| Titel: | Ueber die Darstellung des Naphtylamins; von M. Ballo. | 
| Autor: | M. Ballo | 
| Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. LXXIII., S. 257 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LXXIII.
                        Ueber die Darstellung des Naphtylamins; von
                           									M. Ballo.
                        Ballo, über Darstellung des Naphtylamins.
                        
                     
                        
                           Gegenüber der großen Wichtigkeit die das Naphtylamin in neuester Zeit sich errungen,
                              									dürfte es von Interesse seyn zu erfahren, wie dasselbe auf die einfachste und
                              									billigste Weise in ganz reinem Zustand dargestellt werden kann.
                           Die vorzüglichsten bis jetzt zu diesem Zwecke empfohlenen Methoden sind folgende: 1)
                              									die von Zinin,Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. XLIV S. 283. welche auf der Reduction des Nitronaphtalins mit Schwefelammonium beruht; 2)
                              									jene von Piria,Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. LXXVIII S. 62. beruhend auf der Zersetzung des thionaphtamsauren Ammoniums mit
                              									Schwefelsäure; 3) die Methode von Roussin,Wagner's Jahresbericht für 1861, S. 545. nach welcher das Nitronaphtalin mit Zinn und Salzsäure reducirt wird (statt
                              									Zinn kann nach BöttgerPolytechn. Journal Bd. CLXXIII S.
                                          													480.
                                 									 auch Zink angewendet werden); endlich 4) die Methode von 
                              									Béchamp,Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. XCII S. 401. welche der jetzt allgemein zur Reduction des Nitrobenzols angewandten (mit
                              									Eisen und Essigsäure nämlich) analog ist.
                           Die zwei ersten Methoden sind zur Darstellung des Naphtylamins im Großen nicht
                              									geeignet, da dasselbe auf diese Weise nur sehr schwierig rein zu erhalten ist. Am
                              									leichtesten wurde – vor Jahren schon – in Hrn. Prof. Bolley's Laboratorium, bei
                              									Gelegenheit einer vergleichenden Untersuchung der genannten Methoden, das
                              									Naphtylamin rein und reichlich nach dem Béchamp'schen Verfahren erhalten. Jedoch auch diese Methode hat ihre
                              									Mängel, welche sie zur Anwendung im Großen in der bis jetzt bekannten Form nicht
                              									sehr geeignet machen dürften. Dieselben sind vorzüglich in dem hohen Siedepunkte
                              									– dieser liegt bekanntlich bei über 300° C. – der Base zu
                              									suchen. Eine so hohe Temperatur kann nur mit Vortheil vermieden werden, zumal ohne Zusatz eines basischen Körpers zur Reductionsmasse
                              									(behufs Sättigung der Essigsäure) bekanntlich die Bildung fremder Körper
                              									(beispielsweise Carey Lea'sPolytechn. Journal Bd. CLXVI S.
                                       											337. Jonnaphtin, Schützenberger'sJournal für praktische Chemie, Bd. LXXV S. 117. Phtalamin etc.) nicht verhindert, und nach Zusatz
                              									desselben, in Folge einer Ueberhitzung, beinahe stets ein Theil des Naphtylamins in
                              									Ammoniak und Naphtalin zersetzt werden kann. Die Bildung des sogen. Naphtalosoxydes
                              									von Laurent ist bei dieser Gelegenheit auch sehr oft zu
                              									beobachten. Vorzüglich am Ende der Operation tritt dasselbe in oft zolllangen, schön
                              									gelben, in Alkohol nur schwierig löslichen (die Lösung opalisirt), in Wasser
                              									unlöslichen Krystallen am oberen Theile der Retorte abgelagert auf, die sich in
                              									concentrirter Schwefelsäure mit prachtvoll violetter Farbe lösen. Nach Laurent bildet sich dieser Körper beim Erhitzen des
                              									Nitronaphtalins mit Kalk oder Baryt, weßwegen sein Auftreten bei der Darstellung des
                              									Naphtylamins Folge von nicht reducirtem Nitronaphtalin seyn dürfte.
                           Nach meiner Beobachtung kann man aber das Naphtylamin aus der mit Eisen und
                              									Essigsäure reducirten Masse sehr leicht mit Wasserdämpfen, ganz so wie dieß gegenwärtig allgemein mit dem Anilin
                              									geschieht, überdestilliren. Zu diesem Zwecke übersättigt man die erkaltete
                              									Reductionsmasse mit Kali- oder Natronlauge (ein Ueberschuß derselben ist zu
                              									vermeiden, da sonst die Masse zu stark schäumt) und leitet einen kräftigen
                              									Dampfstrom hindurch.
                           Das Destillat ist eine milchig trübe Flüssigkeit, ganz ähnlich jener, welche
                              									resultirt wenn man aus der wässerigen Lösung eines Naphtylaminsalzes die Base mit Ammoniak
                              									ausscheidet und es formt sich auch hier das suspendirte Naphtylamin nach kurzer Zeit
                              									Stehens, zu farblosen, verfilzten Krystallnadeln, die abfiltrirt werden, sich aber
                              									an der Luft alsbald violett und dann noch dunkler färben. Das Abscheiden der Base
                              									aus der milchigen Flüssigkeit in Oeltropfen wurde auch einmal beobachtet. Es sey mir
                              									bei dieser Gelegenheit erlaubt zu bemerken, daß man aus der heißen, concentrirten
                              									Lösung des Naphtylamins in Anilin beim Erkalten derselben die erstere Base in
                              									prachtvollen, großen Krystallen erhält, welche an der Luft viel beständiger sind als
                              									die feinen Krystallnadeln (eine Partie derselben färbte sich selbst nach
                              									monatelangem Liegen an der Luft kaum) und zur Messung mit Vortheil angewandt werden
                              									können.
                           Die Vorzüge dieses Verfahrens sind in die Augen fallend: man erhält direct und in reinem Zustand
                              									die freie Base, während bei allen übrigen Methoden
                              									dieselbe, behufs der Reinigung, zunächst in ein Salz umgewandelt und aus der
                              									wässerigen Lösung des Salzes durch Ammoniak wieder gefällt werden muß. Bei dem
                              									Verfahren von Roussin hingegen muß aus dem bei der
                              									Reduction des Nitronaphtalins mit Zinn und Salzsäure entstandenen Doppelsalze das
                              									Zinn zunächst mit Schwefelwasserstoff oder Schwefelnatrium ausgeschieden werden.
                           Da das Naphtylamin auch nicht ganz unlöslich in Wasser ist, so ist es
                              									selbstverständlich, daß das condensirte Wasser, ebenso wie dieß in den
                              									Anilinfabriken geschieht, zur Speisung des Dampfkessels, und das Reductionsgefäß
                              									zugleich zum Destillationsgefäße verwendet werden kann. Durch dieses Verfahren ist
                              									die Fabrication des Naphtylamins auf dieselbe Höhe der Vervollkommnung gebracht, auf
                              									welcher gegenwärtig jene des Anilins steht.
                           Pest, im April 1870.