| Titel: | Ueber JosephPhilipps' Carboxygen-Beleuchtung; von Otto Kellner in Deutz. | 
| Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. CXLI., S. 510 | 
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                        CXLI.
                        Ueber JosephPhilipps'
                           								Carboxygen-Beleuchtung; von Otto Kellner in Deutz.
                        Aus dem Journal für Gasbeleuchtung, Mai 1870, S.
                              									312.
                        Philipp's Carboxygen-Beleuchtung.
                        
                     
                        
                           Die von Hrn. Dr. Joseph Philipps in Cöln producirte neue Sauerstoffbeleuchtung, worauf wir schon
                              									im vorigen Jahre aufmerksam machten,Polytechn. Journal Bd. CXCI S.
                                       											420. hatte sich bei den jüngsten Versuchen zur Beleuchtung eines öffentlichen
                              									Platzes in Cöln der Anerkennung von Sachverständigen und Laien in hohem Maaße zu
                              									erfreuen, da sie sich vor anderen derartigen Beleuchtungsarten namentlich durch
                              									Billigkeit auszeichnet. Das Licht ist überaus rein und weiß und von großer
                              									Intensität; die kleine in einer Straßenlaterne befindliche Flamme von der Größe
                              									eines Zehngroschenstückes ergab am Photometer eine Lichtstärke von 90–100
                              									Stearinkerzen. In einer Entfernung von 25 Schritten war die kleinste Schrift noch
                              									deutlich zu lesen.
                           Der Sauerstoff, welcher zur Speisung der Flamme dient, wird der Luft entnommen und
                              									auf chemischem Wege dargestellt. Das dazu verwendete Material ist Kupferchlorür,
                              									welches die Eigenschaft besitzt, Luftsauerstoff zu absorbiren und bei höherer
                              									Temperatur wieder abzugeben. Material, welches über hundert derartige Operationen
                              									vollzogen, zeigte sich in quantitativer und qualitativer Ausbeute stets
                              									gleichbleibend. Das Kupferchlorür, dessen Herstellungskosten per Kilogr. etwa 1/2 Thlr. betragen, wird aus dem Kupferchlorid durch
                              									Erhitzen gewonnen. Letzteres wird mit 33 Proc. gestoßenen Porzellanscherben gemengt,
                              									um es vor dem Zusammenbacken zu schützen, gibt in der Hitze zuerst Chlor ab und
                              									bildet Kupferchlorür nach der Formel:
                           
                              
                                 
                                    
                                    
                                 CuClCuCl
                                 
                                    
                                    
                                 Kupferchlorid =
                                 
                                    
                                    
                                 CuClCu
                                 
                                    
                                    
                                 Kupferchlorür + Cl
                                 
                              
                           
                           An Stelle des entweichenden Chlors tritt Sauerstoff beim Liegen an
                           
                              
                                 der Luft im angefeuchteten Zustande:
                                 
                                    
                                    
                                 CuClCuO
                                 welcher für die Folge
                                 
                              
                           beim Erhitzen wieder entweicht und unter obigen Bedingungen
                              									wieder ersetzt wird. Wahrscheinlich ist die Verbindung noch basischer, als obige
                              									Formel besagt. Diese kostbare Eigenschaft, den Luftsauerstoff aufzunehmen und
                              									abzugeben, verliert nun das Kupferchlorür niemals. Die Sauerstoffaufnahme ist bei
                              									großen Massen in 2–3 Stunden beendet; bringt man aber Wasserdämpfe und Luft
                              									bei etwa 200° C. mit der Masse in Berührung, so erfolgt die Regenerirung fast
                              									augenblicklich, was bei continuirlichem Betriebe wichtig ist.
                           Die Abgabe des Sauerstoffes erfolgt bei 400° C. Die eisernen Retorten müssen
                              									mit einem schützenden Ueberzuge, einer Emaille versehen seyn, da Eisen das
                              									Kupferchlorür zersetzt. Etwaige Verluste können bei diesem Verfahren nur
                              									mechanischer Natur seyn; bei rotirenden Retorten kommen auch diese nicht vor, da die
                              									Masse in den Retorten verbleibt und nicht verstreut werden kann.
                           Die Ausbeute aus 50 Kilogr. beträgt bei jedesmaliger Operation von kurzer Zeitdauer
                              									1,3–1,5 Kubikmeter reinen Sauerstoffes, welcher zur Condensation der
                              									Wasserdämpfe durch einen einfachen Waschapparat geht und sodann, ohne irgend einer
                              									Reinigung zu bedürfen, direct in den Gasbehälter gelangt.
                           Bei Anwendung des Sauerstoffes zur Caboxygen-Beleuchtung kann derselbe mit
                              									gleichen Theilen atmosphärischer Luft gemischt werden; es entsteht dadurch 60,5
                              									Proc. Sauerstoff enthaltende Luft, deren Verdünnung unbeschadet der Helligkeit der
                              									Flamme bis zu 40 Theilen Sauerstoff und 60 Theilen Luft als Minimum festgesetzt
                              									werden kann. Es läßt sich dieß dadurch erklären, daß man im ersteren Falle in der
                              									Flamme eine höhere Temperatur neben geringerer Masse leuchtender Körper, im anderen
                              									Falle aber eine größere Masse leuchtender Körper neben geringerer Temperatur erhält.
                              									Die Flamme bedarf zur Speisung unter 2 Centimeter Druck pro Stunde 0,139 Kubikmeter Gasgemisch, demnach circa 0,055 Kubikmeter reinen Sauerstoffes.
                           Die zur Verbrennung gelangende Flüssigkeit „Carbolin,“ mit
                              									welcher die Flamme genährt wird, besteht aus carburirten flüssigen
                              									Kohlenwasserstoffen und ist in den meisten Industrieländern patentirt worden.
                           Dieselbe kann zu keinem anderen Zwecke, als zur Verbrennung in Sauerstoffgas benutzt
                              									werden, ist unter gewöhnlichen Verhältnissen unentzündbar, brennt sehr sparsam und
                              									läßt sich wohlfeil darstellen. Die Flamme bedarf per
                              									Stunde etwa 20–25 Gramme Carbolin.
                           
                           Besondere Schwierigkeiten verursachte die Construction einer zweckentsprechenden
                              									Lampe. Die Carboxygen-Lampe ist nach vielen mühevollen Versuchen nunmehr als
                              									vollkommen zu betrachten und gestattet namentlich in ihrer neuesten Form eine
                              									vollständige Isolation der Wärme. Der Sauerstoff strömt durch einen runden Brenner
                              									in horizontaler Richtung in die Flamme und wirkt, indem er die Lampe umstreicht,
                              									zugleich als Kühler derselben. Glascylinder sind nicht erforderlich, und die
                              									Verbrennungsproducte sind frei von Geruch. Die Lampe erwärmt sich nicht mehr wie
                              									jede gewöhnliche Lampe und bedarf keiner anderen Wartung, als der Füllung mit
                              									Carbolin nach Bedarf. Der Docht wird nicht geschnitten und braucht höchstens nach 2
                              									Monaten erneuert zu werden; eine Explosion ist gar nicht möglich, da weder
                              									Wasserstoff noch Leuchtgas zugegen sind und Sauerstoff für sich allein nicht
                              									brennt.
                           Die Verwendbarkeit dieser billigen Beleuchtungsart in Leuchtthürmen, Theatern,
                              									Fabriken und größeren Räumen, auf Bahnhöfen, Straßen und öffentlichen Plätzen, zu
                              									photographischen und optischen Zwecken, zur Laryngoskopie, zu militärischen
                              									Operationen, Signallichtern und nächtlichen Arbeiten etc. etc. ist außer aller
                              									Frage.
                           Die vielen Versuche, welche Tessié du Mothay mit dem sogenannten Oxyhydrogen-Lichte
                              									anstellte, sind an den complicirten und inconstanten Apparaten (Zirkonstifte etc.)
                              									gescheitert und wird Hr. Tessié, so lange er zwei Gase verwendet, welche doppelte
                              									Fabrikanlagen und Rohrsysteme erfordern, und deren leicht explosives Gemisch so
                              									gefährlich werden kann, schwerlich dazu gelangen, das Leuchtgas zu verdrängen, da
                              									neben der Zweckmäßigkeit der Kostenpunkt doch immer ein Hauptfactor bleibt. Dagegen
                              									haben wir im Carboxygen eine neue Lichtquelle, welche hinsichtlich der Wohlfeilheit
                              									wohl von keiner anderen bekannten Beleuchtungsart übertroffen wird, was ihr gar bald
                              									eine ausgedehntere Anwendung dort sichern wird, wo überhaupt eine sehr große
                              									Lichtintensität Bedürfniß ist, und wo entweder eine Sauerstoffleitung vorhanden,
                              									oder wo man die Selbstbereitung des Sauerstoffes der bequemeren Benutzung des
                              									couranten Leuchtgases vorzuziehen veranlaßt ist.
                           Das Carbolin, das eigentliche Geheimniß des Hrn. Dr. Philipps, wird man stets von ihm beziehen
                              										müssen.Das im polytechn. Journal Bd. CXCV S.
                                       												560 besprochene, von Maltet in Paris
                                    											angegebene Verfahren zur Sauerstofftarstellung resp. Sauerstoffbereicherung
                                    											der atmosphärischen Luft – welches sich auf die verschiedene
                                    											Löslichkeit des Sauerstoffes und Stickstoffes in Wasser und anderen
                                    											Flüssigkeiten stützt, und durch mehrere nach einander vorgenommene
                                    											Operationen Luft von 97 Proc. Sauerstoffgehalt zu erzeugen gestattet
                                    											– soll bei der Carboxygen-Beleuchtung und bei metallurgischen
                                    											Operationen angewendet werden, wozu seine Ausbeutung in Deutschland einer
                                    											von Dr. Philipps
                                    											gebildeten Gesellschaft übertragen worden ist.