Titel: Versuche über die Torsion bis über die Elasticitätsgrenze hinaus; von H. Tresca.
Fundstelle: Band 203, Jahrgang 1872, Nr. LXXXIX., S. 354
Download: XML
LXXXIX. Versuche über die Torsion bis über die Elasticitätsgrenze hinaus; von H. Tresca. Tresca, Versuche über die Torsion bis über die Elasticitätsgrenze hinaus. Anfang 1870 hat Tresca mit einer hydraulischen Presse Versuche angestellt, um die Erscheinungen bei über die Elasticitätsgrenze hinausgehenden Verdrehungen und die Formänderungen bei Körpern kennen zu lernen, welche durch eine hinreichend große Formänderung jeder elastischen Reaction beraubt würden. Die Versuche wurden anfangs, d.h. für die kleinsten Torsionswinkel ϑ (für die Längeneinheit), nach der Formel Pp = Gϑ I₀ = π Gϑ  r⁴/2, hiernach und für die größten Torsionswinkel nach der Formel Pp = 2/3 π K r³ interpretirt, welche aus der Hypothese, daß der Widerstand gegen das Verschieben (auf den sich der Coefficient G bezieht) unabhängig sey von dem Betrag vorhergegangener Verschiebungen, abgeleitet worden ist, zuletzt aber nach einer zwischen liegenden Formel: Pp = 2/3 π K r³ – K¹/ϑ³, welche zugleich der noch unveränderten Elasticität der Centralzone des der Verdrehung unterworfenen Cylinders vom Halbmesser r, dem Zustand der Fluidität in der äußeren Zone und auch der bereits geänderten Elasticität in der zwischen diesen beiden Zonen gelegenen mittleren Zone Rechnung zu tragen gestattet. Einige von den Versuchskörpern wurden nach der Verdrehung in einer Meridianebene aus einander geschnitten, und die Curven welche in dieser Ebene durch Oxydation entstanden, gestatteten alle Umstände der Formänderung zu studiren. Diese Versuche führten zu folgenden Schlüssen: 1) Die verdrehten Körper folgen jenseits der Elasticitätsgrenze noch denselben Gesetzen, wie innerhalb dieser Grenze, indem sich so jede elementare Längsfaser in einer sehr regelmäßigen Schraubenlinie von sehr kleiner Ganghöhe krümmen kann. 2) Die Torsionserscheinungen lassen sich durch eine Formel ausdrücken, welche zugleich den in jenen erwähnten drei verschiedenen Zonen auftretenden Molecularwirkungen Rechnung trägt, von denen die beiden äußersten den Grenzen der Elasticität und der Fluidität entsprechen, während für Formänderungen in der Zwischenzone der Coefficient K' eingeführt wurde. 3) Der Fluiditäts-Coefficient K für das Verdrehen des Eisens kann pro 1 Quadratmeter auf K = 28,81 . 10⁶ geschätzt werden, was dem Bruchcoefficient dieses Metalles ziemlich nahe kommt. Der Coefficient K' ist dann = 58 . 10⁴. 4) Die entlang der Achse abgehobelten und dann oxydirten Versuchskörper zeigen, wie die zusammengeschweißten einzelnen Schichten, auch über die Elasticitätsgrenze hinaus, nach den Gesetzen, auf welche die Theorie der Torsion sich stützt, ihre Form ändern. 5) Die schönen Flächen, welche diese durch Oxydation erzeugten Curven bilden, lassen die Formänderungen bis in's Einzelne verfolgen, und die regelmäßige Lagerung dieser Schraubenflächen scheint darauf hinzudeuten, daß man in ihrer Verschlingung ein ausgezeichnetes Mittel finden könne, um die Fasern des Eisens weniger unabhängig von einander zu machen, indem man die Stäbe, welchen man eine ausnahmsweise Güte ertheilen will, vor dem letzten Auswalzen einer starken Torsion unterwirft. (Comptes rendus, t. LXXIII p. 1104; polytechnisches Centralblatt, 1872 S. 160.)