| Titel: | Die amorphe Kieselsäure als Fixirungsmittel für Farbstoffe; von Dr. M. Reimann. | 
| Autor: | M. Reimann | 
| Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. CXLVIII., S. 530 | 
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                        CXLVIII.
                        Die amorphe Kieselsäure als Fixirungsmittel für
                           								Farbstoffe; von Dr. M.
                              								Reimann.
                        Reimann, über amorphe Kieselsäure als Fixirungsmittel für
                           								Farbstoffe.
                        
                     
                        
                           Es ist nicht unbekannt, daß in Wasser lösliche Farbstoffe von pulverförmigen Körpern
                              									einer gewissen Gattung mit einer Begierde aufgenommen werden, welche der gleich ist,
                              									mit welcher die textilen Fasern sogenannte substantive Farbstoffe anzuziehen
                              									pflegen. Man weiß z.B., daß die Stärke mit ziemlich großer Kraft die substantiven
                              									Anilinfarbstoffe an sich zieht und festhält, so daß man durch Behandlung von
                              									Stärkemehl mit kalten Lösungen von Anilinfarbstoffen gefärbte Pulver hat darstellen
                              									können, welche häufig zum Tapetendruck Anwendung finden. Ebenso ist es bekannt, daß
                              									ungefärbte Niederschläge, welche in einer Flüssigkeit entstehen, in der Farbstoffe
                              									sich aufgelöst befinden, davon so viel in sich einschließen, daß sie, wenn auch nur
                              									schwach, dadurch gefärbt erscheinen. Sehr hübsche Resultate gibt in dieser Hinsicht
                              									die Fällung von schwefelsaurem Baryt in Flüssigkeiten, welche Anilinfarbstoffe
                              									aufgelöst enthalten.
                           Alle diese Fällungen indessen haben für die Färberei nur sehr untergeordnetes
                              									Interesse gehabt, und es ist bisher noch kein pulverförmiger oder poröser Körper, so
                              									viel mir bekannt, zur allgemeinen Kenntniß gebracht worden, welcher ganz wie die
                              									Faserstoffe selbst, den substantiven wie adjectiven Farbstoffen gegenüber, zu wirken
                              									im Stande ist.
                           Durch gewisse Manipulationen der neueren Färberei, beim Färben von Baumwolle mit
                              									Anilinfarben, wurde der Verfasser auf die enorme Absorptionskraft der Kieselsäure
                              									und der ihr ähnlichen Körper für Farbstoffe hingewiesen.
                           Eine Verbindung der Kieselsäure war schon früher mit substantiven Farbstoffen gefärbt
                              									worden. Man hatte dem Glimmerpulver, welches eine Verwendung als Streusand findet,
                              									durch Einlegen in eine Lösung von Anilinfarbstoffen die brillanten Farben dieser
                              									Producte mit mehr oder weniger Erfolg mitzutheilen versucht. Diese Versuche hatten
                              									sich aber nie auf andere Verwendungen der Absorptionskraft von Kieselverbindungen
                              									für Farben erstreckt.
                           Die gefällte Kieselsäure, welche sich aus Wasserglaslösung auf Zusatz von Säuren als
                              									eine Gallerte ausscheidet und beim Trocknen in ein unfühlbares weißes Pulver
                              									verwandelt wird, zeigt in höchst überraschender Weise die Eigenschaft, bei Berührung
                              									mit Lösungen substantiver Farbstoffe, diese ihres Farbstoffgehaltes zu berauben und
                              									mit adjectiven Farben bei vorhergegangener Beizung sich genau so zu färben, als es die textile Faser thut.
                              									Die Färbungen welche dabei erhalten werden, sind mindestens so beständig als die
                              									Färbungen der vegetabilischen Faser (Baumwolle).
                           Besonders sind es die substantiven Anilinfarbstoffe, welche sich leicht mit der
                              									Kieselsäure so vereinigen lassen, daß diese durchaus dauerhaft gefärbt erscheint.
                              									Wenn man in ein Glas mit Fuchsin-, Anilinblau-,
                              									Anilinviolett-Lösungen u.s.w. das Pulver der gefällten und sorgfältig
                              									ausgewaschenen Kieselsäure schüttet, so färbt sich dieses in der Lösung sehr bald
                              									intensiv und behält diese Färbung auch beim Waschen mit Wasser. Erst beim Kochen mit
                              									Wasser oder Behandeln mit starkem Weingeist weicht die Färbung. Dieß ist jedoch auch
                              									bei der gefärbten Faser der Fall, welche – wie selbst gebeizte Baumwolle
                              									– beim Kochen mit Wasser die Färbung verliert, schneller noch bei der
                              									Behandlung mit Alkohol. So gelang es, durch Färben von amorpher Kieselsäure mit
                              									Lösungen von Anilinfarbstoffen sehr schön gefärbte Pulver zu erzielen, welche als
                              									Anstrich- und Tapeten-Druckfarben Anwendung finden konnten.
                           Bei weitem wichtiger als eine solche Anwendung in der Technik seyn könnte, ist die
                              									Benutzung dieser Thatsache für die Zwecke der Färberei. Es ist leicht, auf
                              									Faserstoffen welche die sogenannten substantiven Farbstoffe nicht direct ohne
                              									Vorbereitung aufnehmen, besonders auf Baumwolle, diese und vor Allem die
                              									Anilinfarben mit Hülfe der Kieselsäure zu fixiren. Wenn man die Baumwollfaser,
                              									welche sich Farbstoffen gegenüber außerordentlich renitent verhält, mit Kieselsäure,
                              									ja nur mit einer kieselsauren, leicht zersetzbaren Verbindung imprägnirt, so nimmt
                              									dieselbe Farbstoffe, vor Allem die Anilinfarben, welche alle Eigenschaften
                              									substantiver Pigmente an sich tragen, leicht an.
                           Ein bloßes Durchnehmen durch eine Auflösung von Wasserglas genügt, der Baumwolle die
                              									farbeanziehende Eigenschaft zu geben. Noch besser tritt diese aber hervor, wenn man
                              									das Wasserglas in der Faser zersetzt, indem man die mit der alkalischen kieselsauren
                              									Lösung getränkte Baumwolle in verdünnte Säure taucht und so die Kieselsäure in der
                              									Faser fällt. Wäscht man dann gut aus und taucht die Baumwolle in die
                              									Farbstofflösung, so färbt sie sich lebhaft und frisch und, was außerordentlich
                              									wichtig für die technische Anwendung ist, auch ächter, als es bisher mit den
                              									mannichfachen Beizungen der Fall war.
                           Bekanntlich läuft die Beizung der Baumwolle für Anilinfarben darauf hinaus, daß man
                              									auf die Faser eine Säure bringt, mit welcher das Rosanilin, Trimethylrosanilin
                              									u.s.w. schwierig oder gar nicht lösliche Salze bildet. Die Gerbsäure ist besonders
                              									wegen der Unlöslichkeit ihrer Salze in der Baumwollfärberei zu diesem Zwecke sehr
                              									beliebt. Die
                              									Verbindungen der Gerbsäure sind indessen nicht von so frischer Farbe als die
                              									ursprünglichen in Lösung angewendeten Verbindungen dieser Farbbasen und daher kommt
                              									es, daß Färbungen mit Tanninbeizen immer ein wenig matt ausfallen.
                           Dieser Uebelstand wird durch die Anwendung der Kieselsäure gänzlich vermieden. Zudem
                              									hat man gefunden, daß die mit Kieselsäure auf der Baumwolle fixirten Anilinfarben
                              									ächter sind, den Alkalien und Seifenlösungen besser widerstehen als mit den
                              									gewöhnlichen Beizmitteln fixirte.
                           Die große Kraft der Kieselsäure, Farbstoffe anzuziehen und festzuhalten, wurde auch
                              									gewürdigt, als man fand daß die Wolle, ihrem Verhalten gegen andere ähnliche
                              									Farbstoffe ganz entgegengesetzt, nicht im Stande war, das Anilingrün aufzunehmen.
                              									Eine Passage durch Wasserglas, Färben mit lauwarmer Grünlösung und Durchnehmen durch
                              									eine Säure führte auch hier zu dem gewünschten Ziele.
                           Die geschilderte Eigenschaft der Kieselsäure wird bereits im Großen bei der Färbung
                              									der Baumwolle mit Anilinfarben vielfach in Anwendung gebracht und gibt
                              									ausgezeichnete Resultate.
                           Neben den Färbungen der Kieselsäure mit substantiven Farbstoffen versuchte der
                              									Verfasser auch Färbungen mit adjectiven Farben vorzunehmen und fand, daß die
                              									Kieselsäure die verschiedenen Beizen – essigsaure Thonerde, essigsaures
                              									Eisenoxyd – ganz in derselben Weise aufnimmt wie die vegetabilische Faser,
                              									beispielsweise die Baumwolle. So gelangen Schwarzfärbungen u.s.w. auf verschiedene
                              									Art.
                           Es kam nun noch darauf an, festzustellen ob die Kieselsäure wie der Glimmer nur durch
                              									Flächenanziehung bindend auf die Farbstoffe einwirkt, oder ob dieß vielleicht einem
                              									geringen Gehalt an Alkali von der Fällung her zuzuschreiben sey. Das Letztere ist um
                              									so eher denkbar, als man vor etwa einem Jahre constatirt hat, daß man auch mit
                              									alkalischer Beizung die Anilinfarben auf der Baumwolle fixiren kann. Der Verfasser
                              									suchte deßhalb alle auf Kieselsäure erhaltenen Färbungen auch auf Glas
                              									hervorzubringen, welches mit Flußsäure angeätzt war. Beruht die Anziehung der
                              									Kieselsäure für die Farbstoffe nur auf einem Gehalt an Alkali, so mußten die
                              									Versuche mit angeätztem Glase ein negatives Resultat geben, da in diesem nicht wohl
                              									ein Gehalt an löslichem Alkali vermuthet werden kann. War dagegen die
                              									Farbenanziehung der Kieselsäure nur der physikalischen Beschaffenheit ihrer Flächen
                              									zuzuschreiben, so mußte angeätztes Glas dieselben oder wenigstens ähnliche Resultate
                              									geben.
                           In der That nimmt nun Glas, dessen Oberfläche mit Flußsäure angeätzt ist, die
                              									Anilinfarben vollkommen so auf, wie die amorphe Kieselsäure, ja man konnte das Glas
                              									sogar auf der geätzten Schicht durch Beizung mit Eisen und Behandeln in einem Blauholzbade
                              									schwarz färben, Rostgelb und Kaliblau darauf erzeugen u.s.w. In Anbetracht der sehr
                              									geringen Ausdehnung, welche die Aetzung des Glases zur Dicke desselben hat, erschien
                              									die Färbung des Glases der Färbung der Kieselsäure gegenüber immer nur ziemlich
                              									hell, dagegen war dieselbe, wo sie eingetreten war, vollkommen so beständig als die
                              									bei der Kieselsäure beobachtete.