| Titel: | Ueber die Zusammensetzung des Wootz oder indischen Stahles; von C. Rammelsberg. | 
| Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. CXLIV., S. 518 | 
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                        CXLIV.
                        Ueber die Zusammensetzung des Wootz oder
                           								indischen Stahles; von C.
                              									Rammelsberg.
                        Aus den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft zu
                                 										Berlin, 1870, Nr. 9.
                        Rammelsberg, über die Zusammensetzung des Wootz.
                        
                     
                        
                           Die Darstellung des Eisens scheint in früheren Zeiten überall eine und dieselbe
                              									gewesen zu seyn. Man verschmolz reine und reiche Eisenerze in offenen Herden
                              									(Rennfeuern) oder in kleinen Oefen (Stück- oder Wolfsöfen) mit Holzkohlen,
                              									und gewann in Form einer Luppe ein Product, welches bald mehr Stahl, bald mehr
                              									Stabeisen war, und unter dem Hammer ausgeschmiedet wurde. Dieses einfache Verfahren,
                              									bei welchem das Eisen reducirt, gekohlt und das Kohleneisen durch das überschüssige
                              									Eisenerz wieder theilweise entkohlt wurde und wobei Schlacken von der Natur unserer
                              									Frisch- und Puddelschlacken fielen, ist natürlich bei uns längst nur noch von
                              									historischem Interesse, es hat sich aber in Asien und Afrika unverändert erhalten,
                              									und zwar bei Völkern deren Geschick in der Anfertigung von Metallarbeiten ebenso
                              									bekannt ist, wie ihre Culturzustände stationär geblieben sind. Tritt auch die
                              									einheimische Industrie,
                              									namentlich des Orients, durch den Einfluß Europas immer mehr zurück, so besteht sie
                              									doch noch in einzelnen Zweigen, und liefert mitunter sogar Erzeugnisse von
                              									außerordentlicher Güte.
                           Zu diesen zählt der ostindische Stahl, Wootz oder Bombaystahl genannt, der durch
                              									seine Härte alle anderen Stahlarten übertrifft und daher zu schneidenden Werkzeugen
                              									vorzugsweise dient. Nach den vorhandenen Angaben verschmilzt man ein sandiges,
                              									offenbar sehr reines Magneteisen in kleinen Oefen, gewinnt hämmerbare Luppen von
                              									etwa 40 Pfund, schmiedet diese aus, zerstückt sie, und füllt sie mit Spänen der Cassia auriculata. in Thontiegel, die man durch
                              									eingestampften Thon verschließt. 20 bis 24 solcher Tiegel, deren jeder nur 1 Pfund
                              									Material faßt, werden in einem kleinen Gebläseofen erhitzt und so erhält man in
                              									jedem Tiegel einen geschmolzenen Stahlklumpen. Angeblich gewinnt man hierbei nur 12
                              									Proc. des Eisens im Erz.
                           Der Wootz ist also ein Gußstahl, und schon daraus erklärt sich theilweise seine gute
                              									Qualität.
                           Faraday hat im Jahre 1819, als er noch Assistent der Royal Institution war, in Gemeinschaft mit Stodart eine Analyse des Wootz unternommen,Gilbert's Annalen Bd.
                                    											LXVI S. 171. welche dadurch Aufmerksamkeit erregte, daß er neben Kohlenstoff nur
                              									Kieselsäure und Thonerde erhielt, woraus er schloß, daß Silicium und Aluminium den Charakter des ostindischen Stahles
                              									bestimmen. Wir wissen jetzt freilich, daß Silicium in allen Eisenarten enthalten
                              									ist, es wäre demnach bloß anzunehmen, daß der Gehalt an Aluminium dem indischen Stahl seine eigenthümliche Beschaffenheit
                              									ertheilte.
                           Aus einem der mitgetheilten Versuche geht hervor, daß Faraday 0,03 Proc. 61 und 0,07 Proc. Al gefunden hat. Es ist
                              									bemerkenswerth, daß er diese Körper, oder vielmehr deren Oxyde, nicht aus der
                              									Auflösung des Stahles in Königswasser, sondern aus dem schwarzen kohligen Rückstand
                              									erhielt, den er im Silbertiegel mit Aetzkali glühte. Diese Angaben sind hinreichend,
                              									um bei dem heutigen Stand der analytischen Chemie die Resultate mehr als zweifelhaft
                              									erscheinen zu lassen.
                           Karsten, dem die Untersuchungen des Eisens so viel
                              									verdanken, hat im Wootz nur zweifelhafte Spuren von Aluminium gefunden. Später
                              									analysirte T. H. Henry
                              									Philosophical Magazine 1852; polytechn. Journal
                                    												Bd. CXXVI S. 367. eine Probe, deren Aechtheit verbürgt war, und fand
                           
                              
                                 Graphit
                                 0,312 Proc.
                                 
                              
                                 geb. Kohlenstoff
                                 1,336    „
                                 
                              
                                 
                                    
                                    
                                 
                              
                                 Silicium
                                 0,044 Proc.
                                 
                              
                                 Schwefel
                                 0,175    „
                                 
                              
                                 Arsen
                                 0,036    „
                                 
                              
                           aber kein Aluminium.
                           Die Sammlung der königl. Gewerbeakademie in Berlin bewahrt eine ausgeschmiedete
                              									Stange von Wootz, welche durch ein Certificat der ostindischen Compagnie als ächt
                              									bezeichnet ist. Von ihr wurden einige Stücke abgehauen und dienten zu den
                              									nachstehend erwähnten Versuchen.
                           Das specifische Gewicht des Wootz ist
                           7,822 nach meiner Wägung,
                           7,727 nach Henry.
                           In Chlorwasserstoffsäure löst er sich mit Zurücklassung eines höchst geringen weißen Rückstandes auf. Er enthält also keinen Graphit.
                              									Zur Kohlenstoffbestimmung wurde er mit Wasser unter Zusatz von Brom behandelt; der
                              									kohlige Rückstand hinterließ beim Verbrennen im Sauerstoffstrom ebenfalls keine Spur
                              									Graphit. Die salzsaure Auflösung des Stahles gab mit Schwefelwasserstoff keine Spur
                              									von Kupfer oder Arsen zu erkennen. Der Schwefel wurde dadurch bestimmt, daß das beim
                              									Auflösen in Chlorwasserstoffsäure entwickelte Gas durch eine ammoniakalische
                              									Silberlösung geleitet wurde; die dunkle Fällung wurde mit Salpetersäure oxydirt und
                              									nach Ausfällung des Silbers die Schwefelsäure als Barytsulfat gefällt.
                           Die salpetersaure Auflösung in Platin zur Trockniß verdampft, der Rest abwechselnd in
                              									Chlorwasserstoff und in Wasserstoff geglüht, gab nach Verflüchtigung des
                              									Eisenchlorids einen Rückstand von Kieselsäure, der durch Erwärmung mit
                              									Fluorwasserstoffsäure verschwand. Der Wootz enthält keine Spur
                                 										Aluminium.
                           Das Resultat ist:
                           
                              
                                 Kohlenstoff
                                 0,867 Proc.
                                 
                              
                                 Silicium
                                 0,136   „
                                 
                              
                                 Phosphor
                                 0,009   „
                                 
                              
                                 Schwefel
                                 0,002   „
                                 
                              
                           Henry hat doppelt so viel Kohlenstoff im Ganzen und 1/5
                              									desselben in der Form von Graphit gefunden. Aber er hat den Stahl weich gemacht, um
                              									ihn behufs der Verbrennung mit Kupferoxyd feilen zu können. Neides ist nicht zu
                              									billigen, und das Weichmachen hat vielleicht zur Graphitbildung Anlaß gegeben,
                              									obgleich Karsten behauptet, weicher Stahl enthalte keinen
                              									Graphit.
                           Ferner habe ich dreimal soviel Si gefunden, wie Henry (daß
                              									im Gußstahl noch weit mehr enthalten seyn kann, lehrt eine Analyse Abel's). Phosphor gibt Henry gar nicht an, wohl aber Arsen, welches gewiß nicht
                              									vorhanden ist. Endlich wäre zu bemerken, daß Henry einen
                              									solchen Gehalt an Schwefel erhalten haben will, daß dadurch der Stahl ganz
                              									unbrauchbar wäre, denn nach Karsten ist Stabeisen mit
                              									0,034 Proc. Schwefel schon im höchsten Grade rothbrüchig, und 0,01 Proc. ist die
                              									Grenze für die Brauchbarkeit des Eisens. Sehr viele Eisenanalysen geben, gleich der
                              									von Henry, in Folge der angewandten Methode einen viel zu
                              									hohen Schwefelgehalt.
                           Gibt es überhaupt Aluminiumstahl? Schon Faraday hat Stahl
                              									mit Kohle cementirt, und das so entstandene dunkelgraue blätterige Product
                              									(Roheisen) mit reiner Thonerde heftig geglüht. Er erhielt eine weiße feinkörnige
                              									sehr spröde Masse, die bei der Analyse 3,4 Procent Aluminium ergab, und welche, zu
                              									6–12 Proc. mit gutem Stahl geschmolzen, diesem die vortrefflichen
                              									Eigenschaften des Wootz mittheilte.
                           Die Reduction der Thonerde wäre unter diesen Umständen sehr auffällig, die Versuche
                              									verdienen aber wiederholt zu werden, auch unter directer Anwendung von Aluminium,
                              									welches Faraday nicht zu Gebote stand. Ich brauche nicht
                              									zu sagen, daß man mehrfach Aluminiumstahl darzustellen gesucht hat, aber alle
                              									Proben, die mir als solcher zugekommen sind, gaben niemals die Gegenwart des
                              									Aluminiums zu erkennen.