Titel: Ueber die Erzielung einer gleichmäßigen Beschaffenheit des Bessemerstahles; von Dr. Thomas Drown.
Fundstelle: Band 203, Jahrgang 1872, Nr. LXXIII., S. 286
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LXXIII. Ueber die Erzielung einer gleichmäßigen Beschaffenheit des Bessemerstahles; von Dr. Thomas Drown. Vorgetragen im American Institute of Mining Engineers. – Aus Chemical News, vol. XXV p. 13, Januar 1872. Drown, über Erzielung gleichmäßiger Beschaffenheit des Bessemerstahles. Die Mittel, auf welche man sich zur Erzielung einer gleichmäßigen Beschaffenheit des Bessemerstahles verläßt, sind folgende: 1) die Beschaffenheit der Flamme; 2) die Beschaffenheit der Schlacke; 3) das Spectrum der Flamme; 4) die Untersuchung des Stahles selbst. Im Nachstehenden will ich einige Betrachtungen über die zwei letzterwähnten Punkte anstellen, nämlich über die Bedingungen welche die Anwendung des Spectroskops und die Untersuchung des Stahles begünstigen. Ungeachtet zahlreicher Untersuchungen besteht über die Natur der Bessemerflamme und hinsichtlich des praktischen Werthes des Spectroskops als Anhaltpunkt und Führer bei der Leitung des Processes noch Ungewißheit und Verwirrung. In Deutschland wird jetzt sehr allgemein angenommen, daß die für das Bessemerspectrum so charakteristische Gruppe von dunklen Linien von Mangan herrührt; zu Gunsten dieser Ansicht kann angeführt werden, daß nach den Versuchen von Wedding und v. Lichtenfels das Manganspectrum dem Spectrum der Bessemerflamme genau entspricht. Bei einigem Nachdenken wird es aber klar, daß, wie Roscoe kürzlich in einem Vortrage im Iron and Steel Institute ausgesprochen hat,Polytechn. Journal, 1871, Bd. CC S. 483. das Mangan allein dem Bessemerspectrum nicht zu Grunde liegen kann; denn wir beobachten dieselben charakteristischen Linien ebenso deutlich beim Bessemern von englischem Roheisen, welches im Beginne der Operation nicht so viel Mangan enthält wie deutsches Roheisen, nachdem das Frischen des letzteren erfolgt ist und die dunkeln Linien aus dem Spectrum vollständig verschwunden sind. Roscoe betrachtet die in Rede stehenden Linien als vom Kohlenstoffe herrührend, welcher bekanntlich unter verschiedenen Umständen verschiedene Spectra zeigt. Wo nun auch die Wahrheit liegen mag, so viel ist gewiß, daß das Verschwinden der Linien aus dem Spectrum mit dem Verschwinden des Kohlenstoffes aus dem Eisen gänzlich oder beinahe zusammenhält. Die Frage bezüglich des praktischen Nutzens welchen die Anwendung des Spectroskops beim Bessemern gewährt, ist jedoch glücklicher Weise von jeder Theorie der die Entstehung des Spectrums bedingenden Ursache unabhängig. Während fast alle Berichte aus Deutschland über den Nutzen des Spectroskops als Wegweiser für das Abstellen des Gebläses übereinstimmen, betrachtet man hingegen in England das Spectroskop meistens nur als ein Instrument von wissenschaftlichem Interesse, welches zwar richtig den Zeitpunkt angibt wo das Gebläse abgestellt werden muß, in seinen Angaben aber doch nicht genauer ist als die Flamme an sich für das unbewaffnete Auge des erfahrenen und geübten Arbeiters. Daß diese entgegengesetzten Ansichten in den beiderseitigen Verhältnissen begründet sind, wird aus dem Folgenden erhellen. Mit besonderer Vorliebe sprachen sich in England für die spectroskopische Beobachtung der Bessemerflamme Snelus in Dowlais und Bragge in Sheffield aus. Snelus hat mir, sagte Roscoe in seinem erwähnten Vortrag im Iron and Steel Institute, die Resultate einer Reihe von Versuchen mitgetheilt, welche einen Punkt beweisen, der mir sehr wichtig zu seyn scheint; dieser Hüttenchemiker stimmt nämlich mit mir nicht nur darin überein, daß der Entkohlungspunkt mittelst des Spectroskops genau erreicht werden kann, sondern er glaubt auch, daß es beim Beginne oder im Verlaufe des Frischens möglich ist zu bestimmen, wie lange der Proceß dauern wird; er bestimmt nämlich in der Mitte eines Blasens, daß das Frischen z.B. 18 Minuten dauern wird, worauf sich dann zeigt, daß es wirklich 18 Minuten dauerte; in einem anderen Falle bestimmt er daß es 24 oder 25 Minuten währen wird, und nach dem Schlusse des Frischens zeigt sich dann, daß es wirklich 23 1/2 Minuten dauerte, und in dieser Weise fort durch dreißig zu Dowlais und Ebbw-Vale abgeführte Versuche.“ Wenn wir aber berücksichtigen, daß ein um wenige Secunden längeres oder kürzeres Blasen auf die Beschaffenheit des erzeugten Stahles einen wesentlichen Einfluß hat, so müssen wir zugestehen daß der praktische Nutzen des Spectroskops durch diese Versuche keine große Stütze erhält. – Bragge's, von Roscoe ebenfalls angezogener Bericht beweist, daß auf den Atlas Works das Spectroskop täglich zur Bestimmung des Entkohlungspunktes benutzt wird und daß man dort in gewissem Grade mit dem Resultate zufrieden ist, besonders bei Verarbeitung von neuem Eisen. Ein mit dem englischen Verfahren des Bessemerfrischens vertrauter Hüttenmann wird bei Beobachtung der deutschen Methode sogleich durch die Thatsache überrascht, daß das Blasen weit länger dauert und die Charge viel heißer geht. Die längere Dauer des Blasens muß entweder darin begründet seyn, daß im deutschen Roheisen mehr zu oxydiren ist, als im englischen, oder darin daß die Oxydation langsamer erfolgt. Vergleicht man beide Roheisenarten mit einander, so findet man daß das englische gewöhnlich mehr Silicium, das deutsche mehr Mangan, in der Regel auch etwas mehr Kohlenstoff enthält; dieser Unterschied ist jedoch nicht groß genug, um eine bedeutende Differenz in der Dauer des Frischens zu erklären. Wir müssen daher die Ursache des erwähnten Unterschiedes in einer langsamer erfolgenden Oxydation suchen, welche von der Windpressung und der Anzahl und Weite der Formen abhängt. Die Pressung des Gebläsewindes ist in allen Ländern ziemlich die gleiche weil die Höhe der Eisensäule im Converter allgemein fast dieselbe ist; die Anzahl der Formen ist hingegen sehr verschieden. Aus den nachstehenden Beispielen ist der Unterschied der englischen und deutschen Praxis in dieser Beziehung klar ersichtlich: Fassungsraumder Birne,Tonnen. Anzahl derFormöffnungen. Weitederselben,Zolle. Gesammt-Querschnittderselben.Quadratzolle. Königshütte 3   49 1/4   2,40 Neuberg 3   49 1/3   4,27 Zwickau 3   42 2/5   5,12 Heft 2   42 1/3   3,66 Crewe 5 144 3/8 15,59 Dowlais 5 156 3/8 17,22 Reduciren wir die Anzahl der Quadratzolle des Querschnittes für jedes Beispiel auf 1 Tonne Fassungsraum, so erhalten wir für Königshütte    0,80 Neuberg 1,43 Zwickau 1,71 Heft 1,83 Crewe 3,18 Dowlais 3,44 In Harrisburg und Troy haben wir 120 Formöffnungen von 3/8 Zoll Weite in Convertern von 5 Tonnen Fassungsraum, deren Querschnitt im Ganzen 13,25 Quadratzoll, also per Tonne Fassungsraum 2,65 Quadratzoll beträgt, was ungefähr das Mittel zwischen der deutschen und englischen Praxis ist. Aus diesen Beispielen ersehen wir, daß die relative Menge des der Birne zugeführten gepreßten Windes in England fast doppelt so groß ist als in Deutschland und dieß erklärt uns, weßhalb die Dauer des Blasens in letzterem Lande eine viel längere seyn muß. Was die ursprüngliche Ursache der Einführung einer geringeren Anzahl von Formen in Deutschland gewesen seyn mag, weiß ich nicht; daß aber diese Thatsache einen wichtigen Einfluß auf den Nutzen des Spectroskops hat, läßt sich bei einigem Nachdenken nicht verkennen. Das spectroskopische Anzeichen der vollständigen Entkohlung des Eisens ist das Verschwinden der charakteristischen Linien aus dem Spectrum. Wenn im letzten Stadium des Processes die Oxydation des Kohlenstoffes sehr rasch vor sich geht, wie in England, so kann das Verschwinden dieser Linien fast augenblicklich stattfinden, und kein besseres Anzeichen für die Beendigung des Blasens liefern, als das Zusammensinken der Flamme, womit es coincidirt. Wenn hingegen die Oxydation verhältnißmäßig langsam erfolgt, wie in Deutschland, so verblassen die Linien allmählich und nach dem Grade der Deutlichkeit derselben läßt sich der Grad der Entkohlung beurtheilen. Es ist eine verhältnißmäßig nur geringe Erfahrung erforderlich, um die Grenze bis zu welcher die Entkohlung gediehen ist, nach dem Grade der Deutlichkeit der charakteristischen Linien im Spectrum mit großer Genauigkeit bestimmen zu können. Wenn auch ein durch die Praxis geübtes Auge im unbewaffneten Zustande ebenso richtig urtheilen wird, wie ein mit einem Spectroskop bewaffnetes, so muß doch größere Genauigkeit und Einfachheit der Arbeit erzielt werden, wenn man sich ausschließlich auf die Angaben des Spectrums verläßt, vorausgesetzt daß die Oxydation nicht zu rasch vor sich geht. Bei Anwendung einer sehr großen Anzahl von Formen läßt sich überdieß gegen das Ende des Processes die Windmenge dem zu oxydirenden Kohlenstoff- und Siliciumgehalte nicht genau anpassen. Es ist leicht einzusehen, daß wenn die zurückbleibende Menge dieser Elemente sehr gering ist, dieselben nicht im Stande sind, das Eisen in Gegenwart einer großen Windmenge vor Oxydation zu schützen. Ob die Hitze der Charge mit der Zuverlässigkeit der spectroskopischen Angaben in irgend einer Beziehung steht, läßt sich nicht mit Bestimmtheit behaupten; es läßt sich aber mit Grund annehmen, daß die Beobachtungen um so befriedigender ausfallen, je höher die Temperatur ist. Bleichsteiner auf Maximilianshütte in Bayern hat nämlich beobachtet, daß bei heißen Chargen mit vielem Rauch, welcher sich aus sehr manganhaltigem Roheisen entwickelt, das Bessemerspectrum vor der vollständigen Entkohlung verschwand; wogegen bei kalten und nicht rauchenden Chargen das Verschwinden des Spectrums und vollständige Entkohlung coincidirten. Die Thatsache, daß die Hitze der Charge bei dem deutschen Verfahren größer ist, als bei dem englischen, habe ich besonders in Zwickau beobachtet, wo die Flamme im letzten Stadium des Blasens einen so intensiven Glanz besitzt, daß gefärbte Brillen zum Schutze der Augen fast unerläßlich sind. Die Ursache der in Deutschland erreichten höheren Temperatur ist etwas dunkel. Im Allgemeinen lassen sich als Quellen der Hitze beim Bessemerfrischen aufführen: 1) Die anfängliche Hitze des Metalles im Converter, welche von der Temperatur des Roheisens beim Ausfließen aus dem Kupolofen, und von der Temperatur des Converters abhängig ist. 2) Die durch die Oxydation des Siliciums erzeugte Hitze, welche nach Jordan Jordan, über Darstellung des Gußstahles durch Frischen von Roheisen mittelst Erhitzung durch intermoleculare Verbrennung; im polytechn. Journal, 1870, Bd. CXCVI S. 225. für jedes durch atmosphärische Luft zu Kieselsäure oxydirte Kilogramm Silicium 6382,4 Wärmeeinheiten beträgt. 3) Die Oxydation von Eisen, gleich 757 Wärmeeinheiten für jedes zu Oxydul verbrannte Kilogramm Eisen. 4) Die Oxydation von Mangan zu Oxydul, nach Jordan wahrscheinlich ebenso viele Wärmeeinheiten betragend wie beim Eisen. 5) Die Oxydation von Kohlenstoff zu Kohlenoxyd, in welchem Falle für den Proceß per Kilogrm. Kohlenstoff nur 475,2 Wärmeeinheiten verfügbar werden. Die Hauptquelle der Steigerung der Hitze bei dem Processe ist demnach die Verbrennung des Siliciums,Troost und Hautefeuille haben die bei der Verbindung des Siliciums mit dem Sauerstoff sich entwickelnde Wärme bestimmt, man s. polytechn. Journal Bd. CXCVI S. 55. Dieselben bemerken über das Verhalten des siliciumhaltigen Roheisens beim Bessemerfrischen: „Das noch immer vielseitig als eine Verunreinigung des Roheisens betrachtete Silicium hat jetzt unter den unentbehrlichsten Bestandtheilen der zum raschen Verfrischen (nach dem Bessemerprocesse) auf Gußstahl bestimmten Roheisensorten eine Stelle eingenommen. Der hitzigere Gang des Converters, die höhere Steigerung der Temperatur in demselben, scheint durch einen größeren Siliciumgehalt des Roheisens bedingt zu seyn. Das Silicium entwickelt (nach den Resultaten unserer Versuche) bei seiner Verbrennung im Converter dreimal so viel Wärme als dieselbe Gewichtsmenge Kohle bei ihrer Umwandlung in Kohlenoxydgas. Die Temperatursteigerung im Converter ist um so größer, da bei der Verbrennung des Siliciums Kieselsäure, also ein feuerbeständiger Körper entsteht, welcher im Apparat zurückbleibt, während die Verbrennung der Kohle ein gasförmiges Product gibt, das bei seinem Entweichen einen Theil der entwickelten Wärme aus dem Converter entführt.“ Anm. d. Red. von welchem das englische Roheisen viel mehr enthält als das deutsche. Dem Mangan kann nicht viel Einfluß beigemessen werden, da es lediglich das Eisen in der Schlacke ersetzt, und da wir die thermischen Wirkungen der Oxydation von Mangan und Eisen gleich angenommen haben. Bei Befolgung der englischen Praxis, mit einer großen Anzahl von Formen zu blasen, dürfte wohl Luft austreten können, ohne daß der Sauerstoff derselben gänzlich absorbirt ist; denn der Stand des flüssigen Eisens in der Birne würde nur 12 bis 14 Zoll hoch seyn, wenn es sich im Zustande der Ruhe befände, und dasselbe wird durch einen Windstrom mit solcher Gewalt bewegt, daß es oft zum Theil aus der Convertermündung herausfliegt. Die auf diesen Punkt bezüglichen Versuche von Snelus in DowlaisSnelus, über die Zusammensetzung der im Bessemerconverter während des Blasens sich entwickelnden Gase; im polytechn. Journal, 1871, Bd. CCII S. 145. stützen jedoch diese Ansicht nicht. Er untersuchte die aus dem Converter während eines Frischens von 18 Minuten Dauer bei 2, 4, 6, 10 und 12 Minuten nach dem Beginne entweichenden Gase, fand aber keinen freien Sauerstoff in denselben, welcher also vollständig absorbirt worden war. Da indessen der Versuch nicht ursprünglich in der Absicht angestellt worden war, diesen Punkt festzustellen, so ist es möglich daß die Bedingungen in Bezug auf Windmenge und Windpressung nicht der Art waren, wie ich vorausgesetzt habe. Je rascher die Oxydation unter sonst gleichen Verhältnissen fortschreitet, desto höher wird natürlich die erzeugte Temperatur seyn. Wenn daher erwiesen werden sollte, daß die Grenze des Querschnittes der Formmündung nicht überschritten wurde und daß der Sauerstoff des Gebläsewindes selbst in den erwähnten äußersten Fällen vollständig absorbirt wird, so müßte das englische Verfahren beim Bessemerfrischen für die Erzeugung einer hohen Temperatur günstiger seyn, als die deutsche Methode. Abgesehen von diesen Betrachtungen, ist es unbestreitbar, daß aus einer sehr hohen Temperatur im Converter viele große Vortheile sich ergeben, von denen einer der wichtigsten die zum Probiren des Stahles vor dem Gusse dargebotene Gelegenheit ist. Ungeachtet der großen Erfahrung welche in der Leitung des Bessemerprocesses bereits erlangt wurde und trotz der großen Hülfe, welche die Benutzung des Spectroskops gewährt, muß man dennoch zugeben, daß absolute Gewißheit hinsichtlich der Qualität des erzeugten Stahles nur durch Untersuchung des Stahles selbst gewonnen werden kann. In Zwickau, wo man den Proceß ohne den gewöhnlichen Zusatz von Spiegeleisen oder einer anderen Form von Roheisen ausführt, wird das Gebläse abgestellt, sobald das Spectrum anzeigt daß die Entkohlung eine hinreichend vollständige ist. Dann wird in den Converter ein langer Eisenstab eingeführt, an welchem sich eine Quantität Schlacke anhängt, worin Metallkügelchen zerstreut liegen. Nach dem Herausziehen wird der Stab sofort in kaltes Wasser getaucht, worin er bis zum Erkalten bleibt. Die Metallkügelchen werden von der Schlacke getrennt und dann unter dem Hammer auf ihre Härte und Schmiedbarkeit geprüft. Je nachdem diese Probe genügend ausfällt oder nicht, wird der Stahl entweder nach hinlänglichem Erkalten in die Gießpfanne ausgegossen, oder der Converter wird wieder aufwärts gedreht und das Blasen eine oder zwei Secunden lang fortgesetzt. Durch dieses System wird eine vollständige Gleichmäßigkeit des Productes erzielt. Daß dieses Resultat dadurch ermöglicht wird, daß man die Temperatur im Converter viel höher hält, als zum Gießen bloß nothwendig ist, zeigt den praktischen Werth hoher Hitzen. Ob der Vortheil der Gleichmäßigkeit des Productes aber durch die kürzere Dauer des Converterfutters mehr als ausgeglichen wird, ist eine Frage welche vom Standpunkte des Hüttenhaushaltes aus entschieden werden muß.