| Titel: | Die Bestimmung des Volant bei Walzenkrempeln. | 
| Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. LXII., S. 190 | 
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                        LXII.
                        Die Bestimmung des Volant bei
                           								Walzenkrempeln.
                        Ueber die Bestimmung des Volant bei Walzenkrempeln.
                        
                     
                        
                           Ueber die Wirkung welche dem Volant, jener schnell rotirenden, zwischen dem letzten
                              									Arbeiter und dem Peigneur der Walzenkrempeln eingeschalteten Bürstwalze, zufällt,
                              									herrscht noch große Unklarheit und ist es daher erfreulich, daß Professor Dr.
                              									Hartig in Dresden und Dr. H.
                              										Grothe in Berlin diesen
                              									Gegenstand zur Erörterung bringen (Zeitschrift des Vereines der Wollinteressenten
                              									Deutschlands, 1870 S. 84). Prof. Hartig bemerkt, daß, wie er gefunden, in der Regel die Spinnmeister
                              									selbst nicht recht wissen, welche Bewandtniß es mit der Wirkung des Volant habe, und
                              									wenn sie auch im Allgemeinen für eine günstige Einwirkung der Volant auf die
                              									regelmäßige Arbeit der Krempel, ja für die Unentbehrlichkeit dieser Walze Meinung
                              									haben, so fehlt ihnen doch zumeist eine klare Vorstellung von der Art ihrer Wirkung.
                              									Auch die technische Literatur läßt uns über dieses Detail in ziemlicher Ungewißheit;
                              									es finden sich drei im Wesentlichen zu unterscheidende sehr verschiedene Ansichten,
                              									daß nämlich die Wirksamkeit des Volant bestehe in einem Glattstreichen oder in einem
                              									Eindrücken oder einem Herausheben des Fasernmateriales aus dem Kratzenbeschlage der
                              									Trommel. Um aus der hiernach sich ergebenden Unsicherheit herauszukommen, wird man
                              									sich folgender Thatsachen zu erinnern haben: Die Umfangsgeschwindigkeit des Volant
                              									ist immer größer als die der Trommel, beträgt nämlich das 1,4–1,6fache
                              									derselben; die Umdrehungsrichtung ist der des Tambour entgegengesetzt, so daß die
                              									langen feinen radial stehenden Zähne des Volant an der Arbeitsstelle in gleichem
                              									Sinn mit den Zähnen des Tambour und mit der Richtung, nach welcher die Spitzen
                              									derselben abgebogen sind, sich bewegen. Endlich greifen die Zähne des Volant in die
                              									Zähne des Tambour wirklich ein, wovon man sich leicht überzeugen kann; es lassen
                              									nämlich die Zähne solcher Volants, welche längere Zeit im Gang waren, eine bis 4
                              									oder 5 Millimet. von der Spitze herein sichtbare Abnutzung, in Form einer
                              									einseitigen Zuspitzung, bemerken; auch läßt sich beim Arbeitsgang einer richtig
                              									gestellten Walzenkrempel am Volant (und zwar nur an diesem) ein schwaches,
                              									zischendes Geräusch hören, ähnlich dem, das beim Schleifen der Kratzen wahrzunehmen
                              									ist. Unter Berücksichtigung dieser Thatsachen wird man sich daher das Zusammenwirken
                              									des Volant mit dem Tambour so vorzustellen haben, daß die feinen Zähne des Volant
                              									mit einer Geschwindigkeit welche der Differenz der Umfangsgeschwindigkeiten von
                              									Tambour und Volant gleich ist, mit ihren Enden zwischen den in Ruhe gedachten Zähnen
                              									der Trommel in derjenigen Richtung hindurchstreichen, nach welcher die Zähne
                              									desselben abgebogen sind. Hierbei muß offenbar das Fasermaterial, welches durch die
                              									Arbeiter und Wender höchst gleichmäßig im Trommelbeschlage vertheilt ist, so daß es
                              									von keiner Arbeitswalze mehr zurückgehalten und erfaßt werden konnte, aus dem Grunde
                              									des Beschlages nach den Zahnspitzen hinaus befördert werden, was weiter die Folge
                              									hat, daß die Zähne des Peigneur (die wegen ihrer größeren Steifheit niemals in die
                              									Zähne der Trommel eingreifen dürfen) die dünne jetzt über die Spitzen des
                              									Trommelbeschlages sich erhebende Haardecke leicht abnehmen können. Es wird daher zu
                              									behaupten seyn, daß der Volant die regelmäßige Ueberführung des gekrempelten
                              									Fasermateriales von dem Beschlage des Tambour in die Beschläge des Peigneur oder
                              									Doffer befördert, sonach eine Ueberfüllung des Trommelbeschlages wirksam verhindert,
                              									und es kann die Annahme beibehalten werden, daß der Volant das Ausputzen der Trommel
                              									theilweise übernimmt,
                              									wogegen man die Behauptung von einer glattstreichenden oder gar eindrückenden
                              									Wirkung des Volant als irrthümlich oder doch unwesentlich fallen zu lassen hat,
                              									ebenso wie die oft nachgeredete und nachgeschriebene Ansicht, daß der Krempelproceß
                              									eine parallele Anordnung der Fasern zu einander herbeiführen solle und könne.
                           An diese Auseinandersetzung des Prof. Hartig reiht sich die des Dr. H. Grothe an. Dieser hatte früher die Wirkung
                              									des Volant eine „feststreichende“ genannt, indem er der
                              									allgemeinen Annahme seitens der Spinner folgte, welche diese feststreichende Wirkung
                              									dadurch besonders begründen und als allein bezweckt hinstellen, daß man häufig den
                              									Bezug des Volant nur aus Borsten herstelle, die also, leicht beweglich und biegsam,
                              									fest angreifend und hebend kaum wirken könnten. Diese Erklärung hat etwas für sich,
                              									wenn man die Sache obenhin betrachtet. Tritt man derselben jedoch näher, so fragt
                              									man sich: „Weßhalb soll man denn feststreichen?“ Etwa um dem
                              									Peigneur die Arbeit zu erschweren? Denn bei einem Feststreichen der Wolle, also
                              									einem gewissen Eindrücken, legt sich die Wolle tiefer zwischen die Kratzen hinein,
                              									ja geht vielleicht bis auf das Futter hinein. Wie soll nun der nicht berührende
                              									Beschlag des Peigneur die Wolle aus den Kratzen des Tambour herausholen? Dieses
                              									Feststreichen kann also keineswegs die Aufgabe des Volant seyn. Alle Schriften über
                              									Streichgarnfabrication oder Baumwollenspinnerei, in denen von Walzenkrempeln die
                              									Rede ist, geben keinen bestimmten Aufschluß über die Wirksamkeit des Volant,
                              									ausgenommen Alcan's Traité
                                 										du travail de laine, vol. I p. 408. Die Ansicht
                              									desselben, daß die Kratzen des Volant in die Zähne des Tambour eingreifen und die
                              									Masse der Gespinnstfasern bis an die Spitze der Kratzendrähte des Tambour heben,
                              									scheint eine genügende Antwort auf den Zweifel gegen das Feststreichen. Dr.
                              										Grothe stellt aber noch
                              									praktische Versuche an, um diese Erklärung zu prüfen.
                           Betrachtet man den Beschlag des Volant, so fällt die Länge und Biegsamkeit der Drähte
                              									auf. Man sieht nun, daß diese Eigenschaften dazu dienen, die greifende Wirkung der
                              									Drähte zu verhindern. Da die Zähne des Volant ferner fast ohne Kniee sind, oft sogar
                              									ganz ohne dieselben, so hat ohne Zweifel dem Erfinder des Volant ein Gedanke
                              									vorgeschwebt, der dem Volant eine andere Rolle zuweist. Der Volant soll keine
                              									wirklich abnehmende Wirkung äußern, trotz der bei weitem schnelleren Bewegung und
                              									entgegengesetzten Umdrehungsrichtung gegenüber dem Tambour. Die Zähne des
                              									Volantbeschlages greifen aber in die Tambourzähne ein, sie fassen somit die Wolle
                              									oder Faser, welche in den Tambour vom letzen Wender her eingetragen ist. Diese Wolle
                              									leistet dabei einen
                              									bestimmten Widerstand, der jedoch verringert wird durch die Gleichrichtung des
                              									Kniees bei den Tambourzähnen. Die Faser rutscht am Knie herauf. Die Biegsamkeit der
                              									Volantzähne und die größere Schnelligkeit des Volant aber bewirken ein Abgleiten des
                              									schiebenden Volantdrahtes. Um die Ueberzeugung von dieser Wirksamkeit zu gewinnen,
                              									stellte Grothe zwei Versuche an. Einmal mußte der Volant
                              									umgekehrt rotiren, ebenso der Tambour (nachdem Arbeiter und Wender entfernt waren).
                              									Dabei schoben die Volantzähne die Wolle in den Beschlag tief hinein, weil bei dieser
                              									Umgangsrichtung der Volantzahn dem Knie des Tambourschlages entgegenkommt. Beim
                              									zweiten Versuch mußte der Volant sehr tief in den Tambour eingreifen, d.h. viel
                              									tiefer als derselbe für gewöhnlich eingreift. Abgesehen davon, daß sehr viele
                              									Partien des Volantbeschlages nicht zwischen die Zähne des Tambour eintraten, weil
                              									sie wahrscheinlich auf die Drähte des Tambour selbst trafen, also nicht in die
                              									Zwischenräume, so bewiesen doch einzelne Stellen, daß die Volantkratzen nun die
                              									Wolle alle herausrissen, eben weil sie eine kräftiger unter die Wolle greifende
                              									Thätigkeit ausüben konnten, vor Allem länger und mehr Widerstand fanden. Daraus ist
                              									es auch erklärlich, daß der Volant aufbauschende Flöckchen von Fasern, welche
                              									unzertheilt auf den Tambour gelangten, herausholt und abwirft. Er wird dieß auch mit
                              									der guten Wolle thun, wenn er zu tief in die Tambourkratzen eingreift und um so
                              									mehr, je mehr die Wolle, resp. Faser gekräuselt ist. Je schlichter das Haar, um so
                              									größer muß der Eingriff der Kratzen genannter Walzen seyn. Denn das schlichte Haar
                              									wird durch die (Zentrifugalkraft und die differirende Geschwindigkeit der Arbeiter
                              									und Wender der Bewegungsrichtung nach weit mehr gestreckt als das gekräuselte, und
                              									in Folge dessen kann es auch tiefer in die Beschläge eindringen. Sowohl hierfür, als
                              									für das Herausheben oder Aufheben des Vließes aus dem Tambour durch den Volant, so
                              									daß die Arbeit des Peigneur erleichtert wird, ist die Differenz der
                              									Geschwindigkeiten beider in Rede stehenden Walzen von bedeutendem Einfluß. Der
                              									Spinner muß für jedes Material die richtige Stellung des Volant zum Tambour kennen
                              									und erfahrungsmäßig erproben, oder die Schnelligkeit beider Walzen der Faser
                              									angemessen in Verhältniß bringen. Bei gekräuselter Faser ist ein geringerer
                              									Eingriff, aber größere Schnelligkeit nothwendig. Dieß hat die Praxis nicht sowohl
                              									bereits gelehrt, sondern man kann es aus directen Versuchen stets entnehmen. Für
                              									eine mittlere Streichwolle ist z.B. eine Umfangsgeschwindigkeit von 1500'' für den Volant und 1200''
                              									für den Tambour ein richtiges Verhältniß, bei schlichterer Wolle nimmt man dasselbe
                              									etwa für 1200'' Tambour an auf 1400'' Volant. Dieß beruht zugleich in der Ausstreckung des Haares, die
                              									natürlich bei schlichtem Haar leichter gelingt, als bei gekräuseltem. Die Differenz
                              									der Geschwindigkeit entspricht hierbei etwa einer vermehrten Streckkraft, Zugkraft.
                              									Freilich nimmt man als Grundgedanken der Operation des Kardirens nicht ganz
                              									allgemein an, daß er auf Ausstreckung (oder schlechter ausgedrückt auf
                              									Parallelisirung der Faser) gerichtet sey. Dr. Grothe glaubt aber dennoch keinen anderen
                              									leitenden Gedanken in diesem Proceß finden zu können, außer noch den Gedanken des
                              									Ausbreitens und Auflockerns. Natürlich spricht für die Erreichung dieser Zwecke die
                              									Eigenschaft der Faser wesentlich mit. Bei fein gekräuseltem Streichgarn, in welchem
                              									die Contractionskraft sehr groß ist, bei welchem die Länge nicht hervortritt,
                              									erreicht man die Ausstreckung der Faser natürlich unvollkommener als bei der
                              									Baumwollfaser. Betrachtet man aber alle Fasern bei einer plötzlich angehaltenen
                              									Krempelmaschine, so sieht man die größere Mehrzahl der Fasern in der Richtung der
                              									Bewegung ausgestreckt. Der ganze Krempelproceß ist ein fortgesetztes, stets
                              									erneuertes Ausbreiten und Zusammenschieben der Fasern, bei welchem das Ausbreiten in
                              									Progression vor sich geht. Haben z.B. die Einziehwalzen pro Minute 0,9 Umgänge = 6,5'' Einzug und
                              									machte der Vorreißer 300 Umgänge mit 8600'' Weg, hatte
                              									ferner der Tambour bei 153 Umgängen 20000''
                              									Umfangsgeschwindigkeit, so ist die Faser durch den Vorreißer gegen den Einzug um
                              									8600/6,5, durch die Trommel gegen den Vorreißer um 20000/8600 = 2,3 so viel
                              									ausgebreitet. Der Arbeiter aber schiebt die Fläche der Faser wieder zusammen, bei
                              									7,8 Umgängen pro Minute und Umfangsgeschwindigkeit von
                              										148'' auf 20000/148 = 135 Mal so geringen Raum. Der
                              									Wender bewegt sich mit 370 Umgängen und 5230'', er
                              									vertheilt also die zusammengeschobene Faser des Arbeiters wieder auf einen etwa 35
                              									Mal größeren Raum und vom Wender geht die Masse dann wieder auf die Trommel über,
                              									die einen circa 4 Mal so großen Weg zurücklegt. So geht
                              									der Ausbreitungsproceß weiter fort, bis endlich die Faser auf 20000'' des Tambour vertheilt bleibt. Der Einfluß der
                              									abnehmenden Walzen, welche ausbreiten, macht sich stets durch größere
                              									Geschwindigkeit bemerkbar, deren ganz natürliches Resultat unter den obwaltenden
                              									Verhältnissen ein Ausstrecken der Faser seyn muß. Nun tritt endlich der Volant noch
                              									in Arbeit. Derselbe geht schneller als der Tambour und seine Kratzen greifen etwas
                              									ein. Derselbe würde abnehmend wirken, wenn die Beschläge nicht die oben angegebenen
                              									Eigenschaften hätten. Die effective Abnahme würde hierbei, da der Volant für unser
                              									Beispiel bei 900 Umgängen und 25900''
                              									Umfangsgeschwindigkeit 1,3 Mal so schnell geht als die Trommel, demgemäß eine um so
                              									viel ausbreitende und vertheilende seyn. Da aber diese Volantbeschläge nicht
                              									abnehmen, so wirken sie auf die Fasermasse schiebend und zusammenschiebend, so daß
                              									ein der Differenz der Geschwindigkeiten entsprechendes Verdichten des
                              									heraufgehobenen Vließes auf dem Tambour entsteht. Die schnellere Bewegung des Volant
                              									wirkt dabei ausstreckend. Beim Abnehmen selbst entsteht nun allerdings wieder ein
                              									gewisses Zusammenschieben der Fasermasse, das einer Aufgabe der Gleichgerichtetheit
                              									entspricht, so daß das auf die Pelztrommel aufgelaufene Vließ keinen absoluten
                              									Parallelismus der Fasern zeigt, sondern je nach der geringeren Geschwindigkeit des
                              									Abnehmens ungleichartigere Faserlage. Daß aber beim Krempelproceß eine gewisse
                              									Parallelisirung der Fasern erwirkt werden soll, unterliegt wohl keinem Zweifel. Ohne
                              									dieselbe würde der Spinnproceß ohne Erfolg seyn. Bei Streichwolle wirkt die
                              									natürliche Kräuselung und die Contractionskraft der Parallelisirung sehr entgegen,
                              									allein angestrebt wird sie entschieden und die Zwischenproducte und die fertigen
                              									Fabricate lehren sehr deutlich, daß der Erfolg der Bearbeitung hauptsächlich ein
                              									Gleichrichten der Fasern ist. – Dr. Grothe ist demnach der Ansicht, daß die Rolle
                              									des Volant die von Alcan und von Dr. Hartig bezeichnete ist, daß die
                              									Glattstreichung der Fasern dabei nebensächlich ist, daß aber der Zweck des
                              									Krempelprocesses ebensowohl Auflockerung, Isolirung und darauf Zusammenführung der
                              									einzelnen Fasern ist bei Anstrebung möglichster paralleler oder doch gleich
                              									gerichteter Lage der Fäden zu einander. (Deutsche Industriezeitung, 1870, Nr.
                                 									14.)