Titel: | Der Fosberry-Mitrailleur und die mit demselben zu Shoeburyneß angestellten Schießversuche. |
Fundstelle: | Band 198, Jahrgang 1870, Nr. LXX., S. 289 |
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LXX.
Der Fosberry-Mitrailleur und die mit demselben zu Shoeburyneß angestellten
Schießversuche.
Nach Engineering, August 1870, S.
140.
Ueber Fosberry's Mitrailleur.
Nachdem der Verfasser des Artikels in unserer Quelle darauf hingewiesen hat, wie die
französische Campagne in Italien das gezogene Geschütz, der amerikanische Krieg
Panzerungen, Monitors, Torpedos und Repetirgewehre, der
preußisch-österreichische Krieg den Werth der Hinterladungsgewehre und
endlich der Kampf zwischen Deutschland und Frankreich die Fähigkeiten des
Mitrailleur zur Geltung gebracht haben, wendet sich derselbe, mit einem Rückblick
auf das bereits früher in diesem Journal beschriebene Gatling-Geschütz, dem kurz nach diesem letzteren aufgetretenen
belgischen Mitrailleur, der Erfindung Montigny's zu, über
welche er bemerkt daß dieselbe trotz der ähnlich construirten französischen Waffe
von Manceaux's Erfindung im gegenwärtigen Kriege, mit
geringen Aenderungen im Rohrzuge und in der Munition, zur Anwendung gebracht worden
zu seyn scheine und daß Proben dieser Waffe auch von Preußen und Oesterreich bereits
zum Gegenstand commissarischer Verhandlungen gemacht worden seyen, während von
Seiten Englands in diese Frage erst auf Anregung des Majors Fosberry eingetreten
worden fey. Letzterer, welcher zum Studium der in Rede stehenden Waffe nach Belgien
ging, fand dieselbe, eine geeignete Construction vorausgesetzt, sehr leistungsfähig,
in der damaligen Ausführung aber nicht genügend ausgebildet, namentlich den Rohrzug
schlecht und die Munition mangelhaft, und schritt dann mit Bewilligung der Regierung
zur Construction eines Mitrailleur, dessen Eigenthümlichkeiten und vorläufige
Prüfung zu Shoeburyneß, in unserer Quelle in folgender Weise besprochen werden:
„Eine genaue Beschreibung ist weder möglich, noch dienlich, weil besagter
Mitrailleur bei unserem Besuche zu Shoeburyneß gerade behufs verschiedener
Abänderungen, die sich erforderlich gezeigt hatten, auseinander genommen worden
war und möglicherweise auch noch weitere Verbesserungen desselben nothwendig
werden dürften. – Der Fosberry-Mitrailleur besteht aus einem Complex von siebenunddreißig
gezogenen Rohren von ungefähr dem Kaliber des Enfield-Gewehres, welche,
äußerlich sechseckig aneinandergefügt, in eine cylindrische Eisenhülle
eingeschlossen sind und so eine einzige Waffe bilden. – Diese hinten
offenen Rohre werden durch ein Verschlußstück geschlossen, welches, zum Laden
zurückgezogen, eine siebenunddreißig (mit Centralzündung eingerichtete) Patronen
enthaltende Metallplatte vertical einsetzen läßt. – Der
Entzündungs-Apparat liegt im Verschlußstück und besteht aus
siebenunddreißig Pistons oder Schlägern, deren jeder durch eine Spiralfeder in
Thätigkeit gesetzt wird. – Nachdem die mit Patronen versehene Platte
eingesetzt ist, wird das Verschlußstück durch einen Hebel nach vorn gepreßt,
wodurch die Patronen in die Rohr Ladungskammern eintreten und die Federn der
Pistons oder Schläger des Entzündungs- oder Schloß-Apparates in
Spannung treten, von welcher letzteren sie hiernach durch das Niederdrücken
einer gezahnten Platte befreit werden, die durch einen Abzugshebel regiert wird,
dessen raschere oder langsamere Handhabung das Feuer entweder salvenartig oder
als Rottenfeuer oder auch in einzelnen Schüssen abgeben läßt. Der Mitrailleur
kann dabei zugleich in der Weise horizontal bewegt werden, daß sich beim Feuern
die ganze Front einer als Ziel dienenden Colonne bestreichen läßt. – Als
Schießgerüst dient dem Mitrailleur eine, Festigkeit verbürgende und durch ihre
Schwere den Rücklauf absorbirende Blocklaffette, welche jedoch in der Folge wohl
durch eine etwas leichtere Laffette ersetzt werden dürfte. – Die beim
Mitrailleur zur Anwendung kommenden Patronen haben mit Papier überzogene
Metallhülsen, sind mit Centralzündung eingerichtet und überhaupt den Boxer-Patronen des Snider-Gewehres ähnlich.“
„Den Prüfungsversuchen, welche am 11. August d. J. begonnen und den
folgenden Tag fortgesetzt wurden, schlossen sich vergleichsweise auch
Schießversuche mit dem gezogenen Hinterladungs-Feld-Zwölfpfünder
und dem indischen (Maxwell) Bronze-Neunpfünder
an, was die relative Wirkung dieser Geschütze bezüglich derjenigen des
Mitrailleur gegen in Linie oder Colonne anrückende Infanterie oder Cavallerie
zur Anschauung bringen sollte. – Auf den zu diesem Zweck dienenden
Holzscheiben waren 150 Infanteristen in Front von 90 Kavalleristen dargestellt.
– Die Zielentfernungen betrugen respective 300, 400, 600 und 800 Yards
und anfänglich wurde innerhalb bestimmter Zeitdauer auf bekannte Entfernungen
geschossen, wobei ohne Rücksicht auf etwa in der Geschützbedienung eintretende
Hindernisse jedesmal nur zwei Minuten Zeit gegeben waren. – Die
nachfolgende Tabelle enthält die Resultate beider Versuchstage; jedem Tage
fielen zwölf Schuß-Serien zu.
Versuche am ersten Tage. –
Serie 1 bis 12.
Textabbildung Bd. 198, S. 291
Nr. der Serie; Bezeichnung der
Waffe; Schußweite in Yards; Art des Feuers; Anzahl der Schüsse; Zeit in Minuten;
Gesammtzahl der Treffer; Anzahl der außer Gefecht gesetzten Leute; Infanterie;
Cavalerie; Bemerkungen; Mitrailleur; Salve; Acht Patronen versagten; Rasches
Rottenfeuer; Drei Patronen versagten; Vorderladungs-Feld-12
Pfünder; Shrapnels mit hölzernen Zeitzündern. Ein Geschoß crepirte zu früh,
eines zu spät, eines im Durchgehen durch die Scheibe; Hinterladungs-Feld
12Pfünder; Segment-Granaten und C Percussions-Zünder. Zwei
Granaten crepirten hinter der Scheibe; Shrapnels und Zeitzünder. Zwei Schüsse
200 Yards zu kurz. Alle hoch in der Luft berstend; Rottenfeuer mit horizontaler
Bewegung; Sechzehn Patronen versagten; Pfünder; Shrapnels und
hölzerne Zeitzünder; Büchsenkartätschen à 120 Kugeln;
Büchsenkartätschen
Versuche am ersten Tage. –
Serie 13 bis 24.
Textabbildung Bd. 198, S. 292
Nr. der Serie; Bezeichnung der
Waffe, Schußweite in Yards, Art des Feuers; Anzahl der Schüsse; Zeit in Minuten;
Gesammtzahl der Treffer; Anzahl der außer Gefecht gesetzten Leute; Infanterie;
Cavalerie; Bemerkungen; Mitrailleur; Scharfes Rottenfeuer mit
Horizontalbewegung; Pfünder; Büchsenkartätschen. Zwölfmal Versagen der
Frictionsröhre; Büchsenkartätschen; Shrapnels mit
Fünf-Secunden-Zünder auf 1 1/2 Secunden abgeschnitten zur
Vergleichung mit dem Kartätschfeuer; Einzelne Schüsse; M. G.;
Bedachtsames Feuer. – Horizontale Schwänzung; 185 Kugeln durchgeschlagen;
Kugeln durchgeschlagen; Büchsenkartätschen; neun nicht genommen; zwei Büchsen
gingen nicht auf; 690 Kugeln durchgeschlagen; Horizontale Schwänzung; 185 Kugeln
durchgeschlagen; Einzelne Schüsse und eine Salve; Kugeln durchgeschlagen;
Büchsenkartätschen. Ein Schuß ging nicht auseinander; Büchsenkartätschen. 550
Kugeln durchgeschlagen.
„Bemerkt muß hierbei werden, daß dieses die erste Gelegenheit war, wobei
Shrapnels auf kurze Zielentfernungen abgefeuert wurden. – Im Anfang der
Serie 16 blieben alle Scheibenfiguren bis auf eine, welche an der Wange
gestreift war, unberührt. – Der auf Schußgeschwindigkeit bezügliche
Versuch gehört den Serien 1 bis 16 an, wornach dann mehr dahin gestrebt wurde,
Mängel der Zünder und der Mitrailleur-Munition zu beseitigen. Die
Resultate des Mitrailleur blieben hinter den erwarteten insofern zurück, als er
nur dreimal per Minute abgefeuert werden konnte,
während man sagte, daß dieses zehnmal möglich sey. Der
Vorderladungs-Feld-12Pfünder ergab 11 Schüsse in zwei Minuten,
während deren der Mitrailleur nur 6 Abfeuerungen gestattete, wobei aber
allerdings bemerkt werden muß, daß letztere Waffe noch nicht zum Maximum ihres
Effectes zu bringen war, weil ihren Patronen noch Mängel anhafteten, welche das
Laden und das Entfernen der Hülsen erschwerten. Zuweilen blieben Patronen in der
Kammer stecken, bei anderen ballte sich die um das Geschoß herumliegende
Metallfolie zusammen und hinderte so das Eintreten des Verschlußstückes. Eine
Metallhülse ohne Papier- oder sonstige Umhüllung würde diese Hindernisse
wohl besser vermeiden lassen.“
„Ebenso ist auch die Anzahl der vom Mitrailleur abgegebenen Kugeln
keineswegs so überwiegend, als man erwartet hatte. Sechs, in zwei Minuten
vollführte Entladungen lieferten 222 Kugeln, während die indische Kanone bei
jedem Kartätschschuß 110 Kugeln abgab und in zwei Minuten zehn solcher Schüsse
also 1100 Kugeln lieferte, was etwa dem Fünffachen der
Mitrailleur-Geschosse entspricht. Letztere Waffe ergab dagegen trotz
aller durch ungeeignete Patronen herbeigeführten Hindernisse mehr
Treffer-Procente; Thatsache ist ferner, daß der Mitrailleur sich bis
jetzt noch im Versuchsstadium befindet, und nach Abhülfe von unbedeutenden
Mängeln der Construction und der Patrone immer bessere Resultate erwarten läßt,
so daß er bei geeigneter Entwickelung eine der mächtigsten und nützlichsten
Waffen der Neuzeit zu werden verspricht.“