedo in die gewünschte Tiefe zu versenken. Diese Anordnung zeigte sich ungenügend, da die Schwingungen des Rohres bei der geringsten rollenden Bewegung des Schiffes jedes Zielen unsicher machten. Das Richtungsrohr wurde daher bei den letzten Versuchen auf einen auf dem Meeresgrunde aufgestellten eisernen Bock gelegt. Zwei an dem Rohr befestigte Stäbe, welche über die Wasserfläche hervorragten, dienten zum Zielen. Als Scheibe wurde ein Netz von 200 Fuß Länge und 24 Fuß Höhe benutzt, welches seitwärts zweier kleinerer Schiffe ausgespannt und durch angehängte Steine straff erhalten wurde. Als beste Treffer sollten solche Torpedo's gelten, welche eine auf der Scheibe bezeichnete Fläche von 3 Fuß Höhe und 24 Fuß Länge treffen würden. Die Entfernung der Scheibe von dem Richtungsrohr betrug 2000 Fuß. Die ersten Versuche gaben in Folge starker Oscillationen im Laufe des kleineren Torpedo's ein ungenügendes Resultat, da derselbe unter 54 Malen nur 8mal in dem Netz aufgefangen wurde. Eine nachträgliche Verbesserung sicherte dem Torpedo einen mehr geraden Lauf und steigerte in einer zweiten Versuchsreihe die Zahl der Treffer auf 50 Procent. Drei hinter einander folgende Versuche mit dem größeren Torpedo, welcher von dem ersterwähnten eisernen Bock abgelassen wurde, lieferten sämmtlich beste Treffer. Das Resultat aller Versuche ergab eine mittlere Geschwindigkeit von 9,76 Fuß in der Secunde für den kleineren und von 11,17 Fuß für den größeren Torpedo, bei einer Länge des durchlaufenen Weges von 4000 Fuß. Der Torpedo behielt seine erste Direction bis auf 2000 Fuß Entfernung bei, alsdann aber traten in Folge der verminderten Geschwindigkeit Abweichungen ein. Der Torpedo wurde ohne Schwierigkeit aus dem Richtungsrohr des Kanonenbootes vorgetrieben, während letzteres sich in der Fahrt befand. Um denselben nicht zu überlaufen oder beim Ablassen nach der Seite hin, durch den Wasserzug des Schiffes nicht aus der Direction zu bringen, war es nur nöthig, die Maschine im Moment des Ablaufes des Torpedo's zu stopfen, oder das Steuer hart an eine Seite zu bringen. Der Zug des Kielwassers bei dem rückwärts gehenden Schiffe hatte keinen Einfluß auf die Direction des am Bug abgelassenen Torpedo's. Einige Experimente, bei denen sowohl das Torpedo-Boot, als das Ziel sich in Bewegung befanden, bewiesen, daß es eine große Uebung erfordert, ein Schiff zu treffen, dessen Cours den des Torpedo-Bootes unter einem spitzen Winkel kreuzt. Im Allgemeinen zeigte sich jedoch die Treffsicherheit der Torpedo's so groß, als sie überhaupt von einer solchen Waffe erwartet werden darf. Die Geschwindigkeit ist hinreichend für die Vertheidigung von Hafen-Einfahrten etc. und kann nach Angabe der Erfinder für kurze Strecken auf 10 Knoten erhöht werden. Der Mechanismus, welcher die Zündung der Sprengladung durch den Stoß gegen ein feindliches Schiff vermitteln soll, erwies sich in einer Reihe von Versuchen auch dann noch zuverlässig, wenn der Anschlagwinkel des Torpedo's gegen das Ziel fünf Grad betrug. Der Verlust an Luftdruck des geladenen Torpedo's stellte sich binnen 24 Stunden auf ca. 3 Atmosphären; bei einer geringen Beschädigung des Ventiles wuchs derselbe jedoch bis auf die Hälfte des ursprünglichen Druckes an, so daß ein Nachladen vor dem Gebrauch erforderlich wurde. Die Resultate der Prüfung veranlaßten die österreichische Regierung, das Geheimniß der Construction anzukaufen; doch steht das Recht anderweitiger Verwerthung den Erfindern noch offen.“ Der Bericht der Sachverständigen der Regierung der Vereinigten Staaten, welche vor Kurzem ein eigenes, vorzugsweise zur Küstenvertheidigung bestimmtes Corps unter dem Namen „Torpedo-Brigade“ errichtet hat, sowie der Bericht der englischen Commission, sollen sehr günstig für diese Erfindung ausgefallen seyn, von welcher Hr. Ingenieur Whitehead, der zu Fiume eine Waffenfabrik besitzt, keinen Anstand nimmt zu erklären, daß der erste Gedanke zu diesem Torpedo, – welcher neuesten Berichten zu Folge sich auch zickzackförmig und in Bogen vortreiben läßt, sowie selbst bei 15 bis 18 Fuß Wassertiefe seine Bahn auf mehrere hundert Yards hin sicher verfolgt, – der Beobachtung der Mechanik der Fischkörper entsprungen sey, nämlich der Functionen der Schwimmblasen, vermittelst deren die Fische ihr Auf- und Niedersteigen im Wasser bewirken. Der hiernach auf dieselbe Idee wie die Bestrebungen des Submarine-Ingenieurs Bauer basirte Torpedo ist etwa 16 Fuß lang, fischförmig gestaltet und soll, durch seine Schraube bewegt, sowie durch sein Ruder gesteuert, bei klarem Wasser auf den Beobachter durch seine mit Lebendigkeit gepaart scheinende Schwimmfähigkeit wunderbar ergreifend einwirken. Stade, im October 1869. Darapsky.