Titel: | Die Versuche von G.Montefiore-Levi und C.Künzel über die Anwendung verschiedener Legirungen und besonders der phosphorhaltigen Bronze zum Geschützgusse; Bericht von J.Dumas. |
Fundstelle: | Band 202, Jahrgang 1871, Nr. XII., S. 48 |
Download: | XML |
XII.
Die Versuche von G.Montefiore-Levi und C.Künzel über die Anwendung
verschiedener Legirungen und besonders der phosphorhaltigen Bronze zum Geschützgusse;
Bericht von J.Dumas.
Aus den Comptes rendus, t. LXXIII p. 530; August
1871.
Montefiore-Levi und Künzel, über die
Phosphorbronze.
In einer der letzten Sitzungen der französischen Akademie legte J. Dumas im Namen der Ingenieure G. Montefiore-Levi und Dr. C. Künzel ein von denselben verfaßtes Werk vor, welches in
Brüssel (1870) unter dem Titel erschien: „Essais sur l'emploi de divers alliages, et spécialmente du
bronze phosphoreux, pour la coulée des bouches à
feu.“ Aus den in diesem Buche mitgetheilten Beobachtungen, und aus den von Dumas bezüglich der betreffenden metallurgischen
Operationen persönlich gesammelten Documenten ergeben sich die nachstehenden
Thatsachen, welche derselbe wegen ihres Interesses nach Angabe und unter
Verantwortlichkeit der Verfasser jenes Werkes im Folgenden zusammenfaßt.
1. Der Nachweis der vortheilhaften Einwirkung des Phosphors auf die Bronze durch Montefiore-Levi und Künzel hatte zum Ausgangspunkt eine sehr ausgedehnte Reihe von
Untersuchungen über die Anwendung verschiedener Legirungen von Kupfer mit Zinn,
Zink, Eisen, Nickel und Mangan zum Geschützguß.
2. Zur Vergleichung der verschiedenen Legirungen unter einander wurde nicht nur deren
absolute, sondern auch die relative Elasticität und Festigkeit, ihr specifisches
Gewicht und die durch mehr oder weniger vollständige Abwesenheit von Höhlungen
bedingte Dichtigkeit, endlich deren Härte bestimmt.
3. Zur Bestimmung der absoluten Elasticität und Festigkeit wurden von jeder Legirung
cylindrische Stäbe mit Hülfe der hydraulischen Presse einem stufenweise verstärkten
Zuge unterworfen, bis das Zerreißen eintrat, wobei man die Ausdehnung unter der
Belastung und die bleibende Ausdehnung in bestimmten Intervallen notirte. Um die
Vergleichung der verschiedenen Proben zu erleichtern, haben die Verfasser dieselben
graphisch dargestellt. Die nach diesen experimentellen Daten hergestellten Curven
ergaben besonders bezüglich der Elasticität der Metalle sehr interessante
Resultate.
4. Auf diese Weise wurde erkannt, daß eine der Ursachen des verhältnißmäßig nicht großen Widerstandes
der gewöhnlichen Bronze in dem constanten Gehalte dieser
Legirung an Spuren von Zinn in oxydirtem Zustande
besteht. Dieses Oxyd wirkt in mechanischer Weise, indem es die Molecüle der Legirung
durch Zwischenlagerung einer Substanz, welche an sich gar keine Zähigkeit besitzt,
von einander trennt. Man wußte schon längst, daß die während des Schmelzens
stattfindende Oxydation der Qualität der Bronze nachtheilig ist; bisher begnügte man
sich aber mit dem sehr unzulänglichen Reductionsmittel des Umrührens (Polens) der
flüssigen Metallmasse mittelst Stangen von grünem Holz.
5. Die Verfasser des erwähnten Werkes suchten ein vollständigeres Resultat durch
Zusatz verschiedener Reductionsmittel, namentlich des Phosphors, zu erreichen; nach ihrer Angabe war ihr Erfolg ein
vollständiger und ist die Wirkung dieses Zusatzes eine auffallend gleichförmige. Der
bei der Verbrennung des Phosphors von diesem aufgenommene Sauerstoff mußte sich im
Zustande von Oxyd in der Bronzemasse vertheilt befinden; denn wenn dieser Sauerstoff
in derselben in freiem Zustande als comprimirtes Gas vorhanden gewesen wäre, so
hätte er sich beim Erkalten des Metalles aus demselben ausscheiden und ein Spratzen
verursachen oder die Entstehung einer weit größeren Menge von Blasen veranlassen
müssen, als im Metalle nachgewiesen werden konnte; es kann aber kaum ein Zweifel
darüber obwalten, daß dieses Oxyd Phosphorsäure ist. – Während es allen
Gießern bekannt ist, daß in gewöhnlicher Bronze der Zinngehalt der Legirung mit
jedem neuen Umschmelzen ziemlich rasch abnimmt, ergab hingegen eine Reihe von acht
mit Phosphorbronzen von verschiedenem Phosphorgehalt abgeführten Versuchen, daß eine
derartige Verminderung des Zinngehaltes nicht stattfindet. Bei drei von den
gedachten Versuchen war nämlich die Abnahme ganz unbedeutend, und bei den fünf
übrigen hatte sich sogar der Zinngehalt der Bronzen vermehrt. Diese Zunahme muß ohne
Zweifel der Bildung einer phosphorsaures Kupferoxyd enthaltenden Schlacke
zugeschrieben werden, in Folge deren der Kupfergehalt der Legirung vermindert, ihr
Zinngehalt somit erhöht wird.
6. Die Verfasser schreiben den constant bleibenden Zinngehalt der Phosphorbronzen
beim Umschmelzen derselben, theilweise dem Vorhandenseyn einer stabilen Verbindung
von Zinn und Phosphor zu, welche aber nicht die Verbindung von 2 Aequivalenten Zinn
und 1 Aequiv. Phosphor (mit 21,5 Proc. Phosphorgehalt) ist, die man durch Erhitzen
von dünnem Blattzinn in Phosphordampf, oder auch durch Erhitzen von Phosphor und
Zinn in einem geschlossenen Rohre erhält; denn diese Verbindung besitzt nur geringe
Stabilität. Beim Erhitzen derselben an der Luft wird ein Theil des Phosphors
ausgetrieben und es bleibt ein Phosphormetall zurück, welches 1 Aequiv. Phosphor und
9 Aequiv. Zinn, also 5,605 Proc. Phosphor enthält. Dieses beständigere Phosphorzinn
läßt sich auch direct herstellen durch allmählich gesteigertes Erhitzen von
schwammförmigem Zinn, welches über eine gewisse Menge Phosphor in einen
Schmelztiegel gedrückt wurde.
7. Die Verfasser haben durch längere Zeit fortgesetzte Versuche ermittelt, welche Eigenschaften der Phosphor der gewöhnlichen Bronze
ertheilt. Der Farbeton der Legirung wird, sobald der Phosphorgehalt 1/2
Proc. übersteigt, wärmer, dem des stark mit Kupfer legirten Goldes ähnlicher. Das
Korn des Bruches nähert sich dem des Stahles. Die Elasticität wird beträchtlich
erhöht; die absolute Festigkeit nimmt in gewissen Fällen um mehr als das Doppelte
zu. Auch die Härte wird bedeutend größer, so daß manche Legirungen von der Feile nur
schwierig angegriffen werden. Das geschmolzene Metall ist sehr dünnflüssig und füllt
die Formen in ihren feinsten Details vollständig aus.
8. Eine der werthvollsten Eigenschaften der Phosphorbronze besteht darin, daß man
derselben durch Abänderung der relativen Gewichtsverhältnisse ihrer Bestandtheile
sehr verschiedene Eigenschaften ertheilen kann; man
erhält so mit Sicherheit die gewünschten Qualitäten; so z.B. ziemlich große Härte,
Festigkeit und wenig Elasticität für Geschützrohre, damit dieselben nicht
zerspringen; oder auch große Härte und ein Maximum von Festigkeit, verbunden mit
einer bleibenden Elasticität, für Gegenstände der Mechanik und des Maschinenbaues,
damit dieselben der statischen Kraftäußerung widerstehen; oder aber nur Festigkeit
neben sehr großer Dehnbarkeit, wie für Patronenhülsen; oder endlich sogar besondere
Vollendung des Gusses, bestimmte Farbetöne, bei geringer Härte, wie für
Kunstbronzen: alle diese Eigenthümlichkeiten vermag man durch Vorausbestimmung der
Zusammensetzung der Legirung und der Gießmethode mit Sicherheit hervorzubringen.
9. Auf den verhältnißmäßig nicht hohen Preis und die Leichtigkeit des Umschmelzens
der neuen Legirung genügt es hier aufmerksam zu machen; wir wollen nun bloß noch
einige der schon versuchten Anwendungen kurz besprechen.
a. Anfertigung von
Geschützrohren. – Aus einem Nachtrage indem Werke von Montefiore-Levi und Künzel ersieht man, daß diese Ingenieure im Verfolge ihrer Versuche einen
6 Pfünder aus Phosphorbronze gegossen haben, mit welchem im Vergleich mit einem aus
gewöhnlicher Bronze in der königl. Gießerei zu Lüttich gegossenen 6 Pfünder Gewaltschießproben
angestellt wurden. Es handelte sich für sie dabei um die Ermittelung der besten
Zusammensetzung der Bronze für den Geschützguß. Nachdem das Resultat der ersten
Schießprobe gezeigt hatte, daß man ein viel zu hartes Metall gewählt hatte, wurde
ein zweites Geschütz mit einem beinahe dreimal geringeren Phosphorgehalt
angefertigt, und mit einem aus vorschriftsmäßiger Bronze bestehenden Rohre
vergleichenden Schießversuchen unterzogen. Aus den Tabellen über den Befund der
Rohre in verschiedenen Stadien der Schießproben geht hervor, daß das Geschütz aus
Phosphorbronze eine bedeutend größere Härte als dasjenige aus vorschriftsmäßiger
Bronze zeigte, und daß letzteres bei den Gewaltproben zersprungen ist, während man
mit ersterem noch mit aller Sicherheit schießen konnte. Die verwendete Bronze war
durch Zusatz von phosphorhaltigem Kupfer zu altem Kanonenmetall dargestellt
worden.
b. Gewalzte Stücke. –
Die Phosphorbronze läßt sich bei zweckentsprechender Zusammensetzung und geeigneter
Behandlung beim Gießen mit sehr großer Leichtigkeit walzen und stanzen, ohne an
ihrer großen Festigkeit einzubüßen. Sie eignet sich daher vollkommen zur Anfertigung
der Patronenhülsen. Will man, wie es bereits in sehr großem Maaßstabe in Rußland
geschehen ist, das System der wiederladbaren Patronenhülsen adoptiren, so liefert
die Phosphorbronze ein vortreffliches Material dazu, denn bei Versuchen welche in
Lüttich angestellt wurden, wurde eine sehr große Anzahl von Patronenhülsen aus
Phosphorbronze 50mal wiedergeladen, ohne daß das Metall im Geringsten gelitten
hätte. Beabsichtigt man aber bloß eine beträchtliche Verminderung des Gewichtes der
Patronenhülsen, eine größere Sicherheit gegen das Zerspringen derselben während des
Schießens, und, in Folge der Elasticität des Metalles, ein leichteres Entfernen der
Hülse nach dem Schusse, so ist auch dieses erreichbar.
c. Die Phosphorbronze ist bereits in großem Maaßstabe
zur Anfertigung der Gewehrverschlüsse angewendet worden; in Belgien wurden 6000 Comblaix-Gewehre mit Phosphorbronzeverschluß an
die Bürgerwehr vertheilt. Für diese Verwendung gewährt die Phosphorbronze
hauptsächlich den Vortheil, daß die Verschlüsse ökonomisch und rasch angefertigt
werden können und keine Oxydation derselben zu befürchten ist.
d. Auch in der Mechanik hat die Verwendung dieser Bronze
zu verschiedenen Zwecken sich bereits erprobt, z.B. für die Getriebe der
Universalwalzwerke, welche bekanntlich stets heftigen Stößen ausgesetzt sind. Auf
einer Hütte in der Provinz Charleroi hat ein Paar solcher Getriebe sechs Monate
gehalten und ist lediglich durch Abnutzung der Zähne unbrauchbar geworden, ohne daß ein einziger
derselben abgebrochen oder aufgerissen war; ein anderes Paar ist noch jetzt, nach
zwölf Monaten, diensttauglich. Mit gleichem Erfolge ist die Phosphorbronze
versuchsweise verwendet worden zu Lagern für hydraulische Pressen, welche sehr
starken Druck auszuhalten haben, zu Excenterringen für Locomotiven, zu Kolbenringen
und Bolzen von Dampfcylindern etc.
e. Vollkommen geeignet ist die Phosphorbronze zur
Herstellung von Kunst- und Decorationsbronzen. Die Leichtigkeit ihres Gusses, ihre sehr angenehme
Farbe, ihr Widerstand gegen oxydirende Einflüsse machen sie zu einem für diesen
Zweck sehr werthvollen Material.
Ohne Zweifel wird die Phosphorbronze bald noch zahlreiche andere Verwendungen finden;
die von den Verfassern angestellten Versuche lassen sie hoffen, daß diese Legirung
weniger leicht angegriffen wird als das Kupfer und die zum Beschlagen der Schiffe
gewöhnlich angewendeten Legirungen; ferner daß sie, weil frei von Zinnoxyd, ein
besserer Elektricitätsleiter seyn, und sich zur Anfertigung von Glocken, Schellen
etc. besonders eignen wird.
Auf den Vorschlag von Dumas, ihres beständigen Secretärs,
beschloß die Akademie eine Commission zum Studium der mit der vorgelegten Arbeit
verknüpften Fragen zu erwählen, welche aus den HHrn. Dumas,
Morin, Fremy, Jurien de la Gravière, Cahours, und Phillips bestehen wird.