Titel: Mittheilungen aus dem chemisch-technischen Laboratorium des Carolinum zu Braunschweig.
Fundstelle: Band 202, Jahrgang 1871, Nr. LXXXIII., S. 355
Download: XML
LXXXIII. Mittheilungen aus dem chemisch-technischen Laboratorium des Carolinum zu Braunschweig. Hydraulische Eigenschaften des in der Glühhitze behandelten Gypses; von Friedrich Schott. Schott, über die hydraulischen Eigenschaften des in der Glühhitze behandelten Gypses. In der Abhandlung über den Scott'schen CementIn diesem Bande des polytechn. Journals S. 52 (erstes Octoberheft 1871). ist näher ausgeführt, daß Gemische von schwefelsaurem Kalk und von Aetzkalk in der Weißglühhitze hydraulische Eigenschaften annehmen. Dabei ist nachgewiesen, daß der Kalkzusatz sehr bedeutend abgeändert werden, ja bis zu 5 Proc. des schwefelsauren Kalkes sinken kann, ohne daß die hydraulischen Eigenschaften des geglühten Gemisches aufhören. Diese Thatsachen legen den Gedanken nahe, ob nicht der Kalk zur Erzeugung eines hydraulischen Productes überhaupt entbehrlich, ob nicht die hydraulische Eigenschaft in diesen Fällen einfach und geradezu eine Function des stark geglühten schwefelsauren Kalkes sey. Gewöhnlicher Modellirgyps (derselbe welcher zu den Versuchen mit dem Scott'schen Cement gedient) im hessischen Tiegel im WindofenEn feststehender gemauerter Ofen mit einem 40 Fuß hohen Schornstein. dem strengsten Kohksfeuer ausgesetzt, war unter keinen Umständen zum Schmelzen zu bringen. Dagegen erschien die geglühte Masse gesintert, gelbgrau, durch und durch krystallinisch, hart und schwerzerreiblich, – also ganz wie die Gemische aus Gyps und Kalk, von denen sie sich äußerlich wenig oder nicht unterschied. Ihr spec. Gewicht ist 3,195. Zu Pulver zerrieben und mit Wasser angemacht, verhielt sie sich wesentlich verschieden vom gewöhnlichen gebrannten Gyps der Gypsgießer. Die Masse erwärmte sich mit dem Wasser durchaus nicht und schien sich anfangs, selbst nach mehreren Stunden ganz indifferent dagegen zu verhalten. Ueber Nacht stehen gelassen (gegen Austrocknen geschützt), fing sie indessen an abzubinden, so daß sie am anderen Tag als ein zusammenhängendes Stück aus der Papierkapsel genommen werden konnte. Als man die zusammenhängende Gußprobe nun in Wasser versenkte, gewann sie noch mehr Zusammenhang und erhärtete langsam, obwohl in nur mäßigem Grad. Bei längerem Aufenthalt in Wasser trat eine secundäre oberflächliche Erweichung ein; die äußere Schichte verwandelte sich in eine zerreibliche schlammige Masse. Eine Probe, drei Wochen lang unter Wasser erhärtet, dann fein zerrieben und im Vacuum über Schwefelsäure getrocknet, verlor Wasser: I.Es verloren in der Glühhitze 0,343 (I) und 0,6105 (II) Grm. Substanz: 0,027 bez. 0,048 Grm.;0,910 Grm. (I) und 1,000 Grm. (II) Substanz verloren bis 250° C. erhitzt 0,061 (I) und 0,0685 (II) Grm.0,571 Grm. (I) verloren bei 96 bis 100° C. 0,0305 Grm., von 170 bis 180° C. noch 0,009 Grm. II.0,472 (1) und 0,528 (II) verloren durch Glühen 0,063 (I) und 0,070 (II) Grm.1,803 Grm. Substanz verloren bei 96 bis 100° C. 0,173 Grm. und bei 170 bis 180° C. noch 0,025 Grm. im Luftbade bei   96 – 100° C.170 – 180° C.250° C. noch noch 1,576 Proc.3,762    „1,362    „ 6,850 Proc. durch Glühen 7,872    „ 7,862    „ Eine andere Probe, vier Wochen unter Wasser erhärtet und bereits oberflächlich zu Schlamm erweicht, davon gereinigt und behandelt wie die vorige, verlor im Luftbade bei   96 – 100° C.   9,595 Proc. Wasser 170 – 180° C. noch   1,387    „ durch Glühen (Mittel von 2 Versuchen) 13,302    „ Eine dritte Probe scharf geglühter Modellirgyps soweit zerrieben, daß sich das Pulver aber noch zwischen den Fingern fühlen ließ, mit destillirtem Wasser angemacht (5 Kubikcentimeter Wasser auf 12 Grm. Pulver), konnte nach 18 Stunden aus der Papierkapsel genommen und unter destillirtes Wasser (120 K. C.) versenkt werden. Nach vier Wochen hatte diese Probe, wie die vorige behandelt,0,394Grm.Substanzgaben0,0745Grm.Glühverlust0,5690,1075   „        „0,9945verloren bei 96 bis 100° C. 0,0945; bei 100 bis 180° C. noch 0,0155 Grm. verloren: im Luftbad bei   96 – 100° C.   9,502 Proc. Wasser 100 – 180° C. noch   1,558    „ durch Glühen (Mittel aus 2 Versuchen) 18,900    „ Hydraulische Eigenschaften können diesen Proben im Allgemeinen nicht abgesprochen werden, wenn diese Eigenschaften auch weniger hoch entwickelt sind wie bei den Gemischen aus Gyps und Kalk. Schon bei der ersten Probe war es indessen aufgefallen, daß sie nach dem Glühen alkalisch reagirte. Der Gyps hatte demnach im Glühen Schwefelsäure verloren, was die Analyse bestätigte, denn sie lieferte: I. II. III.   IV. 56,12 55,94 56,37 55,67 Proc. Schwefelsäure,Die Analysen Nr. III und IV hatte Hr. Assistent Reimer die Güte auszuführen. Die unmittelbaren Daten sind: I.0,256 Grm.Substanzgaben0,433 Grm.schwefelsauren BarytII.0,259   „0,442   „           „              „III.0,497   „0,816   „           „              „IV.0,314   „0,509   „           „              „ während neutraler wasserfreier schwefelsaurer Kalk 58,82 Proc. hätte geben sollen. Der Verlust von 2,53 bez. 3,02 Schwefelsäure entspricht 1,77 bis 2,11 Proc. Kalk. Den mit dem Scott'schen Cement gemachten Erfahrungen zufolge mochte die beobachtete Hydraulicität möglicher Weise noch diesem Gehalte an Kalk zuzuschreiben seyn, eine Vermuthung welche jedoch in den weiteren Beobachtungen keine Bestätigung fand. Durch Neutralisiren des freien Kalkes mittelst Schwefelsäure oder Kohlensäure, sowie durch Ausziehen mittelst Zuckerlösung verwandelte sich das Glühproduct nicht in gewöhnlichen Gyps. Noch schlagender sind in dieser Richtung die Versuche mit reinen Stücken von Marienglas. Eine Probe Marienglas in reinsten Stücken bei Holzkohle im tragbaren Windofen mit Dom im hessischen Tiegel bis zur Dunkelrothglühhitze gebrannt und im Verhältniß von 12 Grm. gepulverter Substanz auf 5 Kubikcentimeter Wasser angemacht, zog am ersten Tage gar nicht an. Nach Ablauf des zweiten Tages war dieß einigermaßen eingetreten, allein der Kuchen zerfiel beim Einsenken in Wasser gänzlich zu Brei, der sich am Boden des Gefäßes in einer etwa 1 1/2 Centimet. starken Schichte anlegte. Nach Ablauf von 18 Tagen, als man das bei Seite gestellte Gefäß zufällig in die Hand bekam, bemerkte man, daß die Schlammschicht am Boden stark erhärtet war. Die Untersuchung des noch übrigen Vorrathes des verwendeten gebrannten Marienglases wies eine unvollständige Entwässerung, nämlich einen Rückstand von 0,5 Procent Wasser nach. Sicherlich war bei dem Glühen im Holzkohlenfeuer demnach keine Schwefelsäure weggegangen, konnte also freier Kalk die hydraulische Erhärtung nicht bewirkt haben. Daß aber der geringe Rückhalt an Wasser hierbei ebenso wenig im Spiel ist, erwies das Nachglühen des Vorrathes im Platintiegel über dem Gasgebläse: das Marienglas verlor den Rest des Wassers vollständig, ohne eine alkalische Reaction anzunehmen und erhärtete in derselben Weise wie nach dem ersten Glühen. Der Wassergehalt der einmal geglühten (A) und der im Platintiegel nachgeglühten Probe (B) betrug nach dem Erhärten:A) 1,143 Grm. (I) und 1,5075 Grm. (II) verloren durch Glühen 0,2085 Grm. (I) und 0,278 Grm. (II);3,7715 Grm. Substanz verloren bei 96 bis 100° C. 0,503 Grm.; bei 100 bis 180° C. noch 0,150 Grm.B) 0,900 Grm. (I) und 0,540 Grm. (II) Substanz verloren durch Glühen 0,117 Grm. (I) und 0,071 Grm. (II);2,2195 Grm. Substanz verloren bei 96 bis 100° C. 0,1765 Grm., bei 100 bis 180° C. noch 0,165 Grm. A. B. Verlust bei   96 bis 100° C. im Luftbad 13,337 Proc.   7,952 Proc. 100 bis 180° C.   3,977   „   0,743   „ Glühverlust (Mittel aus 2 Versuchen) 18,375   „ 13,074   „ Der hydraulisch erhärtete geglühte Gyps nimmt, nach diesen und den vorhergehenden Versuchen stets etwas weniger Wasser auf als dem krystallisirten Gypse entspricht; selbst nach 3 Wochen oft nur 1/3 bis 2/3 dieses Betrages. Das Product dieser Erhärtung, namentlich des sehr reinen Marienglases, ist im Ansehen bestimmt und zwar zu seinem Vortheil verschieden von dem des gewöhnlichen Gypsgusses. Während dieser letztere, wie bei den Bildgießern und Stukarbeitern bereitet, stets glanzlos matt und selbst in ganz dünnen Schichten undurchsichtig, also im Ganzen erdig oder kreidig erscheint, zeigt sich der hydraulisch erhärtete Gyps nicht weniger weiß, aber alabasterartig durchscheinend von einem gewissen leichten Glanz, nicht erdig. Dieses Ansehen würde sich trefflich den Anforderungen der Kunstabgüsse anpassen. Es besteht demnach eine Modification des Gypses, welche man als hydraulisch bezeichnen muß und war noch näher festzustellen, bei welcher Temperatur der Gyps in die hydraulische Modification übergeht. Man erhitzte zu dem Ende Proben von Marienglas im Luftbad bei 170 bis 200° C., dann bei 130 bis 140° C.; ferner im Bleibad (334° C.), im Quecksilberbad (360° C.) und im Zinkbad (412° C.). Man suchte das Blei und das Zink, indem man nach und nach etwas frisches Metall zusetzte, möglichst auf seinem Schmelzpunkt zu halten; das Quecksilber blieb stets im Sieden. Das Marienglas darf bei diesen Versuchen in Metallbädern nur in Stückchen, nicht als Pulver angewendet werden, weil sich das Pulver in störender Weise mit Metall imprägnirt; es wurde im Bleibad 3 Stunden, im Zinkbad 15 Stunden, im Quecksilber und im Luftbad 6 Stunden erhalten. Zunächst stellte sich die vollständige Entwässerung des Gypses bei einigermaßen größeren Mengen wie sie hier vorlagen, als eine große Schwierigkeit heraus. Nach 6stündigem Erhitzen im Quecksilberbad ergab das Marienglas noch Spuren von Wasser, erheblichere Mengen im Blei- und Luftbad. Erst die Proben aus dem Zinkbad waren völlig wasserfrei. Nach dem Anmachen der zerriebenen Proben mit Wasser zeigte sich, daß alle Proben der verschiedenen Hitzegrade in ihrer Art anziehen und festwerden; ferner daß das alabasterartige Ansehen nach dem Erhärten schon viel früher eintritt, als die eigentliche hydraulische Erhärtung. Schon die Proben aus dem Luftbads von 170 bis 200° C. aufwärts zeigten das alabasterartige Ansehen. Bei 230 bis 240° C. (im Luftbade) verlangsamte sich das Anziehen oder Abbinden schon deutlich; bei 360° C. im Zinkbade ging es sehr langsam von statten; bei dem Erhitzen dieses Bades über den Schmelzpunkt (wobei sich schon etwas entzündliches Gas entwickelte) war sie erst nach Stunden eingetreten; mit diesen beiden Proben begann aber auch das Nachhärten, die hydraulische Eigenschaft. Die hydraulische Modification des Gypses kommt also erst bei einer Temperatur zwischen 400 und 500° C. zur vollkommenen Entwickelung. Auserlesener Anhydrit, wie er bei Tiede in der Nähe von Braunschweig vorkommt, fein zerrieben zu einem gießbaren Brei in Wasser angemacht in eine Papierkapsel gegossen, zeigte nach Verlauf von 2 Stunden noch keinerlei Veränderung, hatte aber nach 18 Stunden abgebunden und besaß Härte und Festigkeit eines gewöhnlichen Gypsgusses. Die abgebundene Probe in Wasser versenkt, erhärtete nicht weiter, sondern verwandelte sich in eine mit den Fingern leicht zerdrückbare welche Masse. Solche Proben bei 150° C. im Luftbad längere Zeit behandelt und dann mit Wasser angemacht, zogen sofort und zwar äußerst rasch an. Der Anhydrit war demnach in gewöhnlichen Gyps verwandelt, aber ohne hydraulische Eigenschaften zu zeigen. Durch Brennen bei hoher Temperatur werden diese Eigenschaften jedoch hervorgerufen und verhält sich der Anhydrit alsdann wie der scharf gebrannte Gyps. Derselbe Anhydrit, im Kohksfeuer bei Hellrothgluth gebrannt, hatte seine grauliche Farbe mehr in Weiß verändert und war zerreiblicher. Gepulvert und mit Wasser zu Brei angemacht nahm er, aber erst bis zum anderen Tag einigen Zusammenhang an, so daß er aus der Papierform gelöst und in Wasser versenkt werden konnte. Er zerfiel darin wieder zu Brei, der am Boden des Gefäßes ruhig liegen geblieben nach drei Wochen hydraulisch erhärtet war. Eine Probe des Pulvers gut angefeuchtet und in diesem Zustande unter einer Glasglocke erhalten, erhärtete binnen drei Wochen ebenfalls und zwar noch kräftiger. Der Anhydrit geht mithin durch Glühen ebenfalls in die hydraulische Modification des schwefelsauren Kalkes über. Das Product der Erhärtung der hydraulischen Modification ist ungleich dichter, fester und schwerer als gewöhnlicher Gypsguß. Zerreibt man hydraulisch erhärteten Gyps und entwässert ihn bei 150° C., so gesteht er mit Wasser in wenigen Minuten zu einer weit loseren und leichteren Masse; er verhält sich wie gewöhnlicher nicht hydraulischer Gyps. Die Menge des Wassers welche er nach dem Behandeln bei 150° bindet, ist zwar etwas geringer befunden als die Theorie verlangt (2 Atome), aber es erklärt sich dieß sehr natürlich aus dem Umstande, daß sich bei der hydraulischen Erhärtung immer ein Theil der Wirkung des Wassers entzieht und erst nach dem Zerreiben beim zweiten Anmachen zur Thätigkeit gelangt. Die vorstehenden Beobachtungen in ihrer Gesammtheit lassen sich in folgende Thatsachen zusammenfassen: 1) Was man bisher „todtgebrannten“ Gyps nannte, ist nur scheintodter Gyps, der nach einiger Zeit zu neuem Leben erwacht. Insofern dieses Leben nicht nach wenigen Minuten, sondern erst nach längerer Zeit sich bemerklich macht und man keinen Anlaß hatte die Beobachtung seines Verhaltens zum Wasser ein bis zwei Tage fortzusetzen, hielt man alles Leben für erloschen. Eine auf die Dauer gegen Wasser indifferente Modification des Gypses existirt nicht. 2) Bei dem Erhitzen des Gypses über den Punkt hinaus, bei welchem er sein Wasser vollständig abgibt, beginnt eine Sinterung desselben; in Folge der Sinterung nimmt er eine größere Dichte und damit einen Zustand an, in welchem der Gyps als Pulver weniger Raum einnimmt, in einen gegebenen Raum sich dichter und weniger sperrig einlegt als ungeglühter Gyps. Hand in Hand mit dieser vollkommeneren Raumerfüllung geht eine zunehmende Trägheit in der Aufnahme des Hydratwassers. Beide Erscheinungen steigern sich mit wachsender Temperatur beim Glühen, bis der Gyps bei 400 bis 500° C. in eine hydraulische Modification übergeht. 3) Die hydraulische Modification des Gypses bindet das Wasser in geringerer Menge, ungleich langsamer, erst im Verlauf von Wochen, sehr stetig, unter ungleich stärkerer Erhärtung, während das Erhärtungsproduct größere Dichte, größere Schwere als gewöhnlicher Gypsguß und ein anderes mehr alabasterartiges Ansehen annimmt. 4) Nach dem Erhärten verhält sich der hydraulische Gyps (soweit er überhaupt zur Aufnahme von Wasser gelangt), nach dem Entwässern bei 150° C. wie gewöhnlicher Gyps. 5) Von dem Gyps, oder bestimmter ausgedrückt vom schwefelsauren Kalk sind nunmehr nacheinander folgende Zustände zu unterscheiden:Man vergleiche: Zeidler, über die Entwässerung des Gypses, in diesem Journal Bd. CLXXX S. 471. Er findet die Temperatur bei welcher der Gyps aufhört rasch zu erstarren, etwas niedriger (200 bis 240° C.) als in obigen Versuchen (gegen 300° C.). Er arbeitete mit geringeren Mengen, etwas über 1 Grm., wobei die Temperatur gleichmäßiger auf alle Theile einwirkt. a) krystallisirter wasserhaltiger (wie der natürliche Gyps) mit 20,93 Proc. Hydratwasser; b) dreiviertel-entwässert (wie der Gyps der Bildgießer) mit 4,27 Proc. Hydratwasser; mit Wasser rasch erstarrend; c) völlig, aber bei höchstens 200° C. entwässert; mit Wasser ebenfalls rasch erstarrend; d) Anhydrit, das Wasser langsam erst nach längerer Zeit aufnehmend, aber nicht hydraulisch; e) bei 400 bis 500° C., bez. Rothgluth, gebrannter Gyps oder Anhydrit, das Wasser ebenfalls langsam aufnehmend, aber hydraulisch erhärtend. Allgemein kann man sagen, sobald der schwefelsaure Kalk aus irgend einem Anlaß in einen dichteren Zustand übergeht, wird er zugleich träge in der Aufnahme des Hydratwassers: bei niedriger Temperatur entwässerter Gyps (spec. Gew. 2,927 nach Karsten) bedarf dazu nur einiger Minuten; natürlicher Anhydrit (spec. Gew. 2,960 nach Royer und Dumas) etwa 18 Stunden. Die Ursachen der größeren Dichte des Anhydrits (Krystallisation aus concentrirten Chlornatriumlösungen u.s.w.) reichen zu einer starken Verzögerung der Wasseraufnahme, aber sie reichen noch nicht zu, ihn hydraulisch zu machen. Dazu genügt erst scharfes Glühen des Gypses oder Anhydrits, wobei er eine Dichte von 3,195 erreicht. Vergleicht man damit die hydraulischen Gemische von Gyps mit Aetzkalk, so springt der Werth derselben, d.h. der Beimischung von Kalk zum Gyps sogleich in die Augen. Die Dichte des gebrannten Kalkes ist schon an sich viel größer als die des gebrannten Gypses; das Gemisch von gleichen Atomen beider Körper erwies schon vor dem Glühen demgemäß ein spec. Gew. von 3,135; durch Schmelzen steigerte es sich auf eine Höhe von 3,317, welche durch bloßen Gyps nicht zu erreichen ist. Der Kalk leistet in dem Scott'schen CementMit dem hier gemeinten und in der Eingangs angezogenen Abhandlung (im ersten Octoberheft dieses Journals S. 52) untersuchten Scott'schen Cement ist eine neuere Erfindung desselben Autors nicht zu verwechseln, welche er selenitic mortar nennt. Er macht den gebrannten Kalk mit Wasser an, welchem er vorher etwas Schwefelsäure oder Gyps (5 Proc. dieses letzteren vom Kalk) zusetzt. Der Kalk soll sich alsdann nicht löschen, aber sein 5- bis 6faches Gewicht Sand vertragen und damit rasch und gut erhärten (Chemical News vom 29. September 1871). – Der Zusatz von schwefelsauren Salzen, heißt es an einem anderen Ort (Scientific American vom 26. August 1871) prevents the lime from slacking, which effect is the secret of the whole process.“ den wesentlichen Dienst eines Verdichtungsmittels für den Gyps, indem er es möglich macht, die Zusammensinterung bis zum wirklichen Fluß und damit das specifische Gewicht der Masse auf den Höhepunkt zu treiben. Der Scott'sche Cement beruht auf dem Zufall, daß ein Gemenge mit Kalk leichtflüssiger ist als der höchstens vor dem Löthrohr schmelzbare Gyps. Die Rolle des Kalkes in diesem Cement tritt noch bestimmter in der Thatsache hervor, daß für sich geglühter, hydraulisch gebrannter Gyps, wenn man ihm den gebrannten Kalk erst nachträglich beim Anmachen zusetzt, sich nur verschlechtert nicht verbessert. Allerdings wirkt der Kalkzusatz auch nach einer ungünstigen Seite, denn Gemische mit Kalk binden im Allgemeinen weit mehr Wasser als der hydraulische Gyps für sich. In der That steigt die Menge des gebundenen Hydratwassers mit steigendem Kalkzusatz, bis zu dem Verhältniß gleicher Atome, wo sie den Höhepunkt erreicht. Gemische von 100 Gew.-Theil. wasserleerem Gyps mit: I. II. III. IV.   V. 5 10 25 35,2 41,2 G. Th. Aetzkalk banden 14,2 17,1 19,0 24,1 41,2 Proc. Wasser. Je größer der Betrag an Wasser welches eine gegebene Mischung bindet, um so mehr neigt sie zum Treiben. Wenn auch bei Gemischen wie Nr. V (gleiche Atome) die Eigenschaften für das wissenschaftliche Studium am bestimmtesten ausgesprochen sind, so dürften doch Mischungen wie Nr. I bis III praktische Vorzüge haben, indem sie bei immer noch sehr hervorragenden hydraulischen Eigenschaften nur den dritten Theil, oder halb so viel Wasser binden Rein mechanisch kann übrigens die Wirkung des Kalkes nicht seyn; eine solche würde zwar noch zulassen, daß die Gemische weniger (1 bis IV incl.) Wasser, nicht aber daß sie mehr Wasser aufnehmen, als die Bestandtheile einzeln thun würden (Nr. V). Eine chemische Wirkung muß also wohl vorhanden seyn. Die Wahrheit, daß es neben dem gewöhnlichen schnell gestehenden Gyps noch einen langsam erhärtenden mit hydraulischen Eigenschaften gibt, ist im praktischen Leben nichts Neues, wenn auch nicht klar und bestimmt bewußt. Wenn man das Brennen der geringeren Gypssorten in Oefen ansieht und zwar in Oefen bei denen Feuer und Flamme durch die aufgestapelten Gypsstücke hindurch geht, so muß man sich wundern daß man so wenig bei den Verbrauchern über „todtgebrannten“ Gyps klagen hört. Eben dieser stark und bei hoher Temperatur gebrannte Gyps ist zu einem sehr brauchbaren Baumaterial geworden, welches eine viel größere Festigkeit annimmt und auch in feuchten Lagen als guter hydraulischer Mörtel gebraucht werden kann und von jeher gebraucht wurde. In Gegenden wo der Gyps heimisch und billig ist, findet man Gypsmörtel von trefflicher Qualität in den Fundamenten der Bauten; ich erinnere in dieser Beziehung an die Ruinen des Klosters Walkenried am Harze u.s.w. Von einer Anwendung dürfte hydraulischer Gypsmörtel immer auszuschließen seyn, nämlich von der Anwendung im offenen Wasser. In diesem Fall würde die zu große Löslichkeit des schwefelsauren Kalkes sich geltend machen und auf die Dauer schaden. Was die Löslichkeit des in der Glühhitze gebrannten Gypses anbelangt, so haben besondere in dieser Hinsicht angestellte Versuche ergeben, daß sich solcher Gyps zwar in gleicher Menge, aber doch ungleich langsamer in Wasser löst als ungebrannter Gyps. Im Platintiegel auf dem Gasgebläse in der Rothgluth gebranntes Marienglas, fein zerrieben und mit großem Wasser-Ueberschuß zu einer dünnen Milch angerührt, blieb drei Wochen unter stetigem Aufschütteln stehen, so daß das aufgeschwemmte Pulver nicht zusammenbacken konnte. In drei Zeitabschnitten ergaben Proben der klar abgezogenen Flüssigkeit folgende Verhältnisse des gelösten Salzes in Wasser: 1 Grm. wasserfreier schwefelsaurer Kalk war gelöst nach   4 Tagen in 693 Grm. Wasser   8 460   „ 24 409   „ Offenbar ist diese selbst unter äußerst begünstigenden Umständen ungemein verlangsamte Löslichkeit des glühend gebrannten schwefelsauren Kalkes nur ein Spiegelbild seiner größeren Dichte. –––––––––– Es dürfte von großem Interesse seyn, in Portlandcementfabriken Versuche über den Einfluß der Zerkleinerung auf die Wirksamkeit des Cementes durchzuführen, also über den zweckmäßigsten Grad der Zerkleinerung, über die Mischung von feinerem und gröberem Korn, namentlich auch darüber ob der sandgrobe Theil des käuflichen Cementes nicht unbeschadet der Güte durch bloßen Sand zu ersetzen ist, insofern dieser grobe Theil keine nennenswerthe hydraulische Thätigkeit entwickelt, sich also so ziemlich wie eine Beimischung von Sand verhält. Es sind dieß Fragen, welche die Gestehungskosten, bez. den Proceß sehr nahe berühren Natürlich wäre zugleich in's Auge zu fassen, ob eine weiter getriebene Zerkleinerung als die übliche dem Cement keine zu große Neigung zum Treiben gibt und ob diese Neigung eventuell durch einen bestimmten Zusatz von Sand wieder aufgehoben werden kann.