| Titel: | Wetli's Eisenbahnsystem für starke Steigungen. | 
| Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. LXXXI., S. 295 | 
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                        LXXXI.
                        Wetli's Eisenbahnsystem für starke Steigungen.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									VI.
                        Wetli's Eisenbahnsystem für starke Steigungen.
                        
                     
                        
                           Da die Leistungsfähigkeit der Locomotiven gewöhnlicher Bahnen an bestimmte
                              									Verhältnisse von Kraft und Geschwindigkeit gebunden ist und in Folge dessen das
                              									Gewicht eines Zuges bei starken Steigungen durch die nicht mehr zureichende Adhäsion
                              									der Treibräder eine Grenze findet, wurde zur künstlichen Vermehrung der
                              									Schienenreibung bei der Bahn über den Mont-Cenis das Fell'sche System eingeführt, wie jene Thatsache auch schon früher zur
                              									Verwendung stationärer Dampfmaschinen zur Beförderung von Eisenbahnzügen über stark
                              									geneigte Ebenen Veranlassung bot.
                           Der schweizerische Ingenieur Wetli construirte, um den Mängeln dieser Systeme abzuhelfen, eine
                              									neue Gebirgslocomotive und damit im Zusammenhang ein neues Oberbausystem.Dasselbe ist in einer Broschüre: „Grundzüge eines neuen
                                       												Locomotiv-Systemes für Gebirgsbahnen, mit Bezugnahme auf die
                                       												schweizerische Alpenbahnfrage, von C. Wetli, Zürich 1868“
                                    											erschienen.
                              								
                           Als Resultat seiner Versuche mit einem kleinen Modell des neuen Systemes faßt Wetli folgende Punkte zusammen:
                           1) Die Wagen gewöhnlicher Bahnen können auf das neue Bahnsystem übergehen.
                           2) Die Locomotiven können auch gewöhnliche Bahnen befahren.
                           3) Die Leistungsfähigkeit der Locomotiven wird in der Art erweitert, daß die Zugkraft
                              									auf Kosten der Geschwindigkeit außerordentlich vergrößert werden kann, so daß
                              									gewöhnliche Züge von schwach geneigten Bahnen auf starke Neigungen von 1/20 bis 1/15
                              									mit reducirter Geschwindigkeit übergehen können.
                           4) Die Betriebskosten wachsen in viel geringerem Grade mit der Steigung der Bahn als nach
                              									bisherigem System; Steigungen von 4 bis 5 Proc. werden keine größeren Kosten
                              									verursachen als Steigungen einer gewöhnlichen Bahn von 2,5 Procent. Es wird
                              									namentlich die Abnutzung des Materiales verhältnißmäßig geringer seyn.
                           5) Die Sicherheit des Betriebes wird nicht beeinträchtigt.
                           Die Lösung dieses Programmes erreicht Wetli mittelst Spiralrädern.
                           Außer den gewöhnlichen Fahrschienen sind zwischen denselben für die links und rechts
                              									gewundene Spirale des Rades eigene Leitschienen angebracht, wie diese Anordnung nach
                              									den Abbildungen in Figur 21 und 22, welche dem Practical Mechanic's Journal, März 1870, S. 265
                              									entnommen sind, vollkommen deutlich zu entnehmen ist.
                           Die Locomotive besitzt nach Wetli außer den gewöhnlichen
                              									Rädern mit geschlossenen Felgen, welche auf den Fahrschienen laufen, noch Räder mit
                              									offenen, spiralförmigen Felgen, welche nicht zum Tragen, sondern nur zur Bewegung
                              									bestimmt sind.
                           Diese sogen. Spiralräder sind entweder mit den Treibrädern gekuppelt oder sie werden
                              									durch besondere Dampfcylinder angetrieben. Im ersteren Fall soll durch eine
                              									selbstthätige Einrichtung beim Beginn der Leitschienen bei etwa fehlerhafter
                              									Stellung der Spiralräder eine Veränderung des Verhältnisses der Drehung zur
                              									fortschreitenden Bewegung bis zur richtigen relativen Lage zu den Schienen bewirkt
                              									werden. Bei der Bewegung durch besondere Cylinder können die Spiralräder beliebig in
                              									Ruhe erhalten werden.
                           Die zum Tragen dienenden Schienen, die Fahrschienen, haben dieselben Dimensionen wie
                              									die gewöhnlichen Eisenbahnschienen. Die beiden Leitschienen erhalten eine noch
                              									größere Länge, da sie einmal als Hypotenusen rechtwinkliger Dreiecke angesehen
                              									werden können, deren längere Katheten die Fahrschienen bilden; ferner müssen die
                              									Leitschienen sich übergreifen, d.h. die Spiralräder beginnen auf dem nächsten
                              									Schienenpaar bereits zu rollen, bevor sie das vorhergehende verlassen, weil die
                              									Locomotive sonst auf der vorausgesetzten Steigung sofort gleiten würde.
                           Das Wetli'sche Eisenbahnsystem wurde in einem bereits im
                              									Druck erschienenen Bericht der Professoren Culmann,
                                 										Zeuner und Veith in Zürich eingehend gewürdigt
                              									und die Ausführbarkeit dieses Systemes zugegeben, ebenso die geringen
                              									Schwierigkeiten im Betriebe; zugleich sind aber auch alle Hindernisse und mögliche
                              									Einwendungen hervorgehoben und besprochen. Ein Endurtheil läßt sich nur auf Grund
                              									kostspieliger, im Großen durchzuführender Versuche abgeben.
                           
                        
                     
                  
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