Titel: | Theorie der Dampfmaschinen mit hoher Kolbengeschwindigkeit, nach J. Fr. Radinger. |
Fundstelle: | Band 197, Jahrgang 1870, Nr. CXV., S. 465 |
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CXV.
Theorie der Dampfmaschinen mit hoher
Kolbengeschwindigkeit, nach J. Fr. Radinger.
Mit Abbildungen auf Tab.
IX.
Radinger's Theorie der Dampfmaschinen mit hoher
Kolbengeschwindigkeit.
Herr J. Fr. Radinger, Adjunct für Maschinenbau am k. k.
polytechnischen Institute in Wien, behandelt in der „Zeitschrift des
österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereines, Jahrg. 1869,
Heft 8, 9, 10 und 11“ das Thema: „Dampfmaschinen mit hoher
Kolbengeschwindigkeit“ und führt dabei Factoren in's Feld der
Untersuchung, die bisher mehr oder weniger unberücksichtigt blieben. Demzufolge
gelangt er zu Resultaten, welche theilweise ganz neu sind.
Radinger erkennt in der Vergrößerung der Kolbengeschwindigkeit das Mittel, die
Anlage- und Betriebskosten der Dampfmaschinen zu verringern; denn dadurch
wird es möglich, den Maschinen die kleinsten Dimensionen zu geben und bei hoher
Expansion und bedeutender Spannung den Dampf am besten auszunutzen. Er nennt
Maschinen mit hoher Kolbengeschwindigkeit Maschinen der „zukünftigen
Anordnung.“
In dem Abschnitte: „Gesetz der Massendrücke“ findet die bekannte
Thatsache Erwähnung, daß durch den Einfluß der hin- und hergehenden Massen
der Maschine ganz andere Kräfte auf den Kurbelzapfen einwirken, als die
Dampfspannung mit Vernachlässigung des Massengewichtes bedingt. Denn vom todten
Punkte der Kurbel bis zur mittleren Stellung des Kolbens werden die hin- und
hergehenden Massen auf Kosten des Dampfdruckes beschleunigt; dagegen wird während
der Verzögerung in der zweiten Hubhälfte nebst dem Dampfdrucke auch der früher zur
Beschleunigung der Massen aufgewandte Druck auf den Kurbelzapfen geworfen. Dadurch
bedingt sich eine Differenz zwischen der vom Dampfe geleisteten und der wirklich auf
den Kurbelzapfen übertragenen Arbeit in den beiden Hubhälften des Kolbens, ohne die
Gesammtarbeit des Dampfes während eines Hubes zu beeinflussen.
Mit Vernachlässigung des durch die endliche Länge der Schubstange bedingten
Einflusses bringt die Fliehkraft einer im Kurbelkreise angebrachten rotirenden Masse, von gleichem
Gewichte mit dem der hin- und hergehenden Theile der Maschine, auf den
Kurbelzapfen dieselben Horizontalkräfte hervor, welche zur Bewegung der hin-
und hergehenden Massen erfordert werden. Ist F die Größe
jener Fliehkraft, dann ist für einen beliebigen Kurbelwinkel ω (Fig. 1) F cos ω die
Horizontalcomponente, welche der Maaßstab des „Massendruckes“
ist, der die Wirkung des Dampfes auf die Kolbenfläche f
beeinflußt. F/f cos ω
ist somit der Ausdruck für den „Massendruck“
pro Flächeneinheit des Kolbens.
Mit Berücksichtigung der endlichen Länge der Schubstange wird der Massendruck durch
das Verhältniß r/L der Kurbel zur Schubstangenlänge
modificirt und durch den Ausdruck dargestellt:
q = F/f (cos ω ± r/L
cos 2ω);
das obere Zeichen gilt für den Hingang, das untere für den
Rückgang.Hier scheint die Frage am Platze zu seyn: warum fanden die auf- und
abwärts gehenden Massen stehender Maschinen, sowie die Balanciers mit
drehender Bewegung keine Berücksichtigung? Haben die
„Zukunftsdampfmotoren“ bloß in liegenden Maschinen
zu bestehen, so sollte das hervorgehoben seyn.
Die Werthe für die Massendrücke können graphisch ersichtlich gemacht werden, wenn man
sie den senkrechten Ordinaten in den jeweiligen Kolbenstellungen auf einer den
ganzen Kolbenweg repräsentirenden Abscissenlinie proportional macht. Die Endpunkte
dieser Ordinaten bestimmen in ihrer Aufeinanderfolge die „Linie der
Massendrücke.“ So ist in Fig. 2
aob die Linie der Massendrücke, mn ist dem Massendrucke für die Kolbenstellung m nach zurückgelegtem Kolbenwege s proportional.
Die Curve aob gibt in Verbindung mit dem
Dampfdiagramme ABCDE der Fig. 3 das abgeänderte
Diagramm ABcde, woraus die jeweilig auf den
Kurbelzapfen gelangenden Horizontaldrücke entnommen werden können.
Für den Fall daß die Schubstange unendlich lang gedacht wird, geht die
Massendruckcurve in eine „gerade“ Linie über (Fig. 4), deren Gleichung
ist:
q = F/f cos ω = F/f (1 – 2s/1).
In diesem Ausdrucke bedeutet s den Kolbenweg und 1 den
Kolbenhub.
In Verbindung mit dem Dampfdiagramme entsteht wieder ein modificirtes Diagramm, nach
welchem die Dampfspannung variiren müßte, Wenn bei gewichtlos gedachten Massen dieselben
Horizontaldrücke auf die Kurbel gelangen sollten (Fig. 5).
Radinger knüpft an den Verlauf der Linie des
Massendruckes die wichtige Folgerung, daß das Diagramm einer rasch gehenden
Volldruckmaschine immer bedeutende Druckschwankungen enthalten, und auf einen weit
über den einfachen Dampfdruck beanspruchten Kurbelzapfen hinweisen müsse. Daher
erklärt sich das Abbrechen des Kurbelzapfens bei
„durchgehenden“ Maschinen.
Dagegen gleichen sich bei Expansionsmaschinen die Horizontaldrücke auf die Kurbel
theilweise aus, so daß die großen Differenzen, welche ohne Einfluß der Massen
vorhanden wären, verschwinden.
Radinger bespricht nun die „Grenzen der Geschwindigkeit.“
Eine Geschwindigkeit, welche nicht die volle Dampfspannung zur anfänglichen
Massenbewegung braucht, ist im Allgemeinen zulässig. Reicht aber der Dampfdruck
nicht mehr aus, um das Gestänge zu „treiben,“ so muß es vom
Schwungrade „gezogen“ werden, bis wieder der Dampfdruck den
Massendruck überholt und „stoßend“ auf das Gestänge wirkt.
Dieser Uebergang von Zug auf Stoß macht sich in den Schubstangenköpfen, die immer
etwas Spiel haben, durch Schläge bemerkbar. Die Bewegung wird aber noch
„richtig eingeleitet“ seyn, wenn der im todten Punkte zur
Beschleunigung der Massen aufzubietende Druck dem freien Ueberdrucke des Dampfes
gleichkommt, d.h. wenn
q₁ = p₁ – p₂ = F/f (1 + r/L)
worin p₁ die Anfangsspannung und p₂ der
Gegendruck ist. Diesen Fall veranschaulicht Fig. 6. Für r/L = ∞, d.h. für den ideellen Fall daß die
Schubstange unendlich lang gedacht wird,
ist: p₁ – p₂ = F/f.
Radinger behandelt stets beide Fälle gesondert,
was aber bloß vom theoretischen Standpunkte gerechtfertigt erscheint.
Aus dem Angeführten ist klar, daß bekannte Werthe der Anfangsspannung und des
Gegendruckes, bei angenommenem Verhältnisse r/L, einen
ganz bestimmten Werth der von der Umdrehungszahl der Maschine abhängigen Fliehkraft
F bedingen, so daß Radinger in der Lage ist, die Maximalwerthe für die
Kolbengeschwindigkeiten und Umdrehungszahlen zu berechnen und tabellarisch zu
verzeichnen.
Eine weitere interessante Frage, welche Radinger
behandelt, betrifft das Minimum der Füllung.
Soll selbst bei richtig eingeleiteter Bewegung der freie Ueberdruck durch den
Beschleunigungsdruck nicht nachträglich aufgezehrt werden, so muß ein gewisses
Minimum der Füllung vorhanden seyn (Fig. 7).
Radinger findet für den Grad der Füllung den
Ausdruck:
Textabbildung Bd. 197, S. 468
Hierbei wurde in dem Ausdrucke für den Kolbenweg s = r[1 – cos ω
– 1/2 r/L sin²ω] (Rückgang) das 3. Glied in der Klammer
vernachlässigt und die Annahme gemacht, daß für den Kurbelwinkel ω = 60° der Massendruck dem freien
Ueberdrucke auf den Kolben gleichkommt, oder mit anderen Worten, daß das Minimum der
Horizontaldrücke auf den Kurbelzapfen einem Kurbelwinkel ω = 60° entspricht.Mit dieser Annahme kann man sich ganz gut einverstanden erklären, denn sie
vereinfacht die Rechnung bedeutend, ohne das Resultat wesentlich zu stören.
Für den Gebrauch des Füllungsminimums müssen bei Nichtcondensationsmaschinen
Dampfspannungen unter 8 Atmosphären über das Vacuum ausgeschieden werden,
weil man die Expansion nur so weit treiben darf, bis der Enddruck des
Dampfes dem Gegendrucke gleichkommt.
Wird die Bewegung so eingeleitet, daß für den todten Punkt der freie Ueberdruck
gleich dem Beschleunigung drucke ist, dann stellt
l¹/l =
p₁/8(p₁ – p₂)
das Minimum des Füllungsgrades für das Maximum der
Geschwindigkeit dar.
Für die zulässige Grenze der Expansion, l¹/l = p₂/p₁
(Fig. 8)
verlangt das Minimum des Füllungsgrades von 0,15 eine Anfangsspannung p₁, welche
das 6,8fache vom Gegendrucke ist, mithin circa 8
Atmosphären für Hochdruck- und circa 1,4
Atmosphären für Condensationsmaschinen beträgt. Diese Spannungen nennt Radinger die „vortheilhaftesten“
Dampfspannungen.
Das Resultat für Condensationsmaschinen veranlaßt ihn auf die Watt'sche Niederdruckmaschine hinzuweisen, er sagt: „die Watt'sche Maschine ist, obwohl man sie nicht mehr
baut, heute noch das Bild einer vollkommenen Maschine, welche ihre
Geschwindigkeit mit der Dampfspannung im vollen Einklange hatte, und alle
Vortheile, nur der Condensation angepaßt, an sich trug.“
Radinger kommt nun auf die
Geschwindigkeit des „ruhigsten Ganges“
zu sprechen.
Der ruhigste Gang tritt dann auf, wenn die Schwankungen zwischen den
Tangentialdrücken auf die Kurbel und dem im Kurbelkreise auftretenden mittleren
Widerstande am kleinsten werden.
Er zeigt, auf welche Weise das Diagramm der Tangentialdrücke aus jenem der
Horizontaldrücke abgeleitet werden kann. Dasselbe gibt in Verbindung mit dem des
herrschenden Widerstandes eine klare Darstellung der vom Schwungrade zu
bewerkstelligenden Ausgleichsarbeit. Denn da die Tangentialdrücke von Null ansteigen
und allmählich ihren Maximalwerth erreichen, der Widerstand aber constant gedacht
wird, so müssen fortwährend Druckschwankungen zwischen beiden vorkommen, deren
Verlauf während eines Hubes am besten durch graphische Darstellung ersichtlich
gemacht werden kann (Fig. 9 und 10).
Je bedeutender an irgend einer Stelle der Unterschied zwischen Tangential- und
Widerstandsdruck, desto größer ist die Ursache der Beschleunigung, entgegengesetzten
Falles der Verzögerung der Bewegung, desto ungleichförmiger und unruhiger der Gang.
Graphisch wird sich nun leicht diejenige Curve der Tangentialdrücke ausfindig machen
lassen, welche die Schwankungen mit der Widerstandslinie auf ein Minimum
herabdrückt. Die Geschwindigkeit, für welche dieß der Fall ist, heißt mit Recht:
„Geschwindigkeit des ruhigsten Ganges.“
Radinger gelangt zu einer durch Rechnung zu bestimmenden
Größe der Geschwindigkeit des „ruhigsten“ Ganges durch die
Annahme, daß die Tangente an die Tangentialdruckcurve in der mittleren Stellung der
Kurbel „horizontal“ seyn soll.Der Einfluß der Schubstangenlänge wurde vernachlässigt. Durch diese Annahme ist eine gleichmäßigere Vertheilung der Tangentialdrücke
bedingt, welche für Füllungsgrade unter 1/2 die Ursache des
„ruhigsten“ Ganges wird.
Die Abhängigkeit zwischen Geschwindigkeit, Anfangsspannung und Füllungsverhältniß
stellt er in der Formel dar: F/f = 2 p₁ (l₁/l).
Hieraus folgt, daß für Füllungsverhältnisse über 1/2 kein
„ruhigster“ Gang stattfinden kann.
Da das Product aus der Anfangsspannung mit dem Füllungsgrade den Enddruck gibt, so
spricht Radinger den durch obige Formel veranschaulichten
Satz folgendermaßen aus: „die Maschine gibt bei jener Geschwindigkeit den
ruhigsten Gang, bei welcher zu Beginn jedes Hubes ein Druck gleich dem
doppelten Enddrucke auf den Kolben zur Beschleunigung der Massen verwendet
wird.“
Die Abhängigkeit der Fliehkraft F von der Umdrehungszahl
und Umfangsgeschwindigkeit setzt ihn in die Lage, einen Ausdruck für die Berechnung
der Umdrehungszahlen in der Minute aufzustellen, und denselben zu Tabellenwerthen,
in ähnlicher Weise wie bei den Maximalkolbengeschwindigkeiten, für Hochdruck-
und Condensationsmaschinen anzuwenden.
Die Geschwindigkeit des ruhigsten Ganges beim „höchsten
Wirkungsgrade“ erfordert das Herabsinken des Enddruckes bis auf den
Gegendruck, oder den kleinsten Füllungsgrad.
Weiter folgert Radinger, daß jene Dampfspannung die
niedrigste seyn wird, welche eben noch ausreicht, um die Geschwindigkeit des
„ruhigsten“ Ganges einzuleiten. Offenbar ein vollkommen
richtiger Satz.
Er stellt nun eine Betrachtung über die Abhängigkeit der Ruhe des Ganges von der
Füllung an, welche eigentlich überflüssig gewesen wäre, wenn die frühere
Entwickelung über die Ruhe des Ganges auf allgemeiner Basis beruhte. Es zeigt sich
jetzt, daß für Maschinen mit größeren Füllungsgraden als 0,4 bis 0,5 keine
Geschwindigkeit des „ruhigsten“ Ganges existiren kann. Soll
eine Volldruckmaschine ruhig gehen, so muß sie wenig Umdrehungen machen. Radinger weist auf die Vorgänge in der Praxis hin, wo man
ungerechtfertigter Weise die geringe Umdrehungszahl der Volldruckmaschine auf alle
Expansionsgrade ausdehnt.
Er bespricht dann die gekuppelte Maschine mit um 90° versetzten Kurbeln und
constatirt die einleuchtende Thatsache, daß die Unterschiede aus der Summe der
Tangentialdrücke in den zusammengehörigen Punkten der beiden Kurbelkreise und dem
daselbst auftretenden Widerstande geringer sind, als bei der gleichstarken
Eincylindermaschine. Es ist daher bei der gekuppelten Maschine stets ein größerer
Gleichförmigkeitsgrad zu erwarten.
Hingegen verwirft er das System der Woolf'schen Maschinen
mit nebeneinander liegenden Cylindern.
Von besonderem Interesse ist die Schwungradsberechnung aus dem
Diagramme der Tangentialdrücke.
Radinger setzt die Summe der Flächenstücke, welche die
Widerstandslinie überragen, gleich der vom Schwungrade pro Flächeneinheit des Kolbens zu verrichtenden Ausgleichsarbeit in jenen
Theilen der Bewegung, wo die Tangentialdrücke unter der Widerstandslinie liegen. Das Gewicht des
Schwungrades ist daher stets von der Größe der die Widerstandslinie überragenden
Fläche des Tangentialdruckdiagrammes abhängig und wird durch den Ausdruck gegeben:
G = i . (g.f.a.)/(V²)
worin
G Gewicht des Schwungringes in Kilogrammen,
i der Ungleichförmigkeitscoefficient,
a die Größe der genannten Fläche als
Kilogramm-Meter genommen,
f die Größe der Kolbenfläche in Quadratcentimetern,
g = 9,81 Meter, die Acceleration der Schwere,
V die mittlere Geschwindigkeit in Metern.
Er kommt consequenter Weise zu einem höchst richtigen und einleuchtenden Schlusse. Da
die Anfangsspannung die Kolbengeschwindigkeit bedingt, so soll ein Wechsel der
Arbeitsleistung nicht durch eine Aenderung der Dampfspannung, sondern nur durch
einen modificirten Expansionsgrad erzielt werden. „Eine Maschine mit hoher
Kolbengeschwindigkeit verträgt keine, oder doch nur geringe Drosselung des
Dampfes durch das Einströmventil, kein Sinken der Spannung im
Kessel.“
Daher sollte der Regulator immer in die Steuerung
eingreifen.
Durch eine Reihe angestellter Versuche findet Radinger
seine Theorie über den Einfluß der Massen auf die Geschwindigkeit des Ganges der
Maschinen bestätigt.
Seine Untersuchungen verdienen um so mehr Anerkennung, als alle Theile des
Indicator-Diagrammes in innige Wechselwirkung mit den Massendrücken gebracht
werden können.
Er bespricht in klarer und eingehender Weise den Einfluß der Dampfvertheilung auf den
Gang der Maschine und nimmt wiederholt Veranlassung die Massendrücke in das gehörige
Licht zu stellen.
a) Die Anfangsspannung des
Dampfes muß schon beim Beginne des Hubes so groß seyn, um dem Gestänge die
richtige Geschwindigkeit zu geben. Daher muß im todten Punkte genügende
Dampfeinströmung erfolgen.
b) Die Spannung während der
Füllung darf nicht sinken. Dieses Sinken der Spannung ist dann sehr
schädlich, wenn durch die Verzögerung des Kolbenlaufes in der zweiten Hubhälfte die
Spannung neuerdings steigt; denn dann fällt die verrichtete Arbeit beträchtlich,
während das verbrauchte Dampfquantum dasselbe ist wie bei tadelloser Einströmung.
Daher sollen die Dampfcanäle die hinreichende Größe haben, und es muß dafür Sorge
getragen werden, daß der Abschluß des Dampfes so rasch als möglich erfolgt. Die Anwendung großer
Excenter ist somit zu empfehlen.Hier wäre zu bemerken, daß das Sinken der Spannung während der Füllung nur
bei Volldruckmaschinen jene nachtheiligen Consequenzen mit sich bringen
kann.
c) Die Expansionscurve erhebt
sich in vielen Fällen etwas über die Mariotte'sche Linie
durch den Einfluß der schädlichen Räume und durch das mechanisch mitgerissene, dann
aber in Dampf sich auflösende Wasser. Doch gibt es andere Umstände, wie Abkühlung
durch die Cylinderwände, Undichtheiten u.s.w., welche die Dampfspannung
herabdrücken, so daß es Fälle geben kann, welche ein vollständiges Zusammenfallen
der beiden Curven zeigen.
Die „schädlichen“ Räume erweisen sich um so weniger nachtheilig,
je höher die Expansion ist,
d) Die Dampfausströmung.
Gleich am Ende des Kolbenhubes soll der Vorderdruck durch genügende Eröffnung des
Ausströmcanales auf ein Minimum gebracht seyn, damit für den Beginn des Rückganges
die zur Massenbeschleunigung erforderliche Anfangsspannung durch den großen
Gegendruck nicht beeinträchtigt wird.
e) Die Compression hat die
wichtige Aufgabe, den bewegten Massen schnell gehender Maschinen ihre
Geschwindigkeit am Ende des Kolbenhubes zu nehmen, so daß das Gestänge mehr oder
weniger entlastet im todten Punkte anlangt. Soll es vollkommen entlastet ankommen,
so muß der Compressionsdruck gleich dem Enddrucke des Dampfes vermehrt um den
Massendruck seyn.
Andererseits bietet die Compression das beste Mittel, die hohe Anfangsspannung für
den Beginn des Kolbenhubes zu erzeugen.
f) Die Dampfwege sollen mit
Rücksicht auf die Geschwindigkeit ermittelt werden. Radinger setzt den Quotienten aus der Fläche des Dampfcanales durch den
Querschnitt des Cylinders gleich 1/3tel der mittleren Kolbengeschwindigkeit pro Secunde ausgedrückt in Metern. Der Querschnitt des
Dampfableitungsrohres wird um 1/3tel vergrößert.
g) Die Steuerung. Hier faßt
Radinger das in den früheren Punkten Gesagte
zusammen. Die Dampfabsperrung darf nicht schleichend, sondern muß so rasch als
möglich erfolgen (große Excenter, Anwendung von Spaltschiebern). – Die
Dampfspannung im todten Punkte muß dem Beschleunigungsdrucke gewachsen seyn, was
durch Voreröffnung des Ausströmcanales, Compression und genügende Eröffnung des
Einströmcanales ermöglicht wird. Für sehr rasch gehende Maschinen empfehlen sich besondere
Ausströmschieber – freilich auf Kosten der Einfachheit des Baues.
Bezüglich des Gestänges bemerkt er, daß schnell gehende Maschinen mit hoher Expansion
ein schweres Gestänge fordern, um während des ganzen Hubes die Drücke auf die Kurbel
auszugleichen. So ist bei der Allen-Maschine der
Luftpumpenkolben an die Kolbenstange des Dampfcylinders gehängt, um die Masse der
hin- und hergehenden Theile zu vergrößern.
Radinger findet in der großen zu bewegenden Masse der
Balanciermaschinen die Erklärung für ihren ruhigeren Gang, als ihn liegende
Maschinen aufweisen sollen.Hier muß wieder bemerkt werden, daß zur Beurtheilung von Balanciermaschinen
eine gesonderte Untersuchung angezeigt wäre.
Das Gegengewicht.
Die ungleichen Horizontaldrücke auf den Kurbelzapfen gegenüber dem constanten
Dampfdrucke auf den Cylinderdeckel bedingen die Anordnung eines Gegengewichtes.
Bringt man in dem, dem Kurbelzapfen gegenüber liegenden Punkte des Kurbelkreises ein
Gewicht an, so wird durch die Horizontalcomponente der Fliehkraft der Druck auf den
Kurbelzapfen abwechselnd vergrößert und verkleinert, so daß die durch den
Massendruck bedingten Druckdifferenzen ganz oder theilweise ausgeglichen werden. Es
genügt, dieses Gewicht 0,5 bis 0,8mal so schwer zu machen als die Masse der
hin- und hergehenden Theile der Maschine.
Stehende Maschinen dürfen kein Gegengewicht bekommen, da die auftretenden
Horizontalkräfte schädlicher auftreten würden, als die Ungleichförmigkeit des Ganges
nicht balancirter Maschinen.
Radinger macht noch einige Bemerkungen über den
Auflagedruck und über die Zapfen. Daraus ist die Angabe zu notiren, daß der
Flächendruck pro Quadratzoll Lagerschale 64 bis 76
Wiener Pfund nicht übersteigen soll.
Die Resultate seiner interessanten und sorgfältig
durchgeführten Untersuchung stellt Radinger am Schlusse
übersichtlich zusammen; sie lauten:
1) bei den heutigen Dampfspannungen kann man höhere Kolbengeschwindigkeiten
zulassen;
2) der Gang schnell laufender Maschinen ist nicht mit dem Einströmventile,
sondern durch die verstellbare Expansion zu regeln;
3) die Dampfwege müssen um so weiter werden, je schneller die Maschine geht;
4) die richtige Dampfvertheilung soll stets mit dem Indicator controllirt
werden;
5) das Balancirgewicht sichert die ruhige Auflage der Maschine auf ihrem
Fundamente;
6) die steigende Geschwindigkeit muß stets von steigender Sorge in Entwurf und
Ausführung begleitet seyn;
7) mit der steigenden Geschwindigkeit und Expansion sinken die Anlage- und
Betriebskosten der Dampfmotoren.“
Die zwei letzten Punkte stehen einander sehr schroff gegenüber, denn sie
widersprechen sich wenigstens theilweise, da sie beide auf thatsächlichen
Grundlagen beruhen. Es ist wahr, daß man durch große Kolbengeschwindigkeit
die kleinsten Maschinen erhalten, und durch eine weit getriebene Expansion
die möglichste Ausnutzung des Dampfes erzielen kann. Aber es ist auch wahr,
daß bei übrigens ganz gleichen Verhältnissen die Maschine mit höherer
Expansion voluminöser und daher kostspieliger wird als eine
Volldruckmaschine oder eine Maschine mit geringer Expansion. Und es ist
ferner wahr, daß die höheren Dampfspannungen die Kesselanlage vertheuern,
und daß schnell gehende Maschinen viel solider gebaut werden müssen.
Wie sorgfältig müssen bei letzteren Maschinen die Führungen und Gleitstücke
hergestellt werden! Kurbel- und Kreuzkopfzapfen, Kolben und
Kolbenstange müssen aus vorzüglichem Material, die Verbindung zwischen
Kolben und Kolbenstange, zwischen Kurbel und Kreuzkopf mit der Bleuelstange
äußerst sorgfältig hergestellt werden. Die Stopfbüchsen erfordern breitere
Dichtungsringe, die Lager größere Dimensionen.
Es wäre erst das Verhältniß zwischen den durch die große
Kolbengeschwindigkeit bedingten Vortheilen gegenüber den Mehrkosten einer
solideren Construction festzustellen, um ein endgültiges Resultat zu
gewinnen. Radinger weist auf die Locomotiven hin,
welche trotz hoher Kolbengeschwindigkeit ganz gut arbeiten; aber Jeder weiß,
welche Sorgfalt man auf den Bau der Locomotiven im Allgemeinen und auf die
Ausführung sämmtlicher einzelner Theile verwendet, und daß die
Anschaffungskosten mit denen einer gewöhnlichen Dampfmaschine in keine
Parallele gestellt werden können.
Ein Umstand welcher geeignet ist die Billigkeit des Betriebes einer schnell
gehenden Maschine etwas zu alteriren, ist daß dieselbe eine viel
umsichtigere Bedienung voraussetzt. Eine Maschine mit hoher
Kolbengeschwindigkeit wird mich nicht beunruhigen, wenn ich weiß, daß sie
einem umsichtigen, intelligenten und gewissenhaften Maschinisten anvertraut
ist. Aber was werden in dieser Beziehung von den Besitzern der
Dampfmaschinen und den Fabrikanten für Erfahrungen gemacht! Eine in gutem
Zustande gelieferte Maschine ist oft nach kurzer Zeit durch nachlässige
Bedienung reparaturbedürftig. Wie würde diese Maschine aussehen, wenn sie
mit der anderthalbfachen oder doppelten Umdrehungszahl liefe?
Meines Erachtens sind die angeführten Umstände sehr wichtig; ja diese Momente
sind es, weßwegen man nicht schon früher schnell laufende Maschinen
allgemein baute. Denn geschieht dieß ausnahmsweise bei Walzwerksmaschinen,
so ist man bestrebt vorzüglicheres Material zu verwenden, und wählt der
Vorsicht halber stärkere Dimensionen; dadurch wird aber der Kostenpreis
hinaufgeschraubt, so daß ein höherer Kaufpreis hervortritt. Würden wir schon
gegenwärtig in der Lage seyn, mit dem Minimum der Mehrkosten die höchste
Solidität der Ausführung zu erreichen, dann wären wahrlich Maschinen mit
hoher Kolbengeschwindigkeit nicht mehr mit Radinger als die „zukünftige Anordnung“ zu
betrachten.
W. L.
W. L.