| Titel: | Ueber den normalen Zuckergehalt des Weines und über das angebliche Verschwinden der in den Weintrauben enthaltenen Säuren während des Reifens; von Dr. A. Dupré. | 
| Autor: | A. Dupré | 
| Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. CLII., S. 540 | 
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                        CLII.
                        Ueber den normalen Zuckergehalt des Weines und
                           								über das angebliche Verschwinden der in den Weintrauben enthaltenen Säuren während des
                           								Reifens; von Dr. A.
                              								Dupré.
                        Dupré, über den normalen Zuckergehalt des Weines und über
                           								das Verschwinden der Säuren in den Weintrauben.
                        
                     
                        
                           In diesem Journal Bd. CXCV S. 353 u. 354
                              									(zweites Februarheft 1870) sind zwei Notizen von A. Petit, obige Fragen betreffend,
                              									aus den Comptes rendus mitgetheilt, über welche ich mir
                              									folgende Bemerkungen erlaube.
                           Was zunächst den normalen Zuckergehalt des Weines betrifft, so kann ich Petit's Angabe nicht nur vollkommen
                              									bestätigen, sondern sie auch auf viele andere Weinsorten ausdehnen. In beinahe jedem
                              									der zahlreichen von mir untersuchten Weine, Proben aus beinahe jedem Weinlande der
                              									Erde einschließend, war ein Zuckergehalt deutlich nachzuweisen und ließ sich, nach
                              									Fällen der Säuren etc. mit Bleiessig und Schütteln des Filtrates mit Thierkohle, in dem auf diese
                              									Weise vollkommen farblos erhaltenen Weine mit Hülfe der Fehling'schen Flüssigkeit bestimmen. In dem auf diese Weise behandelten
                              									Wein war außerdem der Zucker leicht vermittelst des Saccharimeters nachzuweisen. Ich
                              									benutze zu diesem Zwecke das ausgezeichnete von Prof. Jellet in Dublin erfundene Saccharimeter,
                              									welches noch 0,02 Proc. Zucker zu bestimmen gestattet, und kann die seither häufig
                              									gemachten Angaben, daß sich in der Mehrzahl der Weine, vorzüglich der leichten
                              									Weine, kein Zucker mittelst des Saccharimeters nachweisen lasse, nur einer
                              									ungenügenden Genauigkeit des angewandten Instrumentes zuschreiben. Es kann somit
                              									wohl keinem weiteren Zweifel unterliegen daß die große Mehrzahl, selbst der mehrere
                              									Jahre alten Weine einen geringen Zuckergehalt besitzt, welcher sich durch die
                              									Kupferprobe, die Fermentation und das Saccharimeter nachweisen läßt.
                           Was die angebliche Verminderung der Säure in den Trauben während des Reifens
                              									betrifft, so haben mich meine Analysen zu einem der Annahme von Petit entgegengesetzten Schlüsse geleitet. Ich habe
                              									bereits im Jahre 1866 eine Anzahl Analysen unternommen, welche zum Zwecke hatten,
                              									nicht wie früher geschehen war, nur den Procentgehalt des Traubensaftes an Säure und
                              									Zucker zu ermitteln, sondern auch den absoluten Gehalt dieser Stoffe in einer
                              									gegebenen Anzahl Beeren zu bestimmen. Ohne auf die Einzelheiten dieser
                              										UntersuchungJournal of the Chemical Society of London, vol. X
                                       												p. 378. näher einzugehen, will ich hier nur die Hauptresultate derselben
                              									mittheilen.
                           Es war:
                           
                              
                                 
                                 der Procentgehaltan Säure
                                 die Säure in100 Beerenin Grammen
                                 der Zucker in100 Beerenin Grammen
                                 
                              
                                 a) von Rießling-Trauben:
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                               1)
                                    											ganz unreif
                                 2,871
                                 2,525
                                   2,630
                                 
                              
                                               2)
                                    											weniger unreif
                                 1,713
                                 1,967
                                 13,800
                                 
                              
                                               3)
                                    											beinahe reif
                                 1,529
                                 1,887
                                 19,800
                                 
                              
                                 b) von Gutedel:
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                               1)
                                    											ganz unreif
                                 2,362
                                 2,504
                                   0,000
                                 
                              
                                               2)
                                    											weniger unreif
                                 1,582
                                 2,155
                                   6,488
                                 
                              
                                               3)
                                    											beinahe reif
                                 0,877
                                 2,450
                                 24,782
                                 
                              
                                 c) von Muscateller:
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                               1)
                                    											noch unreif
                                 1,255
                                 2,547
                                 21,315
                                 
                              
                                               2)
                                    											reif
                                 1,010
                                 3,100
                                 47,278
                                 
                              
                           Aus obiger Tabelle ist ersichtlich, daß zwar in allen Fällen der Procentgehalt des
                              									Saftes an Säure mit zunehmender Reife abnimmt, daß hingegen eine bedeutende Abnahme im Gehalte von 100
                              									Beeren nur bei Rießlingen bemerklich ist, während in anderen Fällen die Abnahme
                              									entweder nur unbedeutend ist oder sich in eine im letzten Falle sogar bedeutende
                              									Zunahme verwandelt, obwohl sich hierbei gleichzeitig der Zuckergehalt mehr als
                              									verdoppelt. Es ist somit zweifellos, daß nicht in allen Fällen die Säure mit
                              									zunehmender Reife verschwindet, es scheint vielmehr daß sich verschiedene
                              									Traubensorten sehr verschieden in dieser Hinsicht verhalten und die angenommene
                              									Umwandlung der Weinsäure in Zucker wird somit sehr zweifelhaft. Eine solche Annahme
                              									scheint mir aber auch im vorliegenden Falle durch keine Gründe geboten. Verschiedene
                              									Zuckerarten finden sich, wie bekannt, sehr verbreitet im Pflanzenreiche, so zwar,
                              									daß alle oder doch beinahe alle Pflanzen mit nicht sauren Säften Rohrzucker liefern,
                              									während solche mit sauren Säften, worunter die Weintrauben, meistens ein Gemenge von
                              									Traubenzucker und Fruchtzucker enthalten, also dasselbe Gemenge welches durch
                              									Einwirkung von Säuren aus Rohrzucker gebildet wird (Invertzucker). Es liegt deßhalb
                              									die Vermuthung sehr nahe, daß in allen diesen Pflanzen der Zucker auf ähnliche Weise
                              									entstehe und nur in Pflanzen mit sauren Säften eine weitere Umwandlung in
                              									Invertzucker erleidet. Da nun im Zuckerrohr z.B. der Zucker gewiß nicht aus
                              									Weinsäure gebildet wird, so entsteht er auch wahrscheinlich in den Weintrauben nicht
                              									aus dieser Säure. Außerdem ist der Zucker, gleich der Cellulose, ein Kohlenhydrat
                              									und kann also auch wie diese einfach durch Reduction des Kohlensäurehydrats
                              									entstanden gedacht werden:
                           
                              
                                 Kohlensäure
                                 Zucker
                                 
                              
                                      6CH²O³ –
                                    											O¹² =
                                 C⁶H¹²O⁶
                                 
                              
                           Die vorläufige Entstehung der Cellulose, deren Umwandlung erstens in Weinsäure, dann
                              									in Aepfelsäure und endlich in Zucker, ist deßhalb eine durchaus unnöthige
                              									Annahme.
                           Schließlich hat die Annahme, daß bei einem gewissen Grad der Reife die Säurebildung
                              									entweder ganz aufhört oder doch sehr gemindert wird, nichts Auffallenderes als die
                              									Thatsache, daß die Zuckerbildung erst bei einem gewissen Stadium der Reife
                              									beginnt.
                           London, Westminster
                                 										Hospital; 10. Mai, 1870.