| Titel: | Das Papier und seine Rohmaterialien; von Dr. Hermann Grothe. | 
| Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. CLVI., S. 554 | 
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                        CLVI.
                        Das Papier und seine Rohmaterialien; von Dr.
                           									Hermann
                              								Grothe.
                        Aus dem polytechnischen Centralblatt, 1870 S.
                              								641.
                        Grothe, über das Papier und seine Rohmaterialien.
                        
                     
                        
                           Die am 26. Mai 1869 abgehaltene Sitzung der Industrie-Gesellschaft zu
                                 									Mülhausen (Elsaß) entschied über eine Preisertheilung in dem Concurs des
                              									Comité's für die Papierindustrie, für welchen drei Bewerbungen eingegangen
                              									waren. Die gekrönte Arbeit (welche im Bulletin de la Société industrielle de Mulhouse, t. XL
                              										p. 49, Februar und März 1870, veröffentlicht wurde)
                              									rührt von Z. Orioli in Pontcharra (Isère) her und
                              									enthält ein trefflich und klar geschriebenes Exposè über die Cellulose und
                              									deren Verhalten, ferner über deren Verarbeitung und Behandlung im
                              									Fabricationsproceß, endlich über die bisher vorzüglich angewendeten Materialien zur
                              									Papierfabrication. Bei dem Studium dieser an sich trefflichen Arbeit ist uns
                              									ausnahmsweise nicht so sehr das aufgestoßen, was in den französischen Arbeiten so
                              									sehr häufig auftritt, nämlich daß bei Darstellung der
                              									geschichtlich-wissenschaftlichen Verhältnisse nur französische Fabricate
                              									eingehende Berücksichtigung finden, auswärtige Leistungen aber aus irgend welchem
                              									Grunde geringere Berücksichtigung erfahren. Es wird dadurch der Werth des
                              									Verdienstes für den Autor in seinem Lande erhöht, im Auslande aber erniedrigt. Dieß
                              									ist bei der verdienstvollen Arbeit Orioli's in einen gewissen richtigen Einklang gestellt und deßhalb
                              									haben wir es unternommen, dieß Exposè mit kritischen und ergänzenden Zusätzen
                              									zu bearbeiten und so zu versuchen, ein Bild gleichmäßigen Werthes dem Deutschen
                              									näher zu rücken.
                           In diesem erleuchteten und fortschrittlichen Jahrhundert konnte die Papierfabrication
                              									nicht unberührt bleiben. Auch sie hat eine gänzliche Umwandlung der Methoden und
                              									Apparate erlebt und die heutige Papierfabrication ist grundverschieden von der
                              									Papierfabrication des verflossenen Jahrhunderts. Die Chemie und die Mechanik haben
                              									in gleichem Antheil dafür gearbeitet. Die Chemie hat uns rationelle Waschmethoden,
                              									die Bleiche, das Bläuen,
                              									die Färbungen etc. geliefert, Operationen welche die Eigenschaften des heutigen
                              									Papieres von dem Papier unserer Voreltern so wesentlich unterscheiden. Das Papier
                              									des vorigen Jahrhunderts, ungeachtet seiner Festigkeit, würde in unserer Zeit nur
                              									den Werth von Ausschuß haben. Und selbst der Werth der Festigkeit, welchen man
                              									geneigt ist, den älteren Papieren durchweg zuzuschreiben, ist in unserem
                              									Jahrhundert, wenn auch nicht überall, doch noch unverändert zu finden. Wir geben
                              									freilich den Papiersorten welche zu Tapeten und Buntpapier und zu gewöhnlichem
                              									Schreibpapier verwendet werden, nicht mehr die in der Bütte erreichte Festigkeit,
                              									aber z.B. dem Geldscheinpapier, dem Papier für Postmarken, zu Documenten etc.
                              									verleihen wir mindestens dieselbe Festigkeit und dabei stellt sich heraus, daß
                              									dieselbe nicht von der Anwendung der Bütte abhängig ist, sondern sich ebenso gut auf
                              									der Maschine erzielen läßt. Wir haben demnach in den Papiermaschinen Apparate in der
                              									Hand, mit welchen wir die Dimensionen und anderen Eigenschaften der Papiersorten
                              									viel genauer zu bestimmen und herzustellen im Stande sind, als es mit der Bütte
                              									irgend möglich ist, mit Ausnahme einzelner weniger Fabricate, für welche die Bütte
                              									und die Hand des Arbeiters von Wichtigkeit und unersetzt bleibt. Das Papier unserer
                              									Tage zeichnet sich auch gegen das frühere durch Weiße und Klarheit, durch die Glätte
                              									und Reinheit, durch die Gleichmäßigkeit und durch die Billigkeit aus. Aber auch der
                              									Punkt ist bei der heutigen Papierfabrication von hohem Werth, daß alle jene
                              									Lumpensorten, welche früher als unbrauchbar und unverwendbar zurückgelegt wurden,
                              									heute mit Verwendung finden. Ja noch mehr! Mit dem Wachsen des Bedarfes an Papier,
                              									mit dem Emporkommen so vieler großartiger Papierfabriken war man gezwungen, andere
                              									Materialien als die bisher gebrauchten, in den Kreis der Bearbeitung zu ziehen, und
                              									die Technik an der Hand der Wissenschaft hat eine Reihe neuer Quellen eröffnet, aus
                              									denen die Papierfabrication das nöthige Rohmaterial schöpft. In Folge dieser
                              									Assimilation neuer Stoffe zu demselben Zweck wird in Zukunft diese Fabrication die
                              									Lumpen als das kostbarste, nur zu besonders trefflichen Papiersorten verwendbare
                              									Material betrachten. Das Espartogras, das Stroh oder das Holz werden der gewöhnliche
                              									Grundstoff werden.
                           Die Wissenschaft hat uns ja gelehrt, daß die Cellulose der ungebrauchten Pflanzen
                              									ganz dieselbe ist, wie die in den Hadern; ja einzelne Eigenschaften der
                              									ungebrauchten Cellulose setzen uns heute in den Stand, Papiersorten zu erzeugen,
                              									welche man mit Lumpenfasern herzustellen nicht im Stande ist.
                           In Deutschland, in England und in Belgien ist man schneller und glücklicher in der
                              									Papierfabrication vorangeschritten als in Frankreich. Indessen schickt sich auch
                              									Frankreich mit Macht an, für diese Fabrication wieder von höherer Bedeutung zu
                              									werden.
                           Beim ersten Ansehen scheint es, daß alle Pflanzen geeignet
                              									seyen, Material für die Papierfabrication zu liefern, von der Wurzel bis zum Blatte
                              									und selbst von seinem Mark bis an die Oberfläche der Rinde; allein der Gebrauch, der
                              									Versuch lehrt, daß man nicht gleiche Resultate mit allen Pflanzen erreichen kann und
                              									dieß liegt in der Form der Cellulose und in dem Reichthum der betreffenden Pflanzen
                              									an Cellulose.
                           Die Cellulose der Pflanzen weist vom Standpunkte der Papierfabrication aus drei
                              									charakteristische Formen auf: 1) die Form des Schlauches, 2) die Form der Membran,
                              									3) die Form der Faser.
                           Die Formen 1 und 2 sind für die Papierfabrication von keiner Bedeutung, sie werden
                              									vielmehr durch die Waschprocesse der Papierfabrication sorgfältig entfernt, weil die
                              									zweite Form der Gleichartigkeit des Papieres schaden kann. Dagegen gibt die dritte
                              									Form das wahre Cellulosematerial für die Papierfabrication ab. Es ist jene
                              									Cellulose, welche mit der Weiterbildung der Pflanze Kraft, Körper und Festigkeit
                              									erlangt hat.
                           Diese Cellulose erscheint jedoch nicht im reinen Zustande, sondern mit den aus den
                              									Pflanzensäften abgelagerten Stoffen imprägnirt und incrustirt. Wir wollen Orioli's ausführliche Darstellung
                              									der Incrustationen nicht verfolgen. Man kennt ja ihre große Verschiedenheit, ihren
                              									Einfluß bei der Papierbereitung und weiß, daß von solchen Incrustationen oft
                              									überhaupt die Verwendbarkeit der betreffenden Pflanzencellulose abhängt. Vorzüglich
                              									hinderlich ist der Farbstoffgehalt des Pflanzensaftes, welcher sich in der Cellulose
                              									ablagert, und dieser macht die Methoden der Präparation für die Papierfabrication
                              									complicirt. Man kann nun sehr gut unterscheiden zwischen Incrustationen zufälliger Natur, die also nicht immer und nicht in allen
                              									Cellulosefasern enthalten sind, und zwischen Ablagerungen welche stets, also bei
                              									jeder Cellulose auftreten. Man nimmt an, daß die letzteren aus Zersetzung der
                              									Cellulose selbst durch den Einfluß unbekannter Agentien entstanden seyen. Zu ihnen
                              									gehört vorzüglich das Pectin oder die Pectinkörper.
                           Bei dem Aufbau der Cellulose wirkt das Parenchym der Blätter unter dem Einfluß der
                              									Sonnenstrahlen und in Gegenwart einer gewissen Menge Kohlensäure und Wasser
                              									zersetzend auf diese letzteren, entbindet eine Quantität ihres Sauerstoffes und
                              									combinirt den Rest, ihn verdichtend zu einer besonderen Verbindung, welche man
                              									Glucose genannt hat und
                              									welche eine Art Zucker (Traubenzucker) ist. Orioli gibt
                              									dafür die Fomel
                           6CO² + 6HO = 12O + C⁶H⁵O⁵, HO
                           Es ist möglich, daß bei ihrer Verdichtung Kohlensäure und Wasser noch
                              									zwischenliegende Umwandlungsstadien durchlaufen; immerhin ist ihr letztes Product
                              									diese Sorte Zucker, von welchem aus durch successive Umwandlungen, deren Gang wir
                              									kurz betrachten wollen, die Bildung der Cellulose beginnt. Die gebildete Glucose hat
                              									unter Einwirkung der Sonnenstrahlen große Neigung, sich mit Glucose im Stadium nascendi unter Ausstoßung zweier Molecule Wasser zu
                              									verbinden, und so durch den Lebensproceß der Pflanze ein weiteres Product unter dem
                              									Namen Dextrin zu bilden.
                           C⁶H⁵O³ Glucose
                           C⁶H⁵O³      
                              									„
                           ––––––––––––––
                           C¹²H¹ºO¹º Dextrin +
                              									2HO
                           Das Dextrin hat sodann wieder die Neigung, sich mit Glucose zu verbinden und bildet
                              									dadurch das Fècule oder Amidon.
                           C¹²H¹ºO¹º Dextrin,
                           C⁶H⁵O³, HO Glucose
                           –––––––––––––––––
                           C¹⁸H¹⁵O¹⁵ Fécule +
                              									HO
                           Dieses Stadium der Entwickelung der Celluloseanfänge gibt Gelegenheit zu erkennen,
                              									daß die Cellulosen der verschiedenen Papiermaterialien verschiedene Eigenschaften
                              									haben: 1) betröpfelt man Cellulose der Baumwolle mit Jodtinctur, so färbt sich
                              									dieselbe schön blau; 2) thut man ein Gleiches mit Cellulose aus Flachs, Maulbeerbaum
                              									u.a., so färbt das Jod nur unter Zusatz von Säure blau; 3) betupft man endlich
                              									Cellulose von Hanf etc., so erhält man trotz Gegenwart einer Säure erst nach
                              									längerer Zeit die Blaureaction. Orioli meint, daß dieser
                              									wesentliche Unterschied zwischen der Baumwollcellulose und der Hanf- und
                              									Flachscellulose daher komme, daß in ersterer sich beim Entstehen schon das
                              									Fécule mit einem neuen Molecule Glucose unter Ausstoßung des Wassers
                              									verbunden habe. Das Amidon oder Fécule scheint in der Cellulosebildung die
                              									Rolle des Amylum in dem Getreide zu spielen. Tritt zum Fécule ein Molecul
                              									Glucose hinzu, so entsteht unter Wasserabscheidung Cellulose.
                           C¹⁸H¹⁵O¹⁵
                              									Fécule,
                           C⁶H⁵O⁵, HO Glucose
                           –––––––––––––––––
                           C²⁴H²⁰O²⁰ Cellulose +
                              									HO
                           Die Glucosebildung, welche allmählich Dextrin, Amidon und Cellulose entstehen läßt, hat ihre Kraft
                              									hiermit nicht erschöpft; vielmehr kann die Cellulose neue Molecule Glucose unter
                              									Wasserabscheidung aufnehmen und sich in eine verdichtete Cellulose verwandeln.
                           C²⁴H²⁰O²⁰
                              									Monocellulose,
                           C⁶H⁵O⁵, HO Glucose
                           ––––––––––––––––––
                           C³⁰H²⁵O²⁵ Bicellulose +
                              									HO.
                           Man begreift, daß diese mehr dichte Cellulose eine energischere Reaction ertragen
                              									kann und fordert, bevor sie das Amidon frei gibt, so daß man es mit Jod nachweisen
                              									kann; daher die Nothwendigkeit der Verstärkung der Jodreaction bei Flachs etc. durch
                              									Zufügung von Säuren. Die Möglichkeit der Bildung mehr zusammengesetzter Cellulose
                              									ist stets gegeben und den Hanf kann man daher ganz gut etwa als Tricellulose
                              									auffassen nach der Bildungsformel:
                           C³⁰H²⁵O²⁵
                              									Bicellulose,
                           C⁶H⁵O⁵, HO Glucose
                           ––––––––––––––––––
                           C³⁶H³⁰O³⁰ Tricellulose +
                              									HO.
                           Diese Tricellulose möchte der Cellulose des Hanfes entsprechen. Diese Herleitung der
                              									Cellulosebildung, welche von Berthelot zuerst aufgestellt
                              									wurde, enthält also folgende einzelne Producte der Bildungsstadien:
                           C⁶H⁵O³, HO Glucose,
                           C¹²H¹ºO¹º Dextrin,
                           O¹⁸H¹³O¹³
                              									Fécule,
                           C²⁴H²⁰O²⁰
                              									Monocellulose,
                           C³⁰H²⁵O²⁵
                              									Bicellulose,
                           C³⁶H³⁰O³⁰
                              									Tricellulose.
                           Von da ab könnte man weiter auf noch mehrfache Cellulosen schließen, denen das Stroh,
                              									die Pisangfasern u.s.w. entsprechen möchten. Orioli will
                              									demgemäß eine Abstufung der Papiere aufstellen, also
                           
                              
                                 Papier von
                                 Baumwolle,
                                 
                              
                                     „      
                                    											„
                                 Flachs,
                                 
                              
                                     „      
                                    											„
                                 Hanf,
                                 
                              
                                     „      
                                    											„
                                 Stroh,
                                 
                              
                                     „      
                                    											„
                                 Pisang etc.
                                 
                              
                           In der That steht es fest, daß die procentische Zusammensetzung dieser verschiedenen
                              									Papiere absolut identisch ist und daß sie bald mehr durchscheinend, dicht,
                              									wasserziehend, tönend, elastisch etc. sind, je mehr man die Reihe herab steigt.Wir berühren diese Theorie hier nach Orioli eingehend und achten dieselbe
                                    											wegen ihrer geistreichen Idee. Sie aber als fest und unumstößlich
                                    											anzunehmen, fehlt vorläufig noch viel; denn eine einzige Reactionsreihe
                                    											liefert keinen Entscheid.
                              								
                           
                           Orioli gesteht zu, daß auch er sich lange der
                              									gewöhnlichen Ansicht der Papierfabrikanten angeschlossen habe, nach welcher die
                              									charakteristischen Eigenschaften der Papiersorten in einer größeren oder geringeren
                              									Menge oder in einer Verschiedenheit der incrustirenden Stoffe beruhen würden;
                              									besonders abhängig seyen von der Gegenwart einer größeren oder geringeren Menge von
                              									fetter oder glutinöser Substanz. Er sagt aber sehr recht über diese Annahme:
                              										„warum sie jetzt noch festhalten, da bisher kein Chemiker diese
                                 										zweifelhafte Substanz zu isoliren verstand!“ Eine Entdeckung jüngster
                              									Zeit ist noch mehr im Stande, die bizarre Rolle der glutinösen Substanz in ein
                              									Nichts zu verwandeln. Die Cellulose der Baumwolle sollte nach Annahme aller
                              									Papierfabrikanten fettfrei seyn. Trotzdem kann sie das Ansehen sehr verdichteter
                              									Cellulose annehmen, ihre Geschmeidigkeit, Porosität, Undurchsichtigkeit verlieren,
                              									dagegen kann sie ihre Durchsichtigkeit, Steifigkeit und Elasticität des Hanfes
                              									selbst erhalten, ohne eine andere Behandlung als mit schwefliger Säure. Es wird
                              									dabei die procentische Zusammensetzung nicht geändert, wahrscheinlich aber wird die
                              									Cellulose verdichtet, eine Bi- und Tricellulose. Andererseits aber zeigt der
                              									Papierfabricationsproceß täglich auch den umgekehrten Fall. Unter der Einwirkung
                              									fortgesetzter Waschoperationen verliert die Cellulose von Stadium zu Stadium mehr
                              									und mehr ihre Härte und Steifheit, und nähert sich dem Baumwollartigen durch das
                              									allmähliche Verschwinden der glutinösen Substanz. Orioli
                              									weist auf die hohe Bedeutung dieser Theorie für die Papierfabrication hin. Es werde,
                              									wenn sie sich ganz bewahrheite, möglich, trotz der Verschiedenheit der Cellulose
                              									doch ein vorgesetztes Resultat mit jeder zu erlangen, da man durch geeignete
                              									Reactionen die Erreichung des einen oder anderen Grades von Dichtigkeit der
                              									Cellulose zu bewirken im Stande seyn könne. Jedes Agens, welches auf
                              									Wasserentziehung hinwirke, z.B. wie schweflige Säure, wird zur Verdichtung der
                              									Cellulose passend seyn, jedes Agens welches das Gegentheil erzeugt, besonders die
                              									Fermentation, gestattet die Cellulose auf weniger verdichtete, einfachere Formen
                              									hinzuführen. Diesen Theorien sind empirisch bereits eine Anzahl von Operationen der
                              									Papierfabrication seit Langem gefolgt.
                           Vorstehende Auseinandersetzung gibt, als Résume zusammengefaßt, folgendes
                              									Resultat: Die Cellulosenreihe welche für die Papierfabrication tauglich ist und
                              									gebraucht wird, setzt sich aus Varietäten von weniger oder mehr verdichteter
                              									Cellulose durch Zunahme von Glucose zusammen. Unter denselben hat die
                              									Baumwollcellulose die einfachste Formel
                              									(C²⁴H²⁰O²⁰). Vorläufig ist es noch
                              									unmöglich, genau den Rang zu bestimmen, welchen die Cellulosen des Strohes, Flachses
                              									etc. bezüglich ihrer
                              									Dichtigkeit einnehmen, auch kann man für die Praxis noch nicht angeben, welchen Grad
                              									der Wasch-, Preß-, Schlagoperation etc. man zur Erreichung eines
                              									bestimmten Grades der Dichtigkeit der Cellulose anwenden muß.
                           Wir übergehen die allgemeinen Eigenschaften und die Reactionen der Cellulose, da sie
                              									in jedem Lehrbuche der organischen Chemie ausführlich zu finden sind. Nur das wollen
                              									wir anführen, daß die chemisch reine Cellulose vollkommen weiß ist, mehr oder
                              									weniger durchscheinend, elastisch und von 1,50 mittlerer Dichtigkeit. Sie ist
                              									unlöslich in Wasser, Alkohol, Aether, flüchtigen und nicht flüchtigen Oelen. In den
                              									vegetabilischen Fasern ist Cellulose zu 75 bis 78 Procent enthalten. Die reine
                              									Cellulose erleidet in trockener Luft keine Veränderung; wohl aber im Contact mit
                              									Feuchtigkeit, sey es bei mattem Licht oder im Dunkeln, bräunt sie sich mehr und mehr
                              									unter Bildung von Ulmin. Im Sonnenlicht erleidet die feuchte Cellulose Umänderungen,
                              									welche noch unergründet sind. Daß aber in der feuchten Cellulose ein chemischer
                              									Proceß stattfindet, ist unzweifelhaft. Merkwürdig ist dabei, daß gefärbte oder
                              									überhaupt mit organischer Materie imprägnirte Cellulose sich weniger verändert als
                              									die reine Cellulose. Die Einwirkung der Säuren ist nicht uninteressant. Die
                              									Schwefelsäure, am besten wässerig angewendet, gibt dem Papier ein pergamentartiges
                              									Aussehen, eine Umänderung welche in einer molecularen Aenderung desselben liegt.
                              									Verlängert man die Einwirkung dieser Säure auf die Cellulose, so löst sie sich und
                              									verwandelt sich in Amidon, Dextrin und Glucose, ohne daß man ein Mittel kennt, diese
                              									interessante Reaction aufzuhalten. Concentrirte Schwefelsäure ändert die Cellulose
                              									im Ulminstoffe mehr oder weniger kohlenstoffhaltig um. Bei Cellulosen in Form von
                              									Holz z.B., bildet sich durch den Angriff der Säure ein gummiartiger Lack, welcher
                              									der Säure den Eintritt in das Innere des Holzes versagt. Die Salpetersäure im
                              									concentrirten Zustande greift die Cellulose heftig an und bildet stickstoffhaltige
                              									Körper von sehr explosibler Natur. Papier wird durch sie gleichzeitig
                              									pergamentartig. Ein längerer Contact ergibt successiv Producte von einer einfachen
                              									Zusammensetzung bis zur Oxalsäure. Bei der Einwirkung der Salpetersäure auf Holz
                              									richtet sich dieselbe hauptsächlich auf die incrustirenden Substanzen und selbst
                              									nach stundenlangem Zusammenseyn wird das Holz nicht vernichtet, was wohl von der
                              									Wasseraufnahme der Säure aus dem Holze herrühren mag. Königswasser wirkt ebenso wie
                              									Salpetersäure. Concentrirte Salzsäure löst die Cellulose in geringer Quantität auf.
                              									Mit besonderer Aufmerksamkeit hat Orioli die Anwendung
                              									des Königswassers für Extraction der Cellulose untersucht. Bereits vor mehreren Jahren veröffentlichte
                              									die Firma Orioli, Neyret und Fredet ein Verfahren unter
                              									Anwendung des Königswassers. Seitdem ist dasselbe Gegenstand eingehender Prüfungen
                              									auf praktische Verwendbarkeit in Pontcharra geblieben. Orioli hatte bereits lange gefunden, daß das Holz in Form von Hobelspänen
                              									sich durch Salzsäure sowohl als durch Salpetersäure extrahiren lasse. Beide Säuren
                              									lösen die incrustirenden Materialien; die Resultate sind jedoch nicht ganz gleich.
                              									Die Salpetersäure wirkt intensiver auf Zersetzung und Entfärbung des Holzes, während
                              									die Salzsäure das Holz schwärzt und die nachfolgenden Operationen complicirt macht.
                              									Die Salpetersäure ist zu theuer, um allein zur Holzextraction Verwendung finden zu
                              									können. Orioli stellte daher Versuche an, beide Säuren im
                              									Gemisch zu verwenden und zwar in allen Stadien der Mischung. Nur die Gemische welche
                              									so viel Salpetersäure enthielten, daß dadurch die Neigung der Salzsäure, das Holz zu
                              									schwärzen, aufgehoben wurde, entsprachen der praktischen Verwendung. Ein solches
                              									Gemisch, bei welchem zugleich die Billigkeit des Preises mit redete, wurde am
                              									wirksamsten bei 80 Proc. Salzsäure und 20 Proc. Salpetersäure gefunden. Späne von
                              									Pappel- oder Tannenholz mit diesem Säuregemisch behandelt, wurden nach
                              									34stündiger Einwirkung der Säuren weich und schwammig und zerfaserten sich unter dem
                              									Druck der Finger sehr leicht. Die Farbe war, nicht verändert, die Zerstörung der
                              									incrustirenden Materialien war vollständig erreicht.
                           In Folge dieser Beobachtung kam Orioli zu dem Schluß, daß
                              									die also behandelten Holzfasern, nachher mit Sorgfalt gewaschen, zermahlen in einem
                              									Mörser, gewaschen, darauf mit einer 10 Proc. Soda enthaltenden Lauge ausgespült,
                              									gebleicht mit einem 10procentigen Chlorkalkbade, lange, weiche, haltbare,
                              									seidenartige und vollkommen bleichbare Fasern ergeben müssen, bei Gewinnung von 50
                              									Proc. des angewendeten Holzes an Faser, unter Ausgabe von 30 Proc. Königswasser für
                              									100 Theile Holzpate. Trotzdem also diese Methode sehr gute Resultate an sich gegeben
                              									hatte, so blieb doch der Erfolg bei Anwendung im Großen hinter diesen Erwartungen
                              									eigenthümlicher unerwartet eintretender Störungen halber zurück. In großen Gefäßen
                              									von Stein, etwa 1000 Liter haltend, wurde das Holz mit dem Königswasser gemischt.
                              									Ungeachtet der Garantien der Fabrikanten solcher Gefäße fanden sich schnell Ritzen
                              									für das Säuregemisch und es gelang auch bei späteren Versuchen niemals diese Gefäße
                              									vollkommen dicht zu erhalten. War dieser Fehler schon unangenehm, so traten noch die
                              									sich entwickelnden röthlichen Dämpfe hinzu und verursachten die heftigsten
                              									Augenschmerzen. Nach der Zersetzungsoperation wurden die Fasern zermahlen und dann
                              									gewaschen. Hierbei muß
                              									darauf aufmerksam gemacht werden, daß ein längeres Hinausschieben des Waschprocesses
                              									möglicher Weise ein gänzliches Verbrennen oder Zerstören der Fasern durch die Säuren
                              									veranlassen kann. Der Waschapparat bot neue Schwierigkeiten. Das Königswasser greift
                              									energisch das Eisen der Wäscher an, es zersetzt aber auch das Sodabad, neutralisirt
                              									eine Partie der Soda, was einem offenbaren Verlust gleichkommt, und dann muß man
                              									jeden Augenblick befürchten, daß sich Eisenchlorür und salpetersaures Eisen bildet
                              									und in die Pate dringt, wodurch diese dann selbstredend gänzlich verdorben wird. So
                              									zeigte sich denn dieses Verfahren, welches bei einem Versuche im Kleinen große
                              									Erwartungen für die Praxis rege machte, als ganz unbrauchbar, theuer und
                              									gesundheitsschädlich.
                           Von Coupier, Barre, Blondel und Delaye ist zu verschiedenen Zeiten die Zersetzung der Holzspäne mittelst
                              									Salpetersäure, mit Wasser verdünnt, bis zum Siedepunkt erhitzt, versucht worden. Bachet und Machard haben mit
                              									siedender Salzsäure und Schwefelsäure (stark verdünnter) gearbeitet, mit der Idee,
                              									die incrustirenden organischen Substanzen in Glucose überzuführen und so die Fasern
                              									zu reinigen und zu isoliren. Alle diese Methoden haben, trotz der hohen
                              									Versprechungen ihrer Erfinder, der Praxis kein erfolgreiches Mittel geboten. Dagegen
                              									haben die Versuchs mit kalten Säuren im concentrirten Zustande, oder besser noch im
                              									sehr verdünnten Zustande oder an Kalk gebunden, viele brauchbare Resultate
                              									geliefert, deren Erfolg von den Apparaten zum Waschen und Zerkleinern allerdings mit
                              									bedingt ist. Wir müssen freilich hier anführen, daß die angewendeten Kalksalze stets
                              									den Lüster und die Kräftigkeit der Fasern angreifen und verdunkeln. Aus diesem
                              									Grunde empfiehlt Molemann-Laubuhr die Anwendung
                              									von Polysulfür des Natriums oder Kaliums, oder auch eine Mischung von Chlorkalk mit
                              									Soda- oder Magnesiasulfaten.
                           In Amerika und England rühmt man sich allerdings, die Extraction des Holzes nur durch
                              									Waschprocesse und Bleichen erzielen zu können, allein Orioli meint, daß vom Standpunkte der Preiswürdigkeit aus bisher ein
                              									Extractionsproceß ohne Anwendung von Säuren nicht möglich ist. Es ist nicht
                              									zweifelhaft, daß Vegetabilien von geringen Dimensionen wie das Spartgras, das Stroh
                              									etc. keiner Vorbearbeitung durch Säuren bedürfen, allein der Unterschied der
                              									Bearbeitung solcher vereinzelter Cellulosepartien von der des dichten Gefüges der
                              									Holzcellulose liegt auf der Hand. Schon Mohl
                              									unterscheidet in seiner Methode der Extraction der cellulosehaltigen Körper leicht
                              									entfernbare und hartnäckig anhaftende Beimengungen und meint, für Holz z.B. sey die
                              									Anwendung von Salpetersäure zur Durchdringung desselben unerläßlich; Schultze hat auch die Unzulänglichkeit dieses Mittels gezeigt und dafür eine
                              									Mischung von 20 Theilen Salpetersäure (1,16 spec. Gew.) mit 3 Theilen chlorsaurem
                              									Kali empfohlen.
                           Wenn man das Holz in Späne verwandelt hat, muß man die Pectinkörper zunächst zu
                              									zersetzen suchen, um eine freie Bahn für die Wirkung des Waschprocesses zu haben.
                              									Die Erfahrung hat allerdings gezeigt, daß die Wirkung ohne diese vorgängige
                              									Behandlung nicht immer gleichartig ist. Das Verfahren von Bachet und Machard scheint am ökonomischsten
                              									und bequemsten für die vorgehende Zersetzung zu seyn. Trotzdem haben sie nicht die
                              									Resultate erzielt, welche sie in Verbindung mit einer geeigneten Wäsche,
                              									Zerfaserung, Einweichung und Bleichung nöthigenfalls erhalten konnten. Alle übrigen
                              									Methoden mit Hülfe der Fermentation, Röstung, Präparation mit Kalkpolysulfüren, mit
                              									Kalkbädern etc. entbehren ebenfalls der wirklich fruchtbaren Ergebnisse für die
                              									Praxis schon der zeitraubenden Operationen und Verzüge dieser Processe wegen.
                           Orioli gibt nun, nachdem er das vorgängige Extrahiren des
                              									Materiales mit Säuren als nothwendig hingestellt hat, besondere Vorschriften für die
                              									Processe und Arbeiten, welche seines Erachtens nach eine Hauptsache für den
                              									ökonomischen Betrieb der Pategewinnung sind.
                           Vorschläge, Verfahrungsarten, Apparate zur Vornahme des Waschprocesses sind in
                              									zahlreichem Maaße gegeben. Man unterscheidet vier Hauptmethoden:
                           
                              
                                 1)
                                 Wäsche auf dem Rahmen,
                                 
                              
                                 2)
                                     „        
                                    											„  Waschtambours,
                                 
                              
                                 3)
                                     „        
                                    											in Waschtrommeln,
                                 
                              
                                 4)
                                     „        
                                    											auf geneigter Ebene.
                                 
                              
                           Die erste Methode erfordert große Apparate, um ökonomisch zu arbeiten, eine große
                              									Menge Material und viel Betriebskraft. Sie wirkt sehr energisch, aber erzeugt viel
                              									Abfall.
                           Die zweite Methode ist passabel für Lumpen. Sie gibt weniger Abfall. Für die
                              									zersetztere Pate aber ist sie unpraktisch, weil dieselbe aufsteigt und obenauf
                              									schwimmt, das schmutzige Wasser untersinkt und sehr schwer zu erneuen ist. Die
                              									Wäsche im Tambour, mit perforirtem Blechmantel, eintauchend oder nicht, schnell
                              									rotirend, hat den Uebelstand des schnellen Verbrauches des Mantelbleches und gibt
                              									bessere oder weniger gute Resultate je nach der vermehrten oder verringerten
                              									Versetzung der Löcher im Mantelbleche. Eine Reinigung des Mantels ist sehr
                              									schwierig.
                           Orioli hält die Wäsche auf geneigten Ebenen für die
                              									einfachste energischste.
                              									Sie beansprucht wenig Raum und liefert sehr wenig Abgang. Um dieses System zu
                              									compiliren, stellt man eine Säule auf, welche wenigstens 1000 Kilogr. Pate fassen
                              									kann und die in ihrem Inneren eine große Danaide oder ein Schaufelrad enthält, oder
                              									auch irgend einen anderen Apparat, welcher die Pate auf den höchsten Punkt eines um
                              									45° geneigten Rahmens hebt, mit welchem sie unter einem Wasserfall
                              									fortschreitet, in einer Säule circulirend. Orioli hat
                              									diese Vorrichtung seit 1 1/2 Jahren eingeführt und spricht aus, daß, wenn er
                              									dieselbe früher gehabt hätte, er wahrscheinlich weniger Schwierigkeiten in der
                              									Verarbeitung des Holzes gefunden haben würde.
                           Bei dem Kochen (lessivage) der Pate vindicirt Orioli der Gestalt der Apparate und der Manier der
                              									Operation sehr viel Bedeutung für den Erfolg. Er verwirft Apparate über directem
                              									Feuer gänzlich, selbst dann, wenn dieselben im Inneren einen mechanischen
                              									Rührapparat enthalten. Es ist sehr schwierig, ja fast unmöglich, das Anbrennen
                              									einiger Fragmente der Fasern zu verhindern. Solche angekohlte Stücke bleichen aber
                              									nicht mit, erscheinen bräunend in der Pate und machen ihren Gebrauch zu weißem
                              									Papier unmöglich. Wenn man zur Vermeidung dieses Uebelstandes auch die Wassermenge
                              									vergrößert, so ist man gezwungen, auch die Masse der Soda bedeutend zu erhöhen und
                              									die Kostspieligkeit verbietet dann solche Methode von selbst. Auch der Apparat mit
                              									drehendem Gefäß leidet an gleichen Uebelständen. Dagegen bietet der Apparat mit
                              									Dampfheizung, sey es mittelst Schlange, sey es mittelst Doppelboden, jeden Vorzug.
                              										Orioli gibt dem Apparat mit Doppelboden den Vorzug,
                              									weil derselbe von einfacherer Construction ist, sich und die in ihm enthaltene Masse
                              									schnell erhitzt. Die Schlange hat weniger wirksame Heizfläche und erhitzt deßhalb
                              									langsamer. Orioli behauptet, daß ein solcher Apparat mit
                              									Doppelboden fast ein Drittel der Soda, ein Viertel des Brennstoffes und ein Fünftel
                              									der Zeit gegenüber dem Schlangenapparate erspare. Die Methode des Gebrauches dieses
                              									Apparates concentrirt sich auf drei Hauptpunkte:
                           1) die richtige Dosis der Soda,
                           2) die Zeit der Operation,
                           3) die geeignete Spannung des Dampfes.
                           Eine Vermehrung eines dieser drei Factoren gestattet die Verminderung der anderen.
                              									Vermehrt man die Quantität des Wassers, so ist man gezwungen, gleichmäßig den
                              									Sodazusatz, den Dampfdruck und die Zeit des Kochprocesses zu erhöhen, um ein gutes
                              									Resultat zu erhalten. Orioli kann hierfür allerdings
                              									keine Resultate und bestimmte Verhältnißzahlen wegen der variirenden Eigenschaften
                              									der zu behandelnden Stoffe angeben, allein die Praxis hat die Richtigkeit obiger
                              									Angabe evident erwiesen.
                           Wesentlich für das Gelingen des Kochprocesses ist ein allmähliches Steigen der
                              									Temperatur und ebenso ein allmähliches Abnehmen derselben. Orioli hat ferner für die Anwendung und Anwendbarkeit des Ammoniakwassers
                              									eingehende Versuche gemacht. Bekannt ist, daß das Ammoniakwasser das Gas schon bei
                              									niedriger Temperatur entweichen läßt, daß ferner das Ammoniak ein gutes
                              									Lösungsmittel für organische Farbstoffe ist, daß dieses Alkali die harzigen und
                              									fetten Bestandtheile verseift. Seine Einwirkung auf die incrustirenden Bestandtheile
                              									der Cellulose ist ähnlich der der Soda und Potasche; man muß jedoch, um Verluste zu
                              									vermeiden, diese Operation in verschlossenen Gefäßen vornehmen. Orioli's Versuche haben ergeben, daß
                              									das Ammoniak in einem geschlossenen Gefäß die vegetabilischen Fasern jeder Natur
                              									entfärbt und desaggregirt, wenn es in einer Quantität von 50 Procent angewendet
                              									wird. Er hat den Apparat zum Kochen mittelst Röhren mit einem Recipienten in
                              									Verbindung gesetzt, in welchen nach Beendigung des Processes das entbundene Gas
                              									entweichen kann. Auch den Theil des Ammoniaks welcher mit den Harzen und Fetten
                              									Seife gebildet hat, entbindet man durch Zufügung von Soda oder Potasche und fängt
                              									das Gas auf, um es bei Fortführung des Kochprocesses auf eine neue Quantität Pate
                              									wieder in das Kochgefäß einzuführen. Man könnte so ein Quantum Ammoniak wiederholt
                              									zum Kochen der Materialien benutzen. Einige Zufälligkeiten, welche Orioli's Versuche begleiteten und
                              									die Methode weniger günstig erscheinen ließen, werden sich beseitigen lassen.
                              									Jedenfalls ist die anerkannte Wirkung des Ammoniaks, welche auch andere Alkalien
                              									theilen, nämlich die Proteinstoffe aufzuquellen und zu lösen, constatirt, dazu tritt
                              									aber noch die dem Ammoniak eigene Kraft, die incrustirenden Farbstoffe zu entfärben,
                              									die auch für die Bleicherei der Farbstoffe von hoher Bedeutung ist. Auf die
                              									Zerfaserung, das Zerreiben, Zermahlen (trituration) der
                              									Patenten Faserstoffe legt Orioli sehr hohes Gewicht.
                           Jede schlecht zersetzte, d.h. schlecht behandelte Pate kann natürlich auch durch die
                              									Zerkleinerung kein homogenes Product für die Bleiche liefern. Es ist nicht genug
                              									Gewicht darauf zu legen, daß alle Operationen mit gleicher Sorgfalt vorgenommen
                              									werden sollen. Einer mangelhaften Säurebehandlung folgt ein ungleichartiges Kochen.
                              									Diesem folgt dann eine allerdings gleichmäßigere Zersetzung, aber dessen ungeachtet
                              									ungleichartige Bleichung. Ein schlechtes Kochen läßt Späne halb zersetzt. Dennoch
                              									können solche Späne durch das Zermahlen auf gleiche Dimension gebracht werden, aber
                              									der chemische Bestand ist dann immer ein anderer und keine noch so sorgfältige
                              									Bleichbehandlung kann dieß verbessern. Deßhalb sagt Orioli mit vollem Recht, man untersuche vor der Operation des Zerkleinerns
                              									genau die Pate und bringe keine unvollkommen zersetzte zur Verwendung. Eine
                              									Zermahloperation kann so wenig da verbessernd auftreten, als eine Operation des
                              									Bleichens. Es geht dann immer auf Verlust hinaus. Zur Erkennung dieses richtigen
                              									Zersetzungsstadiums gehört ein praktisch geübtes Äuge. Eine gut präparirte
                              									Pate ist elastisch, schwammig, schwer, gleichartig, sanft anzufühlen,
                              									wasserbegierig; eine schlecht zersetzte Pate dagegen roh, compact, bauschig, hart,
                              									trocken und brechend.
                           Hat man es mit guter Pate zu thun, so muß man auf die richtige Zerkleinerung sehr
                              									genau Obacht geben. Man hat bisher Apparate construirt und in Gebrauch genommen,
                              									welche durch Stoß, Reibung, Zerreißen und durch Zerreißen in Verbindung mit Reibung
                              									wirken.
                           Die Apparate der ersten Ordnung, die also durch Stoß wirken, sind ohne Zweifel sehr
                              									treffliche Instrumente; sie nehmen aber zu viel Raum weg und arbeiten zu langsam.
                              									Trotzdem ist die Anwendung der Hämmer das vortrefflichste Mittel um die Fasern zu
                              									zertheilen, sie zu öffnen und in ihre einfachsten Elemente zu zerlegen. Die
                              									Frictionsapparate, wie der verticale Mühlstein, welcher sich über dem horizontalen
                              									kreisförmig bewegt, können nicht so gut verwendet werden, weil sie meistens die
                              									Fasern nicht öffnen und zertheilen, sondern dieselben mehr oder weniger pulvern.
                              									Aehnlich wirken die Holzschleifmaschinen. Die Maschinen zum Zerreißen und
                              									Zerschneiden, welche für Lumpen so gute Resultate liefern, eignen sich zur
                              									Bearbeitung der vorgeschrittenen Producte sehr wenig. Es bleibt nun übrig der
                              									Apparat zum Zerreiben und Zerschneiden, die sogenannte Pulp-engine. Diese Maschine machte gleich bei ihrer
                              									Veröffentlichung (1357) bedeutendes Aufsehen. Jedoch ist nicht zu verschweigen, daß
                              									man die Erwartungen nicht ganz erfüllt fand. Trotzdem ist diese von Kingsland construirte, in England und Deutschland (Thode) schnell nachgebaute und eingeführte Maschine von
                              									großem Erfolg gewesen. Sie hilft vor Allem dem Uebelstand des Holländers ab, sowohl
                              									den feinen als den groben, den schwachen wie den starken Fasern einen gleichen Grad
                              									des Zermahlens zu ertheilen, wodurch die groben zu wenig, die feinen Fasern aber zu
                              									viel gemahlen werden. (Müller.) Die Güte des Papieres
                              									hängt aber von der Gleichartigkeit der Faser ab und deßhalb setzt man die Zermahlung
                              									des Stoffes gewöhnlich so lange fort, bis die gröbste Faser ebenfalls zerkleinert
                              									ist, wobei natürlich die feine Faser meistens schon zu Pulver geworden ist. Ferner
                              									ist die Umdrehungsgeschwindigkeit des Holländers eine beschränkte. Diesen Uebelständen des
                              									Holländers unterliegt die Centrifugal-Pulp-engine nicht. Orioli redet der Pulp-engine ebenfalls das Wort und betheuert, daß sie ihm in der
                              									Fabrik zu Pontcharra bedeutende Dienste geleistet habe. Er rühmt von der Maschine,
                              									daß sie die Fasern durch Friction gut trenne und durch Zerschneiden und Zerreißen
                              									verfeinere; doch sagt er, ein sehr gewichtiger Uebelstand sey der, daß die Pate nur
                              									einmal zwischen den mit Stahlrippen versehenen Scheiben durchpassire und wenn diese
                              									nicht ganz genau eingestellt wären, so gingen eine Menge unzertheilter Späne
                              									hindurch, die dann selbstredend beim Bleichproceß ungleich gebleicht würden. Orioli hat aus diesem Grunde darauf gesonnen, einen neuen
                              									Apparat zu construiren, welcher absolute Sicherheit der Operation bietet. Bei
                              									demselben hat er zunächst im Auge gehabt, das evident gute Resultat, welches die
                              									Kombination vom Zerschneiden und Zertheilen mit Frictionswirkung gibt,
                              									beizubehalten. Seine Absicht ging deßhalb darauf hin, die Pate, so oft als nöthig,
                              									zur Herstellung ihrer vollkommenen Gleichartigkeit mittelst der Rippenscheiben zu
                              									bearbeiten. Sobald dieß möglich ist, kann man die Stellung der Platten beliebig
                              									regeln, d.h. man kann allmählich die Platten einander näher rücken und braucht nicht
                              									gleich die größtmögliche Dichtstellung einzurücken. Ferner gibt Orioli eine sehr große Geschwindigkeit. Er benutzt die
                              									Centrifugalkraft, um zugleich die durchgegangene Pate in ein höher liegendes
                              									Reservoir zu drücken, von wo sie dann auf das Plattensystem wieder zurückfällt und
                              									so fort. Nun hat er durch einfache Construction ein Näherstellen der Platten in der
                              									Hand und bewirkt dasselbe, so oft die Pate durchgegangen und zurückgekehrt ist.
                           Die Schnelligkeit der Plattenwelle gestattet zugleich die Anwendung eines Siebes,
                              									durch welches die Pate beim Emporsteigen in das Reservoir hindurch gedrückt wird.
                              									Dieses Absieben erfolgt somit auch mehrere Male, nämlich so oft, als die Pate durch
                              									die Maschine geht. Die Pate fällt auch dabei nicht sofort in die Kufe zurück,
                              									sondern zunächst auf ein Drahttuch ohne Ende und wird hier ausgewaschen, so daß also
                              									damit auch eine sonst für sich gesondert vorzunehmende Operation mit besorgt ist.
                              									Endlich führt Orioli noch als wesentlich günstiges Moment
                              									für diese Maschine an, daß sie die fertige Pate in eine höher liegende Etage durch
                              									die Wirkung der Centrifugalkraft treibe.
                           Man muß gestehen, daß diese Construction Orioli's sehr viel Günstiges enthält und bietet. Bekanntlich gingen
                              									über den Centrifugal-Holländer die Meinungen sehr auseinander. Während die
                              									Einen ihn für die beste Maschine zu dem Zerkleinerungsproceß erklärten, haben Andere
                              									ihr viel Uebels nachgeredet und besonders die ursprünglich bei ihrem Erscheinen wohl ein wenig
                              									zu hoch gegriffene Kraftersparniß in Zweifel gezogen. (Man behauptete, daß ein
                              									gewöhnlicher guter Holländer für eine Lieferung von 100 Pfd. Ganzstoff in einer
                              									Stunde 32 Pferdestärken nothwendig mache, während die Pulp-engine nur etwa die halbe Kraft beanspruche.) Müller hält eine Anwendung dieses
                              									Centrifugal-Holländers nur für große Fabriken angebracht und räth, die
                              									Construction desselben erst auf kleinere Dimensionen zu reduciren, damit er auch für
                              									kleinere Fabriken anwendbar würde. Diese neue Construction des
                              									Centrifugal-Holländers ist dazu geeignet, dessen Anwendbarkeit zu
                              									vermehren.
                           Was den Bleichproceß anlangt, so verweisen wir auf die bereits angeführten
                              									Bemerkungen bezüglich der Gleichartigkeit und Gleichförmigkeit der Paten. Orioli bespricht einzeln die Bleichprocesse, welche in
                              									der Praxis angewendet werden. Er gibt den Methoden mit Hülfe des Chlorgases und der
                              									unterchlorig sauren Salze den Vorzug vor allen anderen. Er erinnert an seinen
                              									Vorschlag von 1846, durch Salzsäurewirkung auf Chlorkalk eine schnelle
                              									Gasentwickelung zu erzielen, hält aber die Bleiche mit Chlorgas für gefährlich,
                              									schwer zu regeln, gesundheitsnachtheilig und unbeständig. Er macht darauf
                              									aufmerksam, daß ohne Ueberschuß des Gases die Pate nicht genügend gebleicht werde,
                              									daß bei Ueberschuß die Masse wohl durchgebleicht werde, die oberen Schichten aber
                              									durch das Gas heftiger angegriffen, als Abfall zu betrachten seyen. Orioli gibt den unterchlorigsauren Verbindungen den
                              									Vorzug. Schon 1859 hat er auf den Gebrauch der unterchlorigsauren Thonerde
                              									hingewiesen, welche eine rasche Wirkung unter gänzlicher Abwesenheit und Fernhaltung
                              									saurer Reactionen bewirke, welche letztere sonst nur durch sorgfältige Waschungen zu
                              									vertreiben seyen. Jedoch ist dieß Salz für ausgedehnten Gebrauch zu theuer und seine
                              									Anwendung beschränkt sich daher auf die Fabrication feiner Sorten Papier, für welche
                              									die Dauerhaftigkeit eine unerläßliche Bedingung ist.
                           Die Bleicherei mit Chlorkalk ist daher am umfangreichsten eingeführt. Orioli hat, um so ökonomisch und regelmäßig als möglich
                              									den Gang dieser Bleichung zu gestalten, einen besonderen Apparat construirt, den Chlor-Extracteur. Derselbe, bereits in mehreren
                              									französischen Papierfabriken eingeführt, bietet den Vortheil, den Chlorkalk je nach
                              									dem Zweck mehr oder weniger zu zertheilen und Orioli versichert, daß derselbe eine
                              									Ersparniß von circa 15 Procent an Chlorkalk gewähre. Um
                              									die Bleicherei zu beschleunigen, haben einige Praktiker vorgeschlagen, die Lösung
                              									des Chlorkalkes zu erwärmen; Orioli hat aber gefunden,
                              									daß dieß aus zwei Gründen ganz unpraktisch sey. Einmal verwandelt die Wärme einen
                              									Theil des unterchlorigsauren Kalkes in chlorsauren Kalk und dann ist er für den
                              									Bleichproceß verloren; ferner ist constatirt, daß der Chlorkalk den Abgang vermehrt,
                              									wenn er erwärmt zur Anwendung kommt. Andere Fabriken haben den Gebrauch der
                              									Kohlensäure vorgeschlagen, um das Chlor wirksamer zu machen. Allein dieser Gebrauch
                              									wirkt zu wenig merklich für Erhöhung der Bleichkraft, als daß die höhere Ausgabe
                              									gerechtfertigt wäre, welche besonders durch Umänderung und Complication des
                              									Apparates vergrößert wird. Gründliche Studien haben Orioli gezeigt, daß eine Zugabe von Schwefelsäure zum Chlorkalkbade sehr
                              									gut und ökonomisch wirkt. Man darf dieselbe nur vorsichtig machen und nicht zu groß
                              									nehmen, weil im letzteren Falle die Pate vergraut. Auch muß auf das schwefelsaure
                              									Bleichbad eine energisch wirkende Waschung vorgenommen werden, worauf dann noch eine
                              									leichte Bleiche in einem Chlorbade mit 2 bis 3 Procent Chlorgehalt erfolgt. Man
                              									erhält mit Hülfe dieses Processes eine sehr schöne Pate, wenig Abfall und man spart
                              									Zeit, reservirt die Festigkeit der Faser, obwohl wir nicht glauben, daß die
                              									Festigkeit im höheren Grade erhalten bleibt. Wir bemerken, daß v. Kurrer bereits früher auf die gute Wirkung des mit
                              									Schwefelsäure versetzten Chlorkalkbades hingewiesen hat; sein Werk „die
                                 										Kunst, alle Stoffe zu bleichen“ ist leider ganz vergessen.
                           Orioli kommt nun auf die Besprechung der verschiedenen
                              									Pflanzen, welche für die Extraction der Cellulose am brauchbarsten sind.
                           Schon oben würde die Kategorie der Pflanzen welche die Cellulose in festerer
                              									Faserform enthalten als diejenige bezeichnet, welche für die Papierfabrication von
                              									Wichtigkeit ist. Zu den dadurch gleichsam als unbrauchbar hingestellten
                              									Pflanzenstoffen gehören die öfter mit einem geringen Erfolg in den Kreis wenigstens
                              									des Versuches hinein gezogenen Stoffe: Wurzeln der Luzerne, Blätter der Bäume,
                              									Cellulose des Varech, der Zuckerrübe, der Weinbeere, der Kohlsaat, der Kartoffeln,
                              									der Körner verschiedener Meerpflanzen etc. Man sieht, daß solche Stoffe zum Theil
                              									Abfallproducte anderer Fabricationszweige sind und als solche auf diese Weise
                              									Verwendung finden sollten. Dennoch ist dieß nicht in irgend umfassender Weise
                              									gelungen. Einige Erneuerer haben dann die Rinden der Bäume für passend erachtet, so Chevallier, Collier, Gerard, Small, Roques,
                                 										Lagrange-Boué u.a. Soweit die Bäume faserreiche Bastrinde
                              									haben, läßt man sich die Sache gefallen. Aber man ist zu Utopien der sonderbarsten
                              									Art gekommen, hat Cactusblätter vorgeschlagen und sogar frischen Spargel. In der
                              									Mitte des vorigen Jahrhunderts existirte eine besondere Neigung zur Untersuchung der
                              									für die Papierfabrication verwendbaren Stoffe. Der erste Untersucher der Art war
                              									1751 Guettard. Er ward jedoch weit übertroffen von J. C.
                              										
                              									Schäffer. Ihnen reihte sich Delisle an, dessen Versuche sehr ausgedehnt und weitgehend waren.
                           Das beste Werk aus jener Zeit ist jedoch das von Marquis de
                                 										Vilette (Oeuvres du Marquis de Vilette sur du papier
                                 										de Guimauve; les mêmes, imprimés sur du papier d'ecorce de
                                 										Tilleul), welches eine Sammlung von Papieren aus den verschiedensten
                              									Pflanzenstoffen angehängt enthält und zwar aus Nessel, Hopfen, Flechten, Rose,
                              									Conserven, Weiden-, Haselstrauch-, Pfaffenhütchen-,
                              									Eichen-, Pappel- und Rüsternrinde, aus Kletten, Disteln, Eibisch (Althaea) und Moos. Aus jenen Werken von Schäffer, de Vilette, Delisle etc. könnte man sehr viel
                              									lernen, nämlich vor Allem vermeiden, daß fort und fort dort bereits abgethane
                              									Versuche als Neuigkeiten wieder auftauchen und die Runde durch viele Journale
                              									machen.
                           Orioli macht aber noch auf eine andere Seite der Sache
                              									aufmerksam. Es darf nämlich das Rohmaterial nicht zu fern wachsen und gewonnen
                              									werden, weil sonst die Transportkosten die Möglichkeit einer vortheilhaften
                              									Verwendung in Frage stellen. Nur allein das Espartogras hat in England erfolgreiche
                              									Verwendung gefunden, obgleich es in Spanien wächst und gewonnen wird. Daß dieser
                              									Ausnahmefall existirt, liegt mit an dem für Kornbau weniger ergiebigen Boden des
                              									britanischen Reiches. Wo dieser gedeiht, liefert das Stroh eine vortreffliche Pate.
                              									Sobald aber die Transportkosten für ein von Außen herbeigeführtes Rohmaterial unter
                              									den Kosten der Rohmaterialbeschaffung durch inländische Producte bleiben, so ist die
                              									Importation desselben gewiß gerechtfertigt.
                           Orioli geht auf die Verwendung des Holzes zur Papierfabrication ein, beschreibt die Ausdehnung dieser
                              									Fabrication und die Momente der Verarbeitung nach Völter's System. Er berührt, daß die Neuerungen
                              									von Cauchard u.a., welche vorzüglich auf Kraftersparniß
                              									gerichtet waren, keinen Erfolg gehabt, trotzdem die Völter'sche Maschine sehr groß und kostbar ist. Sie ergibt aber sehr
                              									treffliche Resultate. Orioli charakterisirt sehr richtig die Bedeutung der
                              									Fabrication der Holzpate, welche zunächst nur ein Surrogat seyn soll und die Hadern
                              									nicht ganz entbehren will.
                           In Belgien hat man mit dem Stroh des Kornes große Resultate erzielt. Die Fasern des
                              									Strohes sind fein und wenig incrustirt. Die Strohpate ist, gut bearbeitet, sehr
                              									weiß; sie ist sehr fett, durchscheinend und unbenetzbar. Orioli schneidet für die Fabrication der Strohpate das Stroh sehr kurz.
                              									Dadurch faßt die Maschine davon mehr, ohne daß das alkalische Bad verstärkt werden
                              									müßte.
                           
                           Auf gleicher Stufe mit der Benutzung des gewöhnlichen Kornstrohes steht die Anwendung
                              									des Maisstrohes. Dieselbe ist fortlaufend seit einem
                              									Jahrhundert durch Reeves, Cobbet, Baroggi, Sprague, Evort, Shaw, Bouchel, Gontier u.a. und in neuester Zeit
                              									durch Hrn. v. Auer
                              									vorgeschlagen worden. Die Qualität des Maispapieres ist vorzüglich; aber der Preis
                              									dieses Rohstoffes ist zu hoch, hauptsächlich durch den enormen Abfall, welcher mit
                              									seinem Gebrauch veranlaßt wird. Man ist daher wieder davon zurückgetreten. Man muß
                              									dabei allerdings auf österreichische Landzustände Rücksicht nehmen. In Ungarn ist
                              									das Maisstroh im Ueberflusse fast umsonst zu haben. Ungarn producirt jährlich allein
                              									23 Millionen Centner Maisstroh. Aber in Oesterreich bleibt man zu häufig auf halbem
                              									Wege stehen und so werden denn auch die vorzüglichen Versuche des Hrn. Diamant von keiner Folge werden, es
                              									sey denn, die Maisstroh-Papierfabrication würde einer Privatunternehmung
                              									anheim fallen.
                           Nicht besseres Glück hatten die Vorschläge zur Verwendung der Zuckerrohr- und
                              									Sorghumfasern oder des Rohres. In China und Japan freilich spielt der Reishalm eine hervorragende Rolle in der
                              									Papierfabrication und gibt den chinesischen und japanesischen Papieren jene
                              									Leichtigkeit und Eigenartigkeit.
                           In England hat das Spartgras (Esparto) als Rohmaterial für
                              									die Papierfabrication die Oberhand gewonnen. Interessant sind die Importlisten für
                              									die Rohmaterialien in England:
                           
                              
                                 
                                 Lumpen
                                 Esparto
                                 
                              
                                 1866
                                 24000 Tonnen
                                 69000
                                 
                              
                                 1867
                                 18000     „
                                 54000
                                 
                              
                                 1868
                                 17000     „
                                 95000
                                 
                              
                           Die Espartopate wird sehr weiß und schön, und ist nicht durchscheinend. Sie kann
                              									selbst, was bei dem Stroh nicht der Fall ist, zu feinem weißen Papier Verwendung
                              									finden. Nur an einer Inconvenienz leidet die Spartgras-Papierfabrication. Die
                              									Pate bildet leicht Knoten. Jedoch ist dem bereits durch eine kleine Maschine
                              									entgegengewirkt. – Nicht zu unterschätzen sind die Versuche, welche man mit
                              									den Abfällen von Flachs und Hanf seit längerer Zeit angestellt hat. Die Versuche von la Garde, Meyer, Laforest, Friese, Boucet, Schmidt u.a. haben hinreichend bewiesen, wie die leider vielfach
                              									unbenutzt gelassenen Schäben und Abfälle beim Brechen, Hecheln und Schwingen zu sehr
                              									haltbarem Papier sehr gut zu verwenden sind, zumal der Röstproceß vorgängig bereits
                              									die Pectinkörper entfernt hat. Auch Orioli scheint diese
                              									Fabrication zu unterschätzen. Aus den Scirpusarten und Cyperaceen sind nicht minder
                              									gute Paten zu gewinnen als aus anderen Gramineen, welche sich der Halmform nähern.
                              									Wir machen dazu besonders aufmerksam auf die Verwendung der Pflanzen Papyrus hyriaca oder nilotica und Cyperus papyrus. Es ist der
                              									Gebrauch dieser Pflanzen zu Papier der allerälteste. Aus Papyrus stellte man in
                              									alten griechischen und römischen Zeiten die Schriftrollen her und Plinius und Cassiodorus melden
                              									uns ausführlich über dieses eigenthümliche Papier, von welchem der letztere sagt, es
                              									sey weiß wie Schnee und aus kleinen Stückchen zusammengesetzt, deren Zusammenfügung
                              									man aber nicht mehr bemerken könne.
                           Unter allen diesen Stoffen hat Orioli in Pontcharra die
                              									Pate von Stroh für die für Frankreich am besten passende erkannt. Er selbst
                              									fabricirt unter Anwendung oben angeführter Verbesserungen der Methoden und Apparate
                              									Strohpate zum Preise von 66 Frcs. per 100 Kilogrm., also
                              									viel billiger als die entsprechende Menge Hadernpate. Frankreich kann jährlich 3
                              									Millionen Kilogramme Stroh an die französischen Papierfabriken ganz gut liefern. Orioli empfiehlt daher diese Fabrication und schon wird
                              									dieselbe vielfach eingeführt. Eugen Breton und Comp. zu Thar bei Granville (Manche) haben daneben einen
                              									Versuch gemacht, Papierpate aus den Varechpflanzen herzustellen. Diese Pflanzen
                              									ergeben höchstens 2 1/2 Procent und sind nicht im Ueberfluß vorhanden. Deßhalb haben
                              									auch sie sich dem Stroh und Esparto zugewendet und fabriciren auf dieser Basis
                              									ausgezeichnetes Papier. In den Vogesen beginnt eine Fabrik ebenfalls auf Grundlage
                              									der Strohpate zu arbeiten. Dagegen suchen Bachet und Machard ihr Product in einer Holzpatefabrik ebenfalls in
                              									den Vogesen zu verwerthen, während auch das Völter'sche
                              									Verfahren dort angewendet werden wird. Der Import von Holzpate aus Deutschland nach
                              									Frankreich ist ziemlich bedeutend.