Titel: Ueber die Anwendung der Mineralöle zum Heizen der Dampfmaschinen, insbesondere der Locomotiven; von H. Sainte-Claire Deville und C. Dieudonné.
Fundstelle: Band 195, Jahrgang 1870, Nr. L., S. 209
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L. Ueber die Anwendung der Mineralöle zum Heizen der Dampfmaschinen, insbesondere der Locomotiven; von H. Sainte-Claire Deville und C. Dieudonné. Aus den Comptes rendus, t. LXIX p. 933; November 1869. Deville, über das Heizen der Locomotiven mit Mineralölen. Anfangs d. J. 1868 ließ die französische Ostbahngesellschaft die Heizung der Locomotiven mit Mineralölen probiren. Da der gelehrte Director dieser Gesellschaft, Hr. Sauvage, uns mit der Aufgabe betraut hatte, die auf dem Eisenbahnnetze derselben functionirenden Maschinen dieses Systemes genau zu untersuchen und zu vervollkommnen, so theilen wir der (französischen) Akademie diejenigen der von uns erhaltenen Resultate mit, welche sie interessiren können, im Auszuge eines von uns der Ostbahngesellschaft erstatteten ausführlichen Berichtes. Zur Anwendung der Mineralöle als Heizmaterial sind zwei Locomotiven eingerichtet worden. Die Beschreibung der ersten dieser Maschinen, welche die Nr. 291 trägt, wurde schon früher mitgetheilt.Polytechn. Journal, 1869, Bd. CXCII S. 206. (Man vergl. den von P. Audouin construirten Apparat zum Heizen der Dampfmaschinen-Kessel mit Mineralölen, welcher auf demselben Princip beruht und nach beigegebenen Abbildungen im polytechn. Journal Bd. CXCI S. 28 beschrieben ist.) Der Heizapparat war, bis auf einige ziemlich geringfügige Modifikationen, bei der Versuchscampagne von 1869 derselbe wie bei der von 1868. Wir erinnern hier nur, daß die Sohle und drei verticale Mauern einen geschlossenen Raum auf dem Boden des Herdes bilden und daß außerdem zwei Gewölbe vorhanden sind, an denen sich die Flammen brechen. Um die Breite der Fugen möglichst zu reduciren, wurden die Ziegelsteine von gewöhnlicher Qualität besonders geformt. 1) Maschine Nr. 291. – Diese Locomotive hatte gleich Anfangs bei mehreren Versuchszügen ihre Probe bestanden; es wurde beantragt, sie in regelmäßigen Dienst zu nehmen und eine große Anzahl von Kilometern durchlaufen zu lassen, um zu sehen, wie die verschiedenen Theile des Apparates sich bei längerem Gebrauche verhalten würden. Man entschied sich, die Maschine in das Depot der Station Flamboin zu schicken, wo die gewöhnlichen Locomotiven desselben Typus (ungekuppelte Räder; Gesammtgewicht: 8400 Kilogr.; Heizfläche: 60 Quadratmeter) stationirt sind. Von Epernay bis Flamboin ging die Maschine geheizt, als Hülfsmaschine an einen Personenzug gekuppelt. Wir begleiteten sie auf einem Theile der Fahrt von Epernay nach Paris. Der Zug bestand aus zwölf Waggons, von denen die Maschine Nr. 291 für ihren Antheil ungefähr acht zog. Die Geschwindigkeit betrug 46 Kilometer per Stunde, die Maximal-Steigungen 5 Millim. per Meter. Der Oelverbrauch war auffallend regelmäßig; er belief sich auf: Kilometer 3,44 Kilogr. per Kilomet. zwischen Epernay und Château Thierry; Entfernung 48 3,36 Château Thierry und Meaux;            „ 50 3,36 Meaux und Paris;                           „ 44 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Gesammt-Entfernung: 142 Die im Depôt von Flamboin stationirten Maschinen machen nur kurze Fahrten, nämlich: von Flamboin nach Longueville             7 Kilom. von Longueville nach Provins 7 von Flamboin nach Montereau 28 Das Anhalten, das Rangiren der Züge, das Anheizen kommt auf diesen Strecken häufig vor. Diese Umstände boten für die Anwendung eines neuen Heizsystemes große Schwierigkeiten dar und stellten dasselbe auf eine strenge Probe. Die Maschine blieb auf ihrer Dienstfahrt in Provins über Nacht stehen und zwar von Abends 10 Uhr 25 Min. (Ankunft des letzten Zuges) bis 5 Uhr 30 Min. Morgens (Abgang des ersten Zuges). Auf dieser Station wurde keine andere Maschine geheizt. Von 10 Uhr 25 Min. bis 4 Uhr Morgens sank die Dampfspannung von 7 auf 1 Atmosphäre. Um 4 Uhr wurde angeheizt, indem nur sehr wenig Oel aufgegeben wurde; die Wärme des Kessels unterhielt die Flamme, indem sie einen schwachen Zug hervorbrachte. Von dem Zeitpunkt ab, wo das Manometer auf 2 1/2 Atmosphären stieg, wurde mit dem der Maschine selbst entnommenen Dampfe geblasen. Die Vertheilung des Oeles erhielt eine zweifache Verbesserung. Die zwanzig kleinen Ansatzröhren führten das Oel nicht immer gleichmäßig zu, so daß, wenn man den Lufteintritt im Verhältniß der dickeren Oelstrahlen regulirte, für die dünneren ein Ueberschuß an Luft vorhanden war; geschah jene Regulirung aber im Verhältniß der dünneren Oelstrahlen, so rauchten die stärkeren. Man mußte daher den durch die Ansatzröhren vermittelten Oelzufluß regelmäßig machen. Dieß gelang dadurch, daß von Stunde zu Stunde ein Dampfstrom von hoher Spannung in die Achse des Vertheilers injicirt wurde. Durch dieses Mittel wurden die Oeffnungen vollständig gereinigt. Bei den ersten Versuchen verstopften sich die Rostcanäle nicht, weil der Oelverbrauch im Verhältnisse zum Luftzuge sehr genau regulirt wurde. Nachdem aber die Maschine in regelmäßigen Dienst genommen war, kam es vor, daß der in der neuen Heizungsweise noch ungeübte Maschinist zu bedeutende Oelmengen auf den Rost fließen ließ, wodurch Verstopfungen veranlaßt wurden. Wir halfen diesem Uebelstande dadurch ab, daß wir die Reinigung leicht ausführbar und praktisch machten. Zu diesem Behufe wurden in die Verlängerung der Canäle zwanzig Löcher gebohrt und mit kupfernen Schraubenstopfen verschlossen. Soll nun ein Canal gereinigt werden, so schraubt man den Stopfen ab und führt durch die Oeffnung einen starken Draht ein. Diese Operation braucht nicht oft wiederholt zu werden, höchstens nach je 100 Kilometern Weg, wenn die Maschine oft halten mußte oder nachlässig geführt wurde. Die zum Schutze der Rahmen anfänglich angebrachten Gewölbe aus Ziegelsteinen hielten nicht lang; das hintere, der stärksten Hitze ausgesetzte, gab am ersten nach; dasselbe war aus Ziegelsteinen und Eisen construirt. Die Gewölbsteine wurden von einer schmiedeeisernen Haube zusammengehalten, welche das Gewölbe an seinem Rücken umgab und sich in Form von Klammern nach seinen Anläufen zu bog; im Sinne der Länge waren zwei Reihen von Backsteinen gelegt. Die erste Reihe der Seitensteine wurde zerfressen und fiel ein, so daß das Ende der eisernen Haube bloßgelegt wurde. Dieses schmolz dann zusammen, und in Folge der Bildung von Eisensilicat wurden auch die mit der Haube in Berührung befindlichen verticalen Mauern zerfressen. Während dieser Campagne hatte die Maschine im Ganzen 800 Kilometer durchlaufen, der Oelverbrauch betrug 6,15 Kilogr. per Kilometer. Der Apparat wurde reparirt, wobei die beiden großen Backsteingewölbe weggelassen wurden. Nunmehr wurden nur sehr wenig Ziegelsteine angewendet zum Schließen der Herdsohle und zur Construction eines sehr kleinen, 11 Centim. breiten Gewölbes, welches nöthig war, um den Rahmen unmittelbar über dem Roste gegen die Wirkung des Feuers zu schützen.Alle diese Schwierigkeiten rührten daher, daß die vorhandenen Locomotiven fast ohne Kosten umgeändert werden mußten; bei zur Oelheizung construirten Maschinen erden diese Uebelstande verschwinden. Dieses Gewölbe wurde ohne Eisen mittelst eines kleinen Lehrbogens construirt; seine Enden ruhten beiderseits auf den verticalen Mauern, in welche sie etwas hineinragten, um ein seitliches Ausweichen im Inneren zu verhüten. Von nun an traf die Flamme auf kein Hinderniß mehr und konnte sich im Herde frei ausbreiten. Der in dieser Weise vereinfachte Apparat befriedigte sehr. Die Dampferzeugung war eine reichliche; nur konnte die bei derartigen Apparaten unerläßlich nothwendige Rauchverzehrung nicht mehr so leicht bewerkstelligt werden wie vorher. Die Maschine legte mit der neuen Einrichtung 1169 Kilometer im regelmäßigen Dienste zurück, welchen sie in jeder Hinsicht wie die übrigen Maschinen desselben Typus versah. Der Oelverbrauch betrug 5,98 Kilogr. per Kilometer. Die Versuche mit der Maschine Nr. 291 wurden alsdann unterbrochen, weil man den den Oelbehälter tragenden Tender für eine neue Maschine, von welcher später die Rede seyn wird, nöthig hatte. Die Locomotive Nr. 291 hat während ihres Dienstes im Depôt von Flamboin 6 Kilogr. Oel per Kilometer Fahrt verbraucht; die Maschinen von demselben Typus verbrauchten zu derselben Zeit 9,20 Kilogr. Kohks. Der Verbrauch an Oel war also 65/100 desjenigen an Kohks dem Gewichte nach. Dieser Verbrauch kann für so kleine Maschinen als ein bedeutender erscheinen. Dieß rührt von den bei jeder Fahrt zu durchlaufenden geringen Entfernungen her. Die Fahrregister verzeichnen für diese Maschinen nur die Anzahl der durchlaufenen Kilometer Weg, während deren sie auch noch viele Functionen machen, welche Dampf beanspruchen: das wiederholte Anheizen, der Aufenthalt auf den Stationen etc. verursachen ebenfalls Dampfverlust. Mit diesem Vorbehalte glauben wir, daß die obigen Ziffern den respectiven Werth der beiden Brennstoffe, der Kohks und des schweren Gasöles, repräsentiren; sie stimmen vollkommen mit den auf der kaiserlichen Yacht „le Puebla“ erzielten Resultaten, auf welcher im Anfange des Jahres 1868 durch einen von uns ein Apparat zum Brennen von Mineralölen angebracht worden war, überein. 2) Maschine Nr. 191. – Nachdem wir die im Vorstehenden mitgetheilten Versuche mit einer kleinen Locomotive angestellt hatten, hielt man es für interessant, das gleiche System bei einer kräftigeren Locomotive zu probiren. Es wurde demnach die Maschine (machine mixte) Nr. 191 gewählt (4 gekuppelte Räder; Durchmesser der Cylinder: 0,42 Meter; 100 Quadratmeter Gesammt-Heizfläche; 19,500 Kilogr. Gesammt-Gewicht). Der neue Herd zur Oelheizung wurde auf dieser Maschine dem bereits beschriebenen Systeme gemäß angebracht, jedoch mit Verwerthung der durch die bisherige Erfahrung gewonnenen Resultate. Wir wollen diese Einrichtung kurz beschreiben. Das Oel wird in derselben Weise vertheilt wie bei der Maschine Nr. 291. Der vertical stehende Rost ist aus einem einzigen Stücke gegossen, steht aber im Inneren des Herdes um 11 Centimeter vor und bildet eine Tafel, welche zum Schutze des Rahmens mit einer Reihe von Fliesen belegt werden kann. Somit fällt die blinde Thür weg, welche bei der ersten Maschine an dieser Stelle die Aufführung eines Gewölbes nöthig machte. Der Herd ist durch eine Sohle und drei verticale Mauern geschlossen; die Sohle ist aber nach dem Roste zu geneigt, damit weniger Backsteine gebraucht werden. Quer durch den Herd geht ein geneigtes Siederohr nach dem auf der Ostbahn bereits bewährten Tembrinck'schen Systeme, welches die großen Backsteingewölbe der ersten Maschine ersetzt und zur Verlängerung des von den Gasen zu durchströmenden Weges, sowie zur Vermehrung der Dampferzeugung bei gleichzeitiger Begünstigung der Rauchverzehrung dient. Die Steine sind sämmtlich auf die flache Seite gelegt, um größere Stabilität zu erhalten. Das sie zusammenhaltende Eisen ist in ihre Wandstärke gelegt und somit vor der Flamme geschützt. Die Steine bestehen aus Bauxit und sind nach dem Systeme von Le Châtelier angefertigt. Dieses neue feuerfeste Product hat sich bei den sehr hohen Temperaturgraden, denen es in unseren Herden ausgesetzt war, als vollkommen unschmelzbar erwiesen. Der Rost besteht, wie bei der ersten Maschine, aus zwanzig Stäben; da der Herd bei beiden Locomotiven ziemlich dieselbe Breite hat, so ließ sich die Anzahl der Roststäbe nicht vermehren; dagegen sind sie höher. Die Verticaldimension der Luftzuführungsöffnungen wurde von 16 auf 22 Centim. gebracht; im Verhältniß zum Roste der Maschine Nr. 291 ist der Querschnitt dieser Oeffnungen um 37 Proc. vergrößert. Die neue Maschine Nr. 191 wurde im Depôt von Epernay stationirt; sie versah den Dienst bei den regelmäßigen Personenzügen auf den Strecken zwischen Epernay und Reims (Steigungen von 9 Millim. per Met.) und zwischen Epernay und Bar (Steigungen von 5 Millim.) Die Dampferzeugung war nicht so leicht wie mit der kleinen Maschine; ohne Zweifel war die Rostfläche im Verhältniß zur Heizfläche nicht hinlänglich vergrößert worden. Bei der Construction einer neuen Maschine würde die Höhe oder besser die Anzahl der Roststäbe zu vermehren seyn. Der Rost riß bald an mehreren Stellen. Anfänglich von diesem Unfall erschreckt, beruhigten wir uns bald wieder, da wir die Ueberzeugung gewannen, daß der Apparat ungeachtet dieser Risse solid blieb und kein Oel verloren ging. Diese Risse mußten in einem Gußeisenstücke von so bedeutenden Dimensionen, welches in seinen verschiedenen Theilen der Einwirkung sehr verschiedener Temperaturen ausgesetzt war, fast nothwendig entstehen. Falls sich diese Brüche des Rostes nicht durch eine Abänderung seiner Form verhindern lassen, mühte man sich entschließen, getrennte Roststäbe aus Schmiedeeisen anzuwenden und die Benutzung von Gußeisen auf den unteren Kasten zu beschränken. Die Maschine Nr. 191 hat bis jetzt 1433 Kilometer Fahrt zurückgelegt. An Oel verbrauchte sie bei vollem Gange 5 Kilogr. per Kilometer; außerdem 90 Kilogr. zum jedesmaligen Anheizen und 25 Kilogr. per Stunde Aufenthalt im Bahnhof im geheizten Zustand. Die per Kilogr. Oel verdampfte Wassermenge betrug 10,90 Kilogr. Mit 1 Kilogr. Briquettes von guter Qualität verdampft man 7,90 Kilogr.; das Verhältniß dieser beiden Brennmaterialmengen ist 138 : 100. Gegenwärtig ist der Herd in gutem Zustande; er scheint zuverlässig eine lange Dauer zu verbürgen und es läßt sich wohl behaupten, daß der Apparat, wenn die Schweröle in hinlänglicher Menge und die Petroleumsorten zu einem entsprechenden Preise auf dem Markte erschienen, den Erfordernissen eines praktischen Dienstes entsprechen würde. Bei der gegenwärtigen Sachlage sind wir der Ansicht, daß wegen der bei gut gebauten und mit Mineralöl geheizten Locomotiven erzeugten enormen Dampfmenge, wenn einmal das Petroleum, dessen Existenz an gewissen wohlbekannten Punkten Frankreichs man aller Wahrscheinlichkeit nach annehmen kann, durch rationell ausgeführte Tiefbohrungen zu Tage gebracht seyn und man sich überdieß zur Condensirung sämmtlicher Producte der Destillation der Steinkohlen und der Schiefer bequemen wird, – die Steinkohlenöle zum Heizen von Locomotiven, welche eine große Anzahl von Personenwagen mit großer Geschwindigkeit zu befördern haben, mit Vortheil verwendet werden können.