| Titel: | Ueber Bachet's patentirtes Verfahren zur Fabrication von Aetznatron; von R. Calvert Clapham. | 
| Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. CXXVII., S. 469 | 
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                        CXXVII.
                        Ueber Bachet's patentirtes Verfahren zur Fabrication von
                           								Aetznatron; von R. Calvert
                              									Clapham.
                        Aus Chemical News, vol. XXI p. 148; April
                              								1870.
                        Clapham, über Bachet's Verfahren zur Fabrication von
                           								Aetznatron.
                        
                     
                        
                           Bereits in den Jahren 1790 bis 1797 machte Lord Dundonald
                              									Versuche, Aetznatron durch Zersetzung von Chlornatrium (gewöhnlichem Kochsalz)
                              									mittelst Bleiglätte darzustellen. Im Jahre 1799 führte der verstorbene W. Losh dieses Verfahren im Großen aus und ich verdanke ihm
                              									einige Mittheilungen über die erhaltenen Resultate.
                           Als die günstigsten Verhältnisse ergaben sich 100 Th. Salz und 300 Th. Bleioxyd; aber
                              									selbst bei Anwendung der größten Sorgfalt wurden nicht mehr als 3 Theile Aetznatron
                              									erhalten, d.h. es wurden nicht über 5,6 Procent Salz zersetzt. Man hatte damals mit
                              									großen Schwierigkeiten zu kämpfen, um den Verlust von Blei in den Lösungen zu
                              									verhüten; auch wurde das entstandene Chlorblei bei diesem Verfahren nicht wieder in
                              									Bleioxyd umgewandelt und als solches zur Zersetzung einer frischen Salzcharge
                              									benutzt; dadurch wurden bedeutende Kosten verursacht, welche durch die bei der
                              									Reduction des Chlorbleies zu metallischem Blei unvermeidlichen Metallverluste noch
                              									erhöht wurden. Nur der zu jener Zeit sehr hohe Preis der Soda, welcher per Tonne von 70 Proc. Aetznatron sich auf 85 bis 90
                              									Pfd. Sterl. berechnete, ermöglichte es mit Nutzen zu arbeiten.
                           Nach Verlauf von fast 80 Jahren ließ sich nun Bachet in
                              									Paris ein Verfahren zur Darstellung von Aetznatron mittelst Kochsalz und Bleiglätte
                              									patentiren, welches in mancher Hinsicht der erwähnten älteren Methode gleicht, sich
                              									aber von derselben wesentlich dadurch unterscheidet, daß das Gemenge mit Kalkhydrat
                              									versetzt wird, so daß die zwischen Natron und Chlorblei bei Anwendung des alten
                              									Verfahrens stattfindenden Reactionen (wodurch sich das Chlorblei wieder in Kochsalz
                              									umwandelt) verhindert werden; auch wird bei dem neuen Verfahren das entstandene
                              									Chlorblei wieder in Bleioxyd umgewandelt, so daß es fortwährend benutzt werden kann.
                              									Die im Folgenden beschriebenen Versuche wurden im Jahre 1869 auf den Werken der Walker Alkali Company zu Walker (England) abgeführt.
                              									Nach zahlreichen Versuchen stellten sich nachstehende Mengenverhältnisse der
                              									Rohmaterialien als vortheilhaft heraus:
                           
                           
                              
                                 100 Theile
                                 Bleiglätte,
                                 
                              
                                   70    „
                                 Kochsalz,
                                 
                              
                                   50    „
                                 Kalk.
                                 
                              
                           Von diesem Gemenge werden etwa 5 Centner auf einer Mühle gemahlen, unter Zusatz einer
                              									geringen Menge Wasser zum Lösen des Salzes. Es entsteht eine weiße, breiige Masse,
                              									welche nach einer Viertelstunde von der Mühle abgezogen werden kann. Offenbar findet
                              									eine fast augenblickliche Zersetzung statt und bei gehöriger Ausführung der
                              									Operation werden 19 bis 20 Procent von dem angewendeten Salze in Aetznatron
                              									umgewandelt; auf die Verarbeitung des Restes komme ich zurück. Auf der Mühle bilden
                              									sich Aetznatron, Chlorblei und Bleioxydhydrat, während ein Theil des Kochsalzes und
                              									der Glätte unverändert bleibt. Die von der Mühle abgezogene breiige Masse wird in
                              									eine Presse gepumpt und in derselben einem Druck von 145 Pfund auf den Quadratzoll
                              									unterworfen. Es fließt eine klare Flüssigkeit ab, welche Aetznatron und Chlornatrium
                              									nebst einer wandelbaren Menge von Blei enthält.
                           Die einfachste Methode zur Abscheidung der geringen Bleimenge ist die, daß man die
                              									Lösung durch ein Filter aus Kalkhydrat laufen läßt; dadurch wird alles Blei
                              									niedergeschlagen, denn die filtrirten Lösungen nehmen auf Zusatz von Schwefelnatrium
                              									nur eine ganz schwache Färbung an.
                           Der das Blei enthaltende Kalk wird hernach anstatt frischen Kalkes in der Mühle
                              									verwendet.
                           Die von Blei befreiten Laugen werden in einer eisernen Pfanne abgedampft; das am
                              									Boden sich absetzende Kochsalz wird von Zeit zu Zeit ausgekrückt und kann mit
                              									frischem Bleioxyd wieder in die Mühle kommen.
                           Um eine vollständigere Zersetzung des Kochsalzes zu bewirken, kann man das Verfahren
                              									dahin abändern, daß die aus der Presse ablaufenden Flüssigkeiten mit neuen Antheilen
                              									von Bleiglätte und Kalk wieder in die Mühle gebracht werden. Auf diesem Wege läßt
                              									sich eine Zersetzung von 47 bis 50 Procent des verwendeten Salzes und ein
                              									entsprechend höheres Ausbringen von Aetznatron erzielen; da die Natronlauge in viel
                              									concentrirterem Zustande in die Abdampfpfannen gelangt, so wird überdieß
                              									beträchtlich an Arbeit und Brennmaterial erspart. In jedem Falle werden die Lösungen
                              									durch Abdampfen so weit concentrirt, daß sie 70procentiges Aetznatron liefern.
                           Die Verarbeitung der in der Presse zurückbleibenden trockenen Kuchen bildet einen
                              									wesentlichen Theil des Bachet'schen Patentes. Dieselben
                              									bestehen aus Chlorblei, Bleioxydhydrat, unveränderter Glätte und unverändertem Kalk.
                              									Sie werden zunächst bei ungefähr 175° C. getrocknet, wobei sie eine schön orangegelbe
                              									Färbung annehmen, indem das Hydrat sich zersetzt und in ein schweres Oxyd umwandelt.
                              									Hierauf wird die Masse langsam in siedendes Kalkwasser eingetragen, von welchem das
                              									Chlorblei unter Bildung von Chlorcalcium und Bleioxyd zersetzt wird. Die Lösung wird
                              									nun abgezogen; der Rückstand wird ein- oder zweimal mit frischem Kalkwasser
                              									ausgewaschen und kann dann wieder in der Mühle verwendet werden. Die abgelassene
                              									Flüssigkeit und das Waschwasser werden jedoch nicht weggeworfen, da beide Blei
                              									enthalten, welches zur Vermeidung von Verlust abgeschieden werden muß.
                           Dieß ist keine schwierige Operation, denn beim Erkalten der Flüssigkeit scheidet sich
                              									beinahe alles Blei in langen, dünnen Krystallen aus; der Rest wird durch Kochsalz
                              									oder Salzsäure niedergeschlagen, wornach sich durch Schwefelnatrium nur noch eine
                              									Spur von dem Metalle nachweisen läßt. Das gefällte Chlorblei wird auf die vorhin
                              									beschriebene Weise mit Kalkwasser behandelt und das erhaltene Oxyd auf der Mühle
                              									verwendet. Mittelst dieses Verfahrens läßt sich somit alles Blei wieder gewinnen;
                              									beim fabrikmäßigen Betriebe wird jedoch ein Theil desselben verloren gehen, welcher
                              									bei der Berechnung der Productionskosten in Anschlag gebracht werden muß.
                           So weit verläuft der Proceß ganz glatt; das in der angegebenen Weise regenerirte
                              									Bleioxyd wirkt aber nicht immer gleichmäßig. Zuweilen ist seine Wirkung ebenso
                              									kräftig wie die der frischen Bleiglätte; in anderen Fällen aber, nach öfter
                              									wiederholter Verwendung, wirkt es in weniger befriedigender Weise. Die Ursache
                              									dieses verschiedenartigen Verhaltens ist nicht immer genügend klar; zuweilen
                              									entstehen beim Erhitzen die Verbindungen Pb³O⁴ und PbO², welche
                              									nach meinen Untersuchungen beide auf Kochsalz nicht einwirken. Eine andere
                              									Schwierigkeit wird dadurch veranlaßt, daß sowohl Kalkhydrat als Bleioxydhydrat
                              									Kohlensäure aus der Luft absorbiren und sich in ein Product verwandeln, welches
                              									nicht nur auf das Kochsalz gar nicht wirkt, sondern auch die Einwirkung des
                              									Bleioxydes auf dasselbe in hohem Grade beeinträchtigt. Wenn jedoch das Verfahren
                              									rasch ausgeführt wird, so kann das regenerirte Bleioxyd öfter wieder verwendet
                              									werden; wie sich aber aus den abgeführten Versuchen ergibt, ist es erforderlich
                              									einen Theil desselben nach fünf bis sechs Operationen für sich besonders zu glühen.
                              									Es wird mit Wasser angerührt, und die leichteren Theile werden mittelst eines Hebers
                              									abgezogen und nach dem Absetzen getrocknet. Dieser Antheil, welcher fast alle in der
                              									Masse enthaltenen Kohlensäuresalze enthält, wird dann bis zur scharfen Rothgluth in
                              									einem Ofen erhitzt, dessen Herdsohle aus hartem Bergkalk hergestellt ist, während
                              									das Gewölbe aus gewöhnlichen feuerfesten Backsteinen besteht; er gibt bei der
                              									gedachten Temperatur seine Kohlensäure ganz leicht ab und kann dann beim Mahlen
                              									sofort wieder verwendet werden.
                           Dieß ist eine kurze Beschreibung des neuen Verfahrens zur directeren Darstellung von
                              									Aetznatron, dessen Wichtigkeit nicht unterschätzt werden darf. Von Aetznatron allein
                              									werden gegenwärtig in England 20,000 Tonnen im Werthe von 350,000 Pfd. Sterl.
                              									jährlich producirt. Die zu dem neuen Processe erforderlichen, hauptsächlich in
                              									Mühlen, Pressen, Abdampfpfannen und Oefen bestehenden Einrichtungen sind nicht
                              									kostspielig.