| Titel: | Ueber die Corliß-Dampfmaschinen; von J. Hermanuz. | 
| Autor: | J. Hermanuz | 
| Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. LXXVIII., S. 289 | 
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                        LXXVIII.
                        Ueber die Corliß-Dampfmaschinen; von J.
                              									Hermanuz.
                        Hermanuz, über die Corliß-Dampfmaschinen.
                        
                     
                        
                           Der Aufsatz von Hrn. Richard Em.
                                 										Schmidt im polytechn. Journal Bd.
                                 										CXCV S. 488 (zweites Märzheft 1870) enthält eine Kritik der Corliß-Dampfmaschinen, deren Einseitigkeit jeder
                              									mit diesem Maschinen-System Vertraute und insbesondere jeder Besitzer einer
                              									solchen Dampfmaschine zwar von sich aus eingesehen haben wird, die bei manchem
                              									weniger genau unterrichteten Fabrikanten aber ungerechtfertigte Zweifel an der Güte
                              									jener Maschinen hervorrufen könnte, welche zu zerstreuen einem Constructeur
                              									angelegen seyn muß.
                           Unter den als Grund der Beliebtheit der Corliß-Dampfmaschinen angeführten Eigenschaften derselben fehlt von
                              									allen die wichtigste: die Möglichkeit der Anwendung sehr großer Expansionsgrade ohne
                              									den Nachtheil der Canal-Verengung wie bei den
                              									Zweischieber-Steuerungen, und die dadurch bewirkte Dampf- resp.
                              									Kohlen-Oekonomie, von der schon so viele Indicator- und Bremsversuche
                              									Beweis geliefert haben, daß es unnöthig erscheint, hierauf weiter einzugehen.
                           Was den speciellen Vorwurf: die Unmöglichkeit der Beibehaltung gleichmäßiger
                              									Geschwindigkeit bei verschiedenen Arbeitsleistungen und Füllungsgraden betrifft, so
                              									kann man denselben vom theoretischen Standpunkte allen statischen Regulatoren
                              									machen.
                           Wäre der Uebelstand wirklich fühlbar, so wäre ihm sehr leicht abzuhelfen durch
                              									Anbringung eines astatischen Regulators. Daß dieser trotzdem nicht angebracht wird,
                              									hat seinen Grund eben darin, daß der meistens angewandte schnell laufende Porter'sche Regulator so empfindlich ist, die
                              									nothwendigen Verstellungen und entsprechenden Geschwindigkeitsschwankungen so klein
                              									sind, daß dieselben factisch gar keinen Uebelstand mehr bilden.
                           Ueberdieß ist es bei großen Veränderungen in der nothwendigen Arbeitsleistung, wie
                              									sie die Aus- und Einrückung ganzer Fabriktransmissionen oder mitarbeitender
                              									anderweitiger Motoren mit sich bringen, für den Maschinenwärter eine Kleinigkeit die
                              									relative Stellung des Regulators gegen die Expansions-Klinke durch Drehung
                              									einer Schraube so zu verändern, wie es dem neuen mittleren Füllungsgrade
                              									entspricht.
                           Eben so leicht ist es, die relative Größe der Expansions-Schwankungen gegen
                              									diejenigen des Regulators auf das Maaß zu reduciren, wie es sich nach einigen
                              									Versuchen der größeren oder kleineren Ungleichmäßigkeit der Arbeit entsprechend als am
                              									vortheilhaftesten herausgestellt haben wird.
                           Das angeführte Beispiel betreffend, ist dasselbe – sofern es genau der
                              									Wirklichkeit entnommen – nur ein Beweis daß die beobachtete Maschine
                              									(eventuell auch der angewendete Dampfdruck) für die geleistete Arbeit viel zu klein
                              									und überdieß die Steuerung nicht obigen Andeutungen gemäß richtig montirt war. Ganz
                              									oder auch nur alternativ mit 13/16 Füllung zu arbeiten, ist allerdings, wie auch
                              									ohne alle Rechnung einzusehen, eine ungeheure Dampf-Verschwendung.
                           Bei der richtig montirten Corliß-Maschine ist dieß aber
                                 										gar nicht möglich.
                           Das Excenter ist unter einem Winkel von 90º + Voreilungswinkel gegen die
                              									Kurbel aufgekeilt. Noch vor 1/2 Hub ist also die Steuerscheibe auf dem Rückweg und
                              									nachher absolut keine Auslösung des Schieberhebels mehr möglich.
                           Die beobachtete Maschine hatte also den Montirungsfehler, daß der
                              									Expansionsmechanismus alternativ gar nicht zur Anwendung kam, die Absperrung allein
                              									wegen der Schieber-Voreilung erst nach 13/16 des Hubes eintrat. Wenn, wie
                              									wahrscheinlich, die Maschine im Uebrigen richtig construirt war, so wäre durch
                              									einige kleine Verschraubungen abzuhelfen gewesen.
                           Wer aber die Corliß-Maschine mit Verständniß ihrer
                              									Vortheile benutzen will, wird auch nicht mit 7/16, sondern mit 1/10 bis 1/4 Füllung
                              									und hohem Dampfdruck arbeiten, und dann gewiß nicht über Uebelstände zu klagen
                              									haben, wie sie hier besprochen wurden.
                           Kriens bei Luzern, 24. April 1870.