Titel: Ueber Bereitungs- und Verwendungsweise des Chlorsilbercollodiumpapieres; von Prof. Krippendorf in Aarau.
Fundstelle: Band 198, Jahrgang 1870, Nr. CXXIV., S. 523
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CXXIV. Ueber Bereitungs- und Verwendungsweise des Chlorsilbercollodiumpapieres; von Prof. Krippendorf in Aarau. Aus dem photographischen Archiv, 1870 S. 94. Krippendorf, über Bereitung u. Verwendung des Chlorsilbercollodiumpapieres. Das Chlorsilbercollodiumpapier, dessen oberste Collodiumschicht nach der Belichtung unter einem Negativ abgezogen und auf andere Gegenstände übertragen werden kann, gewinnt immer mehr an Bedeutung seitdem dieses Papier in den Handel gekommen ist und die Bilder sich mit einer kaum glaublichen Sicherheit abheben und weiter behandeln lassen. Ich habe daher versucht, solches Papier im Kleinen herzustellen und bin nach einigen hundert Versuchen dahin gelangt, ein sicheres Verfahren zur Bereitung desselben zu finden, ein Verfahren welches ich um deßwillen der Oeffentlichkeit übergebe, weil einmal die bisherige Darstellungsweise noch wenig bekannt, ein anderes Mal, weil durch meine Methode das Papier auch in kleineren Quantitäten leicht herstellbar ist. Den Ausgangspunkt der Versuche bildeten die Mittheilungen des Hrn. Kleffel, nach welchen das Silbernitrat dem Collodium durch Einreiben zugeführt werden soll. Das so gewonnene Chlorsilbercollodium gibt allerdings einen schönen Ton, ein kräftiges Bild, allein es ist auch nicht zu vergessen, daß diese Arbeit Zeit und Mühe kostet und bei Darstellung von größeren Mengen Collodium so viel Aether verdampft, daß damit ein neuer Zusatz erforderlich wird, wodurch dann wieder die ursprünglichen Mischungsverhältnisse alterirt werden. So ging ich also zu seinen früheren Mittheilungen über diesen Gegenstand zurück und baute hiernach meine jetzige Methode auf. Gewöhnliches, gutes Schreibpapier wird zunächst gelatinirt. Man spannt zu diesem Behufe einen oder mehrere Bogen mit Hülfe von Copirzwecken, auch Stecknadeln, auf ein großes, abgehobeltes, reines Bret auf und überpinselt das Papier auf der einen Seite mit Gelatinelösung. Eine Lösung von 1 Grm. Gelatine in 100 Grm. Wasser hat sich am besten bewährt. Die Gelatine läßt man zunächst im kalten Wasser aufquellen, und zwar in einem Kochgefäße, und setzt selbiges schließlich über eine Spiritusflamme, wo dann die Gelatine sich sehr rasch auflöst. Der Pinsel muß möglichst weichhaarig seyn; ein gebrauchter breiter Abstaubpinsel ist gleichfalls anwendbar, er wird nach jedesmaligem Gebrauche in heißem Wasser gereinigt. Das Ueberstreichen geschieht zuerst von oben nach unten, dann von links nach rechts und werden damit alle Linien und Streifen vermieden. Beim Trocknen muß die ganze Schicht glänzend und schleierfrei erscheinen. Da solches Papier durchaus haltbar, so kann man beliebige Quantitäten im Vorrath halten. Man kann auch, statt zu überstreichen, das Papier auf die in eine Schale, Cüvette, gebrachte Gelatinelösung auflegen; allein dieses Verfahren ist zeitraubend und ist auch sonst nicht zu empfehlen. Wir bereiten uns jetzt folgende drei Lösungen, nämlich: 1) 2 Grm. Silbernitrat in 2 Grm. Wasser; 2) 1/2 Grm. Chlorcalcium in 10 Kubikcentimeter (= 8 Grm.) Alkohol; 3) 1/2 Grm. Citronensäure in 10 Kubikcentimeter Alkohol. Es kommt nämlich nun vor Allem darauf an, ein gutes Chlorsilbercollodium zu bereiten, womit die Gelatineschicht des Papieres überzogen werden muß. Die Imprägnirung des gewöhnlichen Rohcollodiums mit Chlorsilber aber hat einige Schwierigkeiten, da das Silbernitrat im Rohcollodium, selbst im fein vertheilten Zustand, sich schwer löst und zu Boden sinkt. Gleichwohl muß aber dem Rohcollodium eine gewisse Menge Nitrat zugeführt werden, wenn sich später unter Zuziehung der Lösung 2) Chlorsilber bilden soll. Versetzt man andererseits ein taugliches Rohcollodium mit Tropfen aus 1), so findet der gleiche Uebelstand statt. Das Silbersalz fällt allmählich zu Boden und das Collodium enthält darum nicht mehr diejenige Silbermenge aufgelöst, die zur gehörigen Bildung von Chlorsilber erforderlich ist. Im Aether allein ist das Silbernitrat so gut wie unlöslich, im Alkohol schwer löslich, sofern er kalt ist, dagegen leicht löslich im kochend heißen Zustande. Mit dem Erkalten des Alkohols scheidet sich freilich das Silbernitrat aus demselben wieder aus und darum bleibt kein anderer Ausgang, wenigstens vor der Hand, als der, das Chlorsilbercollodium in heißem Zustande zu bereiten, so daß alles Silbernitrat rechtzeitig in Chlorsilber übergegangen ist, ehe sich ersteres ausscheiden kann. Man bringe zu dem Ende 36 Tropfen aus Flasche 1) in 42 Kubikcentimeter (34 Grm.) heißen Alkohol und führe 2 Grm. Collodiumwolle ein. Nach mehrmaligem Umschütteln werden 36 Kubikcentimeter Heißer Aether zugesetzt, wieder geschüttelt, bis daß die Auflösung der Wolle zu „Silbernitratcollodium“ eine vollständige geworden ist. Nach wenigen Minuten, also noch vor Abkühlung des neuen Collodiums, werden unter fortwährendem Schütteln und nun unter Absperrung des Lichtes noch 4 1/2 Kubikcentimeter aus Flasche 2) und schließlich noch die gleiche Menge aus Flasche 3) hinzugesetzt. Hierauf wird eine Viertelstunde geschüttelt und dann das Collodium im Dunkelzimmer, vor Licht geschützt, sich selbst überlassen. Das Chlorsilbercollodium hat eine weißliche opalisirende Farbe, ähnlich der Jodsilberschicht im negativen Silberbade. Es ist nicht entfernt so empfindlich wie Jodsilber, nimmt aber auch wie dieses im Lichte eine schwarze Farbe an. Dickes Rohcollodium (1 Grm. Wolle auf 50 Kubikcentimeter Aether-Alkohol) färbt sich ganz dunkel, wenn es nur mit wenig Tropfen Chlorsilbercollodium versetzt wird, und Collodiumluftballons, welche mit solchem Collodium angefertigt werden, zeichnen sich durch ihre dunkle, brillante Färbung aus. Auch die elektrische Natur des Chlorsilbercollodiums steht nicht hinter der des Rohcollodiums zurück, ja scheint selbiges noch zu übertreffen und lohnt es sich jedenfalls der Mühe, diese Eigenschaften noch näher zu untersuchen. Das Chlorsilber ist im Collodium nur als mechanisches Gemenge, nicht aber als chemisch aufgelöst zu betrachten und muß sich bei seinem hohen specifischen Gewichte nothwendig zu Boden setzen und damit das Collodium seiner Kraft berauben. Dem entgegen wirkt der dickflüssige Zustand des Collodiums, so daß das Chlorsilbercollodium sich wochenlang tauglich erhält oder durch starkes Schütteln event. wieder brauchbar gemacht werden kann. Die nächste Operation ist nun die des Collodionirens. Man spannt einen der gelatinirten Bogen auf ein leichtes, großes Cigarrenbretchen mit Hülfe von 2 oder 3 Nadeln dergestalt auf, daß die eine unterste Ecke etwas über das Bretchen herausragt. Damit ferner das aufgegossene Collodium nicht über die vier Kanten hinauslaufe, werden selbige etwas aufwärts gebogen. Nun wird bei abgesperrtem Tageslichte das Collodium aus geringer Hohe auf die Gelatineschicht gegossen, und zwar ziemlich reichlich, damit sich das Papier rasch überziehen und nicht zu viel Aether verdampfen könne. Genau wie bei der Negativplatte wird das Bret nach der einen und anderen Seite bewegt, um die bekannten störenden Linien im Collodium zu vermeiden. Zugleich hält man die unterste Ecke über die wieder abgesetzte Flasche und fängt so das überflüssige Collodium auf. Es ist nicht räthlich, auch den letzten Tropfen auffangen zu wollen, vielmehr schließt man rechtzeitig die Flasche und sammelt die letzten Tropfen in einem besonderen Gläschen, wo die eingetrocknete Collodiumhaut zu anderen Zwecken aufbewahrt wird. Das getrocknete collodionirte Papier wird in den Räucherkasten gebracht und etwa eine Viertelstunde den Dämpfen von kohlensaurem Ammoniak ausgesetzt. Der Unterschied zwischen geräuchertem und ungeräuchertem Collodiumpapier ist gerade so eminent wie bei den Albuminbildern, Schlechtes, mir mißlungenes Chlorsilbercollodium gab noch leidliche, manchmal sogar recht brauchbare Bilder, wenn ich das Papier räucherte, während es im ungeräucherten Zustande ein Bild ohne Kraft und Saft lieferte. Das Papier hat die unangenehme Eigenschaft, sich ziemlich stark zusammenzurollen.Zusatz von Glycerin zum Collodium hebt diesen Fehler. Liesegang. Es wird daher nöthig, dasselbe und zwar in vollständig trockenem Zustande nach der Räucherung entweder in die Presse, event. in ein großes, schweres Buch zu legen. Selbstverständlich müssen die beim Collodioniren aufgestülpten Ränder vorher abgeschnitten seyn. Für die Chemiker in der Photographie dürfte im Vorbeigehen die Frage aufzuwerfen seyn, ob es nicht möglich seyn sollte, dem Chlorsilbercollodium einen Stoff beizugesellen, der die Wirkung der Ammoniakdämpfe ersetzen könnte. Wir schreiten zur folgenden Operation, der Belichtung. Das immer glatt erhaltene Papier kommt zunächst in den Copirrahmen und wird wie gewöhnlich exponirt. Man behauptet, es sey das Chlorsilbercollodiumpapier lichtempfindlicher als das Chlorsilber der Albuminschicht. Einen wesentlichen Unterschied habe ich wenigstens bei dem eben beschriebenen Collodium nicht bemerken können, doch steht so viel fest, daß die Räucherung die Empfindlichkeit bedeutend steigert. Die Färbung, welche die geräucherte Copie annimmt, zeichnet sich durch einen brillanten, tiefblauen, höchst lebhaften Ton aus und zwar so schön, wie man ihn bei der Albuminschicht nur selten erreicht. Dagegen zeigen die nicht geräucherten Papiere zwar eine gleiche Brillanz, allein der Ton ist höchstens violett oder bei geringerer Exposition braun, und widersteht auch den nachfolgenden Bädern weniger gut als der tief blaue Ton. In allen Fällen ist es gut, die Copien sich möglichst kräftig entwickeln zu lassen und sie dann in eine Presse oder sonst in ein dickes Buch zu bringen. Beim Auswässern tritt der Uebelstand des Aufrollens noch mehr hervor; man begegnet dem am besten, indem man Copie auf Copie, mit der Bildseite nach unten, einbringt und dann einen Glasfuß aufsetzt. Auch kann man in Ermangelung von Glasbeschwerern je zwei Bilder mit ihrer Collodiumseite an einander legen, und da sich jedes im entgegengesetzten Sinne aufrollen will, so bleiben die Papiere eben. Nur muß man begreiflicher Weise sie seitweise wieder von einander bringen, um neues Wasser zuzulassen. Bleibt das frisch hinzugebrachte Wasser klar, so ist die Auswässerung beendet und sollten die Copien nun in das Goldbad gebracht werden. Tadellose Negative liefern indessen nach der oben angedeuteten Weise so vortreffliche Töne, daß eine Tonung ganz überflüssig wird. Die verschiedenen Goldbäder, die ich versuchte, waren selten so intensiv, um einen tief schwarzen Ton zu erzeugen, und andererseits doch wieder intensiv genug, um das Bild bedeutend abzuschwächen. In diese schlimme Kategorie gehören in erster Linie die Chlorkalkbäder und möchte ich sie auch nicht im verdünnten Zustande empfehlen. Besser sind die mit kohlensaurem oder essigsaurem Natron neutralisirten Bäder, besonders wenn man viermal so viel Wasser als gewöhnlich zuführt. Es ist darum ein nicht geringer Vortheil der Räucherung, daß damit an und für sich ein tiefblauer, fast in das Schwarze übergehender Ton erzeugt wird, der auch nachher, im Natronbade, nicht wesentlich alterirt wird. Nur muß, wie erwähnt, das Negativ tadellos und das Papier nicht zu alt seyn. Werden die exponirten Bilder nicht am gleichen Tage gewaschen und fixirt, so wird im Natronbade der Ton nur rothbraun oder verliert sich gar in ein häßliches Gelb. Das Natronbad wird in der Stärke von 1 Grm. unterschwefligsaurem Natron auf 10 Grm. destillirtes Wasser angewendet. Die Bilder sind nach etwa 2 Minuten fertig fixirt. Ueber die Dauer des Auswaschens liegen mir noch keine genügenden Beobachtungen vor. Alles aber scheint darauf hinzuweisen, daß statt vierstündigen Waschens die kurze Zeit von einer halben Stunde ausreichend ist. Bilder, die ich vor vier Wochen gefertigt und wobei ich mich statt der Waschmaschine nur einer Schale mit Wasser bedient habe, sind als Transparentbilder im sonnigen Fenster heute noch ganz unverändert, obwohl sie nur drei Mal frisches Wasser erhielten. Bei nur einigermaßen genügender Auswässerung versprechen diese Bilder um deßwillen lange Haltbarkeit, weil das dichte Collodiumhäutchen der Einwirkung des unterschwefligsauren Natrons besser als das poröse Papier widersteht, welches, wenn auch noch so gut gewaschen, doch immer eine gewisse Quantität dieses Salzes in sich aufnimmt. Der letzte und interessanteste Theil der Arbeit ist das Abheben des bisher ganz unbeweglich gebliebenen Collodiumbildhäutchens. Man legt zunächst nur ein Bild, mit der Bildseite nach oben, in eine Gutta-percha-Schale und füllt sie mit heißem Wasser an. Die im kalten Wasser unlösliche Gelatine, welche zwischen Papier und Bildhäutchen als Klebmittel liegt, löst sich im heißen Wasser fast augenblicklich auf und das Häutchen schält sich von selbst ab. Man wartet indessen eine solche vollständige Trennung gar nicht ab. Sobald sich das Häutchen nur an den Ecken zu lösen beginnt, nimmt man es mit seiner papiernen Unterlage aus dem Bade, mit Hülfe einer Pincette, heraus und legt es mit der Bildseite nach unten, also die Papierseite nach oben, auf eine gut geputzte Glastafel. Hält man die Glastafel ganz oder theilweise wieder in das Wasser, so wird es ein Leichtes seyn, mit dem Daumen das Bild so zu verschieben, daß es symmetrisch auf dem Glase sitzt. Hebt man nun, etwa mit Hülfe einer Stecknadel, die eine Papierecke sorgfältig vom Glase empor, so bleibt auf dem letzteren die Collodiumhaut hängen und durch weiteres Aufheben und Abziehen des Papieres bleibt das ganze Häutchen auf dem Glase als Transparentbild zurück. Man glaube nur nicht, daß dieser Proceß irgend welche Schwierigkeiten bietet – gleich das erste Bild muß gelingen und von einem Zerreißen kann deßwegen kaum die Rede seyn, weil die Collodiumhaut sehr zähe ist und man ziemlich stark ziehen muß, wenn man absichtlich ein Zerreißen bewirken will. Das Häutchen auf dem Glase wird mit einem in heißes Wasser getauchten, feinen Pinsel geglättet und zugleich von der etwa noch anhängenden, klebrigen Gelatinemasse gereinigt. Will man das Bild für sich allein aufbewahren, so hält man die Glastafel wieder in das warme Wasser, hebt das Häutchen mit Hülfe von zwei Pincetten ab und legt es in ein Buch mit ungeleimtem Papier, woselbst es getrocknet und dann weiter verwendet werden kann. Selbstverständlich kann man das Papier mit dem Häutchen trocknen und pressen, und letzteres zu jeder späteren Zeit abheben oder sonst wie verwenden. Es ist nicht rathsam, das Bild auf der unpräparirten geputzten Glastafel trocknen zu lassen. Mit dem Trockenwerden, wobei zurückgebliebene Falten sich glätten, zieht sich das Collodiumhäutchen zusammen und reißt nach allen Richtungen hin auseinander. Um dieß zu vermeiden, ist das Glas vorher mit einer Gelatinelösung (1 Grm. Gelatine auf 50 Grm. destillirten Wassers) zu überziehen, und hat das Trocknen langsam, in einem kühlen Raume, zu folgen. Was die Zukunft dieses neueren Zweiges der Photographie anlangt, so darf selbiger keineswegs unterschätzt werden. Bestätigen sich die auch anderwärts schon ausgesprochenen Vermuthungen über die Haltbarkeit dieser Bilder, so ist dieser Umstand allein hinreichend, sie in den Kreis des großen Publicums mehr und mehr einzubürgern. Keine Albuminschicht vermag den Glanz und die Schönheit des Collodiumbildes zu ersetzen und wer sich erst die Mühe genommen, derartige Copien zu präpariren, wird mit einer gewissen Vorliebe an ihnen hängen bleiben, zumal die darauf verwendete Zeit nicht lange unbelohnt bleiben wird. Zu der Brillanz gesellt sich aber auch noch die merkwürdige Schärfe, die es ermöglicht, von einem Transparent beliebig viele Negativs anzufertigen. Photographen von Fach, welche von einer berühmten Persönlichkeit vielleicht nur ein Negativ besitzen, werden sicher diese hier so leicht gegebene Vervielfältigung desselben willkommen heißen. Die Herstellung eines guten Bildes ist allerdings schwieriger und kostspieliger, allein die Processe selbst sind kürzer und einfacher, und im Grunde entscheidet nicht sowohl das Mehr oder Minder in Mühe oder Preis, sondern vielmehr das bessere, haltbarere Product.