Titel: Ueber die Nachweisung der Holzfaser im Papier; von Professor Dr. Julius Wiesner.
Autor: Julius Wiesner [GND]
Fundstelle: Band 201, Jahrgang 1871, Nr. XLIV., S. 156
Download: XML
XLIV. Ueber die Nachweisung der Holzfaser im Papier; von Professor Dr. Julius Wiesner. Wiesner, über Nachweisung der Holzfaser im Papier. Die Verwendung von Holz in der Papierfabrication ist allgemein bekannt. Die Nachweisung der Holzfaser im Papier ist mehrmals Gegenstand der Untersuchung gewesen. Es wurden hierfür sowohl chemische Mittel in Vorschlag gebracht, als auch die directe Nachweisung der Holzfaser durch das Mikroskop empfohlen. Das beste Reagens zur Nachweisung von Holzfaser im Papier ist entschieden das hierzu von SchapringerWochenschrift des nieder-österreichischen Gewerbevereines, 1865, Nr. 15; polytechn. Journal Bd. CLXXVI S. 166. empfohlene schwefelsaure Anilin. Sogenannter Holzstoff und ordinäre Holzpapiere nehmen, selbst wenn letztere nur wenige Procente Holzstoff enthalten, fast gleich nach Einwirkung des genannten Reagens eine gelbe Farbe an. — Ich habe schon früher gegen diese Methode eingewendet, daß sie nicht zu einem sicheren Resultate führen könne, und zwar aus zweierlei Gründen. Durch eine völlige Reindarstellung der Holzfaser, z. B. durch sehr sorgfältige Bleichung, wird jene mit der Cellulose gemengt vorkommende Substanz, die sich durch schwefelsaures Anilin gelb färbt, zerstört, mithin werden sehr sorgfältig erzeugte Holzpapiere durch das genannte chemische Mittel nicht als solche erkannt. Es hat aber auch die sich durch schwefelsaures Anilin gelb färbende Substanz eine außerordentliche Verbreitung im Pflanzenreiche; sie kommt beispielsweise auch in kleiner Menge im Hanf, in großer Menge in der Jute vor, so zwar, daß aus solchen Materialien bereitete Papiere mit schwefelsaurem Anilin ebenfalls jene Farbe annehmen, welche nach Schapringer bloß den Holzpapieren zukommen soll. Die Unsicherheit in der Anzeige des „Holzstoffes“ im Papier durch schwefelsaures Anilin, auf welche ich hinwies, ist von Seiten der Chemiker völlig zugestanden worden.Man vergl. Fresenius' Zeitschrift für analytische Chemie, 1865, 2. Heft S. 250. — Unter solchen Umständen bleibt für den Nachweis der Holzfaser im Papiere kein anderes Erkennungsmittel als das Mikroskop übrig, welches außer der Sicherheit im Nachweise auch noch den Vortheil darbietet, nicht nur auf jene Art des Holzes, welche zur Bereitung des Papieres diente, zu führen, sondern auch den mechanischen Zustand in welchem die Faser im Papiere sich befindet, anzuzeigen. Ich habe an anderer Stelle hierüber ausführliche Beobachtungen mitgetheilt.Technische Mikroskopie, Wien 1867, S. 218 u. Flgd. Es ist bekannt, daß das zur Papierbereitung dienende Holz (Fichten-, Tannen-, Weiden-, Pappelholz etc.) durch mechanische Zerkleinerung, und zwar durch Schleifen erhalten wird. Es ist leicht einzusehen, daß ein solcher geschliffener Holzstoff keinen rein faserigen Charakter, der doch zur Erzeugung guter Papiere unumgänglich nothwendig ist, besitzen kann, vielmehr aus fetzenförmigen, an den Enden und Seiten zerrissenen und nur theilweise zerfaserten Holzschüppchen besteht, an welchen man unschwer die Elementarbestandtheile des Holzes: Holzzellen, Markstrahlen und bei Laubhölzern auch Gefäße erkennen kann. Für jeden in der Anatomie der Pflanzen Bewanderten ist von vornherein einleuchtend, daß weit zweckmäßigere Methoden als das Schleifen von Holz existiren müssen, um aus Holz eine für die Papierfabrication taugliche Faser zu gewinnen. Man ist nämlich durch mehrere Mittel im Stande, das Gewebe des Holzes in seine Elementarbestandtheile zu zerlegen. Man erhält bei sorgfältigem Vorgehen eine völlig faserige Masse, welche aus Holzzellen etc. besteht, die in ihrer ganzen Länge wohl erhalten sind. Herr A. Ungerer, Chemiker in Simmering bei Wien, hat nun eine, nach seiner Aussage im Großen ausführbare und nur geringe Kosten verursachende Methode ausfindig gemacht, nach welcher er aus Holz (Fichten- und Weidenholz) einen völlig faserigen Papierzeug darstellt. Nur um die befruchtende Wirkung wissenschaftlicher Untersuchungen auf die Praxis zu belegen, führe ich hier an, daß Hr. Ungerer, der sich durch längere Zeit in meinem Laboratorium mit mikroskopischen Untersuchungen beschäftigte, hier die leitende Idee für seine vortreffliche Erfindung fand. Er hält derzeit seine durch Patente geschützte Methode der Papiererzeugung aus Holz geheim. Ganzzeuge aus Holz und ohne alle Beimengung hieraus erzeugte Papiere hat mir Hr. Ungerer zur Ansicht und Untersuchung übergeben. Hier folgen einige meiner Beobachtungen, welche für das technische Publicum vielleicht nicht ohne Interesse sind. Ungerer's völlig aus Holz erzeugte Papierzeuge zeichnen sich durch völlige Weiße, Feinfaserigkeit, Weichheit und durch Länge und Festigkeit der Faser aus. Die Fasern haben eine Länge welche der natürlichen Länge der Holzzellen entspricht; sie messen nämlich 2–6 Millimeter. Die Papiere selbst sind völlig faserig, aber dabei ungemein dicht und fest, und durchaus nicht brüchig. Wenn ich mich nicht durch die sorgfältigste mikroskopische Prüfung davon überzeugt hätte, so würde ich diese Papiere nach meinen bisherigen Erfahrungen nicht für reine Holzstoffpapiere gehalten haben. Sowohl die Ganzzeuge als die Papiere werden durch schwefelsaures Anilin nicht im mindesten gelb gefärbt. Mikroskopisch untersucht, ergibt sich zunächst die höchst merkwürdige Thatsache, daß das Markstrahlengewebe des Holzes aus dem Papier fast völlig verschwunden ist. Markstrahlenzellen sind in Ungerer's Papieren nur spärlich, in einzelnen Partien der Papiere geradezu gar nicht vorhanden, so zwar, daß diese Fabricate fast nur aus faserigen Elementen sich zusammensetzen. — Die Holzzellen sind fast völlig isolirt. Manchmal haften noch zwei oder drei Zellen theilweise aneinander. Ihrer Länge nach sind die Holzzellen völlig erhalten. Hingegen sind diese Zellen häufig gequetscht und platt gedrückt, und dann nicht selten so wie Baumwollfasern gewunden. In Folge der Quetschungen erscheinen die Breitendurchmesser der Zellen häufig größer, als der natürlichen Dicke derselben entsprechen würde. Ihre Breite steigt dann bis auf 0,061 Millimeter. Aber ebenso häufig kommt es vor, daß die gequetschten Holzzellen seitlich zusammengerollt sind und dann äußerst schmal (etwa 0,0021 bis 0,0029 Millimet.) erscheinen. Beide Zustände der Faser können zu Täuschungen Veranlassung geben. Man wird sich aber an jeder Faser Gewißheit verschaffen können, daß sie eine Holzzelle ist, wenn man sich die Mühe nimmt, sie ihrer ganzen Länge nach im Mikroskope zu verfolgen. Man wird dann stets auf Stellen kommen, welche die Textur der Holzzelle erkennen lassen. Sehr bemerkenswerth erscheint mir die Wahrnehmung, daß die äußeren Contouren der Fichtenholztüpfel entweder gar nicht oder nur bei sehr starker Abblendung hervortreten, während der innere Tüpfelkreis (beziehungsweise Tüpfelspalte) sehr scharf sich abhebt. Die Verwischung der äußeren Tüpfelkreise kann nur dadurch zu Stande kommen, daß die Holzzellen während der Faserabscheidung starken Spannungen ausgesetzt waren, welche gewissermaßen eine Ausglättung der Tüpfel zur Folge hatten. — Trotzdem die das Papier zusammensetzende Fichtenholzzelle den oben genannten Quetschungen und Drehungen ausgefetzt ist und zudem noch häufig Längsklüfte zeigt, wird man sie doch stets an den Tüpfelbildungen erkennen können, welche an jenen Stellen sichtbar werden, die unverletzt sind. Solche unverletzte Stellen kommen aber wohl an jeder einzelnen Faser vor. An diesen Stellen können auch die natürlichen Breiten der Holzzellen constatirt werden, welche beim Fichtenholze im Mittel etwa 0,05 Millimet. betragen. — Aehnliche Verhältnisse bietet auch das aus Weidenholz von Ungerer erzeugte Papier dar. Hier sind auch die Gefäße äußerst wohl erhalten. — Bei einiger Sachkenntniß und Sorgfalt gelingt es, in den genannten Holzpapieren, welche selbst das geübte Auge des Praktikers nicht als solche erkennen würde, die Gegenwart und selbst die Art des Holzes, aus welchem diese Papiere dargestellt wurden, auf das Bestimmteste nachzuweisen.