Titel: Die vereinigten Glashüttenwerke der Departements der Loire und der Rhône.
Fundstelle: Band 194, Jahrgang 1869, Nr. C., S. 489
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C. Die vereinigten Glashüttenwerke der Departements der Loire und der Rhône. Auszugsweise aus dem Scientific American vom 9. October 1869. Ueber die vereinigten Glashüttenwerke des Loire- und des Rhône-Deptm.. Die verschiedenen Glashütten der beiden Departements der Loire und der Rhône verbanden sich vor mehreren Jahren zu einer einzigen Gesellschaft und zwar unter der Direction des Hrn. Carl Raabe. Dieser führte mehrfache Verbesserungen in den Werken ein, welche im Nachstehenden kurz besprochen werden sollen. Diese vereinigten Werke beschäftigen sich: 1) mit der Flaschenfabrication; 2) mit der Fabrication von farbigem Tafelglas und 3) mit der Fabrication verschiedener anderer Glassorten (Hohlglas, Gobleterie). Die Flaschenfabrication, der erste dieser Fabricationszweige, umfaßt die Anfertigung der Häfen, den Bau der Oefen, die Darstellung der Sätze, die Schmelzarbeit mit Einschluß der richtigen Verwendung des Brennmateriales, und die Formgebung. Auf die Anfertigung der Häfen wird in den in Rede stehenden Werken die höchste Sorgfalt verwendet und diesem Umstande verdankt die Gesellschaft einen großen Theil ihres Gedeihens. Die auf den vereinigten Hütten gebräuchlichen Sätze bestehen im Wesentlichen aus Sand, kohlensaurem Kalk und Seesalz. Die aus eisenhaltigen Materialien dargestellten Sätze geben dunkelfarbiges, sogen, schwarzes Glas; zur Fabrication der weißen Glassorten werden ganz eisenfreie Sätze verwendet. Zu den auf den vereinigten Hütten vorzugsweise und massenhaft fabricirten Champagnerflaschen wird ein Satz genommen, der zur Hälfte aus eisenhaltigen, zur Hälfte aus eisenfreien Rohstoffen zusammengestellt ist. Nachdem die sorgfältig gemengten Sätze aus dem Kühl- oder Materienofen, bezüglich aus dem Frittofen in stark erhitztem Zustande herausgenommen worden, werden sie in die Häfen eingetragen; dazu sind zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten erforderlich. Die Schmelzzeit währt zwölf bis dreizehn Stunden; drei Stunden lang wird heißgeschürt. Der Schmelzverlust ist bedeutend. Zwei Stunden vor Beendigung des Heißschürens werden Glasbrocken oder Kalk zugesetzt. Die Schmelzarbeit wird in Bezug auf den Brennmaterialverbrauch so umsichtig geleitet, die Leute sind so gut eingeübt und die Qualität der für die Schmelzöfen bestimmten Steinkohle ist eine so ausgesuchte, daß die Fabriken unter sehr günstigen ökonomischen Umständen arbeiten. Sobald durch das Heißschüren das Glas in ganz ruhigen Fluß gerathen ist, werden die an die Oberfläche tretenden Unreinigkeiten sorgfältig abgezogen, während ein Theil derselben sich am Boden der Häfen absetzt. Zeigt eine herausgezogene Probe eine genügende Beschaffenheit des Glases, so wird „die Gluth gemacht“ oder kaltgeschürt, so daß das Glas durch theilweise Abkühlung die zu seiner Verarbeitung nöthige Dickflüssigkeit erlangt; dazu wird auf diesen Hütten eine Zeit von ungefähr anderthalb Stunden verwendet. Zur Formgebung wird jeder Hafen von drei Arbeitern, einem Bläser, einen Gehülfen und einem Jungen bedient. Der Junge nimmt das Glas auf, der Gehülfe wärmt das KölbchenKülbchen an, bläst es auf und formt den Hals vor; der Bläser bläst die Flasche in einer Form fertig, trennt sie von der Pfeife ab und faßt sie mit einer Zange am Boden (anstatt sie am Hefteisen anzuheften). Hierauf wird der Ring oder Rand um die Mündung gelegt, indem der Hals der Flasche im Ofen angewärmt, mit einem Faden von flüssigem Glase umlegt, nochmals angewärmt und dann mit Hülfe einer Schere geglättet und fertig gemacht wird. Die fertigen Flaschen werden durch Jungen mittelst hölzerner, am oberen Ende mit einer Art geschlitzter Büchse oder Zwinge versehener Stangen in die Kühlöfen gebracht, in denen sie bei einer Temperatur von ungefähr 200° R. zwölf bis vierzehn Stunden bleiben. Begreiflicher Weise werden bei allen diesen Operationen, namentlich bei Anfertigung des Randes der Flaschenmündung, die Arbeiter durch die sehr hohe Temperatur in bedeutendem Grade belästigt und angestrengt. Um diesem Uebelstande möglichst abzuhelfen, ersann Raabe eine Reihe von Verbesserungen, welche er sich i. J. 1861 patentiren ließ. Durch dieselben wird die Dauer der Arbeit abgekürzt und die mit der Arbeit verbundene Gefahr für die Gesundheit des Arbeiters vermindert. Sie bezwecken eine gänzliche Vermeidung des um die Flaschenmündung gelegten, den Rand derselben bildenden Ringes. Zu diesem Behufs wird der Flaschenhals in einer im Ofen angebrachten Nebenöffnung von gerade hinreichendem Durchmesser angewärmt, in eine Form gepreßt, und in derselben rasch einmal um seine Achse gedreht, wodurch der Ring oder Rand hergestellt wird. Bei Anwendung dieses verbesserten Verfahrens werden die Augen nicht so stark angegriffen, der Rand fällt regelrecht und gerade aus, die Flaschenmündung ist glatt und kreisrund, so daß der Kork dieselbe vollständig ausfüllt und die Arbeit geht rascher von statten, so daß der Mann jetzt 650 Flaschen täglich zu liefern vermag, anstatt früher nur 600 Stück. Die Gesellschaft versendet die Flaschen von sämmtlichen auf ihren Hütten erzeugten Formen durch ganz Frankreich, nach Straßburg, Paris, Nantes, Bordeaux und Marseille; in den beiden letztgenannten Städten existiren große Niederlagen von denselben. Die zur Londoner Ausstellung eingesendeten Flaschen waren Muster einer wahrhaft vorzüglichen Production. Dieselben zeichnen sich ganz besonders durch richtiges und schönes Verhältniß des Halses zum Bauche, durch Regelmäßigkeit und Glattheit der Mündung und durch Vollendung des Randes, überhaupt durch schöne und zweckmäßige Form bei großer Solidität aus. Mehrere auf Veranlassung der Société d'Encouragement in Paris über die Festigkeit oder Widerstandsfähigkeit dieser Flaschen ausgeführte Versuche ergaben Resultate, welche mit keinem anderen, weder französischen, noch ausländischen Producte erzielt werden konnten. Seitdem sind auf den vereinigten Glashütten noch weitere Fortschritte gemacht worden und der Absatz ihrer Flaschen hat in den Schaumweinfabriken des Südens, des Juradistrictes und Burgunds außerordentlich an Ausdehnung gewonnen; ja selbst die Champagne, dieses Mutterland aller moussirenden Weine, hat in neuester Zeit begonnen, ihren Bedarf an Flaschen von dieser Gesellschaft zu beziehen, welche ungeachtet mancher Nachtheile, mit den älteren stehende Productionsübersicht gibt ein Bild von der Großartigkeit ihrer Flaschenfabrication. Im Jahre 1853/54 wurden fabricirt: 17101000 Stück. 1856/57 19583000    „ 1858/59 21833000    „ 1860/61 23581000    „ Die Fabrication von farbigem Tafelglas. – Bekanntlich werden zweierlei Arten von farbigem Glase fabricirt, nämlich solches, welches in seiner ganzen Masse gefärbt ist, und sogenanntes Ueberfangglas. Bei dem ersteren muß die Färbung durch die ganze Masse hindurch gleichmäßig vertheilt seyn und die gewünschte Nüance zeigen, ohne daß die Durchsichtigkeit beeinträchtigt wird. Dieß ist jedoch nicht die schwierigste Aufgabe in diesem Fabricationszweige. Wenn Glas übersangen wird, so müssen beide Flächen ganz vollkommen, ohne alle Fehler seyn, einander vollständig decken und fest zusammenhaften; die farbige Glasschicht muß ganz gleichmäßig stark seyn und beide Gläser müssen sich beim Erkalten in derselben Richtung zusammenziehen. Die Gesellschaft der vereinigten Glashüttenwerke entspricht allen diesen Bedingungen mit solchem Erfolge, daß sich wohl behaupten läßt, daß kein anderes Ueberfangglas mit dem auf diesen Werken fabricirten den Vergleich aushält (?). Die Vorschriften zur Composition der Sätze für das farbige Glas sind außerordentlich zahlreich und verschieden; viele von denselben werden geheim gehalten. Der Satz für gewöhnliches Tafelglas besteht dort aus: Sand von Fontainebleau          100 Th. Glaubersalz 36 bis  40  „ kohlensaurem Kalk            40  „ fein gepulverter Holzkohle   4 bis    5   „ Braunstein (Mangansuperoxyd)             2 bis    3   „ Zum rothen Glase wird folgender Satz verwendet: Sand von Fontainebleau                     100 Th. Alkali 18     „ Zinnoxyd 20     „ Kupferoxyd 15     „ Eisenoxyd 10     „ Zur Erzielung anderer Farben dient Chromoxyd, KobaltoxydKabaltoxyd, Manganoxyd etc.; zu Gelb wird Kienruß benutzt. Das Ueberfangen mit chromgrünem Glase ist noch nicht gelungen; neue Versuche lassen jedoch hoffen, auch dieses Ziel zu erreichen. Dagegen sind die Versuche, gelbes Glas mit rothem zu überfangen, vollständig gelungen; dieses Verfahren ist etwas ganz Neues. Bei der Anfertigung der zur Fabrication des Tafelglases dienenden Walzen oder Cylinder findet dieselbe Reihenfolge von Operationen und Perioden statt, wie bei der Flaschenfabrication. Die Schmelzarbeit währt sechzehn Stunden; während derselben wird, wie auch bei dem eben gedachten Fabricationszweige, der stattfindende Schmelzverlust durch Eintragung von neuem Material ausgeglichen. Das Kaltschüren nimmt zwei Stunden in Anspruch; nach dem letzten Abschäumen beginnt die Formgebung bez. das Ueberfangen, welche fünfzehn bis sechzehn Stunden andauert, während die Temperatur auf Hellrothgluth erhalten wird. Dabei arbeitet nur ein Mann, der aber aus den geschicktesten und erfahrensten Arbeitern ausgesucht werden muß. Ein Gehülfe nimmt mit der Pfeife einen „Posten“ farbiges Glas aus dem Hafen und übergibt das Instrument dem Bläser; dieser nimmt nun drei Posten weißes Glas mit seiner Pfeife auf und bläst den Cylinder auf dieselbe Weise aus, wie bei der Anfertigung von gewöhnlichem Fenster- und Tafelglas. Ist der Farbsatz gut bereitet, so dehnt er sich mit dem weißen Glase beim Blasen gleichmäßig stark aus und bildet einen homogenen Ueberzug des Inneren vom Cylinder. Das Strecken von überfangenem Tafelglas weicht nur darin von dem gewöhnlichen Verfahren ab, daß zum Strecken auf dem Lager ein hölzernes Geräth anstatt des sonst üblichen Streckeisens benutzt wird, indem die Schönheit der Farben durch Berührung mit Eisen beeinträchtigt wird. Die überfangenen Tafeln werden auf den vereinigen Glashüttenwerken gewöhnlich von 32 Zoll Breite und 24 Zoll Höhe angefertigt; es können indeß weit größere geliefert werden. Von diesem Product hat die Gesellschaft seit der Pariser Ausstellung von 1855 viel nach England und Amerika exportirt. In weißem Tafelglase können die vereinigten Glaswerke in Bezug auf Farblosigkeit oder Weiße mit den nordfranzösischen Hütten durchaus nicht concurriren, und zwar in Folge der Beschaffenheit ihres Rohmateriales. Uebrigens wird das weiße Tafelglas in derselben Weise fabricirt wie das farbige. Die Gobleterie. – Sie steht auf den vereinigten Glashütten ebenfalls auf einem sehr hohen Standpunkte und liefert höchst mannichfaltige und verschiedenartige Producte. Indessen zeigen dieselben, namentlich die für chemischen Gebrauch bestimmten Glaswaaren, keine recht Weiße Farbe, ungeachtet zahlreicher Versuche, den Krystall möglichst rein und farblos zu erzeugen. Dieß veranlaßte die Direction zu dem Beschlusse, Oefen nach belgischem System zu bauen, d.h. Oefen von kreisförmiger Gestalt, mit einem großen Roste in der Mitte, welcher durch zwei im Ofen angebrachte Oeffnungen mit Brennmaterial beschickt wird. Zwei, zwischen je zwei neben- oder hintereinander stehenden Häfen angebrachte Züge führen die Feuergase in die dem Ofengewölbe entlang laufenden verticalen Canäle, und durch diese treten die gasförmigen Verbrennungsproducte in die große Esse, welche etwa zwölf Fuß über das Dach sich erhebt. Bei dieser Einrichtung können die Häfen bei schärferem Zuge und intensiverer Hitze unbedeckt bleiben, und ihr Inhalt kann nicht durch Rauch verunreinigt werden, so daß – mit Anwendung von Fontainebleauer Sand und Kalkstein von der Rhône – ein sehr schön weißes Glas erzeugt werden kann. Die vereinigten Glashüttenwerke des Loire- und des Rhône-Departements haben dreißig Schmelzöfen, und zwar zwanzig zu Rive-de-Giers, neun zu Givors und einen zu Vienne. Zweiundzwanzig dieser Oefen dienen zur Flaschenfabrication, drei zur Fabrication von weißem, zwei zur Fabrication von farbigem Tafelglas, zwei zu der von Trinkgläsern etc., und einer zu der von ordinären Glaswaaren. Die Gesellschaft beschäftigt ungefähr zweitaufend Männer, Frauen und Kinder.