Titel: Das Copiren von Zeichnungen auf photographischem Wege; von Ingenieur G. Meißner.
Autor: G. Meißner
Fundstelle: Band 200, Jahrgang 1871, Nr. CXXXVIII., S. 489
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CXXXVIII. Das Copiren von Zeichnungen auf photographischem Wege; von Ingenieur G. Meißner. Meißner, über Copiren von Zeichnungen auf photographischem Wege. In den verschiedenen Zeitschriften ist bereits eine große Anzahl von Verfahren beschrieben worden, um Zeichnungen, Holzschnitte, Lithographien u. dergl. auf photographischem Wege zu copiren, und doch haben alle diese als vorzüglich gepriesenen Copir-Methoden keine allgemeinere Anwendung und überhaupt gar keinen Eingang bei den Technikern und in den Maschinenfabriken gefunden, und zwar mit Recht. Ich habe diese verschiedenen Methoden geprüft und gefunden, daß die meisten derselben zwar ganz ordentliche Resultate ergeben, wenn man sich die dazu erforderliche Einrichtung verschafft und nach vielen mißlungenen Bildern, nach großen Auslagen für nutzlos verschwendetes Material, die erforderliche Uebung in der Sache erlangt hat. Allein damit ist dem Techniker wenig geholfen. Es hat nicht Jeder Lust, Geduld und die Mittel, sich in ein solches Verfahren einzuüben und man unterläßt die Sache lieber ganz. Eine Methode, welche Anspruch auf weitere Verbreitung machen will, muß die Herstellung einer schönen Copie auf durchaus verläßliche Weise und in kürzester Zeit gestatten, muß ferner solche Stoffe benutzen, deren Behandlung eine einfache ist und welche dem Verderben nicht unterworfen sind. Es muß keine Uebung dazu erforderlich seyn und es soll jeder Copirende gleich von Anfang an nur brauchbare Copien erhalten können. Eine solche Methode ist die folgende, bei welcher zwar keine neuen, oder wenig bekannten Stoffe benutzt werden, die also nicht ihrer Neuheit wegen interessant ist, wohl aber den Vortheil bietet, den obigen Bedingungen zu entsprechen und die Originale der Copien ganz unbeschädigt zu lassen. Diese Methode ist viel einfacher, als sie sich durch Worte geben läßt, und man darf sich daher durch eine ausführliche Beschreibung derselben nicht von ihr als eine complicirte abschrecken lassen. Ich sehe hier voraus, daß der Leser mit den photographischen Stoffen und Manipulationen nicht bekannt sey, damit Jedermann nach der Beschreibung arbeiten kann. Will man copiren, so verfährt man in folgender Weise: 1) Man läßt gewöhnliches Eiweißpapier (Albuminpapier) von der Größe des zu copirenden Bildes etwa 1 1/2 bis 2 Minuten auf einer Lösung von 2 Unzen salpetersaurem Silberoxyd mit der präparirten Seite schwimmen, nimmt es sachte heraus und legt es zum Trocknen in einen dunklen Raum, z.B. eine gewöhnliche Tischschublade oder einen Kasten. 2) Nach dem Trocknen legt man das Papier mit der präparirten Fläche, welche nun am Tageslichte schwarz werden würde, also lichtempfindlich ist, auf die Bildfläche des zu copirenden Originals, legt auf die Rückseite einige Bogen Fließpapier, auf diese ein glatt gehobeltes Bretchen und kehrt dann das Ganze um, und setzt es an's Tageslicht oder am besten an die Sonne. Damit nun das zu oberst befindliche Original genau auf dem präparirten Papiere aufliegt, legt man eine Glasplatte darauf, welche dasselbe niederdrückt. Nachdem die Belichtung einige Zeit angedauert hat, wird die nun fertige Copie herausgenommen und einige Minuten in eine Lösung von 8 Unzen unterschwefligsaurem Natron in 4 bis 6 Pfd. Wasser (64 bis 96 Unzen) gelegt, herausgenommen, mit Wasser gut abgespült, und die Copie ist fertig. Dieß ist der kurze Gang des Verfahrens, und ich will nun jeden der einzelnen Processe für verschiedene Verhältnisse näher beschreiben. Das zum Copiren zu verwendende Papier ist das bei jedem Photographen käufliche Eiweißpapier, welches man in verschiedenen Qualitäten bekommen kann. Für kleinere feine Zeichnungen nimmt man vom feineren, für größere Zeichnungen von der geringeren Sorte. Die Bogen sind 40 bis 45 Centimeter breit und 55 bis 60 Centimeter lang. 24 Bogen feinstes Eiweißpapier kosten 1 Thlr. 25 Sgr. Braucht man solches in größerer Menge, so bezieht man dasselbe passender aus der Fabrik, z.B. von Klessel in Berlin, oder voll Ulbricht und Kaders (Kreuzstraße 9) in Dresden. Das Eiweißpapier ist auf einer Seite mit einer gesalzenen Eiweißschicht überzogen, welche ihm einerseits eine glatte Oberfläche ertheilt und andererseits dasselbe zu der folgenden Arbeit geeignet macht. Das im Eiweiß enthaltene Kochsalz bildet nämlich, sowie man das Papier auf die Lösung von salpetersaurem Silberoxyd (kurz Silberlösung genannt) legt, mit letzterem Chlorsilber, welches unter Einwirkung des Lichtes schwarz wird. Das Präpariren des Papieres darf am hellen Tageslicht geschehen, aber dasselbe muß im Dunkeln getrocknet werden. Das Einlegen zum Copiren (unter das Glas) darf am Tageslichte geschehen und schadet die kurze Einwirkung der gewöhnlichen Zimmerhelle während dem Einlegen durchaus nichts, wenn es etwas rasch geschieht. Das Herausnehmen der Copie und das Einlegen in das Natronbad darf ebenfalls am hellen Tageslichte geschehen, ohne daß die Schönheit des Bildes eine Beeinträchtigung erleidet. Diese Behandlung am gewöhnlichen Tageslichte ist ein großer Vortheil dieser Methode gegenüber anderen, welche allen Abschluß des Lichtes erfordern. Bis zum Gebrauche muß das im Dunkeln getrocknete Papier nach der Präparirung im Silberbade natürlich im Dunkeln aufbewahrt werden. Länger als drei Tage bleibt das präparirte Papier nicht brauchbar, da es schon nach einem Tage gelblich wird, was indessen nichts schadet so lange das Papier nicht dunkler als citronengelb geworden ist. Man bereitet sich daher das Papier am besten am Abend für den folgenden Tag vor. Hat man aber einen dunkeln Raum zur Verfügung zum Trocknen des Papieres, so kann die Präparirung am passendsten unmittelbar vor dem Copiren geschehen, da frisch bereitetes Papier die lebhaftesten Bilder gibt. Die Silberlösung muß sich in einer flachen Glasschale befinden, welche in Länge und Breite mindestens 1 Zoll größer ist als das zu präparirende Papier. Damit man mit möglichst wenig Lösung ausreichen kann, soll der Boden der Glasschale eben seyn und es braucht dann die Tiefe der Flüssigkeit nicht über 1/8 bis 1/4 Zoll zu seyn, wenn sie nur überall den Boden der Schale bedeckt. Will man kräftige feine Bilder erhalten, so nimmt man die Flüssigkeit concentrirter und zwar 2 Unzen salpetersaures Silberoxyd in 12 Unzen Wasser gelöst. (Die Unze salp. Silberoxyd kostet 6 Frcs. oder 1 1/2 Thaler.) Hat man dagegen große Zeichnungen zu copiren und braucht man mithin viel Flüssigkeit, so nimmt man auf 2 Unzen salpetersaures Silberoxyd 16 bis 20 und selbst 30 bis 40 Unzen Wasser. Je concentrirter die Silberlösung ist, um so schneller geht das Copiren von statten, und um so kräftiger fallen die Bilder aus. Da gläserne Schalen für größere Zeichnungen theuer sind, so kann man hölzerne mit gutem Wachstuch aus einem Stück gefütterte Schalen benutzen. Will man das Papier präpariren, so faßt man es an zwei diagonal gegenüberliegenden Ecken an und legt es auf die Flüssigkeit nieder, auf welcher man es, die Schale etwas hin- und herneigend, herumschwimmen läßt. Unmittelbar nach dem Auflegen hebt man zuerst die eine und hernach die andere Hälfte des Papieres von der Flüssigkeit ab und sieht nach, ob keine Luftblasen dazwischen geblieben sind, welche das Anhaften der Flüssigkeit verhindern und weiße Flecke im Bilde lassen. Man streicht die Luftblasen mit einem Holzstäbchen weg. Die Zeit, während welcher das Papier auf der Lösung schwimmen soll, braucht man nicht genau zu beachten; sie beträgt etwa 1/2 Minute bei einer Lösung von 1 Theil Silber in 8 Theilen Wasser, und 1 bis 1 1/2 Minuten bei einer Silberlösung von 1 : 12. Je verdünnter die Lösung ist, um so länger soll man das Papier auf derselben liegen lassen. Das zum Copiren zu verwendende salpetersaure Silberoxyd braucht nicht sehr rein zu seyn, doch muß zur Lösung destillirtes Wasser verwendet werden. Die erforderlichen Glasschalen sind von jeder größeren Glashandlung zu beziehen. Zwei Unzen oder für 3 Thaler salpetersaures Silberoxyd reichen zur Anfertigung von 50 Stück kräftiger Copien von 22 × 30 Centimeter Größe aus. Das Copiren einer Zeichnung ist nun sehr leicht. Es wurde bei den bisherigen Verfahren in der Regel angenommen, daß man zum Copiren einer Zeichnung auf starkem oder gewöhnlichem Papier dieses erst durchsichtig zu machen habe, und man wendete dazu gewöhnlich Petroleum an. Wird eine Zeichnung mit solchem getränkt, so wird sie allerdings außerordentlich durchsichtig und das Petroleum löst auch z.B. Tusche nicht auf, ist ferner durch längeres Hinlegen der Zeichnung an die Sonne oder auf einen warmen Ofen leicht von der Zeichnung zu entfernen; aber eine Methode, welche mit Verbreitung eines so üblen Geruches und solchen Umständlichkeiten verbunden ist, muß man verwerfen. Bei meiner Methode ist dieß Alles nicht erforderlich. Man legt das präparirte Papier so unter das zu copirende Original, daß Bildfläche und präparirte Fläche einander berühren und läßt das Licht durch das Original hindurch auf die präparirte Fläche scheinen. Ist das Original auf starkem Papier, so muß das Licht eben länger einwirken, die Copie wird aber genau ebenso scharf und kräftig, wie von dünnem durchsichtigem Pauspapier. Man hat einzig dafür zu sorgen, daß das Original mit der Bildfläche (nach unten) an allen Stellen fest auf der präparirten Papierfläche aufliegt. Beim Copiren von Zeichnungen ist es eine Bedingung, daß die Rückseite derselben leer und nicht zu schmutzig sey. Die Anfertigung sowohl kleiner wie großer Copien geschieht am besten mittelst eines Copir-Rahmens, wie man sich denselben bei jedem Photographen zeigen und erklären lassen kann. Die Art und Weise, wie eine Copie durch das Licht hervorgebracht wird, ist nach dem Vorstehenden leicht einzusehen. Indem das Licht durch das Original hindurchscheint, schwärzt es die Stellen des präparirten Papieres überall, wo keine schwarzen Linien auf dem Originale sind. Die den letzteren entsprechenden Stellen dagegen bleiben weiß und es entsteht dadurch eine haarscharfe weiße Zeichnung auf dunkelm Grunde, und es ist diese negativ, d.h. Links nach rechts gekehrt. Copirt man ein solches Negativ, so erhält man eine positive (wie das Original gestellte) Zeichnung auf weißem Grunde. Diese Copien lassen sich viel schöner herstellen, als die Originale selbst sind. Wenn dieselben ein ganz besonders schönes Ansehen erhalten sollen, so taucht man sie vor dem Fixiren im unterschwefligsauren Natron in eine Lösung von 1 Gran Chlorgold (Preis 1 Thaler) in 16 Unzen (1 Pfund) Wasser, bis sie dunkelblau geworden sind. Wenn das zu copirende Original auf Pauspapier befindlich ist, so erhält man am Sonnenlicht in 2–3 Minuten ein kräftiges Negativ, und wenn man die Pause verkehrt auf das präparirte Papier legt, ein positives weißes Bild auf schwarzem Grunde. An einem sonnigen Tage können von einem Originale auf Pauspapier mindestens 50 bis 70 Copien angefertigt werden. Eine Zeichnung auf gewöhnlichem dickem weißem Papier erfordert beim Copiren eine Belichtung von 2–3 Stunden. Die Belichtungszeit kann in sehr weiten Grenzen variiren, ohne daß das Bild unbrauchbar wird. Die Vortheile dieser Copirmethode bestehen darin: 1) daß Jeder ohne vorheriges Tasten sogleich brauchbare Copien erhalten kann; 2) daß die Originale durchaus unbeschädigt bleiben; 3) daß die verwendeten Materialien nicht dem Verderben unterworfen sind, also ganz ausgenutzt werden können; 4) daß die ganze Methode keine Apparate erforderlich macht, indem die Einrichtung dazu für wenige Thaler herzustellen ist. Die Kosten von 25 Stück Copien von 40 Centimeter Breite bei 50 Centimeter Länge stellen sich folgendermaßen: 25 Bogen feinstes Albuminpapier 2 Thaler 3 Unzen salpetersaures Silberoxyd 5 1 Pfd. unterschwefligsaures Natron 5 Sgr. ––––––––––––– 7 Thaler 5 Sgr. Die erforderlichen Flüssigkeiten sind: 1) Silberlösung, 2) unterschwefligsaure Natronlösung und 3) Wasser (gewöhnliches Brunnenwasser). Die Silberlösung hält man am besten in einer Glasschale, die Natronlösung und das Wasser in mit Wachstuch gefütterten Holzgefäßen. Die Tiefe der Natronlösung soll 1/4 Zoll betragen. Das Wasser hingegen soll reichlich vorhanden seyn. Das Eintauchen in das Natronbad braucht nicht sogleich nach dem Copiren zu geschehen, nur muß die noch nicht fixirte Copie im Dunkeln aufbewahrt werden. Die Copien sollen nach dem Fixiren gut abgespült werden oder längere Zeit im Wasser liegen. Auch in heißem Wasser geht Nichts von dem Bilde weg. Ich habe schon Hunderte von Copien nach dieser Methode angefertigt und ist dieselbe besonders den Maschinenfabriken, z.B. für die zur Ansicht einzusendenden Maschinen, sehr zu empfehlen. Sollte Jemanden welcher die Methode benutzen will, meine Beschreibung in irgend einem Punkt nicht hinreichend deutlich seyn, so erkläre ich mich gern zur Auskunft bereit. Zittau (Sachsen), im Juni 1871.