| Titel: | Capitän Nolan's Distanzmesser für Zwecke der Feldartillerie. | 
| Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. CXL., S. 505 | 
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                        CXL.
                        Capitän Nolan's Distanzmesser für Zwecke der
                           								Feldartillerie.
                        Aus dem Engineer, Februar 1870, S. 75.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									IX.
                        Nolan's Distanzmesser.
                        
                     
                        
                           Es ist schon längst als wünschenswert und in der That als zur gehörigen Entwicklung
                              									des Artillerie-Feuers fast wesentlich erforderlich erschienen, Mittel zur
                              									richtigen Bestimmung des Abstandes vom Feinde zu besitzen. Verschiedene von Zeit zu
                              									Zeit zu diesem Zwecke erfundene Instrumente waren bisher nur von geringem Erfolge.
                              									In der Regel werden mittelst dieser Instrumente die Distanzen durch
                              									Winkel-Aenderungen bestimmt, indem sie die Größenänderungen eines der
                              									Grundlinienwinkel von einem Dreieck zu messen gestatten, dessen Grundlinie selbst
                              									nebst dem zweiten an ihr liegenden Winkel (gewöhnlich ein rechter) bekannt resp.
                              									fixirt sind.
                           Capitän Nolan ist von demselben Grundsatze ausgegangen und
                              									hat dabei die gewöhnliche Feldmesser-Art, Entfernungen durch das Messen einer
                              									Standlinie und zweier Winkel zu bestimmen, adoptirt. – Das Gewicht unserer
                              									gegenwärtigen Feldgeschütze macht sie zum Stativ für irgend ein Instrument besonders
                              									geeignet und nebenbei können die zur Höhen- und Seitenrichtung solcher
                              									Geschütze dienenden Schrauben als Ersatz der Tangentenschrauben eines Theodoliten
                              									verwendet werden; es benutzt somit Capitän Nolan das
                              									Geschütz als Stativ.
                           Die Theile des für Feldzwecke bestimmten Distanzmessers (Fig. 15 bis 18) sind: 1)
                              									ein Paar Winkelmesser; 2) ein Band und 3) eine Walze welche zur Ausführung der
                              									betreffenden Rechnungen dienen. – Jeder einzelne Winkelmesser besteht für
                              									sich wieder aus zwei quer übereinander liegenden Fernrohren. Das eine, größere
                              									derselben, das Haupt-Fernrohr genannt (man s. Figur 16, welche das
                              									linke der beiden den Distanzmesser bildenden Instrumente darstellt), ist an seinen
                              									beiden Endtheilen Z, Z und X,
                                 										X vollkommen rund, ferner nach dem einen Ende hin mit einer Scala P, Q und nach dem anderen Ende hin mit einer Dülle
                              									versehen. Das zweite, kürzere Fernrohr läßt sich durch eine Tangentenschraube um 20
                              									Grad drehen, und ist mit einem Stahl-Gradbogen in Verbindung gebracht,
                              									welcher den zwischen beiden Fernrohren liegenden Winkel mit Hülfe eines Nonius oder
                              									Vernier durch die Scala P, Q zu bestimmen gestattet.
                              									Letztere hat insofern eine eigenthümliche Einrichtung, als sie weder Grade noch
                              									Minuten etc., sondern lediglich eine Decimal-Eintheilung zeigt, welche als
                              									höchste Zahl immer nur 99 1/2 abzulesen gestattet, indem der Index-Pfeil des
                              									Vernier oder Nonius, sobald er über 99 1/2 hinausgeführt wird, auf Null kommt und
                              									hernach wieder 1, 2, 3 etc. zu zeigen anfängt. – Das kürzere Fernrohr wird
                              									gegen Beschädigungen durch einen Rahmen E, F, G, H
                              									gesichert, dessen nach dem zweiten Instrument hin stehende Seite E, F einen weißen Ring trägt. – Die den beiden
                              									Winkelmessern zur Rechnungs-Ausführung zugehörige Walze ist an beiden Enden
                              									der Mantelfläche und an den beiden flachen Enden ihres massiven Cylindertheiles mit
                              									Bezifferung versehen (in Fig. 17 ist hiervon nur
                              									die des aufgewickelten Mantelflächen-Theiles dargestellt); außer diesem
                              									massiven Theile besteht die Walze noch aus zwei Ringen, welche sich um die Enden
                              									derselben herumdrehen lassen; der untere von diesen Ringen, sowie der untere massive
                              									Walzentheil ist in je 100 gleiche Theile getheilt. Der obere Ring trägt eine
                              									Logarithmen-Scala der natürlichen Zahlenreihe, während der obere
                              									Mantelflächentheil des massiven Walzenkörpers mit einer Logarithmen-Scala der
                              									Sinusse aller zwischen 6 Secunden und 2 1/4 Grad liegenden Winkel versehen ist,
                              									wodurch, da sich diese Logarithmen rund um die Walze herum wiederholen, praktisch
                              									genommen alle Winkel umfaßt sind, deren Sinusse annähernd mit ihren Bogen
                              									zusammenfallen.
                           Das Meßband, ein ungefähr 70 Yards langes gewöhnliches Zwirnband, ist auf einen
                              									Spinnrocken aufgewickelt.
                           Das Geschütz wird mit dem Distanzmesser auf folgende Weise versehen: Eine der am
                              									Bodenstücke des Geschützrohres befindlichen Aufsatzstangen wird aus ihrer Dülle
                              									herausgenommen und an deren Stelle ein Y-förmiges
                              									Metallstück (Figur
                                 										18) eingesetzt, welches nebst einem ebenso gestalteten und etwa 14 Zoll
                              									weiter nach vorn hin in das Geschützrohr eingefügten Metallstück dem großen
                              									Fernrohre zum Lager dient. Der nicht im Gebrauch befindliche Apparat aber findet in
                              									einem der Achskästen sein Unterkommen.
                           
                           Zum Ausführen der Distanzmessung sind zwei mit Distanzmessern versehene Geschütze
                              									erforderlich. Angenommen, das betreffende Object sey ein Baum und beide Geschütze
                              									ständen mit etwa vierzig oder fünfzig Yards Distanz, zwischen sich ein Viereck
                              									bildend, neben einander, so werden beide Geschütze ganz in der gewöhnlichen Weise
                              									auf den betreffenden Baum gerichtet und auch beide, wenn es noch nicht geschehen
                              									seyn sollte, mit den aus ihren Achskästen herauszunehmenden Winkelmessern versehen,
                              									indem man deren Hauptfernrohre in ihre Y-Lager
                              									einlegt. Während derselben Zeit messen rasch zwei Mann die Entfernung beider
                              									Geschütze von einander vermittelst des Meßbandes. Die Hauptfernrohre der
                              									Winkelmesser sind mit Drahtkreuzen versehen, um sie vermittelst der
                              									Elevations- und der Seitenrichtungs-Schraube des Geschützes leicht auf
                              									den Baumstamm richten zu können, und während dieses geschieht werden auch die
                              									kleinen Fernrohre beider Apparate auf das Centrum vom Schutzrahmen des betreffenden
                              									Zwillingsapparates eingestellt.
                           In dieser Weise wird das Dreieck festgelegt, welches den Baum zur Spitze und die
                              									Durchschnitte beider Fernrohrpaare zur Grundlinienbegrenzung hat. Die Winkel an der
                              									Grundlinie dieses Dreieckes lassen sich hiernach durch die betreffenden Gradbogen an
                              									den Scalen der Winkelmeß-Instrumente ablesen und es sind in dem sehr langen,
                              									für die Praxis als gleichseitig zu betrachtenden Dreiecke dann die Grundlinie und
                              									beide an derselben anliegende Winkel desselben gegeben. Hiernach wird die zum
                              									Ausrechnen der Entfernungen dienende Rechenwalze (calculating
                                 										roller) zur Anwendung gebracht und stellt man dabei zunächst das Wort
                              										„Meßband“ (tape) ihres massiven
                              									Theiles unter die der Entfernung beider Geschütze von einander entsprechende
                              									Maaßzahl, angenommenerweise hier auf 33 3/4 Yards (Figur 17). Dann stellt
                              									man die in Form eines Geschützrohres am unteren Ring dieser Rechenwalze angebrachte
                              									Indexmarke unter die vom Vernier einer der beiden
                              									Winkelmesser angegebene Maaßzahl, sie sey 18. Hiernach sucht man die dem Gradbogen
                              									des zweiten Winkelmessers entsprechende Maaßzahl, welche,
                              									hier 42 seyn möge, auf dem unteren Ring, worüber man am unteren Theile des massiven
                              									Walzenkörpers die entsprechende Summenzahl, in diesem Falle 60, verzeichnet findet,
                              									läßt das Auge weiter bis zu derselben Zahl des oberen Theiles vom massiven
                              									Walzenkörper gehen und liest über dieser am oberen Ringe endlich die entsprechende
                              									Distanz, hier etwa 1320 Yards, ab.
                           Vom unteren Theile der Rechenwalze wird also die Addition der gemessenen beiden
                              									Grundlinienwinkel besorgt und von dem oberen Theil derselben das der Formel Log der Entfernung = Log der
                              									Basis minus Log sin der Summe beider Grundlinienwinkel
                              									entsprechende Zahlen-Resultat geliefert.Das Product der Sinusse beider Grundlinienwinkel ist im Zähler der
                                    											betreffenden Formel sonach vernachlässigt worden.Anm. d. Uebers.
                              								
                           Hinsichtlich der zu messenden Basis des Dreieckes wird in der Regel einer Länge von
                              									etwa 40 Fuß der Vorzug gegeben, es können aber auch schon mit Basen von 15 Fuß Länge
                              									sehr gute Resultate erreicht werden und darf dieselbe nur bei großen, über 3000
                              									Yards hinaus liegenden Distanzen, nicht unter 50 Fuß betragen. Zuweilen macht die
                              									Terraingestaltung das directe Messen der Entfernung beider Geschütze von einander
                              									schwierig oder gar unmöglich; auch in solchen Fällen kann man aber dieselbe mit
                              									großer Genauigkeit durch die vorhandenen Instrumente bestimmen, indem man den Winkel
                              									mißt, welchen die beiden an den Grundlinien-Enden stehenden Geschütze gegen
                              									einander bilden, wornach die Endflächen der Rechenwalze mechanisch das betreffende
                              									Rechnungsresultat finden lassen.
                           Als hauptsächlichste Punkte worauf Capitän Nolan die
                              									Aufmerksamkeit hinlenkt, sind anzuführen, daß einmal seine Messungsweise lediglich
                              									in der Anwendung des seit Jahrhunderten von den Feldmessern eingehaltenen Verfahrens
                              									besteht und somit als eine durchaus gesunde bezeichnet werden kann, ferner dieselbe
                              									bei jeder Witterung und in jedem Terrain welches überhaupt noch ein Feuern mit
                              									Geschütz gestattet anzuwenden, sowie durch das gleichzeitige Ausführen mehrerer
                              									Operationen auch sehr rasch zu bewerkstelligen ist, ferner die Genauigkeit der
                              									Instrumente sich stets in wenigen Minuten prüfen und endlich das ganze Verfahren
                              									sich bei der Ausbildung des Mannes im Geschützbedienen verwerthen läßt, da die
                              									betreffenden Manipulationen fast ganz mit den zum Richten des Geschützes dienenden
                              									übereinstimmen, ein Verkehrtzeigen der Objecte durch die Fernrohre aber nicht
                              									stattfindet und die lediglich Decimalen enthaltende Scalen-Eintheilung keine
                              									Kenntniß von Graden, Minuten oder trigonometrischen Größen voraussetzt, endlich das
                              									Resultat der betreffenden Rechnung sich von Jedem der überhaupt nur Zahlen lesen
                              									kann finden läßt.
                           Von den verschiedenen und strengen Proben, denen Capitän Nolan's Instrument zu Shoeburyneß, Aldershott,
                              									Dartmoor etc. unterworfen wurde, sollen hier die folgenden mitgetheilt werden, um
                              									den Werth dieser Erfindung zu veranschaulichen:
                           1) Am 19. Mai 1869 schätzte eine Abtheilung Bedienungsmannschaften die Entfernung
                              									eines Reiters, welcher sechzehnmal an verschiedenen Punkten Stellung nahm, die
                              									theilweise mehr als 3000 Yards Abstand hatten. Der Maximal-Irrthum betrug
                              									hierbei nur 26 und der mittlere Fehler lediglich 13 Yards.
                           2) Am 21. Januar 1869 fand ein Parallel-Versuch zwischen zwei nach dem
                              									gewöhnlichen Schätzungssystem und zwei mit Hülfe von Nolan's Distanzmesser auf verschiedene
                              									Zielentfernungen zum Feuern verwendeten Geschützen statt. Das Resultat zeigte, daß
                              									fast alle mit Zuhülfenahme des Distanzmessers abgegebenen Schüsse als zu der mit
                              										„tödtlicher Wirkung“ bezeichneten Columne gehörig
                              									betrachtet werden konnten, während zwei Dritttheile der nach dem anderen Systeme
                              									verfeuerten Geschosse ihr Ziel gänzlich verfehlt hatten.
                           3) Im Juni und Juli 1869 wurden bei den zu Dartmoor angestellten Schießversuchen über
                              									2000 Geschosse und davon die größere Hälfte mit Anwendung des Distanzmessers
                              									verfeuert, wobei sich, sobald Nichtgebrauch dieses Instrumentes eintrat, jedesmal
                              									ein auffallender Mangel an Genauigkeit und Wirkung des Schusses zeigte. So
                              									verfeuerte z.B. die königl. reitende Artillerie am 22. Juni 45 mit Hülfe des
                              									Distanzmessers vorsichtig abgegebene Schüsse auf etwa 1300 Yards Entfernung gegen
                              									Scheibenreihen von 54 Fuß Breite und 6 Fuß Höhe, und wiesen die beiden ersten
                              									Scheibenreihen hernach 433 Treffer, also beinahe 10 Treffer pro Schuß nach, während am 30. Juni 97 nach bloßer Distanzschätzung auf
                              									etwa 1300 Yards wirklicher Entfernung abgegebene Schüsse in zwei Scheibenreihen von
                              									54 Fuß Breite und 9 Fuß Höhe nur 118 Treffer oder etwa einen und ein Viertheil pro Schuß lieferten.
                           4) Der Schlußversuch fand am 24. October 1869 nach besonderer Bestimmung mit
                              									Ausschluß der Gegenwart des Erfinders statt, und zeigte sich dabei, daß von
                              									gewöhnlich ausgebildeten Leuten Distanzen bis zu 4000 Yards mit großer Sicherheit
                              									gemessen werden konnten, wozu sich als erforderliche Beobachtungszeit ungefähr eine
                              									Minute und zwanzig Secunden herausstellten. Auch wurden die Abstände sich bewegender
                              									Ziele mit großem Erfolg gemessen. Endlich ließ man die Geschütze vier Stunden lang
                              									hart im Trabe bewegen, ohne daß dadurch die Instrumente irgendwie Schaden
                              										erlitten.Nachdem diese Versuche das Bedürfniß eines guten Distanzmessers für Zwecke
                                    											der Feldartillerie überzeugend nachgewiesen haben, dürfte es in hohem Grade
                                    											rathsam erscheinen, nunmehr die wohlverdiente Aufmerksamkeit dem von Hrn.
                                    												Ernst v. Paschwitz
                                    											(in Bodenwöhr bei Regensburg) erfundenen (in diesem Journal, 1868, Bd.
                                    											CLXXXVIII S. 438 beschriebenen) Distanzmesser zuzuwenden, welcher mit obiger
                                    											Combination von Messungen auf demselben Princip beruht, die Basis des in
                                    											seiner Höhe zu bestimmenden Dreieckes aber höchst rationell in sich selbst
                                    											trägt und das hier vorliegende Problem durch geschickte Benutzung optischer
                                    											Grundgesetze in einer erstaunlich einfachen Weise löst.Anm. d. Uebers.
                              								
                           
                           Wir haben nun genug gesagt, um unsere Leser zu überzeugen daß Capitän Nolan's Erfindung zunächst hinter
                              									der Einführung gezogener Feldartillerie rangirt und wir bezweifeln kaum, daß durch
                              									den Gebrauch seines Instrumentes die Wirkung dieser Waffe vervierfacht werden
                              									wird.
                           
                        
                     
                  
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