Titel: Mittheilungen aus dem chemisch-technischen Laboratorium des Carolinum zu Braunschweig.
Autor: Fr. Knapp
Fundstelle: Band 202, Jahrgang 1871, Nr. CXIX., S. 513
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CXIX. Mittheilungen aus dem chemisch-technischen Laboratorium des Carolinum zu Braunschweig. Beobachtungen und Betrachtungen über das Wesen der Hydraulicität der Mörtel und mörtelartigen Erzeugnisse; von Dr. Fr. Knapp. Knapp, über das Wesen der Hydraulicität der Mörtel und der mörtelartigen Erzeugnisse. Das ausgedehnte Studium, wie es Wissenschaft und Praxis fast vierzig Jahre lang den sogen. „Wassermörteln“ zugewendet, hat eine ganze Reihe von Materialien kennen gelehrt, welche durch die gemeinsame Eigenschaft der „Hydraulicität“ sich zu einer größeren Gruppe zusammenschließen. Unter jener Eigenschaft der Hydraulicität versteht man bekanntlich die Fähigkeit der betreffenden Stoffe, in Form von Mehl mit Wasser angemacht allmählich zu einer steinartigen Masse zu erstarren, deren Härte die des Luftmörtels übertrifft, also kurz gesagt die Fähigkeit mit Wasser zu versteinern. Die bis jetzt zur Kenntniß gekommenen Glieder dieser Gruppe sind: die natürlichen hydraulischen Kalke; der Roman Cement an der Spitze; der Portlandcement und die verwandten Kunstproducte, die Mörtel aus Traß, Santorin, Puzzolane; dann der Scott'sche Cement, die Kalk-Aluminate, endlich der glühend gebrannte Gyps und die gebrannte Magnesia. Mit der Erstarrung und Versteinerung dieser Stoffe geht in allen Fällen ohne Ausnahme eine bestimmte Erscheinung Hand in Hand, nämlich die chemische Bindung von Wasser, die Bildung von Hydraten. Folgerichtig setzt die Möglichkeit der Versteinerung auch einen Körper, eine Verbindung voraus, welche die Fähigkeit besitzt, sich mit dem Wasser chemisch zu vereinigen und zwar in der für die Versteinerung geeigneten Weise. In einigen Fällen constituirt sich jener wasserbindende Körper erst unter dem Einfluß des die Erhärtung vermittelnden Wassers; dahin gehören die praktisch wichtigsten Wassermörtel, die hydraulischen Kalke mit dem Romancement, die Portlandcemente und die Mörtel mit Traß etc. Bei allen diesen entsteht unter dem Einfluß des zugesetzten Wassers durch Umsetzung des chemischen Bestandes ein Silicat aus den verschiedenen vorhandenen Basen (Kalk in erster, Thonerde etc. in zweiter Linie), welches im Augenblick seiner Entstehung Wasser chemisch bindet. In anderen Fällen ist eine zur Aufnahme von Hydratwasser befähigte Verbindung fertig vorhanden, welche sich bei der Erhärtung einfach in Hydrat verwandelt. Allerdings ist für die steinige Erhärtung der genannten Materialien und ihren praktischen Werth, neben der Bindung des Wassers auch die Aufnahme voll Kohlensäure (Bildung von kohlensaurem Kalk) ein hochwichtiges Moment, allein sie ist nur eine ganz secundäre Erscheinung insofern die Erhärtung auch bei völligem Abschluß der Kohlensäure stattfindet. Es kann also davon, sofern es sich zunächst um das Wesen der eigentlichen Hydraulicität handelt, einstweilen Umgang genommen werden. Ueber die als charakteristisch für alle Fälle bezeichnete Thatsache – daß nämlich mit der Erhärtung stets eine Bindung von Hydratwasser einhergeht – besteht wohl voll keiner Seite ein Zweifel; sie ist das unwiderlegliche Ergebniß der chemischen Analyse. Eben diese Thatsache ist aber auch nur eines der Schlußergebnisse des Processes; ein anderes ist sein innerer erlauf, der in seinen Einzelheiten eine Anzahl von Bedingungen einschließt, von denen jenes Endergebniß, also auch der Erfolg bei der praktischen Anwendung abhängt. Jener innere Verlauf des Processes mit den den Erfolg bedingenden Erscheinungen, ist trotz der ausgedehnten speculativen und experimentellen Discussion noch immer nicht zur klaren und abschließenden Erkenntniß gebracht. Auch in diesem negativen Punkte ist man ziemlich übereinstimmender Ansicht. Das aufmerksame Studium der Literatur drängt in der That zur Ueberzeugung, daß man hier mit einem Fehler der Methode zu thun hat, einem Fehler der sich nach zwei verschiedenen Richtungen geltend macht. 1) Man hat die hydraulische Eigenschaft zuerst und vorzugsweise an den allerschwierigsten und verwickeltsten Fällen – den hydraulischen Silicaten – anstatt an den einfacheren, namentlich chemisch leichter zugänglichen Fällen studirt. Es lag dieß übrigens großentheils in der Art, wie die einzelnen Vertreter der hydraulischen Gruppe in der Zeit aufkamen. 2) Man hat den chemischen Proceß bei der Erhärtung von dem mechanischen Proceß nicht gehörig unterschieden, ja beide in der Regel stillschweigend und ohne Weiteres identificirt, gegen alle Regeln der Logik. Der letzte Punkt, der Unterschied des chemischen und mechanischen Processes bedarf einiger Erläuterung. Damit, daß ein Körper oder ein Gemenge Hydratwasser bindet, folgt noch keineswegs, daß sein Pulver Zusammenhang gewinnt oder eine bestimmte Härte annimmt. Wir kennen im Gegentheil Körper wie den gebrannten Kalk, welche bei der Aufnahme von Wasser den Zusammenhang verlieren und zum zartesten Mehl oder Schlamm auseinander gehen. Der chemische Proceß der Bindung von Wasser geht der steinartigen Erhärtung immer voraus, aber die steinige Erhärtung ist keineswegs immer und in allen Fällen Folge der Bindung von Wasser. Nur wenn bei diesem chemischen Proceß zugleich die mechanische Lagerung und Anordnung der Theilchen so ausfällt, daß sie mit hinreichender Kraft aneinander haften können, wird die Versteinerung möglich seyn. Der chemische Proceß welcher beim Zusammenbringen der hydraulischen Stoffe sich bethätigt, ist nur die Gelegenheit, der damit eventuell eintretende mechanische Proceß die wahre und unmittelbare Ursache der Erhärtung; jener ist der Postwagen, dieser die Correspondenz welche er befördert, Beides höchst verschiedene Dinge. Oder, wenn man lieber will, der chemische Proceß ist die Verdauung, der mechanische die Assimilation. Eine erschöpfende Erklärung des Vorganges müßte nicht bloß darthun warum die hydraulischen Stoffe erhärten, sondern auch nachweisen, warum andere Körper unter demselben chemischen Proceß der Wasseraufnahme nicht erhärten, warum sie nur losen Zusammenhang gewinnen wie der Gyps, oder gar auseinandergehen in die äußerste Zertheilung, wie der gebrannte Kalk. Die im Folgenden niedergelegten Beobachtungen und Betrachtungen sind dazu bestimmt, einen Beitrag zum Verständniß der Hydraulicität von obigem Gesichtspunkt aus zu liefern.Bei der Ausführung der zu diesem Zwecke angestellten Versuche bin ich Herrn Fr. Schott für seine thätige Mitwirkung verpflichtet. Die Mehrzahl dieser Versuche ist schon in seinen eigenen Untersuchungen veröffentlicht. Denkt man sich, wie dieß beim Anmachen hydraulischer Mörtel der Fall ist, eine Anzahl Körnchen des Pulvers in unmittelbarer Berührung nebeneinander liegend, so werden sie auch beim Uebergang in Hydrat, also indem sie in einen Körper übergehen, ein einziges Stück bilden und an der Berührungsstelle zusammenhaften. Dieses Zusammenhaften wird vereitelt, wenn die Körnchen von Anfang an zu weit auseinanderliegen (Verschwommen in Ueberschuß von Wasser). Der Zusammenhang wird locker ausfallen, wenn die Körnchen durch mangelhafte Berührung an zu wenig Punkten zusammenwachsen. Der Zusammenhang wird den Höhepunkt erreichen, wenn die Körnchen zur Zeit der Hydratbildung möglichst dicht aneinanderliegen und sich an möglichst vielen Punkten berühren. Damit ist nur der Zusammenhang d.h. das Erstarren des mit Wasser angemachten Mörtelpulvers gegeben, aber keineswegs der Grad der Härte den es erlangt. Dieser hängt ab, zunächst von der Härte und Festigkeit des unter dem Einfluß des Wassers gebildeten Hydrates; sodann von der mehr oder weniger vollständigen Verschmelzung der einzelnen Körnchen, also von der mehr oder weniger vollständigen Berührung derselben zur Zeit der Hydratisation, von der Raumerfüllung des Pulvers oder der Gewichtsmenge in gegebenem Volum. Auf der anderen Seite kann der Fall eintreten, daß der Zusammenhang durch secundäre Ursachen gestört wird, welche die Theilchen von einander entfernen. Solche Störungen können gleich im ersten Anfang der Hydratisation eintreten, so daß gar kein Zusammenhang stattfindet; oder sie treten erst in einer späteren Epoche ein und heben den bereits gewonnenen Zusammenhang und Härte nachträglich wieder auf (das „Treiben“). Endlich übt die Krystallisation als bindende Kraft ihren Einfluß. Indem das Wasser hier Stoffe auflöst und dort absetzt, wozu die Mitwirkung der Verdunstung gar nicht nothwendig ist, verkittet es die Theilchen der hydraulischen Masse. Ein Ausfluß dieser verschiedenen Eventualitäten sind nun die empirischen Bedingungen, welche sich bei der Versteinerung hydraulischer Massen geltend machen, deren Aufzählung hier zunächst folgen mag: Der Grad der Zertheilung, das Korn, ist an sich allein, wie auch der hydraulische Körper beschaffen seyn mag, ein ganz und gar entscheidendes Moment. – Portlandcement in Sandform, wie man ihn beim AbschlämmenMan vergl. Schott's Studien über den Portlandcement, im vorhergehenden Heft dieses Journals, S. 434. erhält, gewinnt mit Wasser angemacht, nur matten losen Zusammenhang und diesen erst nach mehreren Monaten, er ist in diesem Zustand ein ganz unbrauchbarer Mörtel. Derselbe Sand, mehlfein zerrieben, entwickelt seine volle Kraft und erhärtet steinfest in wenigen Tagen. Dieselbe Erfahrung liegt auch bei anderen Cementen vor. Offenbar ist die Anzahl der Berührungspunkte bei dem groben Korn zu klein, der Stellen an welchen die Verkittung stattfindet, sind zu wenige. Zu gleicher Zeit ist der chemische Proceß der Bildung von gewässertem Silicat oder von Hydrat, indem er nicht in das Innere der groben Körner vordringen kann, zu beschränkt. Die hydraulische Kraft eines solchen Mörtels kann nicht zur eigentlichen Entfaltung kommen. Eine zweite Bedingung der Erhärtung ist die Raumerfüllung des gepulverten Materiales. Je sperriger sich die Theilchen lagern, um so geringer, und je dichter sie sich lagern, um so größer fällt die Härte aus. Schon Pettenkofer Dieses Journal, 1849, Bd. CXIII S. 367. hat dieß in überzeugender Weise für den Portlandcement gegenüber dem gewöhnlichen hydraulischen Kalke dargethan. Ein und dasselbe Gefäß faßte 9 Gew. Th. Portlandcement und nur 5 Gew. Th. hydraulischen Kalk, beide durch das gleiche Sieb geschlagen. Unter gleichen Umständen bietet also der Portlandcement ungleich mehr Berührungs- und Verkittungspunkte, als der (deutsche) hydraulische Kalk. Aus demselben Grunde ist der Hitzegrad beim Brennen von großem Einfluß. Schwächer gebrannter Portlandcement nimmt geringere Härte an unter gleichen Umständen, als der regelrecht bis zur Sinterung der Masse gebrannte. Das Pulver der letzteren lagert sich dichter. Es gehört zu den Vorzügen des Portlandcementes, daß er unbeschadet seiner chemischen Qualität bis zur Sinterung gebrannt werden kann, was die natürlichen hydraulischen Kalke nicht gestatten. Nicht minder ist die Menge des Wassers von Einfluß, mit welchem ein hydraulischer Mörtel angemacht wird. Es handelt sich hierbei nicht bloß um Ueberfluthen und Zerschwemmen, oder etwa bloß karger Befeuchtung an Stelle des Anmachens, sondern auch um das Verhältniß von Wasser innerhalb der praktisch zulässigen Mengen. Scott'scher Cement (10 Grm.) mit 2,5 K. C. Wasser angemacht, erhärtete vollkommen gut, mit 4 K. C. Wasser sehr mittelmäßig und mit 6 K. C. Wasser angemacht ganz schlecht, obwohl alle drei Proben von derselben Darstellung und von demselben Korn waren. Für den Portlandcement hat Michaelis mit Recht betont, den Wasserzusatz möglichst einzuschränken. Die Entwicklung von Wärme beim Anmachen hydraulischer Mörtel ist kein Maaß ihrer Erhärtungsfähigkeit; diese ist im Gegentheil in der Regel um so höher, je weniger Wärme auftritt. Gewöhnlicher gebrannter Kalk, welcher sich mit Wasser bis zum Sieden des letzteren und darüber erhitzt, zerfällt in Mehl oder Schlamm, als Gegentheil aller Bindung. Gewöhnlicher Gyps erwärmt sich sehr fühlbar, glühend gebrannter Gyps gar nicht; jener gewinnt nur Zusammenhang ohne besondere Härte, dieser Zusammenhang und Härte. Hydraulische Kalke erwärmen sich mit Wasser, nehmen aber bedeutend geringere Härte an, als der Portlandcement welcher sich nicht fühlbar erwärmt. Alle hydraulischen Stoffe binden das Wasser nur sehr langsam und allmählich; nicht bloß die chemische Bindung des Wassers ist eine Bedingung der Erhärtung, sondern eben so sehr die langsame und allmähliche Bindung, d.h. eine mäßige Affinität zum Wasser. Umgekehrt schließt starke Affinität zum Wasser, hydraulische Eigenschaften aus. Die hydraulische Erhärtung ist bei einem und demselben Material keineswegs proportional der Menge des chemisch gebundenen Wassers; der höchste Grad der Erhärtung setzt keineswegs voraus, daß der ganze Betrag von Wasser aufgenommen sey, welches das Material chemisch zu binden vermag. Die meisten am besten erhärteten Cemente enthalten weniger Hydratwasser, als sie zu binden vermögen. Diejenigen hydraulischen Materialien, welche die größte Menge Hydratwasser binden, sind darum durchaus nicht die besten; im Gegentheil, die weniger Hydratwasser bindenden, sind in der Regel im Punkte der Erhärtung überlegen. Beschränkung der Bindung von Hydratwasser auf einen gewissen Betrag auf mechanischem Wege von außen, befördert die Erhärtung in einem auffallenden Grade, namentlich bei denjenigen Körpern welche besonders große Mengen von Wasser zu binden vermögen. Die vier zuletzt aufgeführten Momente, nämlich: die langsame Bindung des Wassers, die mehr oder weniger unvollständige Bindung des Wassers; die Menge des Hydratwassers welches die einzelnen hydraulischen Stoffe ihrer chemischen Natur nach zu binden vermögen; die Beschränkung der Menge des aufzunehmenden Wassers durch äußere Mittel; – alle diese Momente finden durch folgende Beobachtungen nähere Bestätigung. Dichte, durch Glühen von Chlormagnesium gewonnene wasserfreie Bittererde nimmt das Wasser ohne Erwärmung und sehr langsam auf, verwandelt sich aber dabei in eine steinige Masse, deren Härte mindestens derjenigen des Marmors gleichkommt, während die leichte lockere Bittererde (aus wasserhaltigem kohlensaurem Salz dargestellt) das Wasser rasch bindet und lediglich eine lockere talkartige Masse bildet. – Der Portlandcement zeichnet sich ganz besonders aus durch die ungemein langsame Bindung des Wassers, ein Umstand der ohne Zweifel seine vorzüglichen Eigenschaften wesentlich mitbegründet. Eine Probe, welche nach dem Abbinden 6 Monate in Wasser gelegt, gegen 21 Proc. davon gebunden hatte, nahm als Schlamm in Wasser zertheilt, also unter Ausschluß aller mechanischen Hindernisse, in 8 Tagen nur etwas über 14 Proc. auf. – Wenn man im Wasser erhärteten Portlandcement einfach im Mörser zerreibt und das mehlfeine Pulver mit Wasser anmacht wie frischen Cement, so bindet er auf's Neue ab; er nimmt einige, jedoch nicht mehr die vorherige Härte an. Offenbar werden durch das Zerreiben Theile bloßgelegt, welche vorher nicht gehörig mit Wasser in Berührung kamen, daher kein Wasser aufnehmen könnten, aber nunmehr nach vollzogener Umlegung der Theile dazu gelangen. Selbst gegossene Tafeln von Portlandcement, welche 3 Monate lang in festverschlossenen Gläsern unter Wasser lagen, zogen kräftig an nach Verlauf von 15 bis 30 Minuten, und liehen sich gießen wie frischer Cement, aber ohne dessen Härte zu gewinnen. Die Menge Wasser, welche Portlandcement zu binden vermag, ist gar nicht festzustellen, weil sie bei der gewöhnlichen einmaligen Erhärtung gar nicht zum Abschluß kommt; Feichtinger fand sie zu 10,3 Proc.; Michaelis nimmt sie zu 16 Proc. im Durchschnitt an; Schott kam in den oben erwähnten Versuchen auf nahe 21 Procent. Mangel an Wasser ist auf keinen Fall die Ursache, denn der angemachte Portlandcement schließt beim Gestehen eine Wassermenge ein, welche jedenfalls ein Vielfaches von derjenigen ist, die möglicher Weise chemisch gebunden werden kann. Weit mehr ist wohl die mangelhafte Beweglichkeit des Wassers in dem Erstarrungsproduct im Spiel, ganz besonders, wenn zu gleicher Zeit Aufnahme von Kohlensäure stattfindet. Das Wasser, in den Poren festgehalten, sättigt sich mit den Ausscheidungen aus dem Cement (Kalk etc.) und wird dadurch unwirksam. Oder die einzelnen namentlich gröberen Körner überziehen sich mit einer Hülle von Hydrat, welche den Zugang des Wassers nach dem Inneren absperrt. Wie dem auch seyn mag, die ungemein langsame und der Menge nach beschränkte Aufnahme von Wasser durch den Portlandcement gehört zu den entschiedenen Vorzügen dieses unschätzbaren Materiales; diese Eigenschaft ist es, welcher er seine so geringe Neigung zum Treiben verdankt. Das Streben dazu wird natürlich immer vorhanden seyn, insofern das spec. Gewicht des Portlandcementes (3,2) erheblich größer ist, als das des erhärteten mit Wasser verbundenen Productes (2,7); es findet mithin bei der Bindung des Wassers eine Ausdehnung von 100 auf etwa 118 statt. Diese Ausdehnung ist verhältnißmäßig noch mäßig; sie erstreckt sich ferner nicht auf die ganze Masse, sondern nur auf denjenigen Theil welcher eben Gelegenheit findet Wasser zu binden. So geschieht es, daß diese Ausdehnung in den Zwischenräumen zwischen den Pulvertheilchen noch hinreichend Raum findet und nicht genöthigt ist, die Theilchen auseinander zu rücken. Sie ist dazu um so weniger gezwungen, als das entstehende Hydrat bei seiner langsamen und allmählichen Bildung zugleich Zeit findet sich in diese Zwischenräume einzufügen. Dazu kommt selbstverständlich, das; das Hydrat als ein sehr fester Körper, mit seiner zunehmenden Entwickelung und zunehmender Verkittung der Theilchen, diese zu einem wachsenden Widerstand befähigt. Die Dinge halten sich also bei der Erhärtung des Portlandcements von selbst das Gleichgewicht. Weit weniger günstig liegen diese Verhältnisse bei dem Scott'schen Cement. Zunächst bindet dieser (aus gleichen Atomen Gyps und Kalk geschmolzen) eine ungleich größere und zwar ziemlich die doppelte Menge Wasser (über 41 Proc.), während seine Dichte von 3,32 mit der Aufnahme desselben auf 1,67 sinkt. Er dehnt sich bei dem Uebergang in Hydrat demnach von 100 auf 198, also fast auf das doppelte Volum aus. Die Aufnahme voll Wasser ist außerdem mit größerer Energie verbunden, erheblich rascher als bei dem Portlandcement. Daher die große Neigung des Scott'schen Cementes zum Treiben. Diesen nachtheiligen Eigenschaften stehen gegenüber als günstige, daß der Scott'sche Cement sich ebensowenig mit Wasser erwärmt, als der Portland; dann daß er im Glühen eine beträchtliche Dichte annimmt, ja unter Umständen (günstigem Mischungsverhältniß) darin den Portlandcement übertrifft. Scott'scher Cement aus gleichen Atomen Gyps und Kalk besitzt nämlich geschmolzen ein spec. Gewicht von 3,317. Die große Neigung des Scott'schen Cementes zum Treiben, wird durch mancherlei Umstände gemildert und gänzlich aufgehoben, was für seine praktische Anwendung ebenso wichtig, als für das Wesen der Hydraulicität belehrend ist. Ein und dasselbe Material derselben Darstellung in zwei Graden der Zerkleinerung, sandgrob und mehlfein, verhielt sich bei sonst gänzlich gleicher Behandlung und nach dem Abbinden 1 Monat in Wasser gelegt, gänzlich verschieden: die sandgrobe Probe war stark und tadellos erhärtet, hatte ihre Größenverhältnisse nicht oder kaum meßbar verändert; die mehlfeine war noch zusammenhängend, aber ganz erweicht und hatte um 4/7 an Länge zugenommen. Außerdem betrug bei der das chemisch gebundene das spec. Gewicht Wasser ohne Poren mit Poren landgroben Probe   24,1 Proc. 2,899 2,089 mehlfeinen Probe 41,16   „ 1,675 0,681 Sonach fand die chemische Bindung von Wasser in dem groben Korn eine wohlthätige Beschränkung, bei welcher die festeste Verkittung ohne gewaltsame Verrückung der Theilchen der Substanz eintritt. Bei dem mehlfeinen Theil hat diese Art Verschiebung der Theilchen jedoch, vermöge der zu weit gediehenen Aufnahme von Wasser stattgefunden, aber nicht gleich anfangs, sondern erst in einer späteren Periode, in welcher die Aufnahme des Wassers über das Maaß des vom sandgroben Theil gebundenen Antheiles zum Abschluß kam. Denn eine gleichnamige Probe, drei Tage nach dem Einlegen in Wasser herausgenommen, hatte 19,48 Procent gebunden und erschien vollkommen hart, fest und ohne Quellung, ganz wie die sandgrobe nach einem Monat. Derselbe Act der chemischen Bindung von Wasser wirkt also bei diesen Versuchen, nach Maaßgabe der Umstände ebensowohl bindend als erweichend, ebensowohl aufbauend als zerstörend. Bei dem groben Korn blieb das Innere der einzelnen Körner von Hydratbildung ausgeschlossen, die Hydratbildung auf das der Erhärtung günstige Maaß eingeschränkt; bei dem mehlfeinen Cement betheiligte sich die ganze Masse an der Hydratbildung, jenes Maaß wurde weit überschritten und es erfolgte Treiben. Der Einfluß des gröberen oder feineren Kornes spiegelt sich deutlich in der äußerst verschiedenen Raumerfüllung. Geschmolzener Scott'scher Cement füllte als Sand ein Glas nur zur Hälfte; nach dem Zerreiben derselben Portion zu mehlfeinem Pulver, füllte sie fest eingestampft das ganze Glas vollständig aus und es blieb noch ein Rest. In gleichem Sinn ist aber auch das Verhältniß des Wassers zum Scott'schen Cement beim Anmachen von Einfluß, nur hat dieser Einfluß ungleich geringere Tragweite. Dasselbe Material wie bei den so eben besprochenen Versuchen – nur diesesmal zu mittelfeinem Korn abgerieben – erhärtete mit 2,5 K. C. Wasser auf 10 Grm. Cement vollkommen gut, mit 6 K. C. Wasser schwach. Bei der sandgrob gepulverten Probe machte dieselbe Verschiedenheit im Wasserzusatz keinen Unterschied. Grobes Korn setzt sich auch bei mehr Wasser dichter zusammen in der Ruhe als feines Korn, wo die Theilchen zu weit von einander entfernt bleiben. Der Druck beim Treiben ist leicht zu veranschaulichen; als man mehlfeinen Scott'schen Cement, mit Wasser zu einem steifen Brei angemacht, in eine Glasröhre (6 Millimet. lichte Weite bei 1 Millimet. Wandstärke) einfüllte und nach 18 Stunden Abbindezeit in Wasser versenkte, spaltete sich die Röhre nach 4 Tagen in sehr regelmäßige Längsstreifen von 2 bis 6 Millim. Breite; ein Beweis von einem sehr gleichförmigen Druck von der Achse der Röhre nach der Peripherie. Bei demselben Versuch mit sandgrobem Cement entstand nicht der geringste Riß, selbst in 14 Tagen nicht. Das Reißen der Röhre mit dem mehlfeinen Cement war, wie gesagt, am vierten Tag, also einen Tag nach dem Eintreten der höchsten Härte, und mit den ersten Anfängen der Volumzunahme eingetreten. Der Cement war in der That noch keineswegs erweicht, das Treiben hatte noch nicht begonnen; er bildete ein sehr zierlich geformtes, namentlich von den Enden nach der Mitte äußerst hartes Stängelchen von glänzender glatter Oberfläche. Eine Probe desselben mehlfeinen Scott'schen Cementes, als schwach angefeuchtetes Pulver in einen starken messingenen Ring geschlagen, wurde am anderen Tag 6 Wochen lang in Wasser gelegt. Sie war nach dieser Zeit in eine äußerst feste, harte, schwerer aus dem Ring zu treibende Masse verwandelt; ihr spec. Gewicht betrug 3,048, war mithin von dem des Cementes vor dem Einbringen in Wasser weniger verschieden als bei irgend einer anderen Art der Erhärtung; das chemisch gebundene Wasser betrug in zwei Versuchen 16,5 und 16,7 Proc., also etwas über 1/3 des vollen Betrages. Hier ist der Widerstand des Ringes, welcher nicht wie die Glasröhre sprang, aber keineswegs das vorausgegangene Verdichten des feuchten Mehles durch Schlagen, die Ursache des günstigen Erfolges; denn eine ganz gleichnamige Probe, nach dem Schlagen aus dem Ring herausgeschoben und in Wasser gelegt, begann nach vier Tagen, wo sie sehr hart geworden, alsbald zu treiben und zu erweichen. Der Ring, obwohl unten und oben offen, war doch hinreichend das Treiben zu verhindern und damit die Wasseraufnahme selbst wochenlang zu beschränken. Da wo die Proben an der Messingwand anlagen, zeigten sie sich immer härter als an den freiliegenden Flächen. Man begreift, daß der Scott'sche Cement durch bloßes Feuchthalten, statt Versenken in Wasser, ungleich besser erhärtet. Ganz so wie der Scott'sche Cement verhält sich durch starkes Erhitzen hydraulisch gemachter Gyps. Er erhärtete in der Glasröhre mit Politur und sprengte sie ohne zu treiben; ebenso in der Messingröhre waren die voll der Wand gebildeten Flächen sehr hart, nur die freistehenden Flächen weniger. Nach den: Abbinden nur feucht erhalten, erhärtet er stärker als in Wasser versenkt, verhält sich ganz wie Scott'scher Cement und treibt dann ebensowenig wie dieser. Bei Scott's Cement, wenigstens dem aus gleichen Atomen Kalk und Gyps, wird der Nachtheil der überreichen Bindung von Hydratwasser noch durch die schon stark ausgesprochene Löslichkeil verstärkt. Indem jene zum Treiben veranlaßt und lockert, öffnet sie dem lösenden und dadurch ausfressenden Wasser die Circulation. Auch bei dem hydraulisch gebrannten Gyps macht sich diese zu große Löslichkeit bemerklich. Sobald die Güsse aus dem einen oder dem anderen über die Periode der Erhärtung frei im Wasser liegen bleiben, fangen sie an sich oberflächlich in schleimigen Brei zu verwandeln. Beim Einpressen in Glasröhren u: s. w., ebenso beim bloßen Feuchthalten statt Einlegen in Wasser, wird diese Aufweichung abgeschnitten. – Wenn diese Löslichkeit nur sehr gering ist, wie beim Portlandcement, oder durch äußere Ursachen beschränkt, wie beim bloßen Befeuchten, so wirkt sie ohne Zweifel sehr vortheilhaft. Im Inneren eines erhärteten geschlossenen Gusses, wo das Wasser nicht so frei nach außen circuliren kann, wird dasselbe alsbald eine gesättigte Lösung bilden. Diese Lösung setzt an Punkten welche dazu disponiren, von dem gelösten Material wieder ab, sättigt sich auf's Neue, setzt wieder ab und so weiter. So erfolgt ein gewisses Hin- und Hertragen des Materiales, ein Wechsel von Lösung und Absatze, bez. Krystallisiren, mit verkittender Wirkung. Bei dem gewöhnlichen Gyps der Bildgießer ist diese Lösung und Krystallisation die wesentlichste Ursache des Erstarrens sowohl, als auch des großen Zuwachses an Festigkeit während des Trocknens. Rührt man bei 150° C. entwässerten Gyps mit starkem (etwa 80procentigen) Spiritus an, so setzt er sich als Schlamm ab, ohne zu erstarren, selbst nach mehreren Tagen. Fügt man, ohne sonst etwas zu ändern, dem Spiritus 1/4 oder 1/3 Wasser zu, so erstarrt der Gyps nachträglich zu einer zusammenhängenden Masse. Der Gyps, welcher in Spiritus nicht zum Erstarren zu bringen ist, ist demungeachtet, wie man sich überzeugen kann, in Hydrat verwandelt, aber die Unlöslichkeit dieses Körpers in Wasser schließt die Krystallisation aus, welche erst durch Hinzufügen einer gewissen Menge Wasser, also bei einer gewissen Verdünnung in Wirksamkeit treten kann. Vermöge der Lockerheit des Gewebes, wie solches zu Anfang durch Zusammenwachsen der Gypstheilchen in Folge der Hydratbildung entsteht, bleibt in demselben eine große Menge Wasser als gesättigte Lösung ausgesaugt. Diese setzt während des Trocknens das Gelöste nach allen Seiten in Krystallen ab, wodurch das Gewebe sich namhaft verdichtet und festigt. Auch der Nachtheil des Treibens, welches dem Gyps stets in einem gewissen Grade eignet, wird dadurch wieder ausgeglichen. Den gewöhnlichen gebrannten Kalk pflegt man gleichsam als das typische Gegentheil eines hydraulischen Körpers zu betrachten. In der That erfolgt beim gewöhnlichen Löschen desselben anstatt der Bindung vielmehr ein Zerfahren in die äußerste Zertheilung unter mächtigem Aufquellen. Diese Erscheinung ist indessen nur in zufälligen äußeren mechanischen Ursachen bedingt und man kann den gebrannten Kalk sehr wohl, durch Wegräumen dieser Ursachen, auf rein mechanischem Wege zu einem hydraulischen Verhalten zwingen. Durch Brennen, d.h. Entfernung der Kohlensäure durch Dissociation, nimmt der Kalkstein eine in hohem Grade poröse Beschaffenheit an er saugt das Wasser kräftig ein und zwar weit mehr als die 33 Procent welche er chemisch zu binden vermag. Nun geht die Aufnahme des Hydratwassers zugleich sehr rasch, fast augenblicklich und zugleich mit einer äußerst bedeutenden Entwickelung von Wärme vor sich. Ist kein Ueberschuß von Wasser im Spiel, so kann die Erwärmung bis zum Glühen steigen; beim gewöhnlichen Löschen wird der eingesaugte Ueberschuß von Wasser sofort in Dampf verwandelt, der Kalk wird durch die plötzliche Dampfbildung im Inneren in seine Molecüle zersprengt. Daher das Aufgehen oder Gedeihen. Stucke von gebranntem Kalk, vorher erwärmt und einem Strom von Wasserdampf ausgesetzt, so daß sich kein Dampf verdichten kann, verwandeln sich ebenfalls in Hydrat, aber die Stücke bleiben ganz und behalten ihr Ansehen so vollkommen, daß die Thatsache des Ueberganges in Hydrat erst durch Analyse ermittelt werden mußte. Sie gewinnen aber nicht an Festigkeit, sondern bleiben ziemlich ebenso zerreiblich wie zuvor. Denn der gebrannte Kalk bietet in seinen Poren hinreichend Raum für das zu bindende Wasser; die Kalktheilchen, beim Uebergang in Hydrat zusammenwachsend, werden nicht nur nicht auseinandergeschoben, sondern haften auch (wegen mangelhafter Berührung) kaum fester aneinander, als vor der Bindung des Wassers. Man hat hier Umwandlung in Hydrat, zwar ohne Zerfallen und Aufquellen, aber auch ohne besondere Festigkeit oder Härte des Productes. Textabbildung Bd. 202, S. 524 Anders gestalten sich die Dinge, wenn man den gebrannten Kalk in einer Vorrichtung, wie sie nebenstehende Figur darstellt, mit Wasser zusammenbringt. Ein verjüngtes starkes eisernes Rohr a, an seinem Umfang mit einer Anzahl nadelfeiner Oeffnungen durchbohrt, ist an beiden Enden mit den Schrauben b und c verschließbar; α und β sind die vierkantigen Köpfe zum Anlegen des Schlüssels. Das Rohr ist zum Auseinandernehmen der Länge nach in zwei Hälften gespalten; um diese während des Versuches dicht schließend zu erhalten, schiebt man auf das Rohr zwei starke Ringe auf unter Antreiben, so daß sie in ungefähr gleichem Abstande zwischen die Schrauben b und c zu liegen kommen. Setzt man nun den Apparat bis auf die Schraube b zusammen, so kann man ihn durch das noch offene weitere Ende mit feinzerriebenem Kalk füllen, den man während des Füllens fest einstampft; zuletzt setzt man auf das gehäuft gefüllte Rohr die Schraube c fest auf. Legt man nun den so mit gebranntem Kalk beschickten Apparat in ein größeres Gefäß mit kaltem Wasser, so saugt er davon, so viel als ihm der Raum gestattet, langsam durch die nach unten gerichteten feinen Oeffnungen an, während die Luft perlend durch die nach oben gerichteten entweicht. Dabei findet nicht die geringste fühlbare Temperaturerhöhung statt, weil die Wärme nur allmählich entwickelt und ebenso rasch durch Eisen und Kühlwasser abgeleitet wird. Nimmt man den Apparat nach einigen Stunden auseinander, so findet man den Kalk in einen festen Stab verwandelt, der nach dem Trocknen bei 120° C. in einem kohlensäurefreien Luftstrom eine Härte besitzt, welche die der gewöhnlichen Schreibkreide übertrifft; der gebrannte Kalk ist hydraulisch erhärtet. Diese Erhärtung gelingt nicht bloß mit magerem, träge löschenden Kalk, sondern auch mit gebranntem Marmor, der sich in Wasser geworfen augenblicklich und zischend wie eine glühende Kohle löscht. Nur muß das Material staubfein, nicht körnig, eingestampft werden, damit es sich gehörig dicht legt. Eine Probe hydraulisch erhärteten weißen Marmors, im Gewicht von 1,384 Grm., verlor nach dem Trocknen durch Glühen 0,340 Grm., entsprechend 24,59 Proc.; die Rechnung verlangt für Kalkhydrat 24,32. Der Kalk hat sich mithin bei seiner Erhärtung vollständig in Hydrat umgewandelt. An der Luft nehmen in obiger Weise erzeugte Stäbe von Kalkhydrat, namentlich wenn sie nur noch wenig Feuchtigkeit enthalten, mit großer Begierde Kohlensäure auf und bilden einen künstlichen Kalkstein dessen Härte von dem natürlichen kaum übertroffen wird. Dabei zeigt der hydraulisch erhärtete Kalk keinerlei Neigung Risse zu ziehen oder zu zerfallen. Der eintretenden Kohlensäure steht ja der Raum zu Gebot, welchen das austretende Hydratwasser eingenommen hatte. Auffallender ist, daß jene Stäbe aus hydraulisch erhärtetem Kalk in. verdünnte Schwefelsäure eingelegt, auch nach mehreren Tagen weder zerklüften noch zerfallen oder erweichen, vielmehr ein dichteres Gefüge und eine größere Härte annehmen, als Alabaster oder natürlicher derber Gypsstein. Die Gesammtheit der Erscheinungen, welche die Hydraulicität ausmachen, so wie die Vergleichung dieser Erscheinungen unter einander, führen zu dem Schluß, daß jene Eigenschaft keine so specifische ist, wie man sich gewöhnlich vorstellt; im Gegentheil, Körper der mannichfachsten Art und abweichendsten Natur zeigen diese Eigenschaft, ohne daß sie dem einen oder anderen eigenthümlich angehört. Sie hängt jenen Körpern nicht so an, wie etwa dem Kalk seine Löslichkeit in Chlorwasserstoff, oder der Thonerde ihre Löslichkeit in Aetzkali, dem Eisenoxyd seine Fällbarkeit durch Ammoniak. Die Hydraulicität ist eine ganz secundäre Eigenschaft, sie ist ein mechanischer Vorgang, jederzeit allerdings von einem chemischen Vorgang, der Bindung von Hydratwasser, abhängig. Dieser chemische Vorgang kann die hydraulischen Eigenschaften, aber er muß sie nicht zur Folge haben; er ist lediglich die Gelegenheit für den mechanischen Act der hydraulischen Erhärtung. Je nach der Gunst der Umstände wird dieser mechanische Act eintreten oder nicht, wird er die Regel oder die Ausnahme, aber er ist niemals die unweigerliche Folge der chemischen Thätigkeit. Beim Portlandcement z.B. ist das Eintreten jenes mechanischen Actes durchaus die Regel, umgekehrt beim gebrannten Kalk, aber auch der Portlandcement treibt zuweilen wie der gebrannte Kalk, der sonst immer treibt (sich löscht), zuweilen hydraulisch seyn kann. Ja der mechanische Act der Erhärtung zu Stein läßt sich meist willkürlich durch Abänderung der äußeren Umstände hervorrufen oder verhindern, und dieses in einem weiten Spielraum, während die chemische Thätigkeit stets und unabhängig von dem Erfolg Platz greift, ob Erhärtung, ob Treiben oder Löschen eintritt. Nur auf den Umfang der chemischen Thätigkeit ist einiger Einfluß gestattet. Gegenüber den mechanischen Bedingungen tritt die chemische Constitution der hydraulischen Materialien stark in den Hintergrund; für die Fähigkeit hydraulisch zu erhärten, steht ihr Werth nicht in erster Linie. Dieselbe Fähigkeit kommt bloßen Oxyden wie dem Kalk, der Bittererde, sie kommt einfachen Salzen wie dem schwefelsauren Kalk, sie kommt endlich Silicaten der verwickeltsten Zusammensetzung zu, wie bei den Gemischen von Traß u.s.w. mit Kalk, bei den natürlichen hydraulischen Kalken, bei dem Portlandcement. Was die beiden letzteren betrifft, so ist man vielfach – in der gewohnten Voraussetzung die versteinernde Erhärtung als einen rein chemischen Proceß anzusehen – von der Vorstellung ausgegangen, daß ihre Hydraulicität von dem Vorhandenseyn eines bestimmten Silicates, einer Verbindung der Kieselerde mit Kalk, Thonerde, Eisenoxyd u.s.w. von bestimmter und fester Constitution bedingt sey, und hat sich viel Mühe gegeben dieses Silicat aus dem einen oder anderen Material zu isoliren. Diese Bemühungen haben schwerlich Aussicht auf Erfolg. Wenn man in Betracht zieht, welche Verschiebungen in der Zusammensetzung eines und desselben Materiales, z.B. des Portlandcementes, möglich sind, ohne seine hydraulischen Eigenschaften aufzuheben; wenn man in Betracht zieht, daß Portlandcement in Wasser erhärtend höchstens 1/19, in kohlensaurem Ammoniak erhärtend 3/4 seines Kalkes abgibt, daß er nach dem Erhärten in kohlensaurem Ammoniak über 10 mal so viel in Aetzkalilauge lösliche Kieselerde enthält, als nach dem Erhärten in Wasser; wenn man bedenkt daß mit Mineralsäuren bis zur Ausscheidung von beträchtlichen Mengen Kieselerde vorgegangen werden kann, alles dieses ohne die Erhärtungsfähigkeit auszuheben; – wenn man diese Thatsachen in Betracht zieht, so kann man nicht zweifeln, daß je nach den Umständen sehr verschieden constituirte Silicate sich bei der Erhärtung bilden und im Spiele sind. Die Bestrebung, das der Hydraulicität zu Grunde liegende Silicat zu isoliren, würde im Fall des Gelingens lediglich ein Silicat ad hoc, ein Silicat liefern, dessen Geltung nicht über den concreten Fall, nicht über die Erhärtung unter den speciellen Umständen des gegebenen Falles hinausgeht. Man hat sich eben so vieler Silicate zu gewärtigen, als es specielle Umstände und Fälle der Erhärtung gibt. Die versteinernde Erhärtung hängt offenbar nicht sowohl von dem Vorhandenseyn eines Silicates von ein- für allemal bestimmter Constitution ab, sie ist vielmehr zunächst davon bedingt daß die in verschiedenen Fällen sich bildenden Silicate verschiedener Constitution alle in der Eigenschaft übereinkommen, allmählich Hydratwasser aufzunehmen. Aber auch dann noch kommt Alles darauf an, ob die Umstände für den mechanischen Vorgang günstig sind, oder nicht.