| Titel: | Ueber die Darstellung der Aethylamine im Großen; von Prof. A. W. Hofmann. | 
| Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. XLV., S. 149 | 
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                        XLV.
                        Ueber die Darstellung der Aethylamine im Großen;
                           								von Prof. A. W.
                              								Hofmann.
                        Aus den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft zu
                                 										Berlin, 1870, Nr. 3.
                        Hofmann, über die Darstellung der Aethylamine im
                           								Großen.
                        
                     
                        
                           Seit es mirHofmann, Annalen der Chemie und Pharmacie Bd.
                                    											LXXII S. 159. gelungen war, die äthylirten Ammoniaks mit Hülfe des Brom- oder
                              									Jodäthyls darzustellen, hat man mehrfach versucht, diese Agentien durch andere zu
                              									ersetzen. Der Gedanke lag nahe, die Brom- und Jodverbindung durch das Chlorid
                              									zu ersetzen und es schien für diesen Ersatz einmal die weit größere Zugänglichkeit des
                              									Chlors zu sprechen, dann aber auch das weit niedrigere Atomgewicht des Chlors und
                              									schließlich die größere Unlöslichkeit des Chlorammoniums in Alkohol, verglichen mit
                              									der des entsprechenden Bromids und Jodids, welche eine leichtere und vollständige
                              									Scheidung des Ammoniaks von seinen äthylirten Abkömmlingen versprach. Die ersten
                              									Versuche über die Einwirkung des Chloräthyls auf das Ammoniak sind von Stas
                              									Stas, Kekulé's Lehrbuch, Bd. I S. 455. angestellt worden. Dieser Chemiker beobachtete, daß eine Lösung von
                              									Chloräthyl in mit Ammoniak gesättigtem Aether nach längerer Zeit schöne Krystalle
                              									von salzsaurem Aethylamin absetzte. Eingehender ist das Verhalten des Chloräthyls
                              									zum Ammoniak etwas später von C. E. Groves
                              									Groves, Chem. Soc. Qu.
                                       												Journ., vol. XIII p. 341. in meinem Laboratorium untersucht worden. Derselbe fand, daß sich bei
                              									sechs- bis siebenstündigem Erhitzen von Chloräthyl mit dem dreifachen Volum
                              									starker alkoholischer Ammoniaklösung auf 100°C. Vorzugsweise
                              									chlorwasserstoffsaures Aethylamin neben kleinen Mengen chlorwasserstoffsauren
                              									Diäthylamins und Teträthylammoniumchlorids bildet. Es ist mir nicht bekannt
                              									geworden, daß diese Versuche seither von Anderen wieder aufgenommen worden sind,
                              									auch lagen bisher keine Ermittelungen vor, welche die Chemiker hätten veranlassen
                              									können, dem Chloräthyl vor dem altbewährten Bromid und Jodid den Vorzug zu
                              									geben.
                           In letzter Zeit war ich genöthigt, zur Fortsetzung meiner Arbeit über das
                              									Aethylsenföl eine größere Menge von Aethylamin zu bereiten. Ein eigenthümliches
                              									Zusammentreffen von Umständen hat mich veranlaßt, die Darstellung von Aethylbasen
                              									durch die Einwirkung des Chloräthyls auf Ammoniak von Neuem zu versuchen.
                           Die interessanten Beobachtungen des Hrn. O. Liebreich über
                              									die physiologischen Wirkungen des Chloralhydrats haben
                              									schnell zu einer schwunghaften industriellen Gewinnung dieses merkwürdigen Körpers
                              									geführt. Die bisherigen Mittheilungen über dasselbe betreffen indessen nur die
                              									Eigenschaften und die Darstellung des Chlorals. Die gleichzeitig in dieser
                              									Fabrication auftretenden Nebenproducte sind bis jetzt kaum beachtet worden. Ich
                              									wurde zuerst von Hrn. Gustav Krämer, der sich ebenfalls
                              									eingehend mit der Gewinnung des Chlorals beschäftigt hat, darauf aufmerksam gemacht,
                              									daß sich bei der Darstellung dieses Körpers eine ganz erhebliche Quantität von
                              									Nebenproducten bildet, welche stets größere Mengen von Chloräthyl enthalten. Von
                              									diesen Nebenproducten und zumal von dem flüchtigeren Antheile derselben, waren
                              									während der letzten
                              									kalten Tage in der Fabrik des Hrn. E. Schering viele
                              									Kilogramme condensirt worden. Durch die Güte der HHrn. E. Schering und Krämer stand mir eine reichliche
                              									Menge dieses interessanten Productes zur Verfügung. Wie ich es erhielt, stellt die
                              									Substanz eine farblose, durchsichtige, in Wasser unlösliche und untersinkende
                              									Flüssigkeit dar, von so niedrigem Siedepunkte, daß sie schon bei der Berührung mit
                              									der Hand in's Kochen kommt. Die reichlich entwickelten Dämpfe sind entzündlich und
                              									brennen mit rußender grünumrandeter Flamme. Mit eingesenktem Thermometer destillirt,
                              									beginnt die Flüssigkeit bei 17–18°C. zu sieden. Der Siedepunkt steigt
                              									langsam auf 30–32°, wo er einige Augenblicke constant wird, dann rasch
                              									bis auf 50°, bei welcher Temperatur fast Alles übergegangen ist. Setzt man
                              									die Destillation noch weiter fort, so ist bei der Temperatur des siedenden Wassers
                              									nichts Anderes als eine kleine Menge krystallisirter Substanz, ohne Zweifel
                              									Chlorkohlenstoff, zurückgeblieben.
                           Ich war begierig zu erfahren, in wie weit sich dieses Product für die Darstellung der
                              									Aethylbasen würde verwerthen lassen. Gleich die ersten Versuche, bei denen ich von
                              									Hrn. Fr. Hobrecker mit gewohntem Eifer und Geschick
                              									unterstützt worden bin, haben so erfreuliche Resultate ergeben, daß ich nicht umhin
                              									kann, sofort auf diese fast unerschöpfliche Quelle von Material für die Darstellung
                              									der äthylirten Ammoniake aufmerksam zu machen, obwohl verschiedene Versuche, welche
                              									durch die erwähnte Beobachtung angeregt wurden, noch nicht zum Abschluß gekommen
                              									sind.
                           Zur Erzeugung der Aethylbasen behandelt man die bei der Fabrication des Chlorals
                              									entweichenden, durch geeignete Abkühlung condensirten Nebenproducte mit einer
                              									starken Lösung von Ammoniak in Alkohol, in geschlossenen Gefäßen bei 100°.
                              									Ich habe die Digestion Anfangs in emaillirten Eisengefäßen vorgenommen, mich aber
                              									später, nachdem ich gefunden hatte daß das Eisen unter den gedachten Umständen kaum
                              									angegriffen wird, eines großen nicht emaillirten schmiedeeisernen Digestors bedient,
                              									dessen Deckplatte aufgeschraubt war, so daß die Flüssigkeiten durch eine kleine
                              									leicht verschraubbare Oeffnung eingebracht wurden. Dieselbe Oeffnung diente alsdann
                              									auch zur Entleerung der Digestionsproducte. Wässeriges Ammoniak wirkt gleichfalls,
                              									nur langsamer; auch werden die eisernen Gefäße stark angegriffen. Bei Anwendung
                              									wässeriger Ammoniak-Lösung läßt sich stets die Bildung einer kleinen Menge
                              									Alkohols constatiren. Wahrscheinlich wird indessen auch bei Anwendung alkoholischer
                              									Lösungen etwas Alkohol und vielleicht sogar Aether aus dem Chloräthyl erzeugt. Bei
                              									gewöhnlicher Temperatur wird das Gemisch von Chloriden sowohl von wässeriger als auch von
                              									alkoholischer Ammoniaklösung nur äußerst langsam angegriffen.
                           Nach mehreren Präliminarversuchen zeigte es sich, daß die mir zur Verfügung stehende
                              									Mischung von Chloriden bei der Digestion mit dem dreifachen Volum Alkohol von 95
                              									Proc., der bei 0° mit Ammoniak gesättigt war, befriedigende Ergebnisse
                              									lieferte. Der Digestor, dessen ich mich bediente, hat eine Capacität von 5 Litern;
                              									er wurde mit 500 Kubikcentimet. des Chlorids und der entsprechenden Menge
                              									alkoholischen Ammoniaks beschickt. Nach einstündigem Erhitzen im Wasserbade war die
                              									Reaction vollendet. Das noch immer stark ammoniakalische nur wenig gefärbte
                              									Reactions-Product wurde zunächst durch ein Filter von dem reichlich
                              									gebildeten Salmiak geschieden und alsdann im Wasserbade destillirt. Aus den ersten
                              									Antheilen des alkoholischen Destillates zeigte sich auf Wasserzusatz eine nicht
                              									unbeträchtliche Menge einer schweren öligen Flüssigkeit, wahrscheinlich die höher
                              									chlorirten Chloräthyle enthaltend, von der ich für jetzt nur bemerken will, daß sie,
                              									wie sich aus dem Siedepunkt alsbald ergab, kein Chloräthyl mehr enthält. Die
                              									späteren Antheile der Destillation sind schwaches alkoholisches Ammoniak, welches,
                              									um für eine zweite Operation verwendbar zu seyn, nur wieder gesättigt zu werden
                              									braucht. Sobald die Destillation im Wasserbade erlahmt, wird die Flüssigkeit in
                              									einer offenen Schale zunächst auf dem Wasserbade und endlich bei höherer Temperatur
                              									erwärmt, bis die letzten Spuren Alkohol ausgetrieben sind. Beim Erkalten erstarrt
                              									die Flüssigkeit zu einer faserigen Krystallmasse der Chloride der äthylisirten
                              									Ammoniake, denen nur außer ordentlich wenig Salmiak beigemengt ist.
                           Auf Zusatz von concentrirter Natronlauge zerlegen sich die Chlorhydrate der Aminbasen
                              									und ein Gemenge von Aethyl-, Diäthyl- und Triäthylamin steigt auf die
                              									Oberfläche der wässerigen Salzlösung, während eine kleine Menge Ammoniak entweicht.
                              									Die freien äthylirten Ammoniake brauchen nur noch mittelst eines Scheidetrichters
                              									abgehoben und eine Nacht über starres Natronhydrat gestellt zu werden, damit sie
                              									alles Wasser verlieren. Bei der Destillation erweist sich die farblos durchsichtige
                              									Flüssigkeit als ein Gemisch von Aethylamin, Diäthylamin und Triäthylamin in etwa
                              									gleichen Theilen; die Flüssigkeit fängt an bei etwa 20° zu sieden; der
                              									Siedepunkt steigt dann allmählich auf 108°, allein schon bei 95° ist
                              									fast die ganze Menge der Flüssigkeit übergegangen.
                           In den Versuchen, deren Ergebnisse ich hiermit vorlege, wurden 5 Liter des bei der
                              									Fabrication des Chlorals als Nebenproduct auftretenden Oeles in Arbeit genommen. Die
                              									Operation war mit fünf oder sechs Digestionen vollendet und es wurden etwa 1 1/2 Liter
                              									wasserfreier Basen erhalten.
                           Leider hatte ich bei diesen Versuchen von Neuem Gelegenheit, die schon früher
                              									gemachte ErfahrungHofmann, am oben angeführten Orte. zu bestätigen, daß es hoffnungslos ist, die drei Aethylbasen durch
                              									Destillation von einander zu scheiden. Diese Erscheinung ist gewiß befremdlich, wenn
                              									man bedenkt daß zwischen den Siedepunkten sowohl des Aethyl- und
                              									Diäthylamins, als auch des Diäthyl- und Triäthylamins ein Temperaturintervall
                              									von nahezu 40° liegt. Man muß also, um die einzelnen Basen zu scheiden, zu
                              									der früherHofmann, R. Soc. Proc.,
                                       												vol. XI. p. 66. von mir beschriebenen Trennungsmethode mit Oxalsäure-Aether
                              									zurückgehen. Möglich indessen, daß das reichliche Material, welches jetzt zur
                              									Verfügung steht, einfachere Trennungsmethoden aufzufinden gestatten wird.
                           Die hier mitgetheilten Ergebnisse haben mich veranlaßt, auch das Verhalten anderer
                              									Alkoholchloride und zumal des Chlormethyls zum Ammoniak einer eingehenderen Prüfung
                              									zu unterwerfen; ich hoffe über den Erfolg dieser Versuche bald berichten zu
                              									können.